Jakob Wassermann
Der Fall Maurizius
Jakob Wassermann

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8

Maurizius verstummt. Die bläulich-weiße Stirn vibriert schwach wie Milchhaut vor dem Kochen, der Adamsapfel steigt schluckend auf und ab. Herr von Andergast sitzt in granitener Unbeweglichkeit auf dem Stuhl. Es sieht aus, als schlafe er. Er ist aber so weit davon entfernt, daß ihm die Pause, die der Sträfling hat eintreten lassen, zur Ewigkeit wird.

»Das Neue«, fängt Maurizius alsbald wieder an, »zeigte sich zunächst darin, daß es mit dem Schlafen aus war. Ich verfiel und kam von Kräften. Das Nichtschlafenkönnen hatte seinen Grund in unaufhörlichem Bohren in der Vergangenheit. Nicht mehr mit Wenn und Hätte diesmal. Es waren lauter Auseinandersetzungen mit Menschen, Rechtfertigungen, Zurredestellungen, Abrechnungen, beständiges, nächtelanges, tagelanges Grübeln über die Ursache von bestimmten Worten, Geschehnissen und Handlungen, über die wirkliche und wahre Beschaffenheit von dem Soundso und der Soundso, über die Illusionen, die ich mir über den und den gemacht, die Fehler, die ich bei der und der Gelegenheit begangen, das Unrecht, das mir der und der angetan, das ich dem und dem zugefügt, und die betreffende Person stand dann leibhaftig vor mir da, ich haderte mit ihr, erinnerte an vergessene Tatsachen, brachte die scharfsinnigsten Argumente vor, und das drehte sich um und um und weiter und weiter wie ein Rad, das den Abhang hinuntersaust. Bald stritt ich mich mit einem Drucker, der mich, vielleicht vier Jahre vorher, übers Ohr gehauen, bald nahm ich mir einen Kommilitonen vor, irgendeinen unbedeutenden Burschen, der mich verleumdet hatte. Einmal war's ein hitziger Diskurs mit einem Kollegen von der Fakultät, den ich wegen seines stumpfsinnigen Klassizismus angriff, ein andermal ein Renkontre mit einer Geheimrätin, die meinen Gruß nicht erwidert hatte und der ich Wahrheiten über ihren Kastendünkel und ihren Snobismus ins Gesicht sagte, wie ich sie in Wirklichkeit natürlich nie zu sagen mich getraut hätte. Oder das: Ich kränkte mir das Herz ab, sechs Jahre nachdem es geschehen, über den Verrat, den mein bester Jugendfreund an mir verübt hatte, und sprach mit ihm, hielt ihm alles vor, und er sah seine Niedertracht ein und bat mich um Verzeihung. Umgekehrt wieder entsann ich mich, wie ich selber Verrat und Untreue begangen, besonders eine junge Frau kam mir nicht aus dem Sinn, der hatte ich übel mitgespielt, und ich bot alle Beredsamkeit und Seelenkraft auf, um sie zu versöhnen. Es war eine gewisse vorsätzliche Selbstschonung dabei, daß es anfangs immer um fremde oder fremdgewordene Menschen ging, ich beschäftigte mich je intensiver mit ihnen, je mehr ich spürte, daß ich dadurch die andern, die nahen, von mir abhalten konnte. Aber es ließ sich auf die Dauer nicht verhindern. Ich gewann noch Zeit durch die Verhöre, in die mich der Untersuchungsrichter gezogen, die könnt ich oft Frage für Frage reproduzieren, das nahm Stunden und Tage in Anspruch, schließlich vermocht ich alles zu meinen Gunsten zu wenden, indem ich den Mann durch meine Erklärungen und Einwände dermaßen stutzig machte, daß er zugab, die Verdachtsgründe seien hinfällig geworden. Das genoß ich dann wie einen Sieg und war ganz aufgeregt vor Freude. Aber in dieser Freude fiel mir etwa mein Benehmen gegen den Vater ein, wie roh und undankbar ich gewesen und wie er sich darüber gehärmt haben mußte, da macht ich ihm allerhand Geständnisse und beschloß, ihm zu schreiben, dachte mir auch einen viele Seiten langen Brief an ihn aus, der ihm begreiflich machen konnte, daß ich in einer Zwangslage war . . . Immer noch Entschuldigungen, immer noch Selbstberäucherungen, immer noch der Alte . . . Aber jetzt trat Elli dazwischen und hielt mir vor, was ich mir noch nicht vorzuhalten gewagt, meine von Grund auf verlogene Natur, da rang ich mit ihr um ein wenig Gnade, fand aber keine Gnade, bettelte um Liebe, fand aber keine Liebe, da nützte keine Reue und Zerknirschung, wenigstens anfangs nicht, später wurde sie milderen Sinns, ich konnte ihr alles vorstellen und mich von den ärgsten Vorwürfen reinigen, ja einmal weinte sie sogar, und einmal spielte sich ein aufregendes Drama zwischen uns ab, nach einer gräßlichen Szene hatte sie sich im Bad die Adern geöffnet, ich stürzte zu ihr, sie lag in der Wanne, schon still, das Wasser ganz rot, und zwischen ihren Schenkeln kniete mit einem runden Spiegel in der Hand mein Töchterchen Hildegard und sah mich mit aufgerissenen Augen an, als merke sie jetzt, was ich für ein Mensch sei. Keine Träume, Herr, ich erzähle Ihnen da keine Träume. Aber was denn? werden Sie fragen . . . was denn, wenn ich zum Beispiel Gregor Waremme gegenüberstand und ihm so lang mit Beschwörungen und Beweisen zusetzte, bis er zusammenbrach und ich das Gefühl hatte: jetzt bist du erledigt, Satan . . . was denn? was denn? Eine Orgie des Treppenwitzes, das vielleicht, ein Pandämonium des Nichtgesagten, Nichtgetanen, Zuspätgesagten, Zuspätgetanen, Gewünschten, Gefürchteten, alles dessen, woran man hintennach verblutet und erstickt, wahre Wirklichkeit und scheinende Wirklichkeit ineinander verworren, das Gesetz des Geschehens mit kasuistischer Leidenschaft aus dem Verlauf des Geschehens gehoben und umgekehrt zu lesen wie Spiegelschrift. Obwohl das alles ungefähr vom Mai bis in den September gedauert hatte, war die wichtigste Person noch nicht zur Erscheinung gekommen . . . Ich sage Erscheinung, denn in Gedanken hatte ich sie natürlich oft gestreift, den Namen oft gedacht, er war ja wie der Tragbalken, der das Ganze hielt, erst das Lügenleben, jetzt das Sühneleben, aber es war mir gelungen, ihn zu verschleiern. Mit unsäglicher List hatte ich's fertiggebracht, dem Bild auszuweichen, ich hatte so große Angst davor, es zu sehen und festzuhalten, daß ich mich mit wahrer Wut in die gleichgültigsten Erinnerungsvorgänge stürzte und sie aufbauschte, bis mein Gehirn einem brennenden Karussell glich. Vergebliche Mühe. Als die Nächte länger wurden, als der Winter kam, da . . . Plötzlich brach es über mich herein, von einer Stunde zur andern. Ich will mich nicht schämen. Ich habe mir vorgenommen, alles zu sagen. Es ist über das hinaus, was Scham zu sagen verbietet, es hat damit nichts mehr zu tun. Wer weiß, ob ein anderer je in die Lage kommt, so daß ihm nichts mehr an dem liegt, wie seine Worte auf ihn zurückwirken oder von andern beurteilt werden, nur an dem, daß es einmal heraus muß aus der unterirdischen Kammer, aus dem Grab heraus, wer weiß, ob auch bei mir die Stunde wiederkommt, das ist nicht so sicher, mir ist zumut, als wäre demnächst alles abgeblendet und ich wüßte dann selber nicht mehr so Bescheid. Sichbekennen ist ein Erleuchtungszustand, bei dem man sich nicht mehr lieben, nicht mehr hassen darf. Also das ging so mit Anna und ihrem Erscheinen . . . Zuerst war sie die Anna, das Mädchen, das Weib, das ich gekannt, das mir . . . na, wozu das, ich denke, Sie verstehen. Sie kam in einem Kleid mit Rüschen oder Spitzen, mit ihrer schönen Frisur, in dem blauen oder grauen Schal, ich kannte ja das auch so genau, es war alles so schön, so einzig. Die Augen, der Mund, die Haarfarbe, die Lippen, und wie sie bisweilen eckig die Hand bog und wie sie fünf flinke Schritte machte, dann auf einmal zwei langsame, wie sie das linke Lid ein wenig einkniff, wenn sie lächelte, und wie sie das Kinn in die Höhe schob, wenn sie eine Frage an einen richtete, und wie sie beim Nachdenken die Wange in die Hand schmiegte . . . Alles das, das einzige, nur ihr eigene, das Annahafte . . . Und da wußte ich: nie mehr. Du kannst das nie mehr sehen. Du wirst das nie mehr sehen. Nie mehr. Sie lebt, sie geht in einem Zimmer herum, sie spricht mit Menschen, sie schmiegt die Wange in die Hand, schiebt fragend das Kinn in die Höhe, sie trägt das Kleid mit den Rüschen: du wirst es nie mehr sehen. Sie kennen vielleicht das Gedicht von Poe: »Der Rabe«, jede Strophe schließt mit dem Refrain: Nimmermehr. Krächzt der Rabe: nimmermehr. Ich sagte es jeden Tag vor mich hin: Krächzt der Rabe: nimmermehr. Nun schleppt ich ja eine unverlöschliche Hoffnung in mir herum. Daß alles einmal an den Tag kommen, daß ich wieder rein in der Sonne dastehn würde. Aber sobald mir Annas Bild erschien, zerflossen die Hoffnungen sofort in Dunst, und ich wußte mit tödlicher Klarheit: nie mehr. Da meine ganze Existenz noch immer zu ihr hinüberfloß, konnte mir das Bild nicht lügen, also log die Hoffnung. Aber damit fand ich mich ab, solang noch das war, diese . . . diese Sehnsucht . . . ach, das besagt nichts: Sehnsucht. Dafür gibt es kein Wort. Es ist die Qual aller Qualen, das Absterben ohne Tod. Man glaubt, man könne es nicht einen Tag, nicht eine Viertelstunde mehr aushalten, die Türen müssen sich auftun, jetzt, in der Sekunde, die Zeit, die vergeht, ist nicht wahr, wenn du morgen nicht zu ihr hinkannst, wird dir das Hirn zerplatzen, die Mauern und Riegel und Tore sind nicht, und doch, großer Gott: sie sind! In irgendeiner Stadt, in irgendeinem Haus lebt sie, atmet, denkt, schläft, und hier: nie mehr. Es begreift sich nicht, Herr. Freilich, Sie werden einwenden: die Schuld. Schuld hatt ich wahrhaftig genug aufgehäuft. Mensch scheidet sich vom Menschen durch die Schuld. Weib vom Mann. Das Gericht ist ergangen, wenn auch für die falsche Schuld, aber verdammt bist du für deine, vielleicht war sie schwerer, als du weißt. Begreifst du's nicht, so trag's unbegriffen. Aber das gilt alles nur für eine gemessene Zeit. Opferglut und Ekstase können nur so lange dauern, wie man das Sehnsuchtsbild festhalten kann. Auf einmal bäumt sich das Tier im Fleische dawider auf. Warten, warten: Es geht nicht weiter. Da kriegt das Tier die Oberhand, und man ist nicht mehr verantwortlich für das, was geschieht. Das Sehnsuchtsbild erlischt. Anna ist nicht mehr Anna. Es ist kein liebendes Bewußtsein mehr da. Euer Richtspruch scheidet Mann vom Weib, die Einrichtung macht die Natur in einem zur Bestie. Die Verzweiflung gebiert das heimliche Laster. Die Einrichtung sagt: was soll ich tun? ich kann nicht helfen. Zu denken, wie es da unten zugeht, bei denen, die kein Sehnsuchtsbild zu verlieren haben. Sie besitzen nur, was das Gedächtnis der Sinne aufbewahrt hat, Dirnenbilder, die zerfleischen sie. Lustmörder alle miteinander. Ich habe Entmenschungen gesehen . . . oh! Auch ich hatte schließlich keine Gewalt mehr darüber. Das Sehnsuchtsbild zersplitterte wie Holz unterm Beil. Aus Begriff und Erinnerung wuchsen Schatten, aus Schatten Leiber, Frauen, Frauen, Frauen, keine hatte ein Gesicht, nur Brust, Bauch, Schenkel, warme Haut, kitzelndes Haar, etwas Betäubendes von purem Geschlecht, das einen anfiel wie glühender Regen und das Blut in dicken Schleim verwandelte, den Gaumen in ein Stück Leder, das Haar in eine Schweißhaube. Keine Ruhe, es jagt einen durch die Zelle bei Tag und bei Nacht, legt man sich einen Augenblick hin, so sieht man . . . daneben verblaßt alle gemalte und gezeichnete Unzucht, an denen sich die Wollüstlinge delektieren, daneben sind die berühmten Versuchungen des heiligen Antonius Illustrationen für eine Hauspostille. Der hatte doch aus seinem Schicksal rausgekonnt, da war Verzicht, welcher Mensch kann von sich behaupten, daß er endgültig Verzicht leistet, es ist immer noch ein Vorbehalt dabei, er kann . . . mit einem Wort, er kann die Tür aufmachen. Aber hier? Bedenken Sie doch: ich war noch nicht dreißig. Hätten sie mich doch kastriert. Noch nicht dreißig und lebendig verscharrt. Alles wird zum Begattungsakt und erregt sexuelle Tobsucht, wenn sich zwei Wolken am Himmel einander nähern, wenn der Zimmermann in der Werkstatt die Balken ineinanderfügt, der Schlüssel, den der Wärter ins Loch steckt, der Grashalm, der aus einer Ritze sprießt, die eigene Zunge, wenn sie die Lippen feuchtet, das lateinische H auf einem Buchtitel, der Stöpsel in der Flasche. Dazu kommt, daß es so schauerlich vervielfacht ist in solchem Haus, man spürt, wie jeder auf demselben Rost geröstet wird, die Miasmen von den fünfhundert scheußlichen Bluträuschen wirken ärger auf den Geist als verworfenste Ausschweifung. Der Ekel, der finstere, wüste Ekel! Wie man sich nichts mehr wert ist. Wie alle Idee versandet und verkrustet. Wie das Herz ausdörrt zu einem schmierigen Schlauch. Ahnt einer das draußen? Unmöglich. Sonst könnte kein Kind, das ihr erzeugt, mehr fröhlich spielen, keine junge Braut könnte sich ins Hochzeitsbett legen, ohne vor Grauen und Abscheu zu erfrieren. Natürlich, auch diese Zustände haben ihre Klimax und ihren Abfall. Bei mir dauerte es etwa, lassen Sie mich nachrechnen . . . so an anderthalb Jahre. Ich weiß nicht, ob Sie annähernd erfassen, was das bedeutet, anderthalb Jahre, erstens überhaupt, und dann in solcher Zehn-Quadratmeter-Hölle. Jede Zeitangabe negiert eigentlich die Zeit. Nachher kommt so was wie ein eitriger Stumpfsinn. Hingeschlagensein, daß man einfach das Gefühl hat, man könnte sich auseinandernehmen wie eine Baukastenfigur, da der Kopf, eine Meile weit weg die Beine. Das dauert abermals ein paar Monate. Da fängt man dann wieder an zu schlafen, eine neue Art Schlaf, die man noch nicht gekannt. Man . . . ich spreche selbstverständlich immer nur von mir. Das Unpersönliche ergibt sich daraus, daß man bloß ein Exemplar ist, Nummer. Oft frag ich mich, ob sich nicht zwischen mir und meiner Kontur noch was anderes befindet, ein Auflösungsprodukt, was gräßlich Totes, verrückt, nicht? Der Schlaf, den ich meine, hat eben das an sich, das Konturlose, als ob man sein Volumen eingebüßt hätte, als wäre man geronnen, zu was Knödligem zusammengeschrumpft, zu was Aasigem. Man riecht sich selber aasig, verstehen Sie? In den Schlaf hinein dringt das. Als ich es überstanden hatte, ist's nicht toll, daß alles wirklich vorübergeht, v-o-r-ü-b-e-r geht? nicht schauerlich? Als ich das überstanden hatte, begriff ich langsam, daß ich in meiner Zelle seit Jahr und Tag alleine war. Wie, frug ich mich, alleine? wo sind denn die andern? wo sind die Menschen? wo ist die ganze Welt? Es war geradezu, als erwacht ich aus einem Tod. Wo sind die Menschen? Ich fürchtete mich vor dem Leeren. Ich fürchtete mich vor der Einsamkeit und dem Alleinsein. Ich begann mit mir selber zu reden. Ich ertappte mich dabei, wie ich halbe Stunden lang immer denselben Satz vor mich hinsagte. Die mechanischen Beschäftigungen, die man mir gab, nützten nichts. Ich hätte ebensogut meine Finger der Reihe nach in den Mund stecken können. Um diese Zeit bewarb ich mich um Bücher. Ich bekam Bücher, durfte schreiben. Das half. Es half für acht Monate. In den acht Monaten verrichtete ich geistige Arbeit. Ich erlebte was Sonderbares. Anscheinend war's genau die gleiche Arbeit wie früher, genau wie im Leben draußen, ich gebrauchte die gleichen Worte, schrieb denselben Stil, folgte denselben Vorstellungen und zog die nämlichen Schlüsse. Es war aber alles nur in der Hand. In Wirklichkeit war alles mumifiziert. Als hätte man einen Automaten hingesetzt, der den wirklichen Leonhart Maurizius peinlich genau kopierte. Es war kein Atem drin, keine Seele drin. Wenn ich's las und wieder las, war nichts dagegen einzuwenden; die Anlage war gut, die Gedanken waren logisch, manchmal sogar ganz originell, das Gedächtnis funktionierte tadellos, und lange Zeit wußt ich nicht, was mich so unbehaglich berührte, bis ich endlich dahinterkam, daß es Kontrefasson war. Maurizius spielt Maurizius. Was Unheimlicheres kann man sich nicht denken. Spielt mit den Kenntnissen und Erträgnissen aus einer andern Existenz, tut, als glaube er noch an sie, nimmt ihre Ausdrücke und Wendungen, ihre Leitsätze und wissenschaftlichen Prinzipien für wahr und lebendig, obgleich es lauter Kadaver sind, die nur künstlich zucken, wenn er einen Ernst und einen Fleiß für sie aufwendet, von denen er innerlich weiß, daß sie zu nichts mehr dienen, als eben sich was vorzumachen. Nichts mehr wirklich da. Es war so unsinnig traurig, daß ich mich fest zusammennehmen mußte, um das tägliche Pensum abzuspulen, schließlich ist ja auch was zustande gekommen, wenn auch ein totes Präparat. Kennen Sie die zähe, schuldvolle Langeweile, die einen ergreift, wenn man etwas hervorbringt, das nur dem Betrieb in uns sein Dasein verdankt und nicht dem Trieb? Es ist, als hätten wir Gott belogen. Eines Tages gings nicht mehr. Ich erinnere mich, es war am Karfreitag 1913. Da stand ich auf und schmiß die Feder in den Unratkübel. Schluß, sagte ich, Schluß; und mir wurde so schlecht, daß ich mich erbrach. Dann ging ich ein paar Tage in der Zelle herum, als müßte ich was suchen. Dann begann wieder das Zu-mir-selber-Sprechen. Dann fing ich an, mein Ohr an die Mauer zu drücken und zu horchen. Ich gab Zeichen, ich pochte an den Stein und lauschte. Die Zeichen wurden erwidert, aber ich wußte nicht, was sie bedeuteten. Ich sang Lieder, der Inspektor kam und verwies mir das Singen. In der Nacht hämmerte ich mit den Fäusten auf das eiserne Bettgestell, bisweilen marschierte ich im Finstern auf und ab und rief Namen, Christoph, Johann, Max, immer dieselben Namen, und stellte mir Menschen vor, irgendwelche Menschen, die Christoph, Johann oder Max hießen. Die Zelle wurde enorm wie ein Saal, gleich darauf eng wie eine Konservenbüchse, die Decke war unmittelbar über meinem Schädel, der Fußboden stockwerkstief drunten, so daß ich wie ein Strangulierter in der Luft baumelte. Sehen Sie einmal: Wahnsinn hat alle Möglichkeiten vor sich, Sinn nur eine einzige. Ich beschäftigte mich damit, herauszubringen: wieviel Radiuslinien hat ein Kreis? wieviel Sterne sind am Firmament denkbar? könnte man den ganzen Homer auf die Innenfläche der Tür schreiben? Und ich rechnete, kalkulierte, endlos. Ich versuchte die Fasern in der Wolldecke zu zählen, die Fliegenschisse auf der Fensterscheibe, die Reiskörner in der Suppe. Ich sagte das Vaterunser von hinten nach vorn auf und probierte das gleiche mit der Glocke von Schiller, tagelang, bis ich vor Angst, toll zu werden, wie ein Hund heulte. Immer hört ich's klirren, von überallher hört ich Schritte. Als es Winter wurde, so gegen Ende November, Sie dürfen sich nicht wundern, daß ich immer die Daten anführe, ich muß chronologisch vorgehen, damit ich den Fortgang nicht aus dem Aug verliere, Ende des Jahres also wurd ich ziemlich schwer krank. Im Lazarett lag ich in einem Raum mit sechs andern. Drei waren aus meiner Gruppe, ich kannte sie vom täglichen Spaziergang her. Es waren lauter schwere Jungens. Einer von denen, die mir fremd waren, hatte eine klaffende Kopfwunde, wenn sie aufgebunden wurde, sah man ins Gehirn hinein. Es war verboten zu sprechen, aber manchmal konnten wir doch ein paar Worte miteinander wechseln. Gesichtsmasken trugen sie hier natürlich keine. Im Arbeitssaal, beim Gottesdienst und beim Spaziergang mußten wir ja damals noch die Masken tragen. Zwei waren Lebenslängliche, einer hatte aber schon zwanzig Jahre abgesessen und rechnete damit, daß er in fünf Jahren herauskam. Er sprach unaufhörlich davon, mit lodernden Augen, als ob fünf Jahre wie fünf Tage wären. Einer war bis vor kurzem in einem badischen Zuchthaus gewesen und hatte in den letzten Tagen dort eine Hinrichtung mit angesehen, die vor seinem Fenster stattfand. Es hatte ihm so furchtbaren Eindruck gemacht, daß er fortwährend Konvulsionen hatte. Ich schaute mir die Leute an. Ich schaute sie mir an wie ein Entdeckungsreisender, der auf eine unbekannte Insel gerät und eine neue Menschenspezies findet. Mein erschrockener Gedanke war: jetzt bist du sieben Jahre im Haus und hast noch keinen Schimmer von keinem einzigen unter ihnen. Da sind doch deine Menschen, dacht ich, da ist doch deine Welt. Aus den andern Zimmern hört ich bisweilen einen im Fieber phantasieren. Einer schluchzte unaufhörlich, Tag und Nacht. Der Doktor bezeichnete ihn als Simulanten. Er wurde aber bald nachher ins Irrenhaus geschafft. Mein Bettnachbar, ein kleiner Rothaariger, erzählte mir viel, immer mit flüsternder Stimme, von sich und von den Kameraden. Mir gingen die Augen auf. Zuerst mal sah ich, wenn es noch ein Jahr mit mir so fortgegangen wäre wie bisher, hätt ich auch ins Irrenhaus gemußt. Davor zitterte ich. Warum will man seine Zukunft behalten? Warum will man leben? Es ist ein Rätsel. Auf einmal, Sie mögen es glauben oder nicht, hatte mein Leben wieder einen Inhalt. Als ich abließ, mich selber zu vernichten, entstand, wie ein schüchternes Hähnchen, wieder so was wie ein Selbst in mir . . .«

9

»Wie lang sind Sie im Lazarett gelegen?« fragt Herr von Andergast mit brüchiger Stimme. Die Beantwortung der Frage ist ihm weniger wichtig als die eigene Stimme zu hören, er hat Angst, er könne nicht sprechen. – »Neun Wochen«, erwidert Maurizius. »Als ich wieder gesund war und in die Zelle zurückkam, meldete ich mich beim Direktor und trug ihm den Wunsch vor, daß ich zwei oder drei Tage in der Woche zum Gangauskehren oder in der Küche beschäftigt würde. Er schlug mir's ab, man schlägt prinzipiell ab, was einer erbittet, einen Monat später, gleich nach der großen Revolte und als der Minister im Haus gewesen war, wurde es bewilligt.« – »Ich erinnere mich«, nickt Herr von Andergast und legt die Linke, an der der Diamantring funkelt, über die Augen, »ich erinnere mich an diesen Aufstand. Eine üble Affäre . . .« – »Ja, wenn Sie wollen, eine üble Affäre . . .« – »Sie waren selbstverständlich nicht beteiligt?« – »Nein.« – »Es wurden damals sechs Leute niedergeschossen, wenn mich das Gedächtnis nicht trügt.« – »Nein, es trügt Sie nicht. Sechs niedergeschossen, dreiundzwanzig verwundet.« – »Wie kam es denn dazu?« – Maurizius lächelt fahl. »Würmer im Brot vielleicht«, entgegnet er spöttisch. Es ist, als sage er sich: Da ist Hopfen und Malz verloren. In Wahrheit ist auch dies nur eine Schein- und Deckfrage, in Wahrheit steht es so, daß der Oberstaatsanwalt nur noch in einer Art Geistesverkrampfung den gewohnten Signalisierungen folgt (in bezug auf Haltung, Rang, Distanz, Information usw.), wie jemand, der sich mit aller Gewalt an letzte Bindungen klammert, bevor das Chaos über ihn hereinbricht. Sein Zustand läßt sich kaum definieren: er will, daß Maurizius weiterredet, er wünscht es um jeden Preis, zugleich fürchtet er sich vor dem, was noch kommen wird, dermaßen, daß er sich am liebsten die Ohren zuhalten möchte; er erwägt die Möglichkeit, das Gespräch auf ein neutrales Thema hinzulenken (im Vergleich zu dem gegenwärtigen erscheint ihm sogar die Erörterung des Prozeßfalls, der Mord und alles, was damit zusammenhängt, als neutral), zugleich empfindet er die Feigheit und Schwäche dieses Versuchs, sich zu entziehen; er möchte fortgehen, im Augenblick, wo er den Beschluß faßt, erkennt er dessen Absurdität, ja Unausführbarkeit. Es schmiedet ihn ein unerklärliches Verlangen fest an den Stuhl, eine unerklärliche Niedergeschlagenheit macht ihn unfähig, nach einem Plan zu handeln, er betrachtet das Gesicht auf dem groben Kissen und kann nicht los, er will auf die Uhr schauen und bringt es nicht einmal fertig, die Hand in die Westentasche zu stecken. – »Es wurden die grausamsten Strafen über die Schuldigen verhängt«, murmelt Maurizius. – »Ihr Interesse an den Mithäftlingen wurde wohl durch das Ereignis verstärkt«, wirft Herr von Andergast schlaff hin. – Maurizius streift ihn mit einem fast paralytisch gebrochenen Blick. »Ja, und durch die Würmer im Brot, durch das stinkende Fleisch«, ergänzt er höhnisch. Herr von Andergast braust auf: »Das kommt nicht vor, darauf wird streng geachtet . . .« Maurizius zuckt die Achseln. »Gut, so nehmen Sie es in übertragenem Sinn«, antwortet er barsch, »Würmer sind im Brot.«

Er grübelt eine Zeitlang, dann verfällt er in das Stammeln, das sich bei den früheren Unterredungen öfters bemerkbar gemacht hat. Er kommt wieder auf die unmenschlichen Strafen zurück, die eiskalten Duschen, das Prügeln mit dem Lederriemen, die Zwangsjacke, Dunkelhaft hinter Gittern. Seine Pupillen erweitern sich, werden starr, tiefschwarz. Er rückt gequält den Kopf hin und her, erhebt ihn, läßt ihn auf das Strohpolster zurückfallen. Er nennt einen Namen: Klakusch, den Wärter Klakusch. Es scheint sich dabei um ein einschneidendes Erlebnis zu handeln. Doch vorher war noch anderes. (Es ist nicht leicht, sich in seinem verworrenen Vor- und Rückgreifen zurechtzufinden, er hat offenbar fortwährend Mühe, die Zeitabschnitte nicht durcheinanderzubringen, besonders nachdem die dauernde Einsamkeit in der Zelle aufgehört und sich der leere Raum in ihm wieder mit Gestalten gefüllt hat.) Durch die freiere Bewegung im Haus an zwei Tagen der Woche kommt es zu Begegnungen mit den Mithäftlingen. Er läßt sich auffallend tief mit ihnen ein, merkwürdigerweise mit dem Abschaum, den sogenannten Unverbesserlichen. Eine düstere Magie, die ihn gerade zu denen zieht, wie ein lechzender Durst ist es. Gibt es Blendung durch die Schwärze? Vielleicht bereitet es ihm eine geistige Wollust, daß in diesen qualmigen Abgründen alles verkohlt ist, was die Welt, der er einst angehört hat, bewegt und erhellt. Die hohen Errungenschaften, die sittlichen Ziele, Kunst und Philosophie: unkenntliche, verkohlte Strünke. Glatt abgeteilt ist die Menschheit in ein Oben und Unten. Unten herrscht die Diktatur der Gemeinheit, absolut. Er hat zwei- bis dreihundert Leute von einer unheimlichen Gleichförmigkeit der Entartung getroffen, Kerle, die am Rand der Gesellschaft auf der Lauer liegen wie Tigerkatzen im Dschungel. Das Schlechte wird nicht erdacht oder gewollt, es ist. Die Gesichter verheert von jedem erdenklichen Laster. Keine Stirnen. Die Kinne wie abgehackt. Lauter Typen für die Kriminalpathologie. Es ist die Frage, ob sie das besitzen, was man Seele nennt. Zur Übeltat von vornherein gestimmt, messen sie den Wert des Lebens an ihrer Gier, die Bestände der Welt an der Gefahr, die ihre Gewinnung oder Vernichtung bringt. Gesetz? ein Fetzen Papier. Pflicht gegen Staat und Gesellschaft? da lachen die Hühner. Religion? dito. Bürgerliche Existenz? eine Ausweichstelle vor der Polizei. Zuchthaus? die Selbstverständlichkeit. Liebe? Gibt's nicht genug Huren im Lande? Kummer? Sauf Schnaps, verdammter Idiot. Eltern, Weib und Kind? Grünhorngequassel, verdient einen Tritt in den Hintern. Auflösung. Die Finsternis. Das Ende der Dinge.

Sollte man meinen. Maurizius bringt all dies in einer Art vor, daß eine gegenbewegte Unterströmung spürbar wird, wie ein Verteidiger, der durch die Antithese die These präpariert. Er ist so voll Wissen und Erfahrung, die mitten durch das Herz gegangen sind, daß seine Erschütterung sich wie in epileptischen Krämpfen entlädt. Aber Erschütterung hat ihn vermutlich gerettet. Das wollte er wohl auch mit dem »schüchternen Hähnchen« andeuten, dem wiedererstehenden »Selbst«. In der zweiten Hälfte 1915, um diese Zeit begann schon der Krieg seinen Menschenkehricht in die Zuchthäuser zu schwemmen, trat der Wärter Klakusch in sein Leben. Er kam von Kassel, war versetzt worden. Ein Mann mit gelbem Patriarchenbart, der das ganze Gesicht bedeckt und bis zum Gürtel reicht, eingedrückter Nase, kleinen, schwimmenden, rötlichen Augen. Er hatte immer die Mütze tief in die Stirn gezogen, sah mürrisch aus, lachte bisweilen boshaft oder schadenfroh vor sich hin, man konnte nicht erraten weshalb. Er versah den Dienst auf dem Gang, an dem Maurizius' Zelle lag. »Er war mir anfänglich unsympathisch«, gesteht Maurizius, »oft verharrte er fünf Minuten lang an der Tür, glotzte mich schweigend an, schnalzte mit der Zunge und ging wieder. Das Zungenschnalzen machte mich besonders nervös. Eines Tages trat er nah zu mir her und redete mich an: Sie sind doch ein gebildeter Mann, hab ich mir sagen lassen. So was wie ein Gelehrter. Also hören Sie mal, können Sie mir Auskunft geben: was ist das eigentlich, ein Verbrecher? Ich schaute ihn verdutzt an. Wie denn, was meinen Sie? frag ich. Nu ja, sagt er, ich meine nur, da sind so viele, wissen Sie, man kömmt so auf allerlei Ideen, wissen Sie. Was für Ideen? frag ich. Nu ja, eben Ideen, sagt er und wischt seine Triefaugen, da ist zum Beispiel Nummer dreihundertsechzehn. Ein Junge, der keiner Fliege was zuleide tun kann. Wahrhaftig 'n rührender Junge. Hat seine Geliebte umgebracht, weil sie ihn scheußlich malträtiert hat. Wenn er raus kommt nach den acht Jahren, die sie ihm aufgebrummt haben, ist er hin. Anämie oder Schwindsucht, Sie wissen ja, unsere Krankheiten. Und auch sonst. Was soll er hier lernen bei uns? Haben Sie sich ihn mal angesehen? Komisch, daß so was 'n Verbrecher ist, sehr komisch. Schnalzte und ging. Auf meine Antwort war er gar nicht neugierig. Ich dachte mir: was ist nun das wieder für einer? Ich sollte nicht so bald damit fertig werden, mir den Kopf über ihn zu zerbrechen. Etwas an mir muß ihm von Anfang an gefallen haben. Zuerst hatt ich ihn im Verdacht, er wolle mich ausholen oder er leide an jeweiligen Anfällen von Schwatzsucht und spiele sich mir gegenüber auf. Aber Zweifel und Mißtrauen hatten keine lange Dauer. Es war merkwürdig mit dem Mann. Er gab sich so einfältig und schien so harmlos, und plötzlich, wenn er eine Weile bei einem war, hatte man das Gefühl, als wisse er über alle Dinge in der Welt Bescheid, man brauche ihn bloß zu fragen. Aber ihn interessierte nur das Zuchthaus, er redete über nichts anderes als über die Sträflinge. Er war vierundsechzig Jahre alt und stand fünfunddreißig Jahre im Gefängnisdienst. Er hatte Armeen von Verbrechern an sich vorüberziehen sehen und kannte sich im Justiz- und Strafvollzugsverfahren besser aus als viele hochgestellte Beamte. Jedoch darauf tat er sich nichts zugute, auf nichts tat er sich was zugute, auch auf die Pflichterfüllung und den schweren Dienst nicht, auf die Erfahrung nicht, und was an unergründlichen Erkenntnissen in ihm steckte, davon schien er nicht einmal etwas zu ahnen. Aber von ihm kann man keinen Begriff geben, und wenn man ein Buch über ihn schriebe. Möchte eigentlich wissen, warum Sie immer so schwermütig sind, redete er mich eines Tages an, ich sage immer zu den Jungens: Du hast deine Ordnung, dein gutes Bett, reichliche Nahrung, hast ein Dach überm Kopf, was willste denn mehr? Keine Sorgen, keine Geschäfte, brauchst dich nicht zu schinden, was willste eigentlich? Ich erwiderte ihm: Mann Gottes, der Trost kommt Ihnen nicht von Herzen. Er stellte sich stramm und sagte: Nein, wahrhaftig nicht, da haben Sie recht. Nun also, was soll's? frag ich. Und er: Ja, was soll's? Wenn man das wüßte. Aber sehen Sie mal, die Richter, die können eben auch nicht anders; der Fehler ist der: Wenn ein Richter urteilt, so urteilt er als Mensch über einen Menschen, und das darf nicht sein. So? frag ich erstaunt, finden Sie, daß das nicht sein darf? Es darf nicht sein, wiederholt er mit einem Ton, der mir unvergeßlich blieb, der Mensch darf nicht über den Menschen urteilen. Und wie ist's denn mit der Strafe? wandte ich ein. Strafe ist doch notwendig? war da, seit die Welt steht. Er beugt sich zu mir herunter und raunt: Dann muß man die Welt austilgen und Menschen machen, die anders denken. Das ist uns so eingebläut von Kindesbeinen, aber es hat mit dem wahrhaftigen Menschen nichts zu schaffen. Es ist Lüge, da haben Sie's. Lüge. Wer straft, der lügt sich seine eigene Sünde weg. Da haben Sie's. Aber sagen Sie's nicht weiter, sonst jagt mich der Herr Vorsteher zum Teufel. Nun, das war mir sehr sonderbar. Bald wartete ich jeden Tag mit Ungeduld auf die Stunde, wo er kam. Er trug mir alles zu, was sich im Haus ereignete. Einmal war er ungewöhnlich aufgeregt, was sich durch vermehrtes Schnalzen anzeigte. Da haben sie jetzt zwei Bürschlein eingebracht, erzählte er, die haben sie wegen Straßenraub zu vier und fünf Jahren verdonnert. Walzbrüder. Hatten zwei Tage lang nichts gefressen, zogen im Regen über die Chaussee, sehen bei einem Dorf einen Besoffenen im Graben liegen und nehmen ihm die Barschaft, drei Mark fünfundzwanzig Pfennige. Neun Jahre Zuchthaus für drei Mark fünfundzwanzig! Er packte mich an der Schulter und schüttelte mich, als hätte ich das Urteil gesprochen, als könnte ich's ändern. Ich sagte: Sie sehen, in was für einer Welt wir hausen, Klakusch. Er schaute mich mit verzogener Stirn an und sagte: Da will ich Sie was fragen, nämlich, was die Tat und den Menschen betrifft: ist denn eine Tat der Mensch? Nein, gab ich ihm zur Antwort, eine Tat ist nicht der Mensch, und darin liegt der ganze Irrtum. Er ließ von mir ab, und während er hinausging, murmelte er vor sich hin: also nicht, also nicht, die Tat ist nicht der Mensch. Auf einmal kehrte er wieder um und sagte: Da hab ich gestern einen Diskurs mit Nummer zweihunderteinundneunzig gehabt. Der sitzt und sitzt und sinniert und sinniert. Der richtige Zuchthausknall. Hat Blutschande begangen. Sein Weib hat sich immerzu mit andern Männern herumgetrieben, er hat sie gewähren lassen, hat nicht aufzumucken gewagt, hat sie zu gern gehabt, endlich hat ihm das Fleisch keine Ruhe mehr gelassen, war 'ne hübsche Tochter im Haus, leichtfertiges Ding, der Mutter nachgeraten, die scheint ihn verführt zu haben, die Frau kommt dahinter, um ihn los zu werden, zeigt sie ihn an. Wie's eben geht bei solchen Leuten. Ich frag ihn: Bist du's, der's getan hat? Er versteht nicht. Du, sag ich und stoß ihn vor die Brust. Ja, ich, sagt er bang. Na, dann bist du auch schuldig, sag ich. Und er: Es ist aber kein Richter dafür da. Wieso nicht? frag ich. Ich erkenn den Richter nicht an, sagt er. So ein dummes Luder. Vielleicht nicht so dumm, Klakusch, wendete ich ein. Möglich, gab er zu, möglich, und wissen Sie noch was? Der ist gut geworden dadurch, daß er schlecht geworden ist, das ist nur schon oft untergekommen, es ist eben kein Fertigwerden mit diesen Menschen, hundert Jahre kann einer studieren und wird nicht fertig. Manche kommen herein, und statt ihr Verbrechen zu bereuen, sagen sie: ich hab eben kein Glück dabei gehabt. Als wär's 'n Lotteriespiel, in das alle ihren Einsatz zahlen, als ob's nur Diebe, Mörder und Betrüger auf der Welt gäbe, und wer nicht erwischt wird, macht den Treffer. Da ist doch kein moralisches Gefühl, nicht wahr. Wo steckt überhaupt das moralische Gefühl, wollen Sie mir das verraten? Er sah mich listig an, ich könnt es ihm aber nicht verraten. Da sagte er auf einmal feierlich: dafür kann ich Ihnen was verraten: ich weiß jetzt, was 'n Verbrecher ist. Nämlich? frag ich gespannt. Nämlich einer, der sich selber zugrunde richtet; das ist ein Verbrecher; der Mensch, der sich selber zugrunde richtet, der ist ein Verbrecher. Das ist wahr, Klakusch, sagte ich, das ist furchtbar wahr. Er nickte mir freundlich zu und tätschelte mir den Kopf. Ein paar Tage darauf kam er mit einer Nachricht, die er mir schon verkündete, ehe er die Tür geschlossen hatte: Nummer vierhundertzwölf habe ein Geständnis abgelegt. In der ganzen Anstalt sei es bereits bekannt. Dreieinhalb Jahre habe er verstockt geschwiegen, keine Silbe sei aus ihm herauszubringen gewesen, nur herumgegangen, herumgegangen, bösartig mit den Zähnen gefletscht, die Finger an den Wänden wund gekrallt, gegen Gott und Menschen gerast, heut früh um fünf habe er plötzlich nach dem Pastor verlangt, und als der gekommen, habe er ihm alles ins Gesicht geschrien, seine ganze Schuld ins Gesicht geschrien, mit schaumigem Maul, dann sei er hingestürzt in einen Winkel der Zelle und habe nicht mehr gejappt, und so liege er jetzt noch. Mir war, als stünde alles leibhaftig vor mir da. Wenn er ein solches Ereignis schilderte, sah man alles bis auf die geringste Kleinigkeit vor sich. Und nicht nur das, es blieb einem eingegraben, es wurde zur Vision. Er erzählte mir zum Beispiel einmal, daß in einer Winternacht, vor vielen Jahren, ein Entlassener zu ihm kam und ihn mit aufgehobenen Händen anflehte, er möge ihn bei sich in der Kammer oder irgendwo im Zuchthaus verstecken, er wisse nicht wohin, habe keinen Pfennig Geld mehr, könne nicht für sich einstehen, es sei herzzerreißend gewesen, ein zerrütteter und verzweifelter Mensch. Er, Klakusch, habe die ganze Nacht mit ihm gesprochen, ihn auch einigermaßen auf gleich gebracht, habe ihm ein bißchen Geld gegeben und ihn schließlich mit dem Rat fortgeschickt: Tu nur wenigstens keinem Menschen was zuleide. Das erzählte er so, daß ich an dem Tag keinen Bissen Speise hinunterbrachte; es liegt mir noch immer im Ohr, wie er ihm zuredete, mit: Jungchen, Jungchen, und: friß dich nicht so tief hinein in den Jammer, und das: Tu nur keinem Menschen was zuleide. Einmal sprachen wir von dem Scheusal, das vier Jahre hier im Hause war, dem Frauenwürger Schneider; er erzählte mir, daß sie bei der Zuchthauskonferenz ganz ratlos gewesen seien, man wußte nicht, was mit ihm anfangen, so renitent sei er; ich sagte, so einer sei gar kein Mensch, es sei ein Fehler, ihn wie einen Menschen zu behandeln. Klakusch entwertete, das sehe allerdings so aus, wenn man dem eine doppelte Schmalzzulage zum Brot verspreche, falls er seinen Bruder umbringe, überlege er's wahrscheinlich keinen Augenblick. Na also, sag ich. Mag schon sein, erwidert er, aber so viel steht fest: im Mutterschoße war er noch nicht schlecht. Und da ich schwieg, fügte er hinzu: wenn er also im Mutterschoße noch nicht schlecht war, ist er genau ein solcher Mensch wie Sie und ich und der Herr Regierungspräsident; der Vorwurf, den ich gegen ihn erhebe, gibt mir doch noch nicht die Gerechtigkeit gegen ihn. Wie meinen Sie das, Klakusch, die Gerechtigkeit? fragt ich ihn. Er sagte: das Wort soll man eigentlich gar nicht in den Mund nehmen. Warum, Klakusch? Er sagte: es ist ein Wort wie ein Fisch, entschlüpft einem, wenn man's greift. Dann: Wenn man die Stimme hätte . . . wenn man die richtige Stimme hätte, was könnte man da erreichen, es fehlt an der Stimme. Ein paar Tage später hatte ich auf dem Gang einen Wortwechsel mit einem Sträfling, der mir höchst zuwider war, einem finstern, tückischen Gesellen, vor dem mir auch wegen seines Verbrechens ekelte, er hatte als Lehramtsgehilfe kleine Knaben zur Unzucht verleitet. Ich erzählte Klakusch von dem Zusammenstoß mit dem Menschen, er hörte mir ruhig zu, dann sagte er: Ich möcht Ihnen einen guten Rat geben, es kostet Sie nicht viel, wenn Sie ihn befolgen; probieren Sie's mal mit der Nettigkeit. Probieren Sie's mal, nett mit solchen zu sein, Sie glauben gar nicht, was es damit auf sich hat. So'n bißchen Nettigkeit, wissen Sie, das ist wie die Alraunwurzel, von der es heißt, daß sie eherne Schlösser sprengt. Achten Sie mal drauf, probieren Sie's mal. Ich, wie ein folgsamer Schüler, probierte es wirklich. Und ich sah, daß er recht hatte. Oft genügte ein freundliches Lächeln, und das verbissenste Gesicht verwandelte sich auf der Stelle. Ich machte die merkwürdigsten Erfahrungen. Diese Leute halten es gar nicht mehr für möglich, daß man ihnen so entgegenkommt, wie man sich draußen gegen einen beliebigen Bekannten benimmt, ich will gar nicht sagen artig oder liebenswürdig, daran liegt es gar nicht, das würde sie sogar stutzig machen, in vielen Fällen wenigstens, woran es liegt, das ist, daß man ihnen Achtung bezeigt, eine ganz gewöhnliche Rücksicht, das haben sie vergessen, wenn sie's wieder spüren, schauen sie einen mit erstaunten Augen an und wissen sich im ersten Moment einfach nicht zu helfen; bei einem ist es mir mal passiert, daß er sich umdrehte und losheulte wie ein Bub. Sie werden das vielleicht für Sentimentalität erklären, dann wär's allerdings besser, ich spräche nicht davon, dann hätt ich klüger getan, von Anfang an stumm zu bleiben. Mir diente es dazu, daß ich mich täglich enger an Klakusch anschloß, wenn er einen Tag dienstfrei hatte, war mir weh und bang nach ihm, auch er gewann mich immer lieber, obschon er's nur selten merken ließ, aber einmal sagte er, er habe nie einen Sohn gehabt, und wenn er sich einen denke, wünsche er sich ihn so wie mich. Macht Ihnen denn das nichts aus, der Zuchthaussträfling, der Lebenslängliche? fragt ich ihn. Er erwiderte: Nein, das mache ihm in dem Fall gar nichts aus. Da faßt ich den Entschluß, eine andere Frage an ihn zu richten, ich wußte nur nicht, wie ich's anstellen sollte, das heißt, ich fürchtete mich sogar. Das war dann auch das Ende. Vor vier Jahren geschah es. Seit vier Jahren ist er tot.«

10

»Ich verstehe nicht«, sagt Herr von Andergast stockend, »sein Tod . . . hängt er damit zusammen? mit der Frage?« – »Eben. Ich will es Ihnen noch erzählen. Dann . . . genug. Worüber ich seitdem häufig nachdenke, das ist die Wunderbarkeit der Beziehungen, in. die ein Mensch geraten kann. Ein solches Verhältnis wie das zwischen mir und dem Wärter Klakusch würde jeder Außenstehende unbedingt als romantisch und unwahrscheinlich bezeichnen. Vielleicht würde er sogar sagen, es sei in meiner Einbildung entstanden und habe in Wirklichkeit nicht existiert. Und wenn mir ein beharrlicher Skeptiker scharf zusetzt, ist es möglich, daß ich selber das Ganze für einen Traum halte. Geht es doch mit allen unsern Erlebnissen so, nach einer gewissen Zeit werden sie zu Träumen, das Ich, das es gelebt hat, ist nicht mehr das Ich, das sich erinnert. Es mögen wohl hie und da Traumgesichte gewesen sein, wenn der Alte mit seinem flachsgelben Bart in der Dämmerstunde hier in meiner Zelle gestanden ist, damals hatt ich schon diese Zelle, und mir dabei zumute war, als hätt ich wieder eine Menschenseele in der Brust, weil er eine hatte. Denn darauf kommt's ja an. Allein hat der Mensch keine Seele, das dürfen Sie mir ruhig glauben. Allein hat er infolgedessen auch keinen Gott. Und wenn ich an die Nächte denke, da war seine Stimme noch im Raum, ich konnte mich mit ihm weiter unterhalten, wie's auch jetzt bisweilen noch geschieht, für mich stirbt ja keiner, und vieles, was ich von seinen Worten aufbewahrt habe, ist geradezu aus Nacht und Nichtsein heraus erklungen. Ein Gehirn wie das da (er tippte sich auf die Schläfe) ist wie ein chinesischer Tempelgong, wenn man den mit der Spitze des Zeigefingers anrührt, entsteht ein Schall, als läute eine Domglocke unterm Wasser. Doch um den Zweifel und das wegen der Romantik auf sein Richtiges zu bringen, so dürfen Sie nicht vergessen, daß das ein Boden ist, so ein Zuchthaus, in dem Pflanzen gedeihen, die ihr draußen noch nicht klassifiziert habt, und wo sich Dinge ereignen, von denen man annehmen muß, daß sie aus der Zwischenwelt sind. Alles so eng und so weit, so trächtig und so hohl, und das, was man Schicksal heißt, so dicht an einem dran. Das wollt ich nur vorausschicken. Ich weiß nicht, ob es Ihnen was besagt. Schon ein paar Tage hindurch, das heißt immer zu unsern Stunden natürlich, hatt ich mich mit Klakusch über die Anstalt im allgemeinen unterhalten. In dem Jahr, nach dem Umsturz, waren viele Verbesserungen und Erleichterungen eingeführt worden, in mir erweckte das gewisse Hoffnungen, aber Klakusch meinte, damit habe es nichts auf sich, wenn das Mehl nicht tauge, sei es Verschwendung, Rosinen in den Teig zu stecken. Das Übel sei woanders zu suchen, das sähen die Studierten nicht ein, es liege am Maß. Wenn einer einen Fingerbreit Schuld hat, sagte er, irgendein kleiner, gewöhnlicher Mensch, verdammen sie ihn zu einem Meter Strafe ohne Ansehung der Person. Wer dürfe strafen ohne Ansehung der Person? Das sei ein göttliches Recht, ohne Ansehung der Person zu strafen. Erst verstand ich ihn nicht, endlich begriff ich, daß er nicht die äußere Person meinte, da herrscht ja »Ansehung« genug, sondern die innere. Der springende Punkt sei, setzte er mir auseinander, was ein Mensch an Selbstverantwortung tragen könne, in dem Bezug sei kein Mensch dem andern gleich. Ich wandte ein, daß man vom eigentlichen Strafprinzip längst abgekommen sei, auch vom Vergeltungsprinzip, auch vom Abschreckungsprinzip, nur um den Schutz der Gesellschaft gehe es noch und um die Besserung des Verbrechers. Da sagte er, mit dem Schutz sehe es genau so windig aus wie mit der Besserung, über die doch bei den Eingeweihten nur ein Gelächter sei, wie solle man einen Wahnsinnigen davor schützen, daß er sich mit seinen eigenen Händen das Gesicht zerfleischt? Die Menschenwelt sei ein solcher Wahnsinniger, sie nimmt sich heraus zu schützen, was sie in ihrer Vernunftlosigkeit immerfort selber zerstört. Deshalb sage ich: Hör damit auf, Menschenwelt, und pack's von einer andern Seite an. Es war ein Dezembernachmittag, als wir dieses besprachen, seit dem Morgen verfinsterte der Schneefall die Zelle, und bevor er ging, sagte Klakusch: Es macht mir keinen Spaß mehr, ich hab meine Tage vollgezählt auf dem Buckel, ich weiß zuviel von allem, es geht nichts mehr hinein in den Kopf und in das Herz. Als er gegen Abend noch einmal kam, um für die Nacht den Kübel auszuleeren, das nahm er mir immer ab, nach der Hausordnung hätt ich's selber besorgen müssen, als er da vor mir stand, rafft ich meinen Mut zusammen und fragte ihn: Sagen Sie mal, Klakusch, glauben Sie, daß unschuldig Verurteilte in dem Haus sind? Er schien auf die Frage nicht vorbereitet und antwortete zögernd: Es könnte wohl sein. Ich fragte weiter: Mit wieviel unschuldig Verurteilten haben Sie während Ihrer Amtslaufbahn zu tun gehabt, ich spreche von notorisch Unschuldigen –? Er dachte eine Zeitlang nach, dann zählte er, indem er leise die Namen murmelte, an den Fingern ab: Elf. Und haben Sie gleich, wie Sie sie kennengelernt haben, an die Unschuld der Betreffenden geglaubt? Das nicht, versetzte er, das nicht, wenn man dran glaubte und dann zusehen muß, wie sie sich die Eingeweide abkränken, wenn man's für gewiß wüßte, sag ich, dann . . . Ich bedrängte ihn: Dann? was – dann, Klakusch? Na ja, sagte er, dann könnt man, genau genommen, nicht weiterleben. Es war schon dunkel in meiner Zelle, seine Gestalt könnt ich grade noch unterscheiden, ich riskierte nun die Herzfrage, auf die ich im Grund hinauswollte. Nun, wie ist's mit mir, Klakusch, fragt ich ihn, halten Sie mich für schuldig oder für unschuldig? Und er: Muß ich darauf antworten? Ich möchte gern, daß Sie offen, und ehrlich darauf antworten, sag ich. Er besann sich wieder, dann sagte er: 's ist gut, morgen früh sollen Sie meine Antwort haben. Und früh am andern Tag bekam ich die Antwort. Er hatte sich am Fensterkreuz in seiner Stube erhängt.«

Maurizius dreht das Gesicht zur Wand und liegt still da. Es vergeht eine Viertelstunde, während welcher lautloses Schweigen in der Zelle herrscht. Nicht abzusehen, wie lang das unheimliche Schweigen noch gedauert hätte, wenn nicht an der Panzertür geklopft worden wäre. Es ist der Anstaltsarzt, der sich auf seinem Rundgang befindet. Von der Anwesenheit der hohen, behördlichen Person in Kenntnis gesetzt, bittet er um die Erlaubnis, den Patienten besichtigen zu dürfen, er werde nicht lange stören. Ein fetter Herr tritt ein, goldene Brille auf kleinem Knollen-Näschen, begrüßt den Oberstaatsanwalt reserveoffiziersmäßig, langt nach dem Handgelenk des Sträflings, um den Puls zu fühlen, schnarrt etwas Herablassendes und Zufriedenes, verbeugt sich wieder und geht.

Herr von Andergast hat sich erhoben. Es ist ihm zumute, als sei er neunzehn Jahre hier auf dem Stuhl gesessen. Er ist in dieser Zeit uralt, müde und unbrauchbar geworden. Sein scheuer Blick irrt zu dem Sträfling hinüber, der mit geschlossenen Augen steif daliegt, beide Hände zu Fäusten geballt auf der Brust. Man müßte etwas sagen, denkt Herr von Andergast. Nein, erwidert eine andere Stimme in ihm kategorisch, man enthalte sich jedes Wortes. Er greift nach dem Hut, den er vor neunzehn Jahren auf den Tisch gelegt hat, daneben die braunen Lederhandschuhe. Er bemüht sich, geräuschlos zu sein. Herr von Andergast, Baron, Oberstaatsanwalt, schleicht sich, Hut und braune Lederhandschuhe in der Rechten, wie ein Dieb aus der Zelle des Sträflings 357 . . .

Das Auto wartet. »Fahren Sie rasch«, ruft er dem Chauffeur zu, fällt in die Ecke des Wagens und stiert mit aufgerissenen, veilchenblauen Augen in den Regen hinaus. Er sieht nicht, er schaut nicht, er denkt nicht, er spürt nicht.

Ins Amt zurückgekehrt, drei Uhr nachmittag, sendet er an den Justizminister eine ausführliche, zweihundert Worte enthaltende Depesche, worin er ihm die sofortige Begnadigung des Strafgefangenen Maurizius dringend nahelegt.


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