Edgar Wallace
Die seltsame Gräfin
Edgar Wallace

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27

Zwei Stunden waren nach Michael Dorns Abfahrt vergangen. Dr. Tappatt saß in seinem Wohnzimmer, hatte die Ellbogen auf die Knie gestützt und sein dickes Gesicht in die Hände vergraben. Neben ihm stand ein halbgefülltes Whiskyglas. Er starrte düster ins Feuer, das Sommer und Winter für ihn brannte, seitdem er aus Indien zurückgekommen war. Früher hatte er einen berühmten Namen in der medizinischen Welt besessen, aber ein unglücklicher Vorfall trieb ihn von Edinburgh fort, wo er, obwohl er noch jung war, eine glänzende Praxis gehabt hatte. So war er nach Indien gekommen, aber auch dort hatte er einen schweren Stand. Ihm war nichts als seine sicherlich großen wissenschaftlichen Kenntnisse, seine geringen Ersparnisse und seine Vorliebe für guten Wein geblieben. Eine Zeitlang war er der Leibarzt eines indischen Fürsten, dann gründete er in einem bösen Augenblick ein Sanatorium für geisteskranke, reiche Inder.

Wenn nicht seine immer mehr zunehmende Trunksucht gewesen wäre, hätte er sich nach einigen Jahren angestrengter Tätigkeit mit einem Vermögen zurückziehen können, von dessen Zinsen er für den Rest seines Lebens sorglos hätte leben können. Aber Dr. Tappatt hatte böse Einfälle, die sich leider auch bei der Führung der Anstalt bemerkbar machten. Er mußte die Nordwestprovinzen in größter Eile verlassen und ließ sich in Bengalen nieder, wo er eine neue Anstalt gründete. Aber bald passierten auch hier merkwürdige Geschichten. Die Verwandten der Patienten zeigten ihn bei Gericht an, daß er Angehörige in der Anstalt festhielt oder verschwinden ließ, weil andere Leute daran interessiert waren. Schließlich wurde die Anstalt geschlossen, und er zog nach dem Pandschab.

Sein glänzender Verstand war durch den Konflikt mit den Behörden nur noch schärfer geworden; denn Strategie ist die Kunst, die Absichten seines Feindes genau zu erkennen.

Während er in die Flammen schaute, dachte er über die Charaktereigentümlichkeiten Michael Dorns nach, und er kam zu ganz bestimmten Schlüssen. Die Haushälterin war schon lange zu Bett gegangen und lag in festem Schlaf, als er den Gang entlangschlürfte und an ihre Tür klopfte.

»Kommen Sie heraus, ich will mit Ihnen sprechen.«

Er hörte sie schimpfen und ging zu seinem Studierzimmer zurück. Während er wartete, blickte er aufs Telefon und war versucht, die Hand nach dem Hörer auszustrecken. Aber er wußte, daß er die Person, die er anrufen wollte, nicht gut noch einmal stören durfte. Er hatte bereits seinen Bericht durchgegeben. Sein Plan war gut, und wenn er sich in der Beurteilung Michael Dorns auch täuschen sollte, konnte die Sache doch nicht weiter schlimm werden.

Als die Frau blinzelnd eintrat und ihr Kleid zuknöpfte, ließ er sie in einem Stuhl Platz nehmen und sprach ungefähr eine halbe Stunde mit ihr.

Sie war ärgerlich und machte viele Einwendungen, aber er beachtete sie nicht.

»Ich habe die letzten beiden Nächte kaum geschlafen«, beklagte sie sich, »und ich sehe gar nicht ein, warum –«

»Sollen Sie denn überhaupt etwas einsehen?« fuhr er sie an. »Sie haben zuzuhören – verstanden?«

Fast zwanzig Jahre lang diente sie ihm und fürchtete nur ihn. Nachdem sie vergeblich gemurrt hatte, fing sie an zu weinen. Da schickte er sie unwillig aus dem Zimmer.

 

Um sieben Uhr morgens hüllte sich Dr. Tappatt in einen dicken, wollenen Mantel, denn er fröstelte in der kühlen Morgenluft. Dann zog er die Jalousien hoch und öffnete die Fenster des Wohnzimmers. Nachdem er auf einem Rundgang das Haus noch einmal inspiziert hatte, legte er Holzklötze aufs Feuer, nahm zwei große Stücke Fleisch und trug sie den Hunden hinaus, die ihn mit heiserem Gebell empfingen. Er ließ sich Zeit und hatte eine teuflische Freude daran, sie möglichst lange warten zu lassen. Als er sich umgesehen hatte, ging er zu der Vordertür des Gehöftes, drehte den Schlüssel um, schob die Riegel zurück und öffnete. Gerade im Eingang ihm gegenüber stand ein Mann. Der Doktor war verblüfft.

»Guten Morgen, Dr. Tappatt«, sagte Michael Dorn. »Ich dachte mir schon, daß ich Sie sehen würde, wenn ich nur früh genug zur Stelle wäre.«

»Großer Gott!« rief Tappatt. »Das ist ja ein unerwartetes Vergnügen, Mr. Dorn!«

»Ich freue mich, daß Sie so denken – hat Miss Reddle gut geschlafen?«

Der Doktor runzelte die Stirn.

»Miss Reddle? Wer ist denn das? Ach so – das war doch die nette, junge Dame, die ich im Haus der Gräfin von Moron traf – was fragen Sie mich da für sonderbares Zeug!«

»Sie haben mich nicht einmal hereingebeten – Sie haben wohl die alte anglo-indische Gastfreundschaft vollständig vergessen?« sagte Michael spöttisch.

Tappatt stand mit vorgebeugtem, rot aufgedunsenem Gesicht in der Tür und hatte die Hände in den Taschen vergraben.

»Ich kann mich nicht besinnen, Dorn, daß wir gerade sehr gute Freunde waren. Wir hatten doch im Gegenteil verschiedene recht unangenehme Auseinandersetzungen!«

»Trotzdem – entweder laden Sie mich ein oder –«

»Oder?« wiederholte der Doktor.

»Oder ich lade mich selbst ein. Ich habe so einen ganz besonderen Wunsch, mich einmal in Ihrem kleinen Haus umzusehen.«

Ein Grinsen ging über das häßliche Gesicht Dr. Tappatts.

»Kommen Sie mit oder ohne Erlaubnisschein von der Polizei, mein Haus zu durchsuchen?« fragte er höflich.

»Im Augenblick habe ich noch keinen, aber Sie und ich sind doch zwei alte Gesetzesübertreter, Tappatt, wir haben uns beide nie viel Sorgen um Formalitäten gemacht.«

Inzwischen war er durch das Tor gegangen, aber merkwürdigerweise schien er sich nicht um die Hunde zu kümmern. Tappatt sah es, und es kam eine plötzliche Bewegung in ihn.

Er hatte früher, als Dorn noch ein höherer Polizeibeamter war, öfter böse Zusammenstöße mit ihm gehabt und dabei fast immer den kürzeren gezogen.

»Ich kann Ihnen nicht widerstehen«, sagte er und öffnete die Haustür. »Treten Sie ein.«

Er brauchte Michael nicht zweimal einzuladen. Sorglos ging er in das Haus und wandte sich gleich dem Studierzimmer zu, als ob er schon früher hier gewesen wäre. Der Doktor folgte ihm.

»Nun, was wünschen Sie denn?«

»Ich möchte das Grundstück durchsuchen. Ich bin nämlich auf der Spur der Mrs. Pinder und ihrer Tochter, Lois Margeritta Reddle, und ich vermute, daß sie gewaltsam hier zurückgehalten werden.«

Tappatt schüttelte den Kopf.

»Ich fürchte nur, Sie sind auf einer ganz falschen Fährte. Keine von diesen beiden Damen bewohnt mein Haus. Im Augenblick habe ich keine Patienten.«

»Sie haben ja auch gar nicht die Erlaubnis dazu«, sagte Michael. »Ich habe mir die Mühe genommen, die Akten durchzulesen. Man kann sie sogar mitten in der Nacht bekommen – ich fürchtete schon, daß eine Behörde mit zu kurzem Gedächtnis Ihre verschiedenen schweren Vergehen übersehen und vergessen hätte, und ich freute mich, daß Ihre Akten auch hier vollständig vorhanden sind.«

»Ich habe noch kein Gesuch eingereicht«, erwiderte Tappatt kurz. Jede Frage nach seinem Beruf berührte bei ihm einen wunden Punkt. »Ich sehe nicht ein, warum ich Ihnen erlauben sollte, mein Haus zu durchsuchen«, fuhr er fort. »Sie haben ebensowenig amtliche Autorität als Detektiv, wie ich die Erlaubnis habe, eine Anstalt für Geisteskranke zu führen. – Sie können ja meinethalben hier anfangen – sehen Sie doch unter den Tisch oder unter das Sofa.« Er wurde sarkastisch. »Es ist ja möglich, daß ich irgendeinen Unglücklichen verborgen habe!«

Dorn verließ das Zimmer, ging den Gang entlang, blieb vor einer Tür stehen, die gleich neben der Treppe lag und drückte die Klinke herunter.

»Das ist das Zimmer meiner Haushälterin.«

»Wo ist sie jetzt?« fragte Michael.

»Sie ist in der Küche.«

Michael trat in das Zimmer, zog die Vorhänge auf und sah sich um. Seine Gemütsverfassung war nicht zu erkennen. Die Willfährigkeit aber, mit der Dr. Tappatt ihm die Erlaubnis gab, das Haus zu untersuchen, schien ihm verdächtig. Die Sache entwickelte sich anders, als er erwartet hatte.

»Oben sind noch zwei Räume – wollen Sie die vielleicht auch sehen?«

Dorn nickte und folgte dem Doktor auf dem Fuße.

»Diesen Raum würde ich als Krankenzimmer benützen, wenn ich das Glück hätte, Patienten zu bekommen.«

Er stieß die Tür zu dem Zimmer auf, in dem Lois sich aufgehalten hatte. Es war leer, die Bettbezüge waren von den Betten abgenommen und die Bettücher sorgfältig am Fußende zusammengelegt. Michael ging in den Raum, sah sich auch in dem Badezimmer um, untersuchte die Fenster und kam wieder heraus, ohne ein Wort zu sagen. Die meisten Frauen haben ein bestimmtes Parfüm, das sie stets gebrauchen. Er wußte, daß Lois stets ein wenig Lavendel nahm – hier hatte er, allerdings nur ganz schwach, denselben Duft wahrgenommen.

Das Zimmer gegenüber war weniger bequem eingerichtet und stand auch leer. Er wußte, daß zwischen der Decke und dem Dach nur wenig Platz war und daß man dort nur jemand unterbringen konnte, der selbst ein Interesse daran hatte, nicht aufgefunden zu werden.

Er begnügte sich deshalb mit einer ganz kurzen Untersuchung. Der andere Flügel des Hauses war kaum bewohnbar. An manchen Stellen schaute der Himmel durch große Lücken im Dach, und die Balkenlage des oberen Geschosses war durch Regenwasser und Feuchtigkeit vollkommen verfault. Der Verfall war schon so weit fortgeschritten, daß nicht einmal ein Kind ohne Gefahr den Fußboden hätte betreten können.

»Wohin kommt man da?« fragte Michael, als er auch das Untergeschoß des zerfallenen Teiles besichtigt hatte. Er zeigte auf eine Treppe, die nach unten führte.

»Das ist eine Art Keller – Sie können hineingehen«, sagte Tappatt gleichgültig.

Michael stieß die Tür auf und trat in einen kleinen Raum. Ein wenig Luft und Licht wurde durch ein Gitter in der Wand eingelassen, sonst war kein Fenster oder irgendeine Öffnung vorhanden. Nur in der Tür bemerkte er ein Guckloch. Mit seiner Taschenlampe leuchtete er den Raum ab und entdeckte in der einen Ecke eine alte Bettstelle und einen einfachen Waschtisch. Er trat an das Lager, drehte die zusammengefalteten Bettücher um und kam dann wieder nach oben an das Tageslicht. »Ein luftiger Raum!« sagte er trocken. »Ist das auch ein Krankenzimmer?«

»Mancher arme Kerl, der draußen kampieren muß, wäre froh, wenn er einen solchen Raum hätte«, entgegnete Dr. Tappatt.

Michael zeigte seine Zähne und lächelte grimmig.

»Sind Sie jemals im Gefängnis gewesen, Tappatt? Vermutlich nicht«, sagte er, als er die Treppe wieder hinaufstieg.

Niemand wußte besser als Dorn, daß der Doktor mehrere Male der Verurteilung nur mit knapper Not entgangen war. Aber er wollte ihm auf diese Weise eine Warnung geben.

»Ich hatte nicht diesen Vorzug.«

»Noch nicht«, sagte Dorn. »Die Zellen in Dartmoor sind bedeutend gesünder als dieses schwarze Loch hier im Keller – wie Sie sich überzeugen können. Viel frische Luft und viel Licht, und das Essen ist auch gut.«

Tappatt schluckte ärgerlich, aber er sagte nichts.

»Was ist hier drin?« Dorn blieb vor einem verschlossenen Schuppen stehen.

»Ein Auto, das einem meiner Freunde gehört – wollen Sie es sehen?«

»Ach, das ist der blaue Buick!«

»Ja, es ist ein Buick.«

»Der ist gestern abend hier eingestellt worden?«

Tappatt lächelte und schüttelte den Kopf.

»Er ist schon eine ganze Woche hier. Manchmal sind Sie auch etwas zu schlau.«

»Kann ich ihn sehen?« fragte Dorn.

Der Doktor ging zum Haus zurück, um den Schlüssel zu holen, während Michael schnell die übrigen Gebäude besichtigte. Die beiden Hunde bellten furchtbar, als er in ihre Nähe kam, rissen an ihren Ketten, so daß es schien, als ob sie sich erwürgen wollten. Als der Doktor zurückkam, untersuchte Dorn gerade das hintere Tor und seine nähere Umgebung. Der Boden war hart, und er konnte keine Fußspuren entdecken; selbst das Auto hatte keine Eindrücke hinterlassen.

»Hier ist der Schlüssel.«

»Ich glaube nicht, daß der Wagen mich noch interessiert«, sagte Dorn langsam. »Ich kenne ihn ja sehr gut und den Eigentümer noch besser.« Er schaute sich wieder um. »Aber ich sehe die Haushälterin nirgends.«

»Sie wird ins Dorf gegangen sein, um für die Küche einzukaufen.«

Michael zog langsam ein goldenes Etui aus seiner Tasche, nahm eine Zigarette heraus, zündete sie an und warf das noch brennende Streichholz den Hunden zu. Hierdurch wurde ihre Wut aufs neue angestachelt.

»Nehmen Sie sich bloß vor den Tieren in acht«, warnte ihn der Doktor. »Man darf nicht mit ihnen spaßen oder sie zu sehr ärgern. Ich wüßte nicht, was sie mit Ihnen machen würden, wenn sie sich losrissen – selbst wenn ich dabeistünde.«

»Die Hunde müßten sich im Gegenteil vor mir sehr in acht nehmen«, sagte Dorn. »Ich habe während meiner Dienstzeit in Indien mehr Pariahunde getötet als irgendein anderer Polizeioffizier.«

»Die hätten Sie eher geschnappt, als Sie nur den Finger rühren könnten«, erwiderte Tappatt ärgerlich.

Dorn lächelte und streckte seine Hand gerade aus.

»Sehen Sie das?« fragte er. »Passen Sie mal auf.«

Wie es kam, konnte Tappatt nicht sehen oder sich auch nur im mindesten erklären, aber obwohl Dorn die Hand nicht bewegt hatte, hielt er plötzlich eine kurze, schwerkalibrige Browningpistole in der Hand.

»Wie haben Sie das bloß gemacht?« staunte er. »Sie hatten sie schon immer in der Hand –«

»Nein – die Pistole kam aus meiner Tasche«, lachte Michael. Er liebte es, durch seine Taschenspielerkunststückchen anderen Furcht einzujagen.

»Ich möchte schwören, daß sie nicht in Ihrer Tasche war!«

»Passen Sie auf!«

Wieder streckte er die Hand mit der Pistole aus. Eine unauffällige Bewegung – ob nach oben oder nach rückwärts, konnte Tappatt nicht sagen –, und die Pistole war wieder verschwunden.

»Da ist eben ein Trick dabei«, sagte Dorn gleichgültig. »Und wenn Sie die Hundesprache sprechen können, dann erklären Sie Ihren Bestien, daß sie mich besser in Ruhe lassen. Aber ich erinnere mich – Hundehetzen ist doch immer Ihre Spezialität gewesen? War nicht in Bengalen einmal ein großer Skandal wegen eines Patienten, der von den Hunden zerrissen wurde?«

Der Doktor schaute zur Seite.

»Warum liegen eigentlich die Hunde jetzt an der Kette?«

»Ich habe sie meistens angeschlossen.«

»Aber letzte Nacht waren sie doch frei – Sie wissen ja, daß ich mich in der Nähe aufgehalten habe. Dagegen waren sie heute morgen um vier Uhr wieder festgemacht, und das scheint doch nicht die richtige Zeit zu sein, sie an die Kette zu legen. Warum haben Sie das getan?«

Tappatt schwieg. Dorn war um vier Uhr morgens zurückgekommen! Er hatte also die Menschen nicht mehr gesehen, die Gallows Farm verließen und querfeldein gingen.

»Soll ich Ihnen sagen, warum?« fragte Dorn wieder.

»Sie haben ja ein außerordentliches Bedürfnis, mir Mitteilungen zu machen«, knurrte der Doktor.

»Sie haben die Hunde an die Kette gelegt, weil Sie die beiden Frauen in der vergangenen Nacht aus dem Haus geschafft haben. Sie mußten über den Hof gehen, und das konnte nur geschehen, wenn die Hunde nicht frei umherliefen. Bitte sagen Sie es, wenn ich nicht recht habe. Sie sind hier auf diesem Weg hinausgegangen, und auf diesem Weg werden sie auch zurückkommen.«

Dr. Tappatts Gesicht wurde lang. Das war eine Entwicklung zu seinen Ungunsten. Er hatte erwartet, daß Dorn sich mit der Durchsuchung zufriedengeben und dann das Gehöft wieder verlassen würde. Sein Plan klappte nicht so, wie er gedacht hatte.

»Sie können mich zum Frühstück einladen – ich bleibe so lange, bis die beiden Frauen zurückkommen.«

»Ich schwöre Ihnen, daß ich nichts von den Frauen weiß, von denen Sie da fabeln«, protestierte Tappatt heftig. »Sie irren sich, Dorn, außerdem haben Sie überhaupt kein Recht hier zu sein – das weiß ich!«

»Ich irre mich niemals«, sagte Dorn herausfordernd, »und ich habe volle Berechtigung, hier zu sein und zu bleiben. Es ist die erste Pflicht eines Staatsbürgers, Verbrechen zu vereiteln, und die erste Pflicht eines Gastgebers ist es, seinen Gast einzuladen, wenn er hungrig ist. Nun laden Sie mich eben zum Frühstück ein und während des netten Essens will ich Ihnen dann noch verschiedenes erzählen, was Sie sehr interessieren und belustigen wird.«

Tappatt schaute verwirrt zur Seite. Jetzt saß er in der Falle. Seine List hatte nicht nur versagt, sondern sich sogar gegen ihn selbst gekehrt. Dorn beobachtete ihn unauffällig von der Seite und bemerkte, daß er schwer atmete. Mit Befriedigung sah er, daß er ihm einen Schrecken eingejagt hatte.

»Sie können nicht hier bleiben. Ich kann Sie nicht gebrauchen«, rief Tappatt ärgerlich. »Diese wahnsinnige Geschichte, daß zwei Frauen in meinem Haus sein sollen, ist irgendeine Mondscheinphantasie von Ihnen. Das wissen Sie auch ganz genau. Ich gebe Ihnen eine Minute Zeit, das Gehöft zu verlassen! Denken Sie doch ja nicht, daß ich mich von Ihnen bluffen lasse!«

Michael lachte leise.

»Nun, was wird denn passieren, wenn ich nicht fortgehe? Wollen Sie zur Polizei schicken? Damit wäre doch der Polizei die Möglichkeit gegeben, einmal die ganze Gegend gründlich abzusuchen und Sie zu überführen. Denken Sie doch nur an den scharfen Polizeikommissar, der damals Ihre Anstalt in den Nordwestprovinzen in Indien schloß. Sie wären damals fünf Jahre ins Delhi-Gefängnis gesperrt worden, wenn sich die Regierung etwas schneller entschlossen hätte. Holen Sie nur die Polizei, mein Lieber, das wird ja für Sie eine große Reklame werden.«

Tappatt hatte wirklich nicht die Absicht, das zu tun. Für ihn war die Polizeitruppe keine öffentliche Einrichtung, die er brauchen konnte. Da er selbst einen scharfen Verstand besaß, glaubte er sich über die Polizei lustig machen zu können.

»Na ja«, brummte er endlich, »kommen Sie herein. Aber Sie werden ja sehen, daß Sie sich bei der Geschichte mit den Frauen geirrt haben.«

»Wir wollen auch nicht weiter darüber reden«, sagte Michael mit einer freundlichen Handbewegung.

 


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