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Elftes Kapitel.

. Der Prozeß gegen Hicks hatte den Verlauf genommen, welchen der Verteidiger des Angeklagten, Mr. Elwyn, vorausgesagt; derselbe hatte mit einer Nichteinigung der Geschworenen geendet. Für die Dauer bis zu einem etwaigen zweiten Prozeß war es dagegen den vereinten Bemühungen seiner Freunde gelungen, ihn gegen eine hohe Bürgschaft, welche David's alte reiche Tante leistete, auf freien Fuß zu setzen.

Hicks bot nun Alles auf, was in seinen Kräften stand, um die Spur jenes Mannes zu entdecken, welcher gleichzeitig mit ihm nach Newburg gefahren war und die Ueberröcke vertauscht hatte. Mit und ohne Verkleidung durchstreifte er alle verdächtigen Lokalitäten der Stadt, denn einmal, so sagte er sich, mußte ihm doch der Zufall günstig sein.

Einige Tage nach dem Beginn seiner Nachforschungen war er in der Verkleidung eines Frachtarbeiters an der South Street mit der Musterung der Passanten beschäftigt. Da sah er einen Mann, welcher eine merkwürdige Aehnlichkeit mit seinem Reisebegleiter hatte, ohne aber die jenen kennzeichnende Narbe in dessen Gesicht finden zu können, weil der Mann eine Kappe tief in die Stirn gezogen hatte, welche dieselbe verdecken mußte, wenn sie wirklich vorhanden war.

Der Mann betrat eine Wirtschaft und forderte dort eine Erfrischung.

Hicks war ihm gefolgt und glaubte nunmehr auch die Stimme wieder zu erkennen. Der Mann, hatte das Verlangte erhalten und zu sich genommen; nun lüftete er gedanken- und arglos seine Kappe. In diesem Moment hatte David's scharfer Blick auch schon die Narbe erschaut, und er näherte sich, seinem einstigen Reisegefährten.

Inzwischen beobachtete aber auch der Andere den sich ihm Nahenden, und er erkannte, trotz der Verkleidung, in welche sich Hicks gesteckt, sofort, wen er vor sich habe. Rasch eilte er auf die Straße, und als ihm David ebenso schnell folgte, fing er zu laufen an.

Nun jagte ihm Hicks mit Windeseile nach; dabei bemerkte er nicht, daß ein anderer Mann, der eben aus dem Hause getreten war, die Hetzjagd der Beiden mit den Augen verfolgte. David war eben bis zu diesem Manne herangekommen, als derselbe ihm in den Weg trat und mit einem wuchtigen Schlage zwischen die Augen zu Boden streckte.

»Tibald Gibbs, der Schuft!« rief Hicks niederstürzend, und während er sich von seiner Ueberraschung erholte, sah er, wie Powel und der ehemalige Kassenbote um die nächste Ecke verschwanden. Er fühlte da, wo ihn Tibald getroffen hatte, einen stechenden Schmerz und hielt es für nöthig, sich nach Hause zu begeben, um so mehr, als die beiden soeben Verschwundenen genügenden Vorsprung hatten, um nicht mehr eingeholt zu werden.

Rider, dem der junge Mann sofort Kenntnis von dem Vorgange gab, veranlaßte, daß zwei seiner tüchtigsten Kameraden auf die Spur des Entwischten gesendet wurden, um dieselbe von dem Orte aus, an dem sie Hicks zuletzt gesehen, weiter zu verfolgen. Er selbst aber beschäftigte sich mit einem neuen Plane, wie er durch Rachel den Aufenthaltsort ihres Bruders ermitteln könnte.

Aus den Dwight'schen Geschäftspapieren war es ihm leicht, einige Muster von Tibald's Handschrift zu erhalten, und diese täuschend nachahmend, schrieb er eine Postkarte an die alte Jungfer deren Inhalt lautete:

 

»Liebe Rachel, teile mir schleunigst mit, ob Du es für ratsam hältst, wenn ich Dich des Abends allein aufsuche. Ich zweifle, ob sich dies mit meiner Sicherheit verträgt, und dennoch habe ich Dir für uns Beide ungeheuer wichtige Mitteilungen zu machen. Stecke Deine Antwort nach Dunkelwerden in den nächsten Briefkasten und adressire in der bekannten Weise.

Dein T...«

 

Diese Anfrage gelangte auf dem regelmäßigen Wege durch den Briefträger in Rachel's Hände.

An demselben Abende sah der Detektiv, wie die alte Jungfer das Haus verließ, sich vorsichtig umschaute und einen Brief in den nächsten Kasten, an einem Laternenpfosten, steckte. Eine halbe Stunde später, als der Briefsammler den Kasten öffnete, wußte Rider auch bereits, wie die Adresse des einstigen Kassenboten lautete. Von der Postbehörde wurde ihm der Brief dann ohne Anstand ausgehändigt. Derselbe war gerichtet an Mr. Tibald, Zimmer Nr. 10 in Mr. Alister's Logirhaus in der South Street.

Franklin wußte, daß dieses Logirhaus eine der gefährlichsten Spelunken in der Stadt war und daß er es kaum wagen durfte, in demselben eine Verhaftung allein vorzunehmen; wenn er aber mit Bedeckung ankam, so war er sicher, daß der Gesuchte bereits durch ein Signal gewarnt war, ehe die Verhaftung durchgeführt werden konnte. Gibbs entkam ihm durch eine Hinterthür oder ein unbekanntes Schlupfloch.

Die Verhaftung sollte trotzdem noch an demselben Abend vorgenommen werden, deshalb ging Rider nach dem Polizeiamt; dort ersuchte er um die Assistenz von zwei seiner kräftigsten Kollegen und ging dann, er selbst in der Verkleidung eines Kohlenschauflers mit geschwärztem Gesicht und ebensolchen Händen, nach dem verrufenen Hause. Die beiden Kameraden wurden von ihm in der Nähe der Thür postirt; dieselben waren bereit, auf ein Signal vorzuspringen.

Franklin betrat die Trinkstube, in der es laut herging und in welcher sich die Anwesenden bei Kartenkunststücken, rohen Witzen und schlechter Banjo-Musik belustigten. Gibbs war nicht anwesend; der Detektiv aber hatte warten gelernt. Es vergingen zwei Stunden; aber der ehemalige Kassenbote ließ sich nicht blicken, und Rider verzweifelte fast an dem Erfolge.

Plötzlich ging die Thür auf, und Tibald, einen prüfenden Blick über die Anwesenden werfend, trat herein. Er ging an den Kredenztisch und bestellte ein Glas Brandy, das er hastig austrank, um dann für eine kurze Zeit seine Aufmerksamkeit den Vorträgen, die auf einer improvisirten Bühne stattfanden, zuzuwenden.

Rider klopfte Gibbs auf die Schulter und flüsterte ihm in's Ohr: »Ein paar Worte im Vertrauen, Tibald; ich komme eben von Willet und habe Ihnen wichtige Mitteilungen zu machen.«

Gibbs war bei der Berührung zusammengefahren und hatte mechanisch die Hand an seine Pistolentasche gelegt; die Erwähnung einer Botschaft von Willet beseitigte aber seinen Verdacht, und er trat mit dem Geheimpolizisten zur Seite.

Dieser hatte inzwischen seinen draußen lauernden Kollegen ein Zeichen gegeben, und Beide stellten sich, der empfangenen Instruktion gemäß, dicht vor die Thür.

Rider wollte Gibbs unter dem Vorwande der Geheimhaltung mit hinauslocken, aber der ehemalige Kassenbote war doch zu vorsichtig und entgegnete, man könne auch innerhalb des Schankzimmers ungehört bleiben, und nahm in der Nähe der Thür Stellung.

Franklin begann seine Mitteilungen, daß ihm Willet zur Flucht aus der Stadt rate und man auf seiner Spur sei, mit so leiser Stimme, daß Tibald mehrmals um lauteres Sprechen ersuchen mußte. Dabei waren sie wie unabsichtlich bis in die nächste Nähe der sich leicht in ihren Angeln drehenden doppelflügeligen Thür gekommen. Einen Augenblick benutzend, in dem sich die anderen Anwesenden den schlechten Witzen des Banjo-Spielers zugewendet hatten und aus voller Kehle lachten, versetzte der Detektiv Gibbs einen so wuchtigen Stoß gegen die Thür, daß der nichts schlimmes Ahnende sofort auf die Straße stolperte.

Kaum aber erschien er auf dem Trottoir, so wurde er von den Fäusten der beiden draußen wartenden Geheimpolizisten in Empfang genommen. Dieselben drückten sofort seine Kehle zu, so daß er nicht imstande war, um Hilfe zu rufen. Ehe nur ein Mensch von dem ganzen Vorgange Kenntnis genommen haben konnte, war Tibald bereits in eine bereitstehende Kutsche geschleppt, und fort ging es im Trabe dem nächsten Gefängnisse zu.

Damit hatte Rider endlich doch seinen Zweck erreicht und einen der gefährlichsten Mitschuldigen an der Ermordung Melville Palmer's hinter Schloß und Riegel gebracht.

An demselben Nachmittage hatte Robert Wake einen Brief von seinem letzten, viele tausende Meilen von New-York entfernten Aufenthaltsorte erhalten. In diesen Brief war ein zweiter eingeschlossen, dessen Poststempel New-York als Ort der Absendung angab; dieses zweite Schreiben war also von New-York an die damalige Adresse Wake's gesendet und von seinen dortigen Geschäftsfreunden dem inzwischen nach New-York abgereisten Adressaten nachgesandt worden.

Das Gesicht des alten Herrn verklärte sich, seine Augen leuchteten voll Jugendfeuer auf, und seine Schritte wurden elastischer, als er den Brief erbrach und dessen Inhalt rasch überflog. War das noch derselbe alte Mann mit dem silberweißen Haar und Vollbart? Die Botschaft mußte eine sehr erfreuliche gewesen sein, denn mit bewegter Stimme rief er aus: »O, tausend Dank für diesen lieben Brief! Ja, sie war mir immer treu und hat nie an meine Schuld glauben können. Sie liebt mich noch immer und wird mir ewig treu bleiben!«

Er küßte das Blatt wie ein verliebter Jüngling; dann barg er es sorgfältig bei seinen Wertpapieren und begab sich zu Rider, um zu hören, ob dieser etwas über den Aufenthalt Jane Palmer's erfahren habe.

Franklin war eben nach der vollzogenen Verhaftung des ehemaligen Kassenboten nach seinem Amtszimmer zurückgekehrt und machte Wake nunmehr die Mitteilung von seinem glücklichen Fange. Gleichzeitig äußerte er, daß er jetzt hoffe, auch bald Miß Palmer aufzufinden und zu befreien.

Am nächsten Morgen begab sich Rider zu Tibald Gibbs in dessen Zelle. »Ein recht behagliches Quartier, mein Freund,« begann er spöttisch; »dasselbe ist noch sicherer als das bei Willet oder Mr. Alister.«

»Was wollen Sie?« entgegnete Gibbs in unverholenem Zorn und mit einem Blicke des tiefsten Hasses. »Machen Sie rasch, daß Sie Ihre Fragen, die Sie an mich stellen wollen, los werden, und dann lassen Sie mich in Ruhe, denn antworten werde ich Ihnen doch nicht!«

»Sie scheinen mir noch auf sehr hohen Pferde zu sitzen, Freund Tibald; Sie werden aber bald klein beigeben, wenn ich Ihnen sage, daß wir überwältigende und vollständige Beweise gegen Sie in Händen haben!«

»Und wozu sollen diese Beweise dienen?«

»Als Beweise der Ermordung Melville Palmer's durch Ihre Hand!«

Hatte sich Tibald Gibbs bis jetzt trotzig benommen und beschlossen, durch freches Auftreten und Leugnen jede Kenntnis von dem Morde zu bestreiten, so war diese bestimmte Anschuldigung und Erklärung Rider's, volle Beweise zu besitzen, doch ein harter Schlag für ihn. Zitternd setzte er sich auf den Rand seines Bettes und beteuerte seine Unschuld an Palmer's Tode mit fürchterlichen Eiden.

»Kennen Sie den Geldsack mit dem darauf geschriebenen Namen Melville Palmer's?«

Der ehemalige Kassenbote erbleichte und mußte sich an der Bettstelle festhalten. »Sie heimlicher Teufel!« stieß er endlich hervor. »Sie können mich durch solche Beweise in Gefahr und in den Verdacht bringen; aber Sie können mir damit doch nichts beweisen! Ich habe mit Palmers Ermordung nicht das Mindeste zu thun gehabt und weiß nichts davon; ich bin auch heute noch ein ebenso armer Mann, wie ich immer war, und weiß deshalb auch nichts von Palmers Geldsack trotz Ihrer angeblichen Beweise!«

»Und womit wollten Sie denn in Newburg für zehntausend Dollars Grundeigentum kaufen und sofort bar bezahlen?« fragte der Detektiv höhnisch.

Gibbs wurde es schwül zu Mute; er sah ein, daß der Geheimpolizist schwere Beweise gegen ihn in Händen hatte.

»Wir haben auch Ihre Fußspuren unter dem erbrochenen Fenster gefunden und ebenso die dazu gehörigen Schuhe,« fuhr Rider fort: »wir wissen ferner, wo Sie jede Minute in jener Mordnacht gewesen sind, und auch, daß Sie zwischen zwölf und ein Uhr in dem Gange waren und durch das erbrochene Fenster in das Haus einstiegen. Wir wissen eben Alles, und darum ist ein längeres Leugnen Ihrerseits völlig zwecklos. Gestehen Sie die Wahrheit, entlasten Sie Ihr schuldbeladenes Gewissen durch ein offenes Geständnis, und Sie können vielleicht dadurch der vollen Strenge des Gesetzes entgehen,« fügte er hinzu.

Tibald fuhr fort, seine Unschuld zu beteuern, und erklärte schließlich, jetzt keine weiteren Mitteilungen machen zu wollen.

»Wo aber ist Jane Palmer hingekommen, die Sie, Erzhalunke, entführten.«

»Davon weiß ich ebensowenig etwas, wie von der Ermordung ihres Vaters.«

»Mensch, Sie lügen!« rief der Detektiv. »Ich selbst habe das Mädchen an jenem Abend aus Willet's Händen befreien wollen, da ich als der vermeintliche Clerk des Advokaten Crocker mit Ihnen eine Unmasse von Wein getrunken.«

Gibbs sah sich von allen Seiten umgarnt, aber er beschloß dennoch, bei seinem Leugnen zu verharren. Wenn es bis zum Aeußersten kam, so würde ihn seine Schwester durch ihre Aussagen retten, dachte er.

Rider verließ die Zelle, ohne etwas Wichtiges aus dem Verhafteten herausgebracht zu haben; aber er gab sich der sicheren Hoffnung hin, ihn bei seinem nächsten Besuche doch mürbe zu machen.

Es war noch keine Stunde vergangen, seit der Geheimpolizist Gibbs verlassen hatte, als Rachel bei ihrem Bruder eintraf. Sie hatte seine Verhaftung durch einen Boten erfahren, den er am Morgen an sie abgesendet hatte.

Die Zuneigung der Beiden zueinander war zwar nicht von großer Tragweite, aber immerhin waren sie doch Geschwister und durch die Bande des Blutes eng miteinander verwachsen. Rachel war überrascht, ihren Bruder unter der Anklage des Mordes in Haft zu finden; sie war überzeugt den wahren Thäter zu kennen, und sie versprach dem Verhafteten seine Errettung aus der drohenden Gefahr.

Tibald hatte ihr zwar mitgetheilt, daß der Detektiv sehr belastende Beweise, gegen ihn habe, die ihn an den Galgen bringen könnten; aber das Auffinden des Geldbeutels und die Absicht, zehntausend Dollars in Grundeigenthum anzulegen, hatte er ihr verschwiegen, um nicht ihre Habsucht und ihren Zorn darüber zu reizen, daß er ihr von dem Besitz so vielen Geldes keine Mittheilung gemacht hatte.

Rachel's Entschluß war gefaßt; sie wollte der Polizei den Thäter nennen, um ihren Bruder damit aus dem Gefängnisse zu befreien. Mit dieser Absicht schritt sie sofort nach der Mulberry Street und suchte Rider's Amtszimmer auf, wo sie auch David Hicks und Mr. Wake antraf, die sich mit dem Detektiv in Berathung befanden.

»Ich habe ein Geständniß abzulegen,« begann die alte Jungfer ohne lange Umschweife, sich an Franklin wendend. »Das Interesse für meine bisherige Herrin, die ich vor Schaden zu bewahren suchte, hat mich bis heute abgehalten, zu reden; aber die Schwesterliebe zwingt mich jetzt, um meinen Bruder, der unschuldig unter einem schrecklichen Verdachte im Gefängnisse schmachtet, zu entlasten, der Wahrheit die Ehre zu geben. Mein Bruder hat nichts mit der Ermordung Mr. Palmer's zu thun gehabt; seine eigene Tochter Jane hat den alten Herrn getödtet!«

Starr vor Entsetzen sahen sich bei dieser Erklärung alle Anwesenden wechselseitig an, bis Mr. Wake wüthend aufsprang und, Rachel heftig am Arme fassend, dieser in's Gesicht schrie: »Weib, Du lügst! Jane ist nicht imstande, ein Thier leiden zu sehen, um wieviel weniger ihren verehrten und innig geliebten Vater zu ermorden!«

»Aber urtheilen Sie selbst,« entgegnete die alte Jungfer lebhaft; »ich werde Ihnen erzählen, wie ich Jane in jener Nacht belauschte und sie zweimal nach der Office habe gehen sehen.«

Und nun berichtete sie, daß sie zufälligerweise in jener Nacht nicht habe einschlafen können und gehört habe, wie Miß Palmer sich hinunter nach den Geschäftsräumen begeben, in denen der alte Kassirer noch spät zu arbeiten pflegte. Sie habe sich infolgedessen von ihrem Lager erhoben und die Thür ihres Gemaches ein wenig geöffnet; sie habe nicht lange zu warten brauchen, denn bald darauf sei das junge Mädchen mit einer Pistole im Arme die Treppe heraufgekommen und habe alle Zeichen des Schreckens zur Schau getragen. Dann sei Jane nochmals ohne die Waffe hinuntergegangen und habe zwei Thüren aufgeschlossen; darauf erst sei sie in das Zimmer der Dienerin gekommen und habe dieselbe gerufen. Die Waffe, mit der Miß Palmer ihren Vater umgebracht, müsse sich noch in dem Koffer ihrer bisherigen Herrin befinden, in welchem dieselbe in der Mordnacht von jener versteckt worden sei. Inzwischen aber sei Jane geflohen, weil sie sich vor der Entdeckung fürchtete.

Hicks konnte nunmehr nicht umhin, diesen Bericht aus seiner eigenen Erfahrung in der Mordnacht zu bestätigen; er erzählte, wie er beim Verlassen des Hauses Jane angetroffen habe und einen glänzenden Gegenstand, der offenbar die Pistole gewesen sei, in ihrer Hand gesehen hätte. Wenn er bis jetzt keine Mitteilung von seiner Kenntnis dieser Thatsachen gemacht, so hätte dies daran gelegen, weil er geglaubt, unedel zu handeln, wenn er ein unschuldiges Mädchen in einen so schlimmen Verdacht brächte, und weil er keinen Nutzen für sich selbst aus dieser Mitteilung zu erwarten hatte.

Noch mehr als durch die Erzählung Rachel's, die von selbstsüchtigen Beweggründen geleitet sein konnte und überhaupt keine sehr glaubwürdige Person war, wurde Rider von David's bestätigendem Zeugnisse betroffen. »Gehen wir nach Jane's Zimmer, um die Pistole zu suchen!« sagte er schließlich.

Sowohl Hicks wie Wake schlossen sich ihm auf dem Wege nach der Wall-Street an.

Als sie in dem Dwight'schen Geschäftshause angelangt waren und Miß Palmer's Zimmer betraten, fanden sie, daß der Koffer verschlossen war; derselbe wurde aber bald mit Gewalt geöffnet. Auf dem Boden desselben lag eine Pistole eigentümlicher Konstruktion; es war eine sogenannte Luftpistole, die sofort das größte Interesse des Detektivs erweckte.

»Nun wollen wir gleich sehen, ob dies auch die Waffe ist, mit welcher der Mord vollführt wurde,« sprach er. Dann zog er die aus der Wunde entfernte Kugel aus der Tasche und schob sie in die Mündung des Laufes.

Die Kugel paßte auf das genaueste; es war somit kein Zweifel mehr, daß es die Waffe war, durch die Melville Palmer getödtet worden. Nun hatte erst die Anklage Rachel's gegen ihre bisherige Herrin eine richtige Unterlage gefunden, und jetzt glaubte sich auch Rider überzeugt, daß das Mädchen nicht gewaltsam entführt worden, wie er bisher angenommen, sondern sich durch die Flucht einer Verhaftung entzogen hatte.

Zu derselben Zeit waren in der Office von Statton und Kent die beiden Geschäftsteilhaber mit der Untersuchung ihrer Bücher und der ganzen Geschäftslage beschäftigt. Die Eisenbahn-Aktien, auf deren Steigen sie ihre letzte Hoffnung gesetzt hatten, waren gefallen, und der Bankerott schien unvermeidlich zu sein, wenn es ihnen nicht gelang, das aus dem Diebstahl in der Dwight'schen Office herrührende, aber gezeichnete Geld an den Mann zu bringen.

Nach einer langen Beratung faßten sie endlich den Entschluß, sich an den alten Naphthali zu wenden; Statton sollte mit demselben über den Preis und die Frist der Wiedereinlösung in Verhandlung treten. Nachdem dies geschehen und sie wußten, ob Jener auf das Geschäft einging, wollten sie weitere Beschlüsse fassen.


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