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Miß Palmer war vom Schmerze überwältigt; sie bot ein Bild des unsäglichen Jammers dar. Der lindernde Thränenquell war versiegt, und sie brütete jetzt nur dumpf vor sich hin. Jane war etwa vierundzwanzig Jahre alt, von großer, formvollendeter Gestalt und mit edlen, schönen Gesichtszügen; aus ihren glänzenden und milden Augen sprach lautere Herzensgüte und Aufopferungsfähigkeit. Aber schon seit mehreren Jahren lag eine gewisse Schwermut über ihr ausgebreitet, als ob ein tiefer Kummer auf ihr laste.
Ganz das Gegenteil dieser überaus anmutigen und einnehmenden Frauengestalt war die neben ihr sitzende Dienerin. Rachel Gibbs war etwa vierzig Jahre alt und hatte in ihrem ganzen Wesen etwas Lauerndes, Verschlagenes, welches bei den meisten Menschen Mißtrauen gegen sie erwecken mußte. In ihrem abstoßenden Gesicht und Wesen drückte sich ihr niedriger Charakter nur zu sehr aus; sie war über alle Maßen neidisch, geizig, rachsüchtig und listig verschmitzt. Ihre Stellung als Dienerin in dem Palmerschen Haushalt hatte sie nur der Zufälligkeit zu verdanken, daß ihr Bruder Tibald die Stelle eines Kassenboten und Officedieners in Mr. Dwight's Geschäft bekleidete.
Der Effektenmakler, welcher von dem Geschehenen benachrichtigt worden, war in weniger als einer Stunde am Orte der grauenhaften That. Als bemerke er die Anwesenden gar nicht, eilte er zu Palmer's Pult und nahm aus der Schublade desselben ein Bündel Bankchecks.
Der Makler durchblätterte die Checks mit fieberhafter Hast und zitternden Händen! dabei sprach eine gespannte Erwartung aus jedem seiner Züge und jeder seiner Bewegungen. Und mit jeder Minute steigerte sich noch seine Erregung, bis dieselbe zur wahren Angst wuchs, als er ein kleines Buch zur Hand nahm, in welches die wichtigsten Vorgänge innerhalb des Geschäftes eingetragen waren. Kaum hatte er jedoch einen Blick in dasselbe geworfen, als es seiner Hand entfiel und er, wie von einem Nervenschlag getroffen, fast bewußtlos in den nächsten Sessel sank.
Der Detektiv sprang zu seinem Beistande herbei. »Haben sie durch die Beraubung einen sehr schweren Verlust erlitten!« fragte er.
»Mr. Rider, ich bin ruinirt! vollständig zu Grunde gerichtet!«
»Es wird in ihrem Interesse sein, mir nichts zu verheimlichen, wenn Sie wünschen, daß wir dem Verbrecher auf die Spur kommen und möglicherweise das Geld retten.«
»Ich habe nichts zu verheimlichen,« antwortete Dwight. »Gestern Nachmittag gab ich meinem unglücklichen Kassierer einen Check über sechsundachtzigtausend Dollars, damit er denselben bei der Bank einkassire und das Geld über Nacht in unserem Geldschrank aufbewahre, da wir es schon zeitig am Morgen brauchen. Die mir von Ihnen zugekommene Benachrichtigung von dem Morde enthielt gleichzeitig die Bemerkung, daß der Kassenschrank offen, aber kein Geld darin gefunden wurde: meine Hoffnung richtete sich daher darauf, daß Mr. Palmer das Geld nicht erhoben und der Check noch in der Office sei, aber ich fand denselben nicht, und hier ist die ganze schreckliche Wahrheit in den paar Worten enthalten: »23. März. Check über sechsundachtzigtausend Dollars einkassirt.«
»Sechsundachtzigtausend Dollars ist eine bedeutende Summe,« sprach Rider, »aber lassen Sie den Mut nicht sinken, denn das Verbrechen ist sofort nach der Verübung entdeckt worden, und der Thäter hat nur einen geringen Vorsprung. Hoffen Sie, daß es unseren vereinten Anstrengungen gelingen wird, dem Mörder wenigstens den geraubten Betrag abzujagen.«
Diese Worte blieben auf den Effektenmakler nicht ohne Wirkung; er nahm eine etwas gefaßtere Haltung an.
»Wir haben bereits einen wichtigen Anhaltspunkt wegen des Mörders,« warf der Sergeant in diesem Augenblicke ein.
»Nach welcher Seite richtet sich ihr Verdacht?« fragte Mr. Dwight.
»Lassen Sie mich einen kurzen Ueberblick der Lage und meiner sich daran anschließenden Folgerungen geben,« fuhr der Polizeibeamte fort. »Die Officethür wurde offen gefunden; dies ist nichts Ungewöhnliches, da Mr. Palmer dieselbe wahrscheinlich selbst geöffnet hatte. Die Hausthür war gleichfalls nicht verschlossen und der innere schwere Riegel fortgeschoben; der Geldschrank ist durch den Schlüssel des Kassirers geöffnet; ein Fenster, welches nach dem Seitengange führt, ist erbrochen oder scheint es wenigstens zu sein. Nun folgere ich hieraus, daß der Thäter ein Bewohner dieses Hauses war, und zwar einer, der die Kombination des Schlosses kannte und auch wußte, daß eine bedeutende Summe Geldes in dem Schrank aufbewahrt wurde. Der Thäter überraschte den Kassirer; er schoß ihn nieder, nahm den Schlüssel aus seiner Tasche, öffnete den Schrank, raubte das Geld und entfloh durch die Hausthür, die nur von innen geöffnet werden konnte. Um aber die Nachforschungen auf Irrwege zu leiten, sperrte der Mörder das nach dem Seitengange zu liegende Fenster auf, zerbrach die Riegel und lehnte die Läden nur an, da er den Verdacht zu erwecken beabsichtigte, daß der Verbrecher auf diesem Wege von außen eingedrungen sei. Nun sagen sie mir, Mr. Dwight, welcher von Ihren Angestellten wußte, daß Sie einen so großen Betrag im Hause hatten, und kannte gleichzeitig die Kombination des Schlosses?«
»Es giebt nur einen einzigen außer Palmer, der um das Vorhandensein des Geldes wußte und gleichzeitig die Kombination des Schlosses kannte; aber es wäre Wahnsinn, auch nur daran zu denken derselbe könnte an diesem Verbrechen beteiligt sein,« versetzte der Makler.
»Wollen sie nicht die Freundlichkeit haben, uns den Namen dieses Angestellten zu nennen?« fuhr der Sergeant fort.
»Er heißt David Hicks. Doch halt! Daß ich nicht gleich daran dachte! Er wohnt ja hier im Hause und hätte längst gerufen werden müssen.«
»Er wurde gerufen, aber er war bereits entflohen,« entgegnete der Polizeibeamte. »Wenn ich auch Ihre Gefühle gern schonen möchte, so muß ich doch einen schweren Verdacht aussprechen, und ich glaube überzeugt zu sein, daß auch Detektiv Rider denselben teilt.«
»Was wollen Sie damit sagen?« rief Dwight ängstlich.«
»Nun, ich erkläre hiermit daß David Hicks der Mörder Melville Palmer's ist.«
Somit hatte schließlich doch die entsetzliche Anklage, welche Jane Palmer fürchtete, in Form und Worten Ausdruck gefunden. Der Sergeant war zwar bis jetzt der Einzige, welcher den Verdacht gegen Hicks ausgesprochen hatte, aber zweifellos befanden sich noch mehr Personen im Zimmer, die sich der Logik seiner Beweisführung nicht ganz verschließen konnten.
Amos Dwight würde sein Leben für die Ehre und Unschuld dessen eingesetzt haben, dem er das Glück seines einzigen Kindes anzuvertrauen bereit gewesen; sein Vertrauen in die Ehrenhaftigkeit des jungen Mannes war auch durch die eben gehörte Kette von Beweisgründen nicht im geringsten erschüttert worden, und als der Polizeibeamte das, was er zuerst nur angedeutet hatte, nunmehr trocken aussprach und den Namen David Hicks nannte, da sprang der Makler mit zorngerötetem Antlitz auf und rief: »Dies ist ein wahnsinniger Gedanke! Unterstehen Sie sich nicht noch einmal, den Namen meines zukünftigen Schwiegersohnes in meiner Gegenwart mit diesem Verbrechen in Verbindung zu bringen!«
»Mr. Hicks ist so schuldlos wie ich,« sagte nun auch die Tochter des Ermordeten; »ich weiß und fühle es, daß er keiner unwürdigen Handlung, geschweige denn eines Verbrechens fähig ist.«
»Und was mich betrifft,« ergriff jetzt der Detektiv das Wort, »so ist mein Kollege sehr im Irrtum, wenn er glaubt, ich teile seinen Verdacht. Im Gegenteil, gerade alle vorliegenden Umstände zwingen mich, von der Unschuld des jungen Mannes überzeugt zu sein.«
Der Sergeant schien bei diesen aufeinander folgenden Abweisungen seiner mit so viel vermeintlicher Ueberlegenheit abgefaßten Schlußfolgerungen einige Sekunden wir versteinert zu sein; dann entgegnete er jedoch in boshaft spöttischem Tone: »Dennoch werde ich recht behalten! Einer meiner besten Leute ist bereits auf der Fährte des Flüchtlings, und ehe sich der anbrechende Tag wieder dem Abend zuneigt, wird sich Hicks in sicherem Gewahrsam befinden.«
Mr. Dwight wendete sich unwillig von ihm ab und schritt zur Leiche seines langjährigen, treuesten Untergebenen und Freundes, der wahrscheinlich in Vertheidigung des Eigenthums seines Herrn das Leben ausgehaucht hatte. »Armer, guter, treuer Melville!« sprach er; »es ist ein Jammer, daß Du auf diese Weise sterben mußtest! Du hattest einen Ruf, auf den ein Jeder stolz sein durfte.«
Darauf wendete er sich theilnehmend an die so schwer betroffene Tochter des Todten und fuhr fort: »Mein theures Fräulein, bleiben Sie stets meines größten Wohlwollens versichert und finden Sie wenigstens einigen Trost in der Gewißheit, daß das Andenken an Ihren Vater von Jedermann in Ehren gehalten wird.«
»Ja es soll in Ehren gehalten werden!« erwiderte Jane in fast herausforderndem Tone. Sie war tief ergriffen, und wieder brach sich ihr vorhin gewaltsam unterdrückter Gram in einem Thränenstrome Bahn.
Nun kniete sie, an der Leiche ihres Vaters nieder, und es hatte den Anschein, als ob sie ein stilles Gebet für das Seelenheil des vorzeitig aus dem Leben geschiedenen spräche oder sich selbst etwas gelobte.
Die erste Untersuchung war nunmehr beendet. Die Leiche wurde unter die Aufsicht von zwei Polizisten gestellt, welche darauf zu achten hatten, daß keine Veränderungen im Thatbestand bis zur offiziellen Leichenschau durch den Coroner vorgenommen wurden. Alle Uebrigen entfernten sich für den kurzen Rest der weichenden Nacht.
Auch Jane war, erschöpft von den Aufregungen, die plötzlich auf sie eingestürmt, aufs Lager gesunken; doch der Schlummer, der große Schmerzensstiller, blieb ihr fern. Gedanken wurden von Gedanken unterbrochen, und aus all' dem wirren Durcheinander sah sie nur das eine Schreckensbild sich formen, die eine Drohung sich erheben, daß das, was sie vor den Augen Aller geheim halten wollte, schließlich doch ans Tageslicht kommen und damit ihr gesammtes Mühen und Sorgen vergeblich bleiben würde.
Die Sonne hatte sich bereits lange an dem Firmament erhoben, als sich das Mädchen, ohne Ruhe gefunden zu haben, von ihrem Lager erhob. Sie kniete, zum Licht gewendet, nieder und rief, die Hände wie zum Gebet erhoben aus: »Giebt's noch einen Rückweg? Muß ich nicht auf dem einmal beschrittenen Wege weiter wandeln?«
Dann schwieg sie eine Weile, und schwere Seufzer kamen aus ihrem gepreßten Herzen. Endlich fuhr sie mit halblauter Stimme fort: »Ich finde Stärke in dem Bewußtsein, daß es meine Pflicht war, zu handeln, wie ich es gethan; aber plötzlich treten Umstände auf, an die ich gar nicht denken konnte. Daß Hicks auch gerade in dieser Unglücksnacht das Haus verlassen mußte! Wenn er nur genügende Erklärung für seine Abwesenheit zu geben wüßte! Wie aber dann, wenn dies nicht der Fall wäre? Wenn er – – mich schaudert!«
In diesem Augenblicke schien es Jane, als habe sie eine Bewegung an der Thür vernommen, und der beängstigende Gedanke kam ihr, sie könne belauscht werden. Trotzdem stand sie ruhig auf, und keinen Argwohn verrathend, ging sie nach der Seitenwand, von wo sie ungesehen die Thürklinke erreichen konnte. Mit einem schnellen Griff öffnete sie die Thür erblickte vor sich auf der Fußmatte knieend Rachel Gibbs, die am Schlüsselloch gehorcht hatte.
»Erbärmliche Schleicherin!« rief das erzürnte Mädchen. »Schon lange habe ich Sie im Verdacht, daß Sie jedes meiner Worte und jeden meiner Schritte zu belauschen suchen. Fort mit Ihnen! Entfernen Sie sich sofort aus dem Hause!«
Für ein paar Sekunden war die Dienerin durch die Ueberraschung verwirrt, und man konnte das Schuldbewußtsein in ihren Zügen lesen; dann aber gewann die Frechheit wieder die Oberhand, und mit einem Blicke voller Bosheit und Trotz entgegnete sie: »Sie wissen also, wer Ihren Vater tödtete, und wollen es vor der Welt verbergen? Hahaha! Ich habe Alles gehört, und Sie befinden sich in meiner Gewalt! – Nun, entlassen Sie mich, wenn Sie dürfen!«
Miß Palmer wich einige Schritte Zimmer zurück und schlug die Thür hinter sich zu. »Auch dies noch!« kam es dann von ihren Lippen. »Dies macht die Sache noch schlimmer, als sie ohnehin gewesen ist!« – –
Auch Mr. Amos Dwight hatte gleichzeitig mit den Anderen seine Office verlassen und sich seiner in der oberen Stadt gelegenen Wohnung zugewendet, wo die Tochter ängstlich seiner harrte, da sie vor seinem Fortgehen von der Schreckensbotschaft der Polizei unterrichtet worden war.
Der Makler war seit langen Jahren Witwer, und alle Gefühle seines Herzens, sowie seine ganze Zärtlichkeit hatten sich seiner einzigen Tochter Magdalen zugewendet. Aber auch der Letzteren Herz war ein unerschöpflicher Born von Liebe und Hingebung, die den alternden Mann reichlich für alle Opfer entschädigte, die er seinem Kinde brachte. Das Haus, in welchem er wohnte, gehörte ihm; er war bisher wohlhabend gewesen und hatte Magdalen Alles gewähren können, was zum Komfort des Lebens gehörte. Und nun war es noch eine Frage der Zeit, wann dies Alles sich ändern, wann sie, die Tochter des bankerotten Vaters, aus ihrem alten Heim vertrieben werden würde.
Wie ein Trunkener wankte der gebeugte Mann, zu Hause angelangt, nach seinem Zimmer und ließ sich dort, in dumpfes Brüten versunken, in einen Lehnstuhl fallen.
Magdalen hatte jedoch die Schritte des Vaters vernommen und eilte sofort zu ihm. Sie blickte besorgt in seine Augen, aus denen nichts als ein tiefer, schwerer Kummer sprach.
Langsam, abgebrochen erzählte Dwight die Vorgänge in der Office; er berichtete über seinen Verlust und die drohenden Folgen desselben und schloß mit den Worten: »Mein theures Kind, Dein Vater ist ein Bettler! Ich bin geschäftlich vollständig ruinirt!« Den schweren Verdacht gegen David Hicks, ihren Verlobten, verschwieg er, um ihr das Herzeleid wenigstens vorläufig zu ersparen.
»Aber, Herzenspapa, Du malst Dir die Lage sicher schwärzer aus, als sie in Wirklichkeit ist. Deine Gläubiger werden Dir doch unter den vorliegenden Verhältnissen eine angemessene Frist zur Erfüllung Deiner Verbindlichkeiten gewähren.«
»Nein, meine liebe Magdalen, Du kennst diese Kreditoren nicht; so wisse denn, es sind Station und Kent, die nur auf solche Gelegenheit lauern, um dieselbe mit Gier zu erfassen.«
Dwight schwieg eine Weile, dann fuhr er fort: »Ich hatte gehofft, mein Grundeigenthum in Colorado bis Ende letzter Woche mit Vortheil verkauft zu haben und bereits gestern im Besitz des Geldes zu sein, denn in diesem Sinne hatte mir mein dortiger Vertreter mit aller Bestimmtheit geschrieben. Statt dessen empfing ich nun gestern die Nachricht, daß der Käufer plötzlich die Unterhandlungen abgebrochen habe, da ganz unerwartet eine starke Entwertung des Bodens eingetreten sei. Dieser Fehlschlag eines für sicher gehaltenen Geschäfts-Abschlusses hat mich in eine ganz entsetzliche Lage gebracht; dieselbe ist so furchtbar, daß ich selbst Dir, meine geliebte Tochter, die Folgen derselben nicht bekennen darf.«
Vergeblich drang Magdalen in den Vater, ihr sein Herz auszuschütten.
»Ich kann und darf es nicht thun!« antwortete er.
Das junge Mädchen mußte sich dieser Erklärung fügen. »Sind Dir Statton und Kent wirklich so feindlich gesinnt, daß es ihr Streben ist, Dich zu Grunde zu richten?« fragte sie. »Ich denke heute noch daran, welchen Abscheu ich vor Statton empfand, als er mich mit seinen widerlichen Blicken anstirte.«
»Liebe Magdalen, ich war ein Feigling, als ich diesen Menschen in mein Haus einführte. Er kannte Dich vom Sehen, genau so wie Du ihm schon begegnet warst und wußtest, wer er war; aber er verlangte von mir, ihn Dir persönlich vorzustellen, und ich war schwach genug, seinem Drängen nachzugeben, weil ich in seiner Gewalt war. Es war eine Torheit von mir, denn obgleich ich wußte, daß dieser Mann nicht wert war, Dich überhaupt kennen zu lernen, vergaß ich für ein Augenblick den Vater über den Schuldner.«
»Aber das Geld kann ja doch möglicherweise wiedererlangt und der Thäter ermittelt werden,« sagte Miß Dwight, um das Gespräch wieder auf einen andern Gegenstand zu lenken. »Hat die Polizei denn noch gar keinen Verdacht gegen irgend Jemanden?«
Der Makler wurde ungemein erregt und zugleich bestürzt; er wußte nicht, wie er diese heikle Frage beantworten sollte, ohne eine schon am nächsten Tage offenkundig werdende Lüge auszusprechen.
»Sprich, Vater!« rief das Mädchen. »Was soll dieses Schweigen bedeuten?«
Nun erst bekannte Dwight, aus schonenden Rücksichten, den gegen David Hicks vorliegenden Verdacht verschwiegen zu haben.
»Lieber Vater,« sagte jedoch Magdalen ruhig, »wenn die Sache nicht zu ernst wäre, so könnte man darüber lachen. Aber selbst wenn es nur ein schlechter Witz wäre, könnte man nichts anderes thun, als einen solchen Verdacht mit Verachtung strafen! Dieserhalb kann ich ruhig schlafen, denn ich kenne David.«
»Dies ist auch bei mir der Fall, mein Kind,« stimmte Dwight bei.
Nach diesen Worten trennte sich Vater und Tochter, um, wenn möglich, noch etwas Ruhe zu genießen. Aber dem Ersteren war dieselbe nicht, beschieden; unruhig, nervös und geängstigt schritt er bis in den Morgen hinein in seinem Schlafgemach auf und ab.
Plötzlich blieb er stehen, schlug sich vor die Stirn und sagte: »Kann Hicks mich im Verdacht gehabt haben?«