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Es war Nacht. David Hicks, ein junger Clerk, dessen Zimmer unmittelbar über der Makler-Office lag, in welcher er angestellt war, war auf seinem Bette, ohne sich der Kleider entledigt zu haben, in Schlaf verfallen.
Plötzlich erwachte er; er sprang mit einem Satze von seinem Lager auf und rief: »Was? Habe ich mich etwa verschlafen?« Dann warf er einen Blick auf die Uhr und überzeugte sich, daß noch zwanzig Minuten zu Eins fehlten; Er rieb sich die Augen und murmelte vor sich hin: »Die Uhr hat also noch nicht ihren Weckruf ertönen lassen; was mag mich aus dem Schlafe gerissen haben? Fast möchte ich glauben, daß es eine laute Stimme gewesen ist.«
Der junge Mann setzte sich nunmehr auf den Bettrand und lauschte ein paar Minuten lang; doch nichts war zu hören, kein Laut unterbrach die Stille der Nacht innerhalb des ganzen Gebäudes.
Nur von außen schlug das niemals völlig rastende Geräusch des weltstädtischen Straßenlebens von New-York an sein Ohr.
Endlich erhob er sich wieder; er ergriff eine bereit liegende Handtasche und legte noch einige kleine Gegenstände hinein. Während dieser Beschäftigung sprach er wieder vor sich hin: »Ich darf den Zweiuhr-Zug nicht versäumen, sonst ist alles verloren! Die Entdeckung kann nicht vor dem Beginn der Börsenzeit gemacht werden, und hoffentlich ist es dann noch nicht zu spät. Hätte ich nur diese Schurken, diese Stratton & Kent, niemals kennen gelernt!«
David Hicks war von der Mutter Natur nicht stiefmütterlich behandelt worden; er war schlank gewachsen, hatte fein geschnittene Gesichtszüge, einen freundlichen, offenen Blick und galt bei allen seinen Bekannten für einen vollendeten Gentleman. Es war kein Geheimnis, daß er mit Miß Magdalen Dwight der Tochter seines Prinzipals, verlobt war; wohl aber wunderte man sich darüber, daß der Fondmakler Amos Dwight zu der Verbindung mit einem einfachen Buchhalter seine Zustimmung gegeben hatte. Diejenigen, welche eingeweiht zu sein glaubten, erzählten, daß Hicks eine reiche und schon hoch betagte Tante beerben würde und daß dieser Umstand bei dem Vater seiner Braut sehr zu Gunsten der Partie in die Wagschale gefallen sei.
David hatte allerdings durch Beerbung seiner Tante ein beträchtliches Vermögen zu erwarten; dies war jedoch bei der aufrichtigen Liebe Magdalenas von keinem Einfluß gewesen und ebensowenig hatte sich der junge Mann bei der Bewerbung um die Tochter des reichen Fondmaklers von andern Beweggründen leiten lassen, als von einer hingebenden Liebe zu der holdseligen Jungfrau.
Nachdem Hicks die Handtasche geschlossen hatte, verließ er das Zimmer, und lautlos, um keine Störung zu verursachen, schritt er die dunkle Treppe hinab. Am Fuße derselben angelangt, blieb er stehen, denn er glaubte von der Office her ein Geräusch wie halb unterdrücktes Stöhnen gehört zu haben; er war im höchsten Grade überrascht.
»Was war das?« fragte er sich. »Sollten Einbrecher in die Geschäftsräume gedrungen sein?«
Er lauschte mit angehaltenem Athem auf eine Wiederholung der sonderbaren Laute.
Während er noch so dastand, fiel ihm plötzlich ein, daß Mr. Palmer, der Kassirer und Prokurist der Firma, welcher mit ihm in derselben Etage wohnte, den bedeutenden Betrag, den er erst kurz vor Bankschluß erhoben, in den Geldschrank eingeschlossen hatte, und getrieben von dem Drange, das Eigenthum seines Prinzipals zu schützen, that er einige Schritte in der Richtung der Officethür.
In demselben Augenblick wurde dieselbe jedoch von innen geöffnet, und der Schein eines Lichtes fiel aus dem Geschäftslokale auf die gegenüberliegende Wand des Korridors.
Rasch drückte sich Hicks in den Schatten des Treppenaufganges. Fast gleichzeitig trat eine weibliche Gestalt aus der Thür, in der einen Hand die brennende Kerze, in der anderen ein Papier mit einem hell glänzenden Gegenstand haltend.
»Dies ist ja Jane!« flüsterte der junge Mann vor sich hin. »Was mag sie noch zu so später Stunde in der Office thun gehabt haben? Hm, ihr Vater, der oft die halbe Nacht hindurch in seiner Wohnung arbeitet, muß sie wohl wegen notwendiger Papiere heruntergeschickt haben.«
Von seinem Versteck aus bemerkte David, daß Jane's Antlitz tödtlich blaß war: aus ihren Augen sprach der Ausdruck furchtbarsten Schreckens, und es schien, als werde ihr ganzer Körper von Fieberfrost geschüttelt. Schweigend zog sie die schwere Officethür zu; sie steckte den Schlüssel in das Schloß und suchte zu schließen, aber ihre Hand zitterte dermaßen, daß es ihr nicht gelang. Mit einer verzweifelten Anstrengung drehte sie endlich den Schlüssel um und rannte die Treppe hinan.
»Wer hätte wohl geglaubt, daß Jane so furchtsam sei?« murmelte jetzt Hicks vor sich hin; »was kann ihr denn innerhalb des Hauses passiren? Sollte das gebildete Mädchen von Gespensterfurcht heimgesucht werden?«
Er sann jedoch nicht weiter darüber nach, sondern öffnete leise die Hausthür und schlüpfte auf die Straße hinaus; mußte er sich doch beeilen, wenn er zur rechten Zeit nach dem Bahnhofe kommen und zum Beginn der Geschäftsstunden von seinem Ausfluge zurück sein wollte.
Das Haus, welches der junge Mann verlassen hatte, war eines der unscheinbarsten Gebäude der so berühmten und berüchtigten Wall-Street; es war eines der ältesten in diesem Teile der Stadt und seine innere Einrichtung so unpraktisch wie möglich. Um nach der Makler-Office zu gelangen, mußte man einen Hausflur durchschreiten, der sich durch die ganze Tiefe des Gebäudes erstreckte; erst von da kam man durch eine Seitenthür in das Geschäftslokal Amos Dwight's. Die Treppe nach den oberen Stockwerken befand sich in der Nähe der vorderen Hausthür; an der Rückseite des Gebäudes war eine schmälere Treppe angebracht, die in den zweiten Stock führte und ihren direkten Ausgang nach dem Hofraum und zu einer Hinterthür hatte.
Der Fondmakler hatte das ganze Gebäude gemietet, trotzdem er nur dessen Parterre für seine Geschäftszwecke bedurfte: fand sich ein geeigneter Mieter, so gab er diesem die überflüssigen Räume ab. In diesem Augenblicke war die dritte Etage unbesetzt; die zweite dagegen wurde von dem Kassirer Dwight's, Melville Palmer, bewohnt.
Mr. Palmer war ein Sechziger und Wittwer. Er hatte nur ein einziges Kind; seine Tochter Jane war der Sonnenschein seiner alten Tage. Der kleine Haushalt wurde von Rachel Gibbs, einer etwa vierzigjährigen alten Jungfer, der Schwester des beim Geschäft angestellten Kassenboten und Ausläufers Tibald Gibbs, versehen. Ein ihm überflüssiges Zimmer hatte Palmer niedlich möblieren lassen und an seinen Geschäftskollegen David Hicks vermietet.
Mr. Palmer war ein Ehrenmann; dies mag eine kleine Episode, welche sich kurze Zeit vorher abgespielt hatte, beweisen. Er befand sich eines Nachmittags ganz allein in der Office, als ein Geschäftsfreund seines Prinzipals, Mr. Stratton, von der Firma Stratton & Kent, eintrat und den alten Mann zu überreden suchte, seine bisherige Stellung aufzugeben und die eines Direktors in einem neu gegründeten Aktien-Unternehmen anzutreten.
Der alte Kassirer kannte diese Gründung; er hatte diese Mr. Dwight gegenüber als einen Schwindel bezeichnet, der darauf berechnet wäre, das Geld aus den Taschen der vertrauenden Menge zu locken und die Gründer zu bereichern, ohne daß sie dabei in den Maschen des Gesetzes hängen blieben. Er hörte die glattzüngigen Argumente Thomas Strattons mit gleichgültigem Schweigen an und entgegnete endlich in scharf abweisendem Tone: »Genug hiervon! Sie beleidigen mich mit Ihren Vorschlägen, auf die ein ehrlicher Mann nicht eingehen kann!«
»Auch nicht, wenn viel Geld dabei zu verdienen ist?« fragte der Andere lächelnd.
»Nicht für Millionen!« lautete Palmer's Antwort. »Sehen Sie auf meine grauen Haare; dieselben sollen nicht geschändet werden, und mein Kind soll nicht nötig haben, bei dem Namen seines Vaters zu erröten!« – –
Nach der Entfernung des jungen Buchhalters war es eine Zeitlang totenstill in dem Hause.
Diese Ruhe wurde endlich durch Jane Palmer unterbrochen, welche die Hintertreppe hinunter in den Hausflur schlich. Sie wollte die Officethür wieder aufschließen, besann sich aber vorher, sich davon zu überzeugen, ob die Hausthür geschlossen sei; hierbei entdeckte sie zu ihrem Schrecken, daß der schwere innere Riegel fortgeschoben und die Thür nur durch das Schnappschloß vor dem Eindringen von draußen verwahrt war. Sie taumelte gegen die Wand, wo sie für ein paar Minuten, in ernstes Nachdenken versunken, zitternd angelehnt blieb.
Plötzlich schien sie zu einem Entschlusse gekommen zu sein, und mit fester Hand zog sie auch den Riegel des Schnappschlosses zurück. Nachdem sie auf diese Weise den Eintritt zum Hause und der Office vollständig frei gegeben hatte, eilte sie flüchtigen Schrittes nach der Hintertreppe zurück und schlich sich nach oben.
Inmitten der Treppe erfaßte sie das Geländer und blieb lautlos stehen; es war ihr, als hätte sie Fußtritte in dem Gange über ihr gehört. Die Schritte verstummten alsbald wieder, und das Geräusch ihrer aufgeregten Phantasie zuschreibend, stieg sie den Rest der Stufen hinauf.
Oben angekommen, schritt sie nicht wieder nach ihrem Zimmer zurück, sondern wendete sich nach dem Schlafgemach der Dienerin und klopfte an die Thür.
Im nächsten Moment wurde dieselbe geöffnet, und Rachel wurde sichtbar.
»Was giebt's, Miß Jane?« fragte sie. »Sie sind doch nicht krank?«
»Dies nicht, aber ich fühle mich wegen des langen Ausbleibens meines Vaters beängstigt; ich lausche schon seit drei Stunden auf seine bekannten Tritte, aber er kommt noch immer nicht.«
»Vielleicht ist er wieder in der Office, um einige nach seiner Ansicht unaufschiebbare Arbeiten zu erledigen; Sie wissen ja, daß dies seine Weise ist. Wir können übrigens sofort einmal nachsehen.«
Miß Palmer nickte mit dem Kopfe und forderte die Dienerin auf, sie nach den unteren Räumen zu begleiten. Bald darauf schritten Beide die Treppe lautlos hinunter; als sie vor der Officethür anlangten öffneten sie dieselbe und traten in das Zimmer.
Jane stieß einen fürchterlichen Schrei aus; denn ein entsetzlicher Anblick bot sich ihren Augen dar. »Allmächtiger Gott! Mein Vater ist ermordet!« kam es von ihren Lippen.
Und in der That lag auf dem Fußboden neben einem umgestürzten kleinen Schreibtisch der leblose Körper Melville Palmer's; von den Schläfen des Todten war ein Blutstrom über dessen Gesicht auf den weißen Boden geflossen, der nun eine grausige Lache bildete.
Dem jungen Mädchen schien bei dem Anblicke das Blut in den Adern zu stocken; sie lehnte sich an die Dienerin und erfaßte deren Arm. Die Letztere dagegen zeigte sich gefaßter; nachdem sie die Lage der Dinge mit einem einzigen Blicke erfaßt hatte, sprach sie: »Ja hier ist ein Mord verübt worden und ein Raub dazu; sehen Sie doch, der Geldschrank ist weit offen!«
Mit dem Aufgebot aller Kräfte kniete Jane neben dem todten Vater nieder; sie leuchtete ihm in's Gesicht und streichelte seine Wangen, als wollte sie sehen, ob noch Leben in ihm sei. »Armer, lieber, guter Herzensvater!« rief sie mit vor Schmerz erstickter Stimme, nachdem sie sich überzeugt, daß hier jede Hilfe zu spät kam. »Man hat Dich ermordet, um zu rauben! O, es ist entsetzlich!«
»Wir müssen sofort die Polizei benachrichtigen,« meinte jetzt Rachel!
»Thun sie dies; dann aber eilen Sie hinauf und rufen Sie Mr. Hicks!«
Die Dienerin lief nach der Hausthür, welche sie offen fand; sie trat auf die Straße und rief mit gellender, weithin schallender Stimme: »Zu Hilfe! Mord!« Dreimal ließ sie diesen schauerlichen Ruf in die stille Nacht hinaus erschallen, und beim letzten Male sah sie auch bereits einen Polizisten von der nächsten Ecke auf das Haus zugelaufen kommen.
Ohne aber dessen Ankunft abzuwarten, eilte sie nunmehr die Treppe hinauf nach dem Zimmer des jungen Clerks und klopfte laut an dessen Thür. »Mr. Hicks, Aufgemacht! Mr. Palmer ist ermordet!« rief sie.
Es erfolgte jedoch keine Antwort; nichts regte sich in dem Zimmer.
Rachel erfaßte jetzt den Drücker der Thür, und dieselbe öffnete sich ohne Widerstand; ein einziger Blick belehrte sie, daß der junge Mann nicht zu Hause war. Die alte Jungfer, welche in diesem Raume Bescheid wußte, schritt zu dem Schrank: sie öffnete denselben und fand, daß die sonst dort liegende Handtasche fehlte, was ihr höchst verdächtig erschien. Im nächsten Augenblick befand sie sich wieder auf der Treppe und rief schon von dort aus Jane entgegen: »Mr. Hicks ist entflohen!«
»Mr. Hicks ist fortgegangen?« fragte das Mädchen.
»Er ist geflohen, behaupte ich!« entgegnete die Dienerin.
»Seine Abwesenheit beweist doch aber nicht, daß er entflohen ist,« widersprach Jane; »er wird sich in lustiger Gesellschaft in irgend einem Klub aufhalten.«
»Sie irren, Fräulein; er hat sich wie gewöhnlich abends nach seinem Zimmer zurückgezogen, und ich habe ihn noch kurze Zeit, ehe Sie mich riefen in demselben umhergehen gehört.«
»Sagen Sie dies um des Himmelswillen keinem Menschen!« flehte Miß Palmer. »Ich bitte, ich beschwöre Sie! Diese Mitteilung könnte einen schuldlosen Menschen in einen furchtbaren Verdacht bringen!«
Ehe Rachel Gibbs noch antworten konnte, wurde die Thür hastig geöffnet, und der herbeigerufene Polizist trat ein. »Was ist geschehen?« rief er. Als er dann einen Blick umhergeworfen, fügte er hinzu: »Ein Mord? Und auch der Geldschrank ist erbrochen?«
In wenigen Worten erklärte Jane dem Manne, wie sie ihren Vater gefunden, und derselbe wendete sich sofort zum Gehen, um bei seinen Vorgesetzten die nötige Meldung zu machen.
Es dauerte nunmehr kurze Zeit, bis ein Polizei-Sergeant mit einer Anzahl Polizisten und einem Detektiv am Orte der That erschien. Der Detektiv und der Sergeant gingen sofort an die Untersuchung des Thatbestandes. Zunächst besichtigten sie die Leiche; sie stellten die Art der Wunde fest und bedeckten dann das Gesicht des Todten mit einem durch Rachel herbeigeholten Tuche.
Hierauf wurden die sonstigen Umstände festgestellt. Der Inhalt des großen Geldschrankes war durcheinandergeworfen, als ob Jemand hastig darin herumgesucht hätte, aber das Schloß desselben fand sich in Ordnung. Den Schlüssel, welcher im Schlosse steckte, erkannte Jane als denjenigen, den ihr Vater stets bei sich geführt.
»Demnach hat Mr. Palmer den Schrank selbst geöffnet und ist dabei von dem Mörder überrascht und niedergeschossen worden; dann hat sich der Letztere an die Beraubung des Schrankes gemacht,« war die Ansicht des Detektivs.
»Es kann auch sein, daß Mr. Palmer erst erschossen wurde, daß darauf der mit der Kombination vertraute Mörder den Schlüssel aus der Tasche seines Opfers nahm und den Geldschrank öffnete,« meint der Sergeant. »Diese Theorie erscheint mir um so wahrscheinlicher, als nur ein Eingeweihter wissen konnte, ob sich die Begehung eines solchen Verbrechens überhaupt lohnte, das heißt, ob viel Geld im Schrank vorhanden war.«
Der umgestürzte Schreibtisch wurde aufgerichtet und die herabgefallnen Gegenstände wieder darauf gelegt. Dieselben bestanden aus einer Feder, einem Tintenfaß, Papier und einer kleinen Uhr, welche um zwanzig Minuten vor ein Uhr stehen geblieben war.
Der Ermordete faßte, nachdem der Schuß auf ihn abgegeben worden, nach dem Tische, um sich an demselben zu halten; beim Sturz riß er ihn dann mit sich und die Uhr blieb stehen,« sagte der Detektiv. »Mr. Palmer wird jedenfalls zur Zeit des Ueberfalles geschrieben haben; demzufolge muß sich auch etwas Geschriebenes vorfinden.«
Alles umherspähen war jedoch vergeblich; es konnte kein Schriftstück irgend welcher Art in der Nähe des Ermordeten gefunden werden.
Die Office bestand aus zwei Zimmern, in deren vorderem der offene Geldschrank stand und in welchem, nach Jane's Erklärung Mr. Dwight und sein Kassirer arbeiteten, während den Clerks der nach den rückwärts gelegene Raum zugewiesen war. In dem letzteren befand sich noch ein zweiter, kleinerer Geldschrank, der das Privateigentum des Ermordeten war; derselbe war verschlossen.
Von dem Hinterzimmer ging ein Fenster nach dem schmalen Zwischenraum, der das Haus von dem Nachbargebäude trennte: dasselbe war mit schweren Läden versehen, welche von innen geschlossen und durch schwere eiserne Riegel festgehalten wurden. Die letzteren waren durch Anwendung bedeutender Gewalt abgebrochen und die Läden nur angelehnt.
Nachdem die Besichtigung durch die Polizeibeamten beendet war, wendete sich der Detektiv an die beiden Frauen, indem er sie fragte: »Hörten Sie irgend ein außergewöhnliches Geräusch oder einen Knall während der verflossenen Stunden?«
»Nein,« antworteten Beide gleichzeitig.
»Fanden Sie, als sie nach der Office kamen, die Thür verschlossen?«
»Dieselbe war offen, und der Schlüssel fehlte,« erwiederte Miß Palmer.
»Und die Hausthür?« fuhr der Geheimpolizist fort.
»Ich fand auch diese unverschlossen und den schweren Riegel von innen fortgeschoben,« antwortete die Dienerin; »ich bemerkte dies, als ich auf die Straße eilte, um nach Hülfe zu rufen.«
»War irgend Jemand außer Ihnen Beiden während der Nacht im Hause, Miß Palmer?«
Jane zögerte einige Augenblicke mit der Antwort, als käme ihr diese Frage ungelegen; dann entgegnete sie: »Mr. David Hicks, einer der Buchhalter in Mr. Dwight's Geschäft, hat das Zimmer inne, welches sich gerade über dieser Office befindet.«
»Aber er ist nicht zu Hause, wie ich gleich nach Entdeckung der Blutthat fand, als ich nach seinem Zimmer lief, um ihn zu rufen,« fügte Rachel unaufgefordert hinzu. »Es ist mir rätselhaft, wo er so plötzlich hingekommen ist, denn er zog sich um die gewöhnliche Zeit zum Schlafen zurück, und ich hörte ihn noch etwa eine halbe Stunde, ehe Miß Palmer mich rief, in seinem Gemache umher gehen; auch seine Handtasche ist nicht mehr dort.«
Dieser Aussage schien Jane eine verhängnißvolle Bedeutung beizulegen, denn sie sah die Sprechende mit einem Blicke an, in welchem sich Schrecken und Verachtung malten.
Der Detektiv nahm nunmehr eine Untersuchung von Davids Zimmer vor: aber er fand nichts Außergewöhnliches in demselben, nur fiel es ihm auf, daß das Bett ohne Aufheben der Decken benützt worden war, als wenn der junge Mann schon beim Niederlegen beabsichtigt hätte, bald wieder aufzustehen.
Eine kurze Beratung zwischen dem Detektiv und dem Sergeanten führte zu dem Beschluß, unverzüglich Mr. Amos Dwight von der Sachlage zu unterrichten.