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Sechstes Kapitel.

. Nachdem Melville Palmer zur letzten Ruhe bestattet worden war, erhielt dessen Tochter Jane den Besuch Robert Wake's, des Herrn, welcher die junge Dame schon bei der Leichenschau mit einem großen Interesse betrachtet hatte.

Die Erscheinung des Fremden weckte in Jane wehmütige Erinnerungen, und doch wußte sie sich von dem sonderbaren Gefühl, das sie in seiner Nähe erfaßte, keine Rechenschaft zu geben, denn sie kannte ihn ja nicht.

Mr. Wake erklärte seinen Besuch bei dem Mädchen mit der vor mehr als dreißig Jahren geschlossenen Freundschaft mit ihrem Vater, den er schon als jungen Mann kennen und schätzen gelernt habe. Er erzählte, daß er erst kürzlich nach vieljähriger Abwesenheit in fremden Ländern nach Amerika zurückgekehrt sei, und im Begriffe seinen alten Freund aufzusuchen, dessen Ermordung erfahren habe.

Auf verschiedene Fragen teilte ihm Jane mit, daß Hicks unschuldig sei und er nicht einmal Kenntniß von dem Verbrechen gehabt haben könne, als er in jener Nacht weggefahren sei. Sie sprach dabei in einem so entschiedenen Tone, daß Mr. Wake sich nicht der Ansicht verschließen konnte, sie müsse Beweise für ihre Behauptung haben.

»Darf ich mir die Frage erlauben, ob ich Ihnen in irgend einer Weise beistehen kann, Miß Palmer?« fragte darauf der alte Herr; »ich bin in mehr als in einer Hinsicht Ihres Vaters Schuldner geworden und kann nach dessen Hinscheiden die Verpflichtungen an meinen alten Freund nicht mehr abtragen, wohl aber an seine einzige Tochter.«

Jane errötete bei dem Gedanken, daß das soeben Gesagte nur ein Vorwand sei, um ihr eine Unterstützung gewähren zu können, die er ihr anzubieten sonst nicht hätte wagen dürfen; sie begann den alten Herrn lieb zu gewinnen, trotzdem lehnte sie seine Großmuth dankend ab, da sie jetzt keiner Hilfe bedürfe.

»Aber früher oder später kann die Zeit kommen, in welcher Sie der Hilfe eines uneigennützigen Freundes bedürfen,« entgegnete Wake bittend; »versprechen Sie mir, sich dann ohne jedes Zagen an mich zu wenden, und halten Sie sich versichert, daß Sie immer auf mich bauen können.«

Darauf gab er ihr seine Adresse und verabschiedete sich.

Erst auf der Straße kam die mühsam zurückgehaltene Erregung des alten Herrn zum Durchbruch.

»O, Jane!« murmelte er, »wie schön Du bist über auch wie abgehärmt und verstört! Hier liegt außer dem räthselhaften Tode des Vaters noch ein anderes Geheimniß vor, das ich unter allen Umständen durchdringen muß.«

Während dessen war das im Zimmer zurückgebliebene Mädchen in tiefes Sinnen versunken; endlich sprach sie vor sich hin: »Diese Augen kann ich nicht vergessen, denn es sind Roger's Augen; es ist sein Wesen, und doch ist es nicht mein armer Roger! Ich habe Vertrauen zu dem alten Herrn und werde mich an ihn wenden, wenn ich einer Hilfe dringend bedarf.

Mr. Wake aber ging nunmehr direkt nach dem Polizeiamt, um den Detektiv Franklin Rider in seinem Amtszimmer aufzusuchen.

Der Letztere hatte eben jenen Brief weggelegt, den er aus Palmer's alter Korrespondenz genommen und in der Brusttasche seines Rockes hatte verschwinden lassen. Der Schluß dieses Briefes lautete: »Die Stunde wird kommen, Melville Palmer, in der sie das große Unrecht bereuen, welches Sie mir gethan haben. Unterzeichnet war dieses Schreiben mit »Roger Warren.«

»Dieser Brief enthält eine Drohung; vielleicht war Raub nicht der einzige Beweggrund für die Ermordung Palmer's,« murmelte Rider vor sich hin: »es kann auch Rache dabei im Spiele gewesen sein. Wir müssen das Vorleben dieses Roger Warren feststellen; möglicherweise ist es derselbe Bursche, der mit Hicks im Eisenbahnwagen die Röcke vertauschte.

In diesem Moment trat Mr. Wake in's Zimmer und führte sich bei dem Detektiv durch ein Empfehlungsschreiben des Polizeichefs ein. Der Polizei-Superintendent schrieb, daß der Ueberbringer ein persönlicher Freund von ihm sei und ein jeder diesem erwiesene Dienst auch von ihm dankbar anerkannt werden würde. Außerdem enthielt das Empfehlungsschreiben noch die Bemerkung, daß Mr. Robert Wake ein sehr reicher Herr sei, der sich für jeden ihm erwiesenen Dienst in freigebigster Weise erkenntlich zeigen werde.

Rider ersuchte den alten Herrn, sich niederzulassen und ihm mitzutheilen, in welcher Weise er ihm dienlich sein könne.

Mr. Wake ging auch ohne Umschweife auf den Zweck seines Besuches über. »Ich interessire mich sehr für die Ermittelung des Mörders meines alten Freundes Palmer,« begann er.

»Derselbe Fall nimmt gerade meine ganze Aufmerksamkeit in Anspruch,« warf der Detektiv sehr überrascht ein.

»Eben deshalb komme ich zu Ihnen!« Ich zweifle nicht an ihrem Pflichteifer, auch wenn Sie keine Aussicht auf einen großen Gewinn haben; aber der materielle Lohn ist sicher kein Hinderniß für das Aufbieten aller Energie. Ich verpflichte mich, Ihnen an dem Tage, an welchem der wirkliche Mörder ermittelt ist, die Summe von dreitausend Dollars auszuzahlen.«

»Und ich nehme ihr Angebot an! Halten Sie sich versichert, daß ich rastlos arbeiten werde, bis der Erfolg gesichert ist.«

»Nun lassen Sie mich Ihnen eine wichtige Mitteilung machen,« fuhr Mr. Wake fort; »das gestohlene Geld ist im Besitz von Statton und Kent.«

»So werde ich sofort einen Haussuchungs-Befehl erwirken und die Herren zu einer Erklärung zwingen, wie sie in den Besitz des Geldes gekommen sind,« rief Rider erregt.

»Dagegen erhebe ich Einspruch, mein Herr! Diese Schurken – denn dies sind sie nach meiner Kenntnis der Verhältnisse – sind längst gewarnt, und sie haben das Geld jedenfalls so aufgehoben, daß es auch bei der sorgfältigsten Haussuchung nicht gefunden werden würde,« entgegnete der alte Herr. »Ich selbst habe bereits meine Fäden gelegt, um die sechsundachtzigtausend Dollars von Statton und Kent herauszubekommen, und zwar in einer solchen Weise, daß ihnen jede Möglichkeit abgeschnitten wird, ihre Mitwissenschaft über den Charakter des Geldes als geraubtes Gut zu leugnen.«

»Und wer ist nach ihrer Ansicht Derjenige, welcher Statton und Kent darüber aufgeklärt hat, daß das Geld gezeichnet ist?«

»Tibald Gibbs,« antwortete Mr. Wake, und nun teilte er dem Detektiv die näheren Umstände mit, wie er zufällig hinter die Schliche jener drei Verbündeten gekommen.

Rider und der alte Herr besprachen soeben die Einzelheiten ihrer Pläne, als sich ein Mann, namens Mac Alpin, ein Spezialwächter in dem Straßenviertel, in welchem die Dwight'sche Office lag, bei dem Detektiv anmelden ließ.

Der Letztere hatte nach Jenem geschickt; derselbe war am Morgen vor der Nacht, in welcher der Tod Melville Palmer's und die Beraubung der beiden Geldschränke in der Makleroffice erfolgt war, in Privatangelegenheiten verreist und erst am vorhergehenden Abend zurückgekehrt.

Mac Alpin trat in's Zimmer und sagte, er habe Umstände zu berichten, die sich kurz vor der Ermordung des alten Buchhalters zugetragen.

»Sie brauchen sich nicht zu geniren,« erwiderte Rider, auf Mr. Wake weisend; »dieser Herr ist mit uns in derselben Sache thätig.«

Der Wächter nickte mit dem Kopfe und erzählte: »Am Montag Abend gegen elf Uhr, also zwei Tage vor der Ermordung Mr. Palmer's, sah ich einen Mann um Dwight's Office herum schleichen und ihn dann mit irgend etwas an der Hausthür herum arbeiten. Ich wollte ihn überraschen und war auf den Zehenspitzen bis dicht an die Thür gekommen, als er mich gewahrte und davon lief; er war schneller zu Fuß als ich und entwischte mir. Immerhin konnte ich ihm beim Scheine der Straßenlaterne voll in's Antlitz sehen und würde ihn sofort wiedererkennen, wenn ich ihn zu Gesicht bekäme. Auf meinen Posten zurückgekehrt, fand ich Wachs am Schlüsselloche und konnte also sicher sein, daß er einen Wachsabdruck von dem Schlosse genommen hatte.«

»Beschreiben sie uns den Mann!« sagte Rider.

»Es war ein hübsch gewachsener junger Mann mit hellem Haar und Schnurbart und eine Narbe über dem linken Auge.«

»Derselbe Mann, welcher mit Hicks seinen Ueberrock vertauschte und die Diebeswerkzeuge in seinem Rocke stecken ließ!« rief der Detektiv.

Die Erzählung des Wächters bestätigte seine Vermutung, daß David's Reisegenosse entweder der Mörder selbst oder ein Spießgeselle desselben sei.

Noch an demselben Tage traf der Chef der Geheimpolizei auf Rider's Antrag drei wichtige Anordnungen. Er beorderte einen seiner bewährtesten Detektivs zur Überwachung von Tibald Gibbs auf Schritt und Tritt; ein zweiter wurde beauftragt, die Herren Statton und Kent zu kontroliren, und die gesammte Polizei erhielt die Personalbeschreibung jenes Menschen mit der Narbe über dem linken Auge, den Hicks und Mac Alpin ziemlich genau beschrieben hatten.

Mr. Wake hatte an diesem Tage schon fleißig gearbeitet, um Klarheit in das dunkle Geheimnis zu bringen; hätte er nicht selbst eine so hohe Belohnung ausgesetzt und wären seine Vermögensverhältnisse nicht so glänzende gewesen, so hätte man fast vermuten können, er sei im Detektivdienst beschäftigt. Noch blieb ihm aber ein anderer Weg zu machen übrig.

Der alte Herr wußte durch seine Freunde Weir und Gate, daß Statton und Kent die nachsichtslosen Gläubiger Amos Dwight's für die Summe von sechsundachtzigtausend Dollars waren, von demselben Betrage also, der aus dem Geldschranke geraubt und seinen Weg im Geheimen in die Hände Jener gefunden hatte. Er wollte es nun hintertreiben, daß diese gaunerische Firma den schwer betroffenen Makler bedrängte oder gar ruinirte.

In der Nähe der Dwight'schen Wohnung angekommen, sah Wake, wie Statton eben aus dem Hause trat, welches er selbst aufzusuchen im Begriffe stand. – –

Etwa eine halbe Stunde vorher hatte sich Mr. Statton bei dem Makler in dessen Privatwohnung melden lassen und war von dem Letzteren sofort empfangen worden.

»Mr. Dwight,« begann Thomas, »wir haben Rücksichten auf den Verlust genommen, den Sie kürzlich erlitten, und deshalb einige Tage länger als sonst üblich mit der Einziehung unserer Forderung gewartet. Aber da wir jetzt selbst des Geldes bedürfen, komme ich, um unser Guthaben von sechsundachtzigtausend Dollars einzukassiren.«

»Sie wissen, daß mir genau derselbe Betrag, mit dem ich gerade Sie bezahlen wollte, gestohlen wurde, und müssen mir eine weitere angemessene Frist zur Erholung gönnen,« entgegnete Amos. »Ich habe noch wertvolles Grundeigentum, welches ich verkaufen werde, um Sie voll zu bezahlen.«

»Es thut mir leid, Ihnen die Mitteilung machen zu müssen, daß mein Socius nicht länger warten will; er verlangt sofortige Bezahlung des uns zustehenden Betrages.«

»Ist es nicht möglich, ein Abkommen mit Ihnen zu treffen, welches Sie und mich schützt?«

Statton zögerte einige Minuten mit der Antwort, während er rücksichtslos im Zimmer auf und ab schritt. Dann blieb er vor Dwight stehen und sagte: »Ich wüßte nur einen Weg, auf dem die Sache ohne Schwierigkeit abgemacht werden könnte.«

»Und welcher Art wäre dieser Weg?«

»Ich interessire mich für Ihre Tochter.«

»Herr!« donnerte der Effektenmakler seinen Besuch an.

»Sie scheinen mich nicht zu verstehen,« entgegnete Thomas ruhig; »meine Absichten auf Miß Magdalen sind höchst ehrliche, denn ich bitte Sie, mir Ihre Tochter zur Frau zu geben.«

»Niemals!« stieß Amos erregt hervor.

»Bedenken Sie, wenn Sie meinen Antrag annehmen, wird Ihre Schuld bei uns getilgt sein.«

»Ihr Antrag ist eine Beleidigung für mich und meine Tochter! Machen Sie, daß sie aus diesem Hause kommen! Sie sind ein elender Schuft!« schrie Dwight, vor Erregung überschäumend.

Statton kannte das heftige Temperament des Hausherrn und wußte, daß Gefahr im Verzuge war; er wendete sich deshalb sofort zum Gehen. »Heute Abend um sechs Uhr hole ich mir Ihre letzte Antwort; lautet dieselbe alsdann ablehnend, so sind Sie ein Bettler, und ich lasse Sie aus diesem schönen Hause auf die Straße setzen!«

Darauf entfernte er sich mit lautem, höhnischem Lachen.

Magdalen hatte im Nebenzimmer die mit erhobener Stimme zwischen Statton und ihrem Vater geführte Unterhaltung mit angehört; jetzt trat sie herein und schmiegte sich kosend an den von Zorn und Aufregung überwältigten Mann. Sie legte ihre Arme um seinen Hals und ihren Kopf an seiner Brust bergend, sagte sie mit schluchzender Stimme: »Armer, guter Papa! Du wolltest Dein Kind nicht diesem abscheulichen Menschen opfern; aber was wird nun aus uns werden?«

»Beruhige Dich meine teure Tochter; es wird sich ein Ausweg finden lassen. Statton und Kent wissen glücklicherweise nichts von meinem Eigentume in Colorado; dasselbe ist schuldenfrei, weil ich nicht durch die Belastung mit einer Hypothek die Aussichten, einen guten Preis zu erlangen, verlieren wollte. Es wird nicht schwer sein, hierauf ein Darlehen aufzunehmen; aber von diesem Gelde soll kein Cent in den Klauen dieser Schurken hängen bleiben!«

Mr. Dwight und seine Tochter waren noch in der Unterhaltung begriffen, als an der Hausthür geklingelt wurde und kurz darauf die Dienerin eine Visitenkarte in's Zimmer brachte, welche sie ihrem Herrn überreichte.

»Robert Wake,« las der Makler; »ich kenne Niemandem dieses Namens. – Lassen Sie den Herrn eintreten!« wendete er sich dann an das wartende Dienstmädchen.

Eine Minute später trat Mr. Wake in's Gemach, und eine halbe Stunde darauf hatte der Makler sein Grundeigenthum in Colorado an den alten Herrn für sechsundachtzigtausend Dollars verkauft und dafür den Chek desselben in gleichem Betrage in der Hand.

»Sie haben mich aus einer schweren Bedrängnis gerissen, und ich werde Ihnen stets zu Dank verpflichtet bleiben,« sagte Amos, als er sich von seinem Besuche an der Thür trennte.

»Es war nur eine reine Geschäftssache, bei der ich nichts verliere,« antwortete der alte Herr; »wohl aber habe ich einen Zweck dabei erreicht. Ich habe einen Anschlag von Statton und Kent vereitelt, und dies gereicht mir zur Genugthuung; wenn es mir jedoch gelänge, diese beiden Gauner zu vernichten, so würde ich mein halbes Vermögen darum geben!«

Mit einem warmen Händedruck trennten sich die beiden Männer; sie hatten in der Feindschaft gegen Statton und Kent einen gemeinschaftlichen Berührungspunkt gefunden. –

Thomas war pünktlich; um sechs Uhr war er wieder vor dem Hause seines Schuldners. Er erwartete nicht, den Baum mit einem Hiebe zu fällen und sofort die Zustimmung des Maklers zu einer Verehelichung mit dessen Tochter zu erhalten: davon aber war er überzeugt, daß Dwight sich inzwischen die Sache überlegt haben würde und daß die Drohung, geschäftlich ruinirt zu werden, ihn milder gestimmt hätte; Zeit und Geld mußten dann das Uebrige thun.

Wie aus den Wolken gefallen war er daher, als die Dienerin an der Thür die Bestellung überbrachte, ihr Herr wolle ihn nicht sehen und er sollte es nicht wagen, sich wieder im Hause blicken zu lassen.

Wutschnaubend eilte Statton nach seiner Office zurück, um sofort die Schritte zur Bankerot-Erklärung Dwight's einzuleiten. Wie erstaunte er aber, als er dort von Kent hörte, daß der Makler inzwischen die volle Schuld bezahlt hatte!

»Wo kann er das Geld hergenommen haben?« fragte er sich. »Er hat es natürlich geborgt, und er muß auch diese Schuld wieder bezahlen; ich gebe daher mein Ziel, Magdalen zu besitzen, noch nicht auf! Laßt nur erst den Liebhaber völlig aus dem Wege gebracht sein und wieder eine Geldklemme eintreten, dann werden schon Vater und Tochter gefügiger werden!«

Zum ersten Male hatte Thomas Statton, wenn auch nur vor seinem Geschäftsteilhaber, es jetzt ausgesprochen, welche Beweggründe ihn leiteten, den Verdacht der Ermordung Palmers auf David Hicks zu wälzen.

Franklin Rider hatte Hicks am Tage nach dessen Unterredung mit seinem Prinzipal aufgesucht; über den Zweck seiner nächtlichen Fahrt nach Newburg weigerte sich der junge Mann, auch dem Detektiv gegenüber Mitteilungen zu machen; indessen erwähnte er des Verdachtes gegen Tibald Gibbs und berichtete über dessen Spionage an den Schlüssellöchern.

Wenige Stunden später berichtete auch der mit der Ueberwachung des Officedieners beauftragte Kollege Riders diesem, daß Gibbs häufig mit Statton und Kent unterhandle und daß er erfahren habe, wie dieser schon seit geraumer Zeit den Spion für die Geschäftsvorgänge in Dwight's Office gespielt habe.

Das Geschäft von Amos Dwight war inzwischen wieder in der seitherigen Weise fortgeführt worden, und Tibald Gibbs war noch immer Diener in demselben; ja, demselben war das Oeffnen und Schließen des Hauses und der Office, was früher der ermordete Kassirer besorgt hatte, übertragen worden.

An diesem Abende hatte sich Rider in einer sorgfältigen Verkleidung selbst der Ueberwachung Tibald's unterzogen, und er harrte desselben, in der Nähe von Dwight's Office. Gegen acht Uhr sah er Gibbs herangehinkt kommen, die Hausthür aufschließen und dann im Geschäftslokale Licht machen. Bald darauf wurde das letztere jedoch wieder verlöscht, der Officediener trat abermals auf die Straße und verschwand einen Augenblick darauf in dem dunklen Gange, in welchem der Detektiv die Fußspuren unter dem Fenster entdeckt hatte.

Rider schlich Tibald nach und sah, wie bald darauf auch dessen Schwester Rachel aus der Hinterthür des Hauses trat und sich zu Gibbs gesellte. Der Detektiv hatte sich ganz in den Schatten gedrückt, stand aber nahe genug, um jedes Wort verstehen zu können.

»Hast Du das Geld erhalten?« fragte Tibald seine Schwester.

»Ja, und ich werde es festhalten.«

»Du willst also nicht mit Deinem getreuen Bruder teilen?«

»Nein! Ich weiß, das auch Du nur für Dich allein besorgt bist.«

»Nimm Dich nur vor Jane in Acht!« warnte Gibbs. »Stille Wasser sind tief, und es bläst in dieser ganzen Geschichte kein guter Wind für uns.«

»Sorge Dich nicht um mich,« entgegnete die alte Jungfer: »ich bin schlau genug. Aber wieviel hast Du bei der Sache gemacht?«

»Ich schwatze niemals aus der Schule, liebes Schwesterlein,« versetzte Tibald; »aber –«

Den Rest konnte Rider nicht verstehen.

»Ich muß jetzt fort,« sagte Gibbs nach einer Weile; »gieb ihr den Zettel!«

»Dies werde ich sogleich thun,« war Rachel's Antwort.

Rider sah, daß der Officediener sich zum Gehen anschickte, und er schlich nach seinem vorigen Standorte zurück.

Gleich darauf trat auch Gibbs aus dem Seitengange heraus und entfernte sich.

Der Detektiv begab sich wieder nach der Rückseite des Hauses, in welchem er in einem Zimmer des Kellergeschosses, welches als Küche diente, Licht bemerkte; jetzt sah er in demselben den Schatten einer sich hin und her bewegenden Frauensperson, und indem er sich bis an das Fenster heranschlich, bemerkte er Miß Palmer und die eben eintretende Rachel Gibbs.

Die Letztere reichte Jane einen beschriebenen Zettel, und nachdem ihn diese gelesen, nickte sie mit dem Kopfe wie zustimmend; darauf nahm das junge Mädchen eine Photographie, welche sie in ihrem Busen verborgen gehabt, heraus und reichte dieselbe der Dienerin hin.

Rachel stellte sich an die Lampe und betrachtete das Bild aufmerksam; gleichzeitig konnte aber auch Rider durch das Fenster einen Blick auf dasselbe werfen. Er wollte kaum seinen Augen trauen, als er in dem Bilde denselben jungen Mann erkannte, der nach der genauen Beschreibung David's mit diesem die Ueberröcke vertauscht hatte und Derjenige war, welcher nach Mac-Alpin's Aussagen die Wachsabdrücke an dem Schlosse der Hausthür gemacht hatte; besonders charakteristisch war die tiefe Narbe über dem linken Auge.

»Welches neue Rätsel spielt sich hier ab?« murmelte der Detektiv vor sich hin; »die Tochter des Ermordeten ist im Besitz der Photographie des Mörders desselben oder seines Spießgesellen!«

Jane hatte einen langen und, wie es Rider schien, innigen Blick auf die Photographie geworfen, ehe sie dieselbe wieder an ihrem Busen verbarg; hierauf verließ sie mit Rachel die Küche. Gleich darauf traten beide zusammen auf die Straße und schritten der Ostseite der Stadt zu. Der Detektiv aber folgte ihnen in einer kurzen Entfernung.

Jedoch auch Rider war von Jemandem beobachtet worden, der nun rasch an ihm vorbeischritt und die beiden Frauen einholte. Es war Tibald Gibbs, der seiner Schwester und deren Begleiterin etwas zuflüsterte, worauf beide sofort Kehrt machten und sich auf demselben Wege nach dem Hause in der Wall Street zurückbegaben.

Der Geheimpolizist wendete nun seine Aufmerksamkeit dem hinkenden Officediener zu; um diesen aber sicher zu machen, trat er in einen dunklen Hausflur und ließ ihn dann an sich vorbeigehen. Tibald schritt dem Geschäftslokal von Statton und Kent zu, in das er, trotzdem die Geschäftsstunden längst vorüber waren, durch einen Seiteneingang Einlaß fand.

»Dieser Spitzbube hat eine geheime Konferenz mit Statton und Kent, und er ist erwartet, worden,« flüsterte Rider; »wie stelle ich es nun an um ungesehen Zeuge dieser Beratung zu sein? Glücklicherweise kenne ich dieses Haus sehr genau noch von der Hamlin-Untersuchung her, bei der ich vor einem Jahre bereits mit diesen beiden schlauen Schurken zu thun hatte und wo ich nach Geschäftsschluß gleichfalls durch die Privatthür eintrat.«

Die Thür war fest verschlossen, aber für solche Gelegenheit war der Detektiv stets vorgesehen; ein Bund sehr kunstreicher Nachschlüssel von allen Größen und Formen gehörte ebenso zu seiner Dienstausrüstung, wie falsche Bärte, Perrücken, ein ganzes Magazin alter und neuer Kleider, ein guter Revolver und ein kurzer Knüppel mit Bleifüllung, welcher ihm manchmal noch bessere Dienste leistete, als die Schußwaffe.

Die Thür war schnell genug geöffnet und geräuschlos wieder geschlossen. Ein langer dunkler Gang führte nun Rider bis zu einer Thür mit matt gebeiztem Glasfenster, welches den hinteren Eingang zur Privatoffice von Statton und Kent bildete. Als er sich mit dem Ohre an die Scheibe lehnte, unterschied er ganz deutlich die Stimmen der drei Verbündeten.

Statton sagte soeben: »Tib, die Warnung wegen des gezeichneten Geldes kam um eine Minute zu früh! Wenn das Geld auf uns zurückgeführt worden wäre, so würde dies unser Ruin gewesen sein!«

»Und unser Ruf wäre für immer vernichtet gewesen!« fügte Kent hinzu.

»Ja, der gute Ruf ist die Hauptsache!« versetzte jetzt Thomas, und alle Drei lachten über diesen Witz.

»Sie wollten uns übrigens heute Abend berichten, Tibald, ob sie wirklich überwacht werden,« äußerte nunmehr Kent.

»Mein Verdacht hat sich bestätigt« antwortete Gibbs; »es sind mir Detektivs auf den Fersen, aber für heute Nacht bin ich diese Hunde von meiner Fährte los geworden.«

»Ob wohl auch wir im Verdacht stehen?« sprach Kent im fragendem Tone.

»Dies ist kaum möglich,« entgegnete sein Socius; »aber ich fürchte die Folgen von den an der ganzen Summe fehlenden tausend Dollars. Tib, wissen Sie vielleicht, was aus Powel geworden ist?«

»Derselbe ist spurlos verschwunden, nachdem er mit Hicks die Röcke vertauscht hat und die Schlüssel, sowie die Wachsabdrücke während der Leichenschau bei dem Letzteren gefunden wurden. Nun aber zur Hauptsache!« fuhr dann der Officediener fort; »Ich habe meinen Anteil an der Beute noch nicht erhalten!«

»Den sollen Sie haben, Tib, und das Geld läuft Ihnen bei uns nicht fort,« entgegnete Statton: »aber unser Aller Sicherheit erfordert, daß wir es für Sie aufbewahren! Vergessen Sie nicht, daß, wenn etwas von dem Gelde bei Ihnen gefunden wird, Sie auch sofort die Anklage wegen Mordes zu gewärtigen haben!«

»Dies ist wahr,« gab nun Gibbs kleinlaut zu, »und das Geld wird daher wohl am besten in Ihrer Obhut bleiben.«

»Sollte Gibbs der Mörder sein?« dachte Rider: »oder haben er und Powel, wie der Flüchtige hier genannt wird, die That gemeinschaftlich begangen?«

Wieder hörte er Stattons Stimme, als dieselbe jetzt sprach: »Ehe es Tag wird, soll das Geld in einem so sicheren Versteck sein, daß kein Detektiv der Welt es aufspüren kann. Hätten wir nur die gezeichneten tausend Dollars von Powel wieder zurück! Er wird davon verausgaben, und sobald es ihm nachgewiesen wird und er in Gefahr gerät, gehenkt zu werden, kann man nicht wissen, was er thut.«

»Powel ist zu gerieben und auch zu feige, um sich in diesem Teile des Landes aufzuhalten,« versetzte Tibald; »seine Fahrt über Newburg deutet an, daß er sich nach Kanada geflüchtet hat. Dort aber thut uns das gezeichnete Geld keinen Schaden.«

»Dies ist vorläufig ein Punkt, über den nicht beraten werden kann,« sagte Kent. »Statton holen Sie einmal das Geld aus dem Geldschrank; ehe wir dasselbe verstecken, wollen wir erst die chemische Lösung versuchen welche nach der Angabe des Apothekers rote Tintenflecke spurlos beseitigt.«

Dabei stellte er eine Flasche mit einer hellen Flüssigkeit auf den Tisch, während sein Socius den Geldschrank öffnete und ein großes Packet Banknoten herausnahm.

Geräuschlos hatte Rider die Thür etwa einen halben Zoll weit geöffnet und sah durch die Spalte, wie die drei Männer den Tisch umstanden und ihre ganze Aufmerksamkeit dem Experiment mit den Banknoten zuwendeten. Statton und Gibbs kehrten der Thür den Rücken zu, während Kent's Gesicht nach der Thür gewendet war; aber er hob die Augen nicht vom Tische, wo er eben mit dem Versuch beschäftigt war, die rote Tinte zu beseitigen.

Dies schien dem Geheimpolizisten eine köstliche Gelegenheit zu sein, das Geld mit einem Sprunge zu erfassen und ebenso schnell, durch seinen Revolver gedeckt, das Weite zu suchen. Aber es war ein verwegener Streich, Einer gegen Drei, und auch diese Drei konnten Revolver in den Taschen haben, die sie gegen den vermutlichen Einbrecher zu gebrauchen berechtigt waren.

Furcht war Rider jedoch unbekannt; er hatte sein Leben schon oft unter schlimmeren Umständen gewagt, und sein Entschluß war rasch gefaßt. Wie ein Schatten glitt er durch die erweiterte Thüröffnung, und schon streckte er die Hand nach den Banknoten aus, als Statton herumfuhr und ihn bei der Kehle faßte.

Im nächsten Moment stürzten sich auch die beiden Andern auf den Eindringling, und in dem unmittelbar folgenden Ringen wurde der Tisch umgestoßen, worauf eine Explosion folgte. Die Flasche mit dem chemischen Präparat war in Splittern nach allen Richtungen geflogen; eine Flamme schlug unter den Füßen der Kämpfenden auf, und alle Vier stoben nach verschiedenen Richtungen auseinander. Die Banknoten waren auf den Boden gefallen und der schwere Tisch auf dieselben.

Einen Versuch zu ihrer Erlangung zu machen, wäre selbstmörderisch gewesen, darum benutzte Rider den Augenblick der Bestürzung, um nach der Thür zu eilen, und mit einigen gewaltigen Sätzen war er auf der Straße.

Die Zurückbleibenden hatten vorerst an Dringenderes als an die Verfolgung des Flüchtenden zu denken: sie erstickten mit Matten das Feuer, und rafften dann die Banknoten zusammen, mit denen Statton sofort nach dem bereits ausgedachten Versteck eilte.

Wie Kent am folgenden Tagen in der Apotheke feststellte, hatte der Gehilfe ihm aus Versehen einen Explosivstoff anstatt des gewünschten chemischen Präparates gegeben, und so war der Geheimpolizist fast durch ein Wunder der größten Lebensgefahr entronnen.

Nachdem der Letztere überzeugt zu sein glaubte, daß er in Gibbs den Mörder oder wenigstens einen derselben und in Statton und Kent die Mitwisser und Hehler entdeckt, konnte er sich denken, zu welch' verzweifelten Mitteln die Bande greifen würde, um die Entlarvung des ersten Verbrechens durch ein zweites zu verhüten. Vom größten Werte war es ihm, zu wissen, daß er in seiner Verkleidung unmöglich erkannt worden sein konnte und daß ihn dies also nicht hinderte, seine Nachforschungen persönlich fortzusetzen.

So viel war für ihn sicher, Statton und Kent würden jetzt doppelt auf ihrer Hut sein und das Geld, bevor der Morgen graute, in einen sicheren Gewahrsam bringen. Als sehr wichtig erschien ihm ferner, auch nunmehr erfahren zu haben, daß der Spießgeselle des Officedieners, welcher mit Hicks nach Newburg gefahren war und die Nachschlüssel bei sich geführt hatte, Powel hieß und einen Theil des gezeichneten Geldes besaß.

Rider legte sich die Vorgänge des Tages in seinem Geiste nochmals zurecht und suchte ein Gesammtbild aus deren Zusammenstellung zu gewinnen. Was ihn am meisten verblüffte, war die Entdeckung von Powell's Photographie in den Händen Miß Palmer's, für den sie sogar eine gewisse Zärtlichkeit zu hegen schien. Konnte es möglich sein, daß das junge Mädchen von dessen Verbindung mit der Ermordung ihres Vaters Kenntnis hatte, und wollte sie ihn vor den Folgen des Verbrechens schützen? War Powel vielleicht gar ihr Liebhaber?

Und welche Verbindung bestand zwischen den Geschwistern Gibbs und Jane? Tibald brachte einen Zettel, Rachel brachte denselben an seine Adresse, und nachdem Miß Palmer denselben gelesen, verließen Beide das Haus; dies konnte zu der Vermutung führen, als ob sie im Begriffe gewesen wären, den Schreiber jener Zeilen aufzusuchen. Tibald lag auf der Lauer und warnte die Frauen, daß sie verfolgt würden; darauf gaben diese sofort ihre Absicht auf und kehrten nach Hause zurück. Sie würden das jedenfalls nicht gethan haben, wenn nicht ein sehr dringender Grund vorgelegen hätte, eine Entdeckung zu vermeiden.

»Ich werde nun meine Aufmerksamkeit auch auf Jane ausdehnen und sehen, was sich hieraus entwickelt. Die Geheimnisse dieses sonderbaren Falles mehren sich von Tag zu Tag.«

Dies war das Endresultat von Rider's Betrachtungen über die ihm bekannt gewordenen Vorgänge des letzten Tages.

Zu derselben Zeit war Mr. Weir von der Firma Weir und Gate bei Mr. Wake eingetreten.

Zwischen beiden entspann sich eine vertrauliche Unterhaltung über Geschäftsangelegenheiten, in deren Verlauf Mr. Weir die Bemerkung machte: »Das Glück hat sich von Statton und Kent abgewendet; die Gimpel gehen nicht mehr auf den Leim, und alle Anschläge, ihre Opfer zu rupfen, kehren sich gegen ihre eigene Tasche. Sie haben in der letzten Zeit schwere Verluste in Lieferungs-Abschlüssen auf Eisenbahn-Papiere erlitten und schulden uns eine ansehnliche Summe.«

»Dies ist eine ausgezeichnete Nachricht!« rief Wake. »Je schlimmer es um diese Firma steht, desto wohler befinde ich mich, denn um so früher erreiche ich meinen Zweck.«

Dieser Besuch hatte Roberts Zimmer kaum verlassen, als Mr. Kimbal, White und Komp., eintrat und Wake ein Papier überreicht.

Dasselbe lautete:

»Statton und Kent bekennen, für Differenzen in Eisenbahn- und Minen-Aktien im Betrage von dreiundvierzigtausend Dollars die Schuldner von Kimbal, White und Komp. geworden zu sein.«

Der alte Herr las das Papier mit sichtlicher Befriedigung. »Die Schlingen ziehen sich fester um diese Gauner, und sie werden fallen,« sagte er endlich.

»Ja, sie werden von einem geheimen Feind verfolgt, der alle ihre Pläne kreuzt und seinem Haß ein Vermögen opfert,« erwiederte der Besuch; »sobald Statton und Kent eine Lieferung auf Zeit zu machen haben, treibt dieser Unbekannte den Kours des Papieres in die Höhe, indem er, wenn es nötig, selbst den doppelten Preis bietet, so daß jene ihren Kontrakt nur mit schweren Verlusten einhalten können. Müssen sie verkaufen, so wirft derselbe geheime Feind solche Papiere zu Schleuderpreisen auf den Markt, und sie verlieren abermals! Die beiden Inhaber der Firma haben sogar einen ihrer Clerks im Verdacht, das er ihr gesammtes Geschäftsgebaren verrät, denn sonst wäre es, nach ihrer Ansicht, nicht möglich, daß sie an allen Unternehmungen verlieren, in die sie sich jetzt einlassen.«

Robert lächelte verschmitzt und sagte: »Herr, ich glaube es ebenfalls, daß sie einen solchen erbarmungslosen Feind haben, der jedes Mittel für gerechtfertigt hält, um diese gewissenlose Gaunerbande unschädlich zu machen.«

Während Mr. Wake und Kimbal sich noch über den Stand des Aktienmarktes und einige beabsichtigte Geschäfte besprachen, und zwar merkwürdigerweise immer mit Rücksicht auf Engagement von Statton und Kent, erschien Mr. Moses Naphthali, der Retter aller Börsenspekulanten, die sich in einer zeitweiligen Geldklemme befinden.

Die Herren Naphthali und Kimbal waren alte, gute Bekannte, und da Robert sofort erklärte, es brauche keiner seiner Geschäftsfreunde vor dem andern ein Blatt vor den Mund zu nehmen, so erzählte der zuletzt Eingetretene, das Neueste in ihren besonderen Beziehungen sei eine Anleihe von Statton und Kent in der Höhe von sechstausend Dollars auf sechszig Tage zu fünfundzwanzig Prozent Zinsen.

»Dies alles eignet sich recht schön für meine Pläne; diese Herren werden bald noch größerer Summen bedürfen und fast auf jede Bedingung eingehen um nur Geld zu erhalten,« versetzte der alte, weißhaarige Mann. »Aber lassen Sie mich nun eine Mitteilung im Vertrauen machen, von der außer mir nur noch der Detektiv Rider Kenntnis hat und von welcher vorläufig auch weiter Niemand etwas erfahren soll. Das bei Amos Dwight gestohlene Geld ist, wie Sie wissen, auf eine eigentümliche Weise gezeichnet, und ich habe bestimmte Beweise, das sich dasselbe im Besitze von Statton und Kent befindet.«

Die beiden Andern waren bei dieser Erklärung wie aus den Wolken gefallen. »Also Statton und Kent haben das Geld?« riefen sie aufs Höchste erstaunt.

»Jawohl, und ihre jetzige Lage wird sie bald genug zwingen, das Geld gegen ein anderes Zahlungsmittel umzuwechseln, mit dem sie gefahrlos vorgehen können. Nach dem zu urteilen wie Sie, Mr. Naphthali, sich bis jetzt diesen Herren gegenüber verhalten haben, werden sie wahrscheinlich zu Ihnen kommen; weisen Sie die Sache dann nicht von der Hand, sondern sagen Sie Ihnen, daß sie sich die Sache überlegen wollten, thun aber sonst, als ob Sie nicht abgeneigt wären, auf das Geschäft einzugehen.«

»Natürlich werden sie zu mir kommen,« antwortete der zuletzt Angeredete: »Ich habe Statton ein ganz anderes Gesicht gezeigt, als ich wirklich besitze; ich that, als sei ich ein ebenso gewissenloser Schurke wie er selbst, wenn nur ein gutes Geschäft dabei zu machen ist.«

»Gut, wir wollen hoffen, daß Jene das Geld recht bald brauchen,« sagte Wake, »denn das Leben eines unschuldigen Mannes mag von dem Geständnis abhängen, welches wir von ihnen unter der Gewalt der Umstände herauspressen.«

Die beiden Gäste verabschiedeten sich und verließen das Astor House gemeinschaftlich.

Der zurückbleibende alte Herr strich sich selbstgefällig über den schönen weißen Vollbart und sagte im Selbstgespräch: »Statton und Kent nähern sich mit jedem Schritte immer mehr der Grube, die ich für sie gegraben habe, und es ist mir lieb, daß mich nicht die Rache allein zu leiten braucht, sondern auch eine edlere Regung: die Gerechtigkeit – die Rettung eines schuldlosen Menschen. O, diese Schurken! Sie lassen sich's gewiß nicht träumen, daß der unerfahrene junge Mann, den sie in's Verderben lockten, jetzt quitt mit ihnen werden wird.

Damals verlachten und verhöhnten sie ihr Opfer, das zu entfliehen im Begriffe stand, als ein entehrter, ruinirter Mann! Jetzt naht die Stunde, wo sie ihre Sünde bekennen und dem Verbannten wieder zur Anerkennung seines ehrlichen Namens und Charakters verhelfen müssen. Und dann? – Ja, wenn erst die Schande von mir genommen ist, dann wird sich auch der schönste Traum meines Lebens verwirklichen; – O, Jane! Du bist noch schöner geworden, als Du damals warst, da das Schicksal uns trennte!«

Fast zur selben Stunde befanden sich Statton und Kent in ihrer Office in einer sehr erregten Beratung über ihre Geschäfts-Angelegenheiten.

»Das gezeichnete Geld ist in Sicherheit,« sagte Statton: »aber wie bald werden wir dennoch gezwungen sein, Gebrauch von demselben zu machen? Wer der Kerl nur gewesen sein mag, der uns überfiel? War es ein verwegner Einbrecher oder ein Detektiv? Wenn wir das Geld verwenden müssen, so darf es nur mit der größten Vorsicht geschehen.«

»Es ist mir rätselhaft, wie in letzter Zeit auch alle unsere Unternehmungen mit ungeheuren Verlusten verknüpft sind,« versetzte Kent. »Wir schulden jetzt Weir und Gate, sowie Kimbal, White und Komp. bedeutende Summen, und wenn auch der Verkauf von den Chicago-Burlington- und Ouiney-Eisenbahn-Aktien schlecht ausfällt, haben wir keine Deckung mehr, außer, wir können das gezeichnete Geld benützen.«

»Dieses Geschäft werde ich besorgen,« sprach Thomas; der alte Naphthali ist ein wenig bedenklicher Mensch, der um einen guten Gewinn alles thut. Er wird das gezeichnete Geld als Sicherheit nehmen und uns Gold dafür geben; so weit habe ich ihn bereits kennen gelernt, daß wir von seiner Seite keine Enthüllung zu befürchten brauchen, wenn wir ihm die Notwendigkeit der Vorsicht erklären.«


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