Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Achtes Kapitel

»Was geschieht jetzt?« fragte Madden. »Verschwinden Sie unauffällig, während ich noch dableibe, die Rechnung bezahle und so tue, als hätte ich hier im Hotel eine Zimmerflucht gemietet? Oder was tun wir sonst?«

»Warum glauben Sie, daß wir gezwungen sind, irgend etwas zu unternehmen?«

Ihre ruhige Selbstbeherrschung brachte ihn in Verwirrung. Im ersten Augenblick hatte er gedacht, der Zwischenfall werde sie ganz außer Fassung bringen. Als er es aber über sich gewann, Jane anzusehen, fand er sie sorglos und gelassen wie einen Vogel, der mollig im Nest sitzt.

»Sie sind der Ansicht, wir sollten einfach so sitzenbleiben?«

»Aber natürlich! Wenn er schon denkt, was er denken muß – wollen Sie ihm dann auch noch ein Recht dazu geben?«

»Meinen Sie denn, daß er unbedingt etwas Schlechtes denken muß?«

»Sie wollen mir doch nicht einreden, daß die Welt gut ist, nicht wahr?«

Er überließ ihr die Führung. Je länger er sie in dieser Lage sah, je mehr wurde ihm klar, was sie vermochte.

Er verbarg seine Bewunderung nicht, sagte mit einem jungenhaften Lachen: »Lieber Gott! Wenn Sie bei Draper auch diese Kaltblütigkeit haben!«

»Also erzählen Sie mir, worum es sich handelt.« Sein Lachen hatte sie an das erinnert, was ihr so brennendes Interesse einflößte. »Welche Rolle fällt mir zu? Kümmern Sie sich nicht um den jungen Mann da drüben. Er wird zu uns herüberkommen, wenn er es für richtig hält. Ich schenke ihm keinen Gedanken, ich denke an diesen Anthony Draper. Kennen Sie ihn?«

»Ich kenne ihn nicht. Ein paar von uns sind in Amerika mit ihm zusammengetroffen – 1919. Er war Mitglied des ›Bruder-Ordens der Adler von Woonsocket‹. Damals gab es in Amerika zahllose Gesellschaften dieser Art. Davon haben Sie natürlich nichts gehört. Sie haben sicher auch nichts gehört von der Madison-Square-Massenversammlung im Jahre 1918 und von der Entschließung des Kardinals O'Connell, die dort angenommen wurde. Das ist irische Geschichte, nicht englische! Damals glühte ganz Amerika vor Begeisterung, aber seitdem hat es sich mächtig abgekühlt.«

»Und Draper hat sich auch abgekühlt?«

»Es sieht jedenfalls so aus. Unsere Parteileitung hat die Fühlung mit ihm aufrechterhalten, aber es ist nicht viel an ihm, auf das man bauen kann. Woran denken Sie jetzt? Woher kommt dieses sanfte Lächeln?«

Ein plötzliches Gefühl überkam sie. Diese Leute waren ja wie Kinder.

»Ich mußte lächeln«, sagte sie, »bei dem Gedanken an euren Draper aus Amerika. Ihr haltet ihn für einen Idealisten, wie ihr selbst seid, und baut darauf. Ich aber weiß, daß, wenn Sie versuchen, ihn bei seinem Idealismus zu packen, es mindestens so hoffnungslos ist, als wenn Sie den Heiligen Gral in einem Laden in der Bondstreet suchen wollten.«

»Und wenn ich Ihnen nun sage, daß ich das selbst ganz genau gewußt habe?«

»Und deshalb, mit voller Überlegung, zu mir gekommen sind?«

»Warum nicht?«

Er versuchte seine Antwort mit Zuversicht, mit Bravour und Selbstsicherheit herauszubringen und wußte sofort, daß es ihm nicht gelungen war. In ihrer Schönheit war ein Element, das er bis zu diesem Augenblick nicht hatte definieren können. Jetzt hatte er es gesehen und erkannt. Das tiefe Grau ihrer Augen hatte sich verfinstert. Er hatte ihr Souveränitätsgefühl beleidigt. Sie war niemand, den man benutzte. Sie gab aus der Fülle ihrer Schönheit, wie eine Königin von ihrem Reich verschenkt. Und doch hatte er sie nicht kränken wollen! Sie hatte kein Recht, gekränkt zu sein.

»Als Mittel zum Zweck?« deutete sie an.

»Wir wollen doch bitte solche hohlen Redensarten beiseite lassen! Wer spricht hier von ›Mittel zum Zweck‹?« sagte er. »Ich habe mich mit Ihnen an diesen Tisch gesetzt und während der ersten zehn Minuten war mir zumute, als stünde mir das Wasser bis zum Hals. Weiß Gott, ich habe nicht versucht, mich über irgendeine seichte Furt ans andere Ufer hinüber zu stehlen. Was Sie ›Mittel zum Zweck‹ nennen, war für mich die erste flache Stelle, wo ich hoffen konnte, endlich zu sehen, wohin ich meine Füße setzte. Es liegt in Ihrer Hand, wenn Sie das Wasser für mich noch tiefer machen wollen als es ist.«

Die Finsternis in ihren Augen war entschwunden. Sie faltete wieder die Hände. Ein Lächeln zuckte unstet über den Bogen ihrer Lippen. Es war ein Versprechen, daß sie sich keine Übergriffe mehr erlauben wolle. Es war ein Eingeständnis, daß sie menschlich genug war, sich noch heimlich an diesem Übergriff zu freuen.

Er wandte sich entschlossen ab von diesem Lächeln und von dem Bogen ihrer Lippen und sagte:

»Wir wollen zu unserem Mr. Draper zurückkehren. Wie könnten Sie es zuwege bringen, noch einmal mit ihm zusammenzutreffen?«

»Wenn Sie wollen, daß ich weiterhin gespannt und aufgeregt der Dinge harre, die da kommen sollen, dann müssen Sie mir schwierigere Fragen aufgeben. Zerbrechen Sie sich nicht den Kopf. Es wird ohne weiteres möglich sein, mit ihm zusammenzutreffen. Aber was soll dann geschehen?«

Er deutete ihr an, was sie zu tun hatte. Es kam darauf an, den dünnen Faden des Interesses, der zwischen Mr. Draper und Irland noch bestand, mit größter Vorsicht zu fassen.

»Ein richtiger amerikanischer Geschäftsmann wird nicht das geringste tun, wenn er nicht klar sieht«, sagte er. »Rufen Sie erst einmal in ihm das Interesse wach. Dann bringen Sie mich mit ihm zusammen, zufällig! Stellen Sie mich vor als einen Ihrer Bekannten.«

»Ich sehe schon, was mir bevorsteht. Ein neues Herrenessen am St.-James-Square«, sagte sie. »Ich ahne ungefähr, wie es anzufangen ist. Die bekannte amerikanische Vorliebe für berühmte Leute läßt Herrn Anthony Draper keine Ruhe, ehe er nicht einen der bekanntesten englischen Historiker in seinem eigenen Heim besucht hat.«

»Und was wird Ihr Mann dazu sagen, wenn Sie ihm eine Rolle in unserem Film zuweisen?«

»Ob er es billigt oder nicht,« sagte sie, »er wird nicht einen Augenblick zögern. Er wird ohne weiteres zustimmen. Er verwehrt mir nicht, zu handeln. In seinen Augen habe ich ein Recht darauf. Ich glaube, er hält es für weitaus wichtiger, Geschichte zu machen, als Geschichte zu schreiben. Er sieht in mir denjenigen von uns beiden, der dem Leben näher ist. Als wäre ich ein Modell, nach dem er arbeitet, als mühe er sich ewig, mich auf die Leinwand zu bannen, und als müsse er immer wieder, wenn er den Pinsel niederlegt, finden, daß ich das Leben bin und sein Werk nur die Imitation. Ich kann es nicht besser erklären. Ich verstehe ihn nicht. Er hat gearbeitet wie zwölf andere Menschen, um seines Themas Herr zu werden, aber er hat nie versucht, Herr über sich selbst zu werden. Er steht ewig draußen und sieht zu. Ich überrasche ihn dabei, wie er mich so betrachtet, immer als Zuschauer, zärtlich, anteilnehmend, schwärmerisch bisweilen, aber oh! immer aus der Entfernung. – Verstehen Sie mich? Wie durch eine Glaswand. Ich habe nie gespürt, daß dieser Blick mich wärmt.«

Es war genau so gut, als hätte sie ihm wörtlich mitgeteilt, daß sie frei sei. Es war nichts anderes. Und doch war es kein Verstoß gegen das, was sie Stephen schuldete. Sie hatte ihr Leben vor John Madden aufgeschlagen wie ein Buch, damit er sah und las, und plötzlich hatte eine Bleistiftglosse am Rand, die sie selbst noch nie gesehen hatte, ihr eigenes Interesse wachgerufen.

So saßen sie und wagten sich nicht anzusehen. In Augenblicken der inneren Spannung wie dieser, vermag ein Mann die Frau vor ihm nicht anzusehen. Sie saß und fragte sich: »Was habe ich ihm erzählt?«, er saß und fragte sich: »Wieviel hat es zu bedeuten?« Dicht beieinander standen sie im tiefen Wasser. Es schoß wirbelnd an ihnen vorbei, so daß sie sich vorbeugen mußten, um sich in der Strömung zu behaupten, – und eine Stimme, kunstvoll dem Ort, der Stunde und den Umständen angepaßt, fiel zwischen sie, um sie zu trennen.

»Ich hätte niemals gedacht, daß Sie Ihren Tag so früh beginnen.«

Sie blickte auf und sagte:

»Sind Sie es, Francis? Sie haben sich schrecklich lange Zeit genommen, bis Sie sich entschließen konnten, mir guten Morgen zu sagen – und dabei sind Sie sonst so höflich.«

Es zerstörte einen Teil des Effekts, auf den er gerechnet hatte. Sie hatte ihn also schon gesehen. Eines konnte ihre Geschicklichkeit aber doch nicht aus der Welt schaffen: Er hatte gesehen, daß die schöne Jane Carroll um neun Uhr morgens mit einem Anhänger der irischen Republik am Frühstückstisch saß.

»Ich habe mit meiner Mutter gesprochen, sie ist auf ein paar Tage in London.«

»Ich sah, wie Sie ihr einen Kuß gaben, Francis. Hat sie noch mehr so entzückende Kinder?«

»Ach, Sie haben gesehen, wie ich meine Sohnespflichten absolviert habe? Es war lieb, nicht?«

»Reizend!«

»Ich glaube auch, daß ich meine Sache ganz ausgezeichnet mache, besonders wenn man in Betracht zieht, daß ich eigentlich noch gar nicht richtig wach bin.«

Sie lachte. Ein Lachen, das für ihn bestimmt war, aber ein Lachen, das auf seine Kosten ging. Es war ein bitterer Vorwurf darin. Es war kein amüsantes Lachen.

»Oh, Francis,« sagte sie, »wie zart Sie solche Sachen zu sagen wissen. Und jetzt will ich Ihnen sagen, denn natürlich möchten Sie gerne Bescheid wissen – oder etwa nicht?«

»Was möchte ich wissen?«

John Madden blieb stumm. Ein bloßer Zuschauer. Er sah ihr zu mit dem Gefühl, als tanze sie im hohen Gras, wo eine Giftschlange lauerte.

»Was möchte ich wissen?« wiederholte Francis.

Sie wandte sich graziös und vertraulich zu ihrem stummen Tischnachbar.

»Ich kann kaum annehmen, Mr. Madden,« sagte sie, »daß Sie wissen, was ›unser‹ London ist.«

Er schüttelte den Kopf.

»Für mich ist London nichts als ein einziges zyklopisches Geräusch.«

»Oh – ja –, aber das ist nur London, wie man es empfindet, wenn man vom Lande kommt. Mr. Canning sowohl wie ich können uns nur schwer London so vorstellen – nicht wahr, Francis? – Sie werden nicht behaupten, Francis, daß Sie das Regierungsviertel sehr geräuschvoll finden. Und ich gebe Ihnen die Versicherung, Mr. Madden, wenn man im Temple wohnt, wie Mr. Canning – Sie wohnen doch noch da, Francis? –, dann kommt man sich vor, als lebe man in einer Gruft, wo der einzige menschliche vertraute Laut, der einem Gesellschaft leistet, die gelegentlichen Schritte eines Totengräbers sind, der droben über die Steinplatten schlürft. Oh, nein – für uns ist London weiß Gott kein Ort des Lärms! Durchaus nicht! Vielmehr ist es ein Ort des Flüsterns. Das wollte ich Ihnen sagen. Hier ist Francis – wir alle nennen ihn einfach Francis – Sie sehen ihn hier vor sich, wie er an unserem Tisch steht, nicht wahr? Und unter seinem wohlgebürsteten Scheitel ist nichts als Geflüster, ein ganzer Chor, ein wohlgeordnetes Ballett von Schemen, die flüstern.«

Sie sah zu ihm hinauf und lächelte ihm zu, als wäre er an ihren Tisch getreten, um als treuer Sohn einen zärtlichen Kuß auf ihre Wange zu drücken.

»Kann man erfahren, was da geflüstert wird?« fragte Madden.

»Soll ich es ihm sagen, Francis?«

»Ich möchte den Flug Ihrer Phantasie nicht unterbrechen, Jane, um keinen Preis der Welt«, sagte er.

»Bemerken Sie,« erklärte sie zu John Madden hinüber, »wie geschickt er sich verstellt? Das zierliche Kompliment an die Adresse meiner Phantasie. Schön, lieber Francis, ich werde ihm nichts erzählen – ich will Sie schonen. Und ich werde auch Ihnen nichts erzählen! Sie müssen es schon selbst herausbekommen! Sie sind ein so aufgeweckter junger Mann! Es sollte Ihnen nicht schwerfallen. Gehen Sie um acht Uhr zur Frühmesse und nehmen Sie da die Spur auf, aber daß Sie sich respektvoll benehmen, möchte ich mir ausbitten! Daß Sie mir nicht ketzerisch und verstockt an Ihrer Nase herunterschielen! Knien Sie brav nieder und sprechen Sie Ihr Gebet, als wären Sie ein guter Katholik, wenn Sie es auch nie sein können, Francis, dazu sind Sie von den Vorzügen eines gewissen Mr. Canning zu sehr überzeugt. Werde ich Sie heute abend bei Sybil sehen?«

Während er noch den Kopf schüttelte, hielt sie ihm abschiednehmend die Hand hin. Sie schenkte ihm ein Lächeln, das gleichzeitig seine Entlassung war und doch ihm das Abgehen erleichterte. Sie blickten ihm beide nach, wie er an den Tisch seiner Mutter zurückging. Es fiel ein breiter Sonnenstreifen durch die Fenster und vergoldete sein Haar einen Augenblick lang. Dann wendete sie sich zum Tisch zurück und sah John Madden an.

»Wieviel von alledem haben Sie verstanden?« fragte sie.

»Nichts von dem, was gesprochen wurde,« sagte er, »aber davon abgesehen, ziemlich viel. Wie bringen Sie es fertig, in einer solchen Welt zu leben?«

»Ich weiß es selbst nicht.«

»Aber Sie wissen, wie man es anfassen muß.«

»Weiß ich es?«

»Ich sehe schon, wie Draper fügsam wird, wie ein Rohr im Wind.«

Er beugte sich über den Tisch. Seine Augen ruhten auf ihr, als gäbe es keine andere Stelle, wo sie ruhen könnten.

»Sie brauchen sich wohl nicht besondere Mühe zu geben, um zu erraten, daß ich niemals jemand begegnet bin wie Ihnen. Ich kann noch immer nicht glauben, daß Sie wirklich gesonnen sind, sich unserer Sache anzunehmen.«

»Warum nicht?«

»Weil es sich hier nicht um Politik handelt. Von Diplomatie in Glacéhandschuhen kann dabei nicht die Rede sein. Die Sache, an der Sie mitarbeiten sollen, wird nicht gerade damit enden, daß Sie Mr. Draper in einem Salon treffen, ihm die Hand schütteln und mit ihm plaudern. Sie haben keinen Begriff davon, wie sehr Ihre Welt verschieden ist von anderen Welten. Ich habe Ihnen schon einmal gesagt: bei uns drüben gilt ein Leben nicht mehr als ein Bauer im Schachspiel. Man gibt es hin für einen Positionsgewinn, man gibt es hin um einen Qualitätsgewinn. Hier in England, wenn ich diesen jungen Mann ansehe – wenn ich Sie in Ihrer Schönheit vor mir sehe, wirkt das Leben wie eine Kostbarkeit im Laden eines Kunsthändlers. Es muß angeschaut werden, aber es darf nicht gebraucht werden. Es ist – es ist eine Art Kabinettstück für Sammler. Das einzige, wozu euch hier in London das Leben dazusein scheint, ist, daß weniger Glückliche zu euch kommen und sehen, wie wundervoll ihr lebt.«

»Haben Sie das alles an mir studiert?«

»Nein, an allen. Sie? Sie sind es wert, daß man Sie anschaut. Über zwei Erdteile könnte ich reisen, um einen Blick auf Sie werfen zu dürfen. Wenn Sie nichts vorzuweisen hätten, als nur Ihr Gesicht, und nie dem Schicksal gerecht geworden wären, das in Ihnen ruht, Sie dürften in Ihrem weiten Armstuhl sitzen und sagen: ›Dies ist das Leben‹, und wären dennoch gerechtfertigt.«

Sie lachte. Ein Lachen, in dem es schluchzte. Sie zerrte an der Perlenschnur um ihr Handgelenk. Wären es nicht echte Perlen gewesen, sie hätte die Schnur gespannt, bis sie zerriß und die Perlen sich über den Tisch verliefen. So war ihr zumute.

»Es wäre nicht übel,« sagte er widerstrebend, »wenn ich etwas mehr daran dächte, daß ich Sie gestern abend zum erstenmal gesehen habe. Vor knapp zwölf Stunden. Außerdem sollte ich mich etwas mehr mit der Angelegenheit beschäftigen, die mich veranlaßte, unsere Zusammenkunft herbeizuführen.«

»Und der einzige Zweck dieser Zusammenkunft war Ihr Wunsch, daß ich mich mit Mr. Draper aus Amerika in Verbindung setze?«

»Ja. Halten wir uns endlich an Mr. Draper aus Amerika! Sie werden die Bekanntschaft mit ihm erneuern. Wenn es Ihnen gelungen ist, sein Interesse für Irland neu zu beleben, werde ich mit ihm zusammentreffen. Bei Ihnen! In aller Stille. Wie lange, glauben Sie, wird es dauern, bis Sie so weit sind?«

»Eine Woche.«

»Das kann ich nicht glauben.«

»Glauben Sie es nur.«

»Schön. Selbst wenn es nur eine Woche dauert, wird man im Regierungsviertel wissen wollen, warum ich mich immer noch hier herumtreibe.«

»Und wird man es herausfinden?«

Er lachte sie aus.

»Ihr junger Freund«, sagte er, »hätte es nicht nötig, sich lange seine wundervolle Frisur zu zerraufen, um Bescheid zu wissen. Vergessen Sie nicht, ich bin mindestens tausend Pfund wert und dabei sind tausend Pfund höchstens ein Tröpfchen im Vergleich zu den Riesensummen, die euer England für seinen Geheimdienst ausgibt. Ich lebe hier nicht im Ruhestand, denken Sie daran. Auf alle Fälle ist man bei der Regierung nicht der Ansicht, daß ich hier privatisiere. Ich vermute, ich kann keinen Schritt aus meinem Hotel tun, ohne daß man es an zuständiger Stelle erfährt. Man hat meine Aufenthaltserlaubnis verlängert. Gewiß nicht aus reiner Freundlichkeit.«

In ihren Augen malte sich Verwunderung und tiefer Ernst. Er mußte lachen.

»Jetzt fangen Sie an, die allerersten Anfangsgründe zu begreifen. Und es ist lange nicht so amüsant, wie es aussah. Nicht wahr? Ein solches Labyrinth hatten Sie nicht erwartet. Verwicklungen, Hindernisse, Fallen überall. Sie brauchen sich nicht damit herumzuschlagen, wenn Sie nicht wollen. Sie haben sich noch nicht verpflichtet, in der Sache mit Draper irgend etwas zu unternehmen.«

»Ich habe mich verpflichtet.«

»Ich habe nichts gehört.«

»Trotzdem habe ich mich verpflichtet! Bei mir selbst, tief innen! Es war ein Gelöbnis. Es hallt noch in mir nach, es wird ewig in mir nachhallen und ich würde es nicht preisgeben, um alle Schätze Golkondas nicht – übrigens weiß ich weder, worin diese Schätze bestehen, noch wo Golkonda liegt.«

Sie beugte sich zu ihm hinüber.

»Wissen Sie denn nicht,« murmelte sie, »daß Sie mir ein Geschenk gemacht haben, ein ganz ungewöhnliches Geschenk. Wissen Sie, was es ist? Ihre Landsleute drüben in Irland! Sie haben Einzug gehalten in mein Herz – seit – seit gestern abend wohl. Vielleicht waren sie schon lange zu mir unterwegs. Ich weiß es nicht. Manchmal war es mir, als könnte ich eine Botschaft in ihren Augen lesen – verstehen Sie mich? – und nun habe ich die Botschaft verstanden.«


 << zurück weiter >>