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Glücklich nenn' ich dich Cikade,
Die du auf der Bäume Zweigen,
Von geringem Trank begeistert,
Singend, wie ein König lebest!
Dir gehört ja eigen Alles,
Was du auf den Feldern siehest,
Alles was die Stunden bringen.
Lebest unter Ackersleuten,
Ihre Freundin, unbeschädigt.
Und die Sterblichen verehren
Dich, des Sommers holden Boten.
Ja dich lieben alle Musen,
Phöbus selber muß dich lieben;
Gaben dir die Silberstimme;
Dich ergreifet nie das Alter,
Weise, zarte, Dichterfreundin,
Ohne Fleisch und Blut Geborne,
Leidenlose Erdentochter,
Fast den Göttern zu vergleichen.
Dies Liedchen sang der griechische Dichter Anakreon mehr denn 500 Jahre vor Christi Geburt, und andere Sänger vor ihm haben die Cikaden geliebt, als Gegenstand ihrer Dichtungen gewählt und ihnen hierdurch im Alterthume eine gewisse Berühmtheit verschafft. Jedermann sah sie für die glücklichsten, unschuldigsten Thiere an, aber nicht aus dem Grunde, welchen der Grobian Xenarchus aus Rhodus angiebt, wenn er sagt:
»Glücklich leben die Cikaden,
Denn sie haben stumme Weiber«,
sondern wegen ihres Gesanges.
Eine auf einer Harfe sitzende Cikade war das gewöhnliche Sinnbild der Musik, und man erzählte sich von dem Ursprünge desselben folgendes: Als zwei Tonkünstler, Eunomos und Ariston, einen Wettstreit auf diesem Instrumente mit einander anstellten, so flog eine Cikade zu dem ersten, setzte sich auf die Harfe, vertrat die Stelle einer gesprungenen Saite und erwarb ihm auf diese Weise den Sieg. Dieses Thier im Singen zu übertreffen, scheint die beste Empfehlung eines Sängers gewesen zu sein, und selbst Platon's Beredsamkeit litt nicht durch die Vergleichung mit dem Gesange der Cikade. So faßte der griechische Natursinn den Cikadengesang auf. Man hielt sie sich zu Hause in kleinen Käsigen, um sich durch ihren eintönigen Gesang in den Schlaf singen zu lassen.
Er ist nicht nur bei den verschiedenen Arten verschieden, sondern klingt dem einen Ohre anders als einem andern. Der Eindruck hängt entschieden auch von der jeweiligen Stimmung des Hörenden ab, wie die sich manchmal widersprechenden Angaben über den Gesang ein und derselben Art beweisen. Manche bringen einen scharfen, ohne Unterbrechung lange andauernden Ton hervor, manche pausiren in gleichlangen Zwischenräumen. Auf letztere scheint der römische Dichter
Virgilius zu zielen, wenn er sagt: »Bei brennender Sonne wiederhallen die Sträucher von heisern Cikaden,« oder an einer andern Stelle: »Die Gebüsche werden schier bersten (vor Aerger) durch den Gesang der klagenden Cikade.«
– – raucis
Sole sub ardenti resonant arbusta cicadis. (Virgil. Ecl. II. 13.)
Et cantu querulae rumpent arbusta cicadae. (Virgil. Georg. III. 328.) Die eine Art giebt einen so gedämpften Ton von sich, daß man ihn kaum hört, andere wieder können ungemein laut werden. So erzählt ein Ohrenzeuge von einer stattlichen Singcikade auf Sumatra, der größten, welche mir bekannt ist (
Cicada speciosa) – sie mißt von der Stirn bis zur Spitze der in der Ruhe liegenden Flügel etwa 8 cm. – daß sie in manchen Jahren gar nicht gefunden werde, in andern wieder in großen Mengen, und dann vernehme man ihr schnarrenartiges Gekreisch in den Wäldern stundenweit, in der Nähe aber betäube es die Ohren. Das Thier selbst ist ausnehmend schön gezeichnet, mit Einschluß der Flügel sieht es schwarz aus, hat aber ein gleich breites, gelbes Halsband und blutrothes Geäder auf den am Hinterrande schmal weiß besäumten Vorderflügeln.
Zwei Fragen liegen nahe: Warum und auf welche Weise singen die Cikaden? Wie die Liebe die Seele des Gesanges bei den Menschen ist, so auch bei den »singenden« Kerfen überhaupt und bei unsern Cikaden: ich setze voraus, daß mir der leider oft anzutreffende Mißbrauch des Begriffes »Liebe« hier verziehen werden wird. Nicht das Weibchen erzählt seine Liebe den Winden, es ist viel zu bescheiden und zurückhaltend, sondern die Männchen allein »lehren die Wälder die schöne Amaryllis wiederhallen,« gerade wie bei den Grillen und Heuschrecken. Ganz anders eingerichtet, wie bei jenen, und an ganz anderem Orte gelegen ist aber das Stimmwerkzeug der männlichen Singcikaden. Wir haben es hier an der Hinterbrust zu suchen. Betrachten wir nämlich ein Männchen von der Unterseite, so fallen uns zwei größere oder kleinere, bei den verschiedenen Arten verschieden geformte Chitinplatten auf, welche unter den Hinterbeinen vorragen und den vordem Theil des Bauches bedecken. Sie hängen unbeweglich am untern Hinterrande des letzten Brustringes, und sind von mehr lederartiger Beschaffenheit, also nicht starr, sondern biegsam. Unter ihnen dringt der Ton hervor, und man hat sie deshalb die Stimmdeckel ( Trommeldeckel) genannt. Sie bedecken nämlich mehrere Oeffnungen. Zunächst zwei dicht neben einander gelegene, mehr runde Löcher, in deren Grunde eine zarte, weiße Haut wie ein Trommelfell ausgespannt ist und zwei nach außen gelegene, lang gestreckte, in der Richtung von vorn nach hinten verlaufende Höhlungen, welche durch je eine große Schuppe gebildet werden, die sich kappenartig um dieselbe herumlegt. Zwischen einer seitlichen und der benachbarten runden Höhlung zieht sich ein gestreckter Chitinring in die Brusthöhle hinein. Derselbe ist mit zarter elastischer Haut in einer Weise ausgekleidet, daß er löffelförmig erscheint, an mehreren Stellen mit der Innenwand festgewachsen und daher nicht beweglich, und ragt frei in die gestreckten Seitenhöhlen hinein. Diesen Bau hat schon Réaumur gekannt, den löffelartigen Chitinring aber für beweglich gehalten und die Wirkungen des ganzen Apparates nicht richtig aufgefaßt. Herr Landois zieht zu einem richtigeren Verständnisse und als wesentlichen Bestandteil des Stimmwerkzeuges die bis dahin unbeachtet gelassenen Luftlöcher des Hinterbrustringes mit hinzu. Dieselben münden nämlich sehr versteckt an der seitlichen Ecke der Anheftungsstelle von den als Stimmdeckel bezeichneten Klappen. Sie sind ungemein groß und langgestreckt und an den beiden gegenüberliegenden Langseiten mit je einem Streifen zarter Haut besäumt, den »Stimmbändern«, die zwischen sich eine schmale Spalte lassen. Ihnen gerade gegenüber liegen die seitlichen Höhlungen, in welche der löffelförmige Chitinring, oder das »gefaltete Häutlein« wie Rösel diesen Theil genannt hat, frei hineinragt.
Wird nun beim Athmen die Luft mit Gewalt durch jene Ritze gepreßt, so erzeugen die sie besäumenden Häutchen, die Stimmbänder, wie sie genannt wurden, den schnarrenden Ton, welcher durch die übrigen zarten Häute als den Resonanzvorrichtungen verstärkt wird. Die nachher näher zu bezeichnenden Bewegungen, welche das singende Männchen mit seinem Hinterleibe macht, sprechen für die Athemthätigkeit bei dem Singen und moduliren jedenfalls den Ton.
Um die Eier an den ihrer Entwickelung nöthigen Ort bringen zu können, sind die Weibchen auch bei diesen Zirpen mit einem hornigen Legstachel versehen; mit ihm schneiden sie durch die Rinde in das Mark junger Triebe oder des ältern Holzes verschiedener Baumarten, lassen ihre Eier hineingleiten, bis die Wunde damit erfüllt ist, dann gehen sie weiter und wiederholen dieselbe Arbeit so oft, bis sie den nicht unbedeutenden Vorrath ihrer Eier (die Zahl beläuft sich auf mehrere hundert) untergebracht haben. Die jungen Larven kriechen noch in demselben Jahre aus, verlassen ihren Schlupfwinkel, bohren mit ihrem Schnabel die Futterpflanze an und saugen deren Saft. Sie sind von einer dicken, hornigen, aber wie polirten Haut bekleidet und zeichnen sich durch Dicke und Plumpheit ihrer sechs Beine aus. Die Füße bestehen nur aus einem Gliede, während wir beim vollkommenen Kerfe deren drei zählen. Dieser Umstand ist um so auffallender, als die Fühlergliederzahl bei der Larve sich umgekehrt verhält; sie stellt sich hier bedeutender heraus als dort. Vor allem fallen die breiten nach unten bedornten Vorderschenkel mit ihren kurzen, gebogenen Schienen in die Augen. Sie stellen Grabbeine dar und sind den Thieren zu ihrem Fortbestehen unumgänglich nothwendig. Da sie nämlich mehrere Jahre leben und empfindlich gegen die rauhe Jahreszeit sind, so graben sie sich während derselben zwei bis drei Fuß tief in die Erde ein und nähren sich vom Safte der Wurzeln. Mit jedem Frühjahre kommen sie von neuem heraus und beziehen nun wieder die Bäume und Sträucher als ihre Sommerwohnung. Wie zu erwarten steht, häuten sie sich mehrere Male. Die letzte Häutung bringt ihnen die Flügelstumpfe, sonst aber in ihrer Lebensweise keine Veränderung. Nicht in der Erde, sondern über derselben streifen sie endlich ihr Kleid ab, und der geflügelte Kerf ist geboren zu kurzem Dasein, durchglüht von den Strahlen des selten getrübten Tagesgestirns, seine »Liebeslieder« zu singen oder dem Sange derselben zu lauschen und ihren Einladungen zu folgen.
Wenn sie mit ihrem langen Schnabel Eschen und andere süßsaftige Bäume angebohrt haben, um sich zu ernähren, so fließt nachher noch Saft aus, erhärtet mit der Zeit und liefert, wie die Verwundungen durch einige Schildlausarten, das Manna. So viel von der Verwandlungsgeschichte im allgemeinen, sie ist für die einzelnen Arten noch lange nicht hinreichend erforscht und wird jedenfalls allerlei Abänderungen unterworfen sein, besonders in Rücksicht auf die Zeitdauer. Manche Züge daraus, wenn auch mit unklaren Vorstellungen verknüpft, werden uns schon von Plinius erzählt, welcher aus noch viel älteren, griechischen Quellen geschöpft zu haben scheint, wie aus Aristoteles und Aelian.
Die Singzirpen kommen nur in den heißen und den wärmeren Theilen des gemäßigten Gürtels vor. In der neuesten Arbeit über europäische Singcikaden Wer sich näher über »die Singcikaden Europa's« unterrichten will, den verweisen wir auf die gediegene Arbeit von Dr. H. Hagen über dieselben, welche er veröffentlicht hat in der Stettiner entomologischen Zeitung XVI. Jahrg. (1855) S. 340 u. 379, XVII. Jahrg. S. 27, 66, 131. werden 18 Arten als unserem Erdtheile angehörig aufgeführt und beschrieben, von denen einige vom benachbarten Asien oder Afrika herübergekommen sein mögen, wenn man sie an den betreffenden äußeren europäischen Grenzen gefangen hat. Die meisten dieser Arten, nicht ganz leicht in allen Fällen zu unterscheiden, sind in den südlichen Halbinseln und Südfrankreich heimisch, Südrußland, Sibirien, die Schweiz und selbst Süddeutschland weisen deren auch auf. Vor etwa fünf und dreißig Jahren fing ich selbst ein weibliches Exemplar bei Naumburg a. d. S., welches sich durch seinen schwirrenden Flügelschlag im Grase verrieth, wie er von Hummeln u. a. hervorgebracht wird, wenn sie sich durch fremdartige Gegenstände behindert, gefangen gehalten wähnen. Es mochte der Cicada montana Scop. angehören, welche die größte Verbreitung in Deutschland hat und in England nicht blos gefangen, sondern auch als Larvenhaut gefunden worden ist.
Es dürfte nun an der Zeit sein, statt aller eine unserer europäischen Arten etwas genauer zu betrachten; wir wählen dazu die schon von Linné gekannte und beschriebene kleinere Eschencikade ( C. Orni. Fig. d). Gemein im südlichen und südwestlichen Frankreich, sowie in der Schweiz lebt sie auch auf den drei südlichen Halbinseln, in Kleinasien und Egypten. Das auf einen Zweige sitzende Männchen hebt bei jedem Laute, den es von sich giebt, den Hinterleib etwas, um ihn gleich daraus wieder sinken zu lassen, eine Bewegung der eine zweite, dritte u. s. w. folgt, um dann, in ein sehr schnelles Erzittern überzugehen, wobei der Ton sich in ein bloßes Schwirren verliert, mit welchem es endlich aufhört. Vermuthlich ist es diese Art über welche sich Virgil in den oben angeführten Stellen beklagt.
Wie alle Singcikaden trägt sie die bei ihr sechsgliedrigen Fühler, deren Grundglied sehr dick ist, die übrigen einer feinen Borste gleichen, vor den großen, stark vorgequollenen Netzaugen, und auf dem Scheitel drei in ein Dreieck gestellte Nebenaugen. Der Kopf ist breit und kurz, sein Vorderrand abgerundet, die Stirn tritt wenig vor und ihr fehlt die Mittellinie, welche sich bei vielen anderen Arten findet. Der erste Brustring hat vorn die Breite des Kopfes, erweitert sich aber stark nach hinten und endet daselbst unter einem kurzen, breitlappigen und stumpfen Winkel; sein Vorderrand tritt bogenförmig zwischen die Augen, während der Hintere leicht ausgeschweift erscheint. Der große lange Leib ist gleichbreit und verengt sich an der Spitze plötzlich, wenigstens beim Männchen, beim Weibchen endigt der etwas kürzere Hinterleib in längerer Spitze. Die nicht gerade kräftigen Vorderschenkel sind nur mit zwei deutlichen Zähnen bewaffnet, deren oberster, walziger, schräg, der untere noch kürzere und breitgedrückte, geradeaus steht. Besonders charakteristisch zur Unterscheidung der Arten wird der Bau der Vorderflügel, welche bei allen Singcikaden in der natürlichen Stellung, die hintern bedeckend, dachartig über dein Leibe liegen und dessen Spitze um ein Bedeutendes überragen. Sie sind hier glashell und die kleine Zelle an ihrer Wurzel, nahe dem Vorderrande, Basalzelle (Wurzelzelle) genannt, ist etwas länger als breit. Von ihrem Außenwinkel entsendet sie nahe bei einander die beiden Hauptadern ( Sektoren), deren zweite, nach dem innern Flügelrande verlaufende, fast unter einem rechten Winkel hakenförmig gebrochen, dort ihr Ende erreicht. Längs des Außenrandes bemerken wir eine Reihe von sieben dunkleren Punkten und vier größere weiter nach innen auf den Stufenadern. Die Rippen sind braun und stückweise gelb gefärbt, die breite Vorderrandsader gelb. Der Körper hat eine braune Grundfarbe, welche von gelben Zeichnungen mannigfach verdrängt wird, silberweiße Behaarung, die sich bei älteren Stücken stellenweise abrieb, und ist mit weißer, wachsartiger Ausschwitzung bestäubt. Die Beine, welche bei keiner Singcikade zum Springen dienen, sind graugelb, ihre Schenkel innen und oben, die Schienen am Knie und in der Mitte, die Füße an der Spitze braun. Die Stimmdeckel bei den Männchen sind kurz, an ihrer Wurzel ziemlich breit und liegen weit auseinander, das vorletzte Hinterleibsglied am Bauche viereckig, breiter als lang, das letzte trägt auf dem Rücken in der Mitte eine schmale häutige Spitze. Beim Weibchen erscheint das letzte Bauchglied tief ausgeschnitten, und in die Mitte dieses Ausschnittes tritt ein breiter Vorsprung, welcher am Vorderrand gleichfalls ausgeschnitten ist. Diese ausführliche Beschreibung war nöthig, um die Art sicher zu stellen; denn es haben sich bei den verschiedenen Schriftstellern allerlei Verwechslungen dieser oft sehr ähnlichen Thiere eingeschlichen, welchen nur durch sorgfältige Beschreibungen der einzelnen vorgebeugt werden kann.
Auf die charakteristischen Merkmale aller Singzirpen, die eine dritte Familie ( Stridulantia) bilden, wurde aufmerksam gemacht, es sei jetzt nur noch daran erinnert, daß sie als diejenigen der ganzen Zunft, auf die man am frühesten aufmerksam geworden ist, zu dem ihr beigelegten Namen » Zirpen« Veranlassung gegeben haben.
Es giebt also doch wenigstens Zirpen, welche ihren Namen ungefähr rechtfertigen, wenn ihre Zahl auch eine verhältnißmäßig geringe ist. Wenn wir endlich noch der vierten Familie, der Leuchtzirpen ( Fulgorina) mit einigen Worten gedenken, so müssen wir von vornherein bemerken, daß es auch nicht eine giebt, welche leuchtet. Alle diejenigen nämlich, deren Kopf durch Ecken und Kanten, in welchen die Haupttheile desselben zusammenstoßen, oder durch sonstige auffällige Wucherungen ausgezeichnet ist, haben jenen Namen erhalten, mit welchem es folgende Bewandtniß hat.
Der sogenannte » surinamische Laternentäger« ( Fulgora laternaria) dürfte den meisten meiner Leser dem äußern Ansehen nach bekannt sein. Er findet sich in den Sammlungen, welche sich über alle Insektenordnungen erstrecken, er ist außerdem in Bilderbüchern, Naturgeschichten und andern der Belehrung dienenden Schriften sattsam abgebildet worden. Es sei nur daran erinnert, daß sein Kopf sich nach vorn eigenthümlich keulenartig fortsetzt und die blasig aufgetriebene Stirn bei sehr lebhafter Phantasie mit einer sonderbar geformten Laterne verglichen werden könnte, daß die Flügel gelb, von braunem Geäder durchzogen und die hinteren mit einem schwarz umrandeten und schwarz gekernten Augenflecke gezeichnet sind. Es darf uns daher nicht wundern, wenn die ersten Bilder von diesem in Südamerika allenthalben, aber nirgends häufig anzutreffenden Thiere wegen der bunten Flügel zwischen Schmetterlingen erschienen sind. Jetzt möchte es wohl einem jeden, der sich einigermaßen um Insekten gekümmert hat, bekannt sein, daß der Laternenträger gleich unsern Kleinzirpen und den Baumwanzen einen Schnabel hat und kein Schmetterling ist. Man würde aber die große, stattliche Zirpe schwerlich einen »Laternenträger« genannt haben, wenn man ihr nicht Leuchtvermögen zuschriebe. Die Bezeichnung scheint von den Indianern zu stammen; denn, die schon früher erwähnte Malerin Maria Sibylla Merian, welche 1701 von einem mehrjährigen Aufenthalte in Surinam, wo sie Insekten und Pflanzen nach der Natur malte, zurückgekehrt war, erzählt in ihrem Werke über Surinam, daß die Indianer versicherten, aus dem Leyermanne, einer großen Singcikade ( Cicada tibicen), komme der sogenannte Laternenträger, dessen Mütze bei Nacht wie eine Laterne leuchte. Sie will die Erfahrung selbst gemacht und den Feuerschein Heller als eine Kerze gefunden haben, bei dem man eine Zeit lang lesen könne. Auch hatte sie einen gewaltigen Schrecken über denselben; denn sie kannte die vermeintliche Eigenschaft dieser Thierchen noch nicht, als sie dieselbe in Erfahrung brachte und dann von den Wilden weitere Belehrung empfing. Spätere Forscher und Insektensammler berichten nichts über das Leuchten des Laternenträgers. Da sich keine Spur von Flecken finden, wie sie die in Brasilien zahlreich lebenden Leucht- und einige Springkäfer haben, deren Leuchtvermögen erwiesen ist, so muß man annehmen, daß jene Angabe auf einem Irrthume beruhe, und daß der Laternenträger niemals ein Licht in seiner Laterne anstecke, wenn wir sie ihm auch immerhin lassen wollen.
Die Holländer in Guiana nennen nach einer andern Mittheilung unser Insekt »Nachtgespenst« wegen seines Geräusches am Abend. Dieses soll dem Tone einer Cymbel oder eines Schermessers während des Schleifens gleichen und regelmäßig mit Sonnenuntergang beginnen. Auch hierüber fehlen spätere Bestätigungen und jegliche Andeutungen von Werkzeugen am Thiere selbst, mit denen es die Laute hervorbringen könnte. Die Angabe muß also gleichfalls als ein Irrthum und eine wahrscheinliche Verwechslung mit größern Singzirpen bezeichnet werden und unberücksichtigt bleiben, wie eine Verbindung der beiden eben zurückgewiesenen Behauptungen, wonach der Laternenträger nach der ersten Häutung mit lautem Geräusche umherfliegen und erst nach einer zweiten sein Leuchtvermögen bekommen solle.
Das Mitgetheilte liefert uns einen schlagenden Beweis, wie nachtheilig der Wissenschaft und darum verwerflich allerlei Berichte von Reisenden werden können, welche sie Andern nacherzählen, ohne sie gewissenhaft auf ihre Wahrheit erst selbst geprüft zu haben.
Unsere deutschen Gauen ernähren, beiläufig gesagt, auch einen kleinen Laternenträger, d. h. eine gelbgrüne Zirpe mit schnabelartig vorragender Stirn, glashellen Flügeln, deren vordere nach ihrer Spitze zu durch den Aderverlauf gewürfelt erscheinen und deren schlanke Hinterbeine, wie bei den Kleinzirpen, zum Springen eingerichtet sind. Das zierliche Thierchen von etwa 8,75 mm. Länge heißt der europäische Laternenträger ( Pseudophana europaea, bei Linné Fulgora europaea), lebt vorzugsweise in Süddeutschland, ward aber auch bei Leipzig und von mir mehrfach bei Naumburg und Halle, hier im laufenden Jahre (1877) in bisher nicht geahnten Mengen an grasigen Hängen gefangen.