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Der Haselnußrüßler und seine nächsten Verwandten.

( Balanius nucum)
siehe Bildunterschrift

Puppe. Käfer. Larve. (Alle vergrößert).

Wie allbekannt finden sich unter den Haselnüssen immer einzelne, welche in ihrer unverletzten Schale neben dem halb ausgefressenen Kerne einen Wurm bergen; andere zeigen im sogenannten »Wurmstiche« ein rundes Loch und beim Oeffnen statt des Kernes braunes Mehl, welches der verschwundene Wurm als Zeichen seiner Thaten zurückgelassen hat. Betrachten wir jenen im ersten Falle, so stellt er sich als ein weißliches, stark wulstiges Wesen mit einzelnen kurzen Borstenhaaren vor. Sein Kopf ist hornig und braun, mit zwei hellen Flecken gezeichnet. Statt der Beine finden sich sechs kleine Warzen. Es fragt sich nun: Wo kommt er her und was wird aus ihm?

Die Vermuthung liegt nahe, daß er den unvollkommenen Zustand eines vollkommeneren Kerfes darstelle, bestimmter ausgedrückt: eine Käferlarve sei. Genaue Beobachtungen haben diese Vermuthung bestätigt und einen Rüsselkäfer als Enderzeugniß kennen gelehrt, dessen zierliche Form obige Figur wiedergiebt, und dessen Lebensweise wir in der Kürze hier erzählen wollen.

Von Ende Mai bis Juli treibt sich der über und über bräunlich grau oder gelblich behaarte, stellenweise auf dem Rücken etwas gefleckte Käfer mit seinem ungewöhnlich langen, dünnen, sanft gebogenen Rüssel auf Haselgebüsch umher und benagt, um seinen Hunger zu stillen, die sich eben entfaltenden Blättchen. Wie so manche seines Gleichen stürzt er sich sogleich auf die Erde, wenn er sich in Gefahr wähnt, und nur mit Vorsicht darf man sich ihm nahen, wenn man ihn ungestört beobachten will. Mitten am Rüssel sitzen die zierlichen Fühler, deren Schaft sich nach vorn etwas verdickt und genau bis an die Augen reicht, wenn ihn der Käfer in die dafür bestimmte Rüsselfurche drückt. Die etwa um ein Drittel längere Geißel besteht aus elf Gliedern, deren vier letzte dicker und dichter als die übrigen sind, so daß sie ein eiförmiges Endknöpfchen bilden; das diesen Knöpfchen vorangehende siebente Glied ist nicht länger, als dick an seiner Spitze. Die sämmtlichen Schenkel sind hinter ihrer Mitte verdickt und weiter vorne nach unten mit einem Zähnchen versehen. Beide Flügeldecken haben zusammen beinahe die Gestalt eines Herzens, in dessen oberen Einschnitte das ziemlich große, etwas erhabene Schildchen sich einschiebt, und lassen die äußerste Hinterleibsspitze unbedeckt, weil sie einzeln an ihren Enden leicht abgerundet sind. Zur Zeit nun, wenn die Nüsse die erste Hälfte ihrer Entwickelung hinter sich haben, sucht das Weibchen dieselben eifrig auf, bohrt mit seinem Rüssel mitten hinein, legt ein Ei auf die Oeffnung und schiebt dasselbe mit dem Rüssel bis an den Kern. Die Ansicht, daß das Ei an die Nuß gelegt werde und die Larve sich einfresse, ist dadurch widerlegt worden, daß man den Käfer mit seinem Rüssel tief in der Nuß steckend angetroffen hat. Die von diesem der noch jugendlichen Frucht beigebrachte Wunde vernarbt bald und läßt ein bei genauerer Betrachtung leicht zu findendes braunes Tüpfchen zurück. Nach vierzehn Tagen etwa schlüpft die Larve aus und wächst gleichmäßig neben dem von ihr in Angriff genommenen Kerne. Geht dessen Entwickelung ausnahmsweise nicht recht von Statten und bleibt gegen die Larve zurück, so verkümmert diese. Vor ihrer vollkommenen Größe kann sie sich nicht herausfressen, um eine andere Frucht aufzusuchen; daher findet man dann und wann statt eines Kernes das Wurmmehl in einer äußerlich unverletzten Nuß und den verschrumpften todten Wurm daneben. Ist sie aber vollkommen ausgewachsen, was mit der Zeit der Nußreife zusammenfällt, so bohrt sie deren Schale durch. War die Nuß, gezeitigt durch den sie bewohnenden Wurm, nicht schon herabgefallen, so geschieht es unter dieser Arbeit wohl sicher bei unsern loser in dem Kelche sitzenden Waldnüssen, die von letzterem fester gehaltenen Lambertnüsse unserer Gärten zeigen bisweilen Bohrlöcher, welche durch den die Stelle der geöffneten Schale gerade bedeckenden Kelchzipfel mit hindurchgehen. In solchem Falle stürzt die sich mit Gewalt herauszwängende Larve, deren Körperumfang entschieden die Mündung des Loches übertrifft, nothwendig herab auf die Erde. Der Fall wird sie eben nicht sehr belästigen, die Erde aber will sie haben, sucht sie mit entschiedener Vorliebe auf; denn sie gräbt sich sofort, wie man beobachtet haben will, einen bis ein und einen halben Fuß tief in dieselbe ein, bereitet sich sodann eine bequeme Höhlung, in welcher sie zur Puppe wird. Wann das geschehe und wann diese den Käfer liefere, ist noch nicht mit Sicherheit ermittelt, nach Hartigs Beobachtungen soll dieser im Herbste des zweiten oder im Frühlinge des dritten Jahres erscheinen. Die künstliche Zucht hat ihre Schwierigkeiten, da die Larven meist zu Grunde gehen und deßhalb schon eine beträchtliche Masse nöthig ist, um mit einiger Sicherheit beobachten zu können. Die gelbe Puppe ist an ihrem außerordentlich stark gekrümmten Rüssel, den vielen langhaarigen Dornhöckern und den gekrümmten, langen, entfernt stehenden Dornen an der Hinterleibsspitze kenntlich.

In der ersten Auflage wurde gesagt, der Haselnußbohrer wähle auch die Eichel als Wiege für seine Larve. Dies ist nicht richtig und beruht auf einer Verwechselung unseres Käfers mit noch zwei anderen Arten, welche auf eben genannte Frucht angewiesen sind. Der kleine Eichelbohrer ( B. turbatus) unterscheidet sich in der Bildung der Fühlergeißel vom Nußbohrer dadurch, daß das siebente Glied bedeutend länger als dick erscheint; sodann ist der Rüssel an der Wurzel nicht verdickt, von ihr an gebogen und zwar beim Weibchen dergestalt, daß er fast einen Halbkreis bildet oder in der Vorderhälfte noch krummer wird. Bei durchschnittlich etwas geringerer Größe des Körpers, welcher wie bei voriger Art gefärbt, ist der weibliche Rüssel hier entschieden auffallend länger als dort. Der große Eichelbohrer ( B. gladium Mrsh, venosus Grm.) stimmt genau in der Fühlergeißelbildung mit der kleinen Art überein, unterscheidet sich aber in der Form des Halsschildes von beiden bisher besprochenen dadurch, daß dasselbe von der Biegung nach vorn rückwärts ohne allmähliche Erweiterung verläuft, so daß seine Seitenwand mit dem Vorderrande der Flügeldecken nahezu einen rechten Winkel, nicht wie dort einen aus stumpfem Winkel entstandenen Bogen bildet. Dies ist die kräftigste der drei Arten und sie treibt sich mit der vorigen vom ersten Frühjahre ab auf den Eichen vielfach umher; ich habe sie noch am 26. November (1870) in unserer benachbarten Haide von Eichengebüsch herabgeklopft. Die Lebensweise der beiden Eichelbohrer dürfte sich in nichts weiter von der des Nußbohrers unterscheiden, als daß die Larven jener die Bitterkeit der Eicheln lieben, die der letzten Art sich an der Süßigkeit des Nußkernes erlaben, alle drei aber die Ernte der betreffenden Früchte wesentlich beeinträchtigen können, wenn sie sich einmal zahlreich zum Schmause eingefunden haben.


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