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Die nun folgenden zwei Hautflügler gehören einer ungemein reichhaltigen Gruppe an, deren Vertreter in ihren Formen auf den ersten Blick mehr an die Schlupfwespen erinnern, bei näherer Betrachtung aber sowohl im Körperbaue wie in der Lebensweise wesentlich von ihnen abweichen. In letzterer Hinsicht hat man ihnen den gemeinschaftlichen Namen der Grab- oder Mordwespen beigelegt, weil sie an geeigneten Stellen in die Erde, in alte Lehmwände oder auch in markerfüllte Stengel trocken gewordener Pflanzen graben, in die zubereiteten Höhlungen, jedoch auch in vorgefundene und verlassene anderer Kerfe, die verschiedenartigsten Insekten oder Larven eintragen, nachdem sie dieselben getödtet oder mindestens durch einige Stiche gelähmt haben, und nun ihre Eier an das eingesammelte Larvenfutter legen. Bei diesen Verrichtungen legen diese oft sehr zierlichen Kerfe oder bestimmter gesprochen, die Weibchen derselben, eine bewundernswürdige Fürsorge für ihre Brut an den Tag. In ihrer Färbung bieten sie verhältnißmäßig wenig Abwechselung, indem die vorherrschende schwarze Grundfarbe durch Schwefelgelb, Roth, seltener Weiß vertreten sein kann, letzte Farbe aber niemals, wie nicht selten bei Schlupfwespen, an den Fühlern vorkommt; manche von ihnen können daher nur an feineren, dem geübteren Auge zugänglichen Merkmalen unterschieden werden. Ein Merkmal ist jedem Auge zugänglich und beruht auf dem Verhalten des Vorderrückens zu der Anheftungsstelle der Vorderflügel. Bei den Einen nämlich reicht der Hinterrand jenes bis an die Flügelschüppchen, bei den Andern berührt er dieselben nicht. Letztere bilden die Familie der Sphegidae oder Crabronidae, von welchen nachher. Im ersteren Falle kommen noch weitere Merkmale in Betracht, welche zu einer Spaltung in mehrere Familien Anlaß gegeben haben, von denen wir nur die der Pompilidae jetzt durch einen Vertreter vorführen wollen, indem wir an häufigere, daher zugängliche Kerfe unsere Betrachtungen anknüpfen und seltnere, darum auch ferner liegende, außer Acht lassen müssen.
Im ersten Frühjahre schon, wenn die Weidenkätzchen ihren lieblichen Duft aushauchen und die geflügelten Kerfe jeglicher Art von nah und fern zum Mahle einladen, erscheint unter denselben die düstere Wegwespe als einer der beweglichsten Gäste, also zu einer Zeit, wo sich so leicht noch keine Schlupfwespe blicken läßt, es sei denn eine und die andere der wenigen, welche in sicherem Verstecke überwintert haben. Wenn später die Sträucher sich belauben und die Wiesenblumen erblühen, gehört wieder die Wegwespe zu denen, welche sie besuchen und ihren Zeitvertreib darauf finden, und wenn endlich das Gesumme und Gebrumme in den Lüften und an den Bäumen und Herbstblumen schon längst verstummte, wandert durch das abgestorbene Gras oder herbstlich gebräunte Haidekraut, bald eiligen Laufes, bald in fast hüpfendem Fluge abermals die unermüdliche, wie es scheint, nicht zur Ruhe gelangende – Wegwespe. Noch am zweiten November (1865) beobachtete ich ein Weibchen, welches in seiner gewohnten Geschäftigkeit an einem sonnigen Abhange die zahlreich vorhandenen Erdlöcher anderer Bewohner neugierig durchmusterte, wenn ich nicht voraussetzen darf, daß es seine eigenen Schöpfungen waren. An all den genannten Oertlichkeiten ist nicht ihre Heimath; wenn sie überhaupt eine hat, so ist's der sonnige Weg, der lehmige Uferhang, der schmale, mit jedem Jahre mehr vom neidischen Pfluge benagte Feldrain, das sandige Flußufer und was sonst noch für Plätzchen auf der weiten Oberfläche der Mutter Erde ihr genehm sind; denn nur in ihr selbst hat sie ihr Haus gebaut, d. h. eine mit mehreren schräg hinabführenden Gängen versehene enge Höhle, eigentlich nicht für sich selbst, sondern für ihre Kinder.
Erlassen wir aber vorerst einen Steckbrief, um diesen Landstreicher wo möglich zu erkennen, wenn er uns auf seinen Streifzügen begegnet; denn der Name »Wegwespe« sagt zu wenig. Mit Wespen haben wir schon viel zu thun gehabt, und auf den Wegen treibt sich noch mehr sechsbeiniges Gesindel umher als unsere Wespe. Fühler fadenförmig, gerade, d. h. nicht geknickt, dreizehngliedrig beim schlankeren, bedeutend kleineren Manne, zwölfgliedrig und etwas gekräuselt beim untersetzteren Weibe. Rumpf schmal, vorn gerundet, hinten einzeln borstenhaarig, kaum so breit als der mäßig große Kopf, sammt ihm noch nicht so lang wie der spindelförmige, anhangende Hinterleib. Flügel getrübt, am Saume fast schwarz, wenn die Zeit nicht die Farbe ausgebleicht hat, die vordern mit drei geschlossenen Unterrandzellen und einem weiteren Aderverlaufe, den man am Bilde näher betrachten mag. Hinterbeine bedeutend länger als die übrigen, die Schienen aller mit je zwei kräftigen Enddornen (Spornen), außerdem jene nebst den Fußgliedern noch mit kleineren Stacheln unregelmäßig bewehrt. Beim Weibe diese Bewehrung durchweg kräftiger als beim Manne, aber an der Außenkante der Hinterschienen nicht sägeartig gereihet. Dieses hat außerdem an seinen vordersten Fußgliedern nach außen eine regelmäßige Reihe langer, einzeln stehender Kammzähne, welche dem Manne fehlen, dagegen ist das letzte Glied der vordersten Füße bei ihm etwas erweitert, was man bei einiger Aufmerksamkeit und Vergrößerung bemerkt. Noch sei darauf hingewiesen, daß hier wie bei allen folgenden Immen zwischen der Hüfte und dem Schenkel nur ein Glied sitzt, während bei allen vorhergehenden ihrer zwei vorhanden waren, ein Umstand, welcher einer etwa möglichen Verwechslung zwischen Mord- und Schlupfwespen vorbeugen kann. Das ganze Thier ist schwarz, nur die drei ersten Hinterleibsglieder sind graulich roth, jedes an seinem Hinterrande mit einer nach vorn schneppenartig zugespitzten Binde von der Grundfarbe verziert. Solchermaßen angethane Wesen also können wir zu der oben bezeichneten Zeit und an den genannten Orten in ihrer kecken Weise antreffen, äußerst gewandt, mit stets zitternden Flügeln und immer bereit, anzugreifen oder, angegriffen, sich zu vertheidigen. Ich entsinne mich, von einem Weibchen – sie nur stechen –, welches ich in einem laubreichen Graben eines Waldrandes nach verschiedenen vergeblichen Versuchen endlich erwischte, siebenmal hinter einander empfindlich in den Finger gestochen worden zu sein, obgleich ich meiner Meinung nach die nöthigen Vorsichtsmaßregeln gegen seinen Angriff getroffen hatte. Der Hinterleib ist aber so beweglich, tastet mit seiner Spitze, die sich verlängern kann, so blitzschnell nach allen Seiten umher, der Stachel dringt so sicher in alle weniger als holzharten Gegenstände ein, daß man sich in sehr ehrfurchtsvoller Entfernung von dem gefangenen Wütherich zu halten hat, um nicht von ihm verletzt zu werden – aus eignem Antriebe kommt er einem Menschen nie zu nahe, sondern flieht stets vor ihm.
Der Stich ist schmerzhaft, vergeht aber bald ohne Entzündung zu erregen; für Fliegen, Spinnen, mäßig große Raupen und andre weiche Insekten, welche die Wespe fängt, um sie in ihr Nest zu tragen, ist er von ganz anderer Wirkung, sie sterben sehr schnell davon, d. h. sie werden ihrer animalen Funktionen beraubt, ohne daß die vegetativen, wenigstens für einen bestimmten Zeitraum, dadurch beeinträchtigt werden. Die gestochenen Thiere sind wie todt und doch tritt bei ihnen die Wirkung des Todes, die Verwesung, erst nach der gewöhnlichen Zeit ein, wozu natürlich die enge Bruthöhle, wohin sie geschleppt werden, das Ihrige mit beiträgt. Der Weg, den eine mit Beute belastete Wespe zurückzulegen hat, ist bisweilen lang und beschwerlich, da geht es durch Vertiefungen, über Erhöhungen und Steine, durch Gras und Gestrüpp, Thäler, Berge, Felsen und Wälder für das kleine Thier, welches unverdrossen und, man möchte behaupten, mit Ueberlegung seine Vorkehrungen trifft, um den Eingang zum Baue, den es stets zu finden weiß, auch glücklich zu erreichen. Oft wird es nöthig, rückwärts zu gehen und den Fang ruckweise nachzuschleppen, wobei die langen Hinterbeine trefflich zu Statten kommen. Endlich ist es angelangt. Durch irgend welches Mißgeschick ist mittlerweile der bewegliche Sand etwas herabgerutscht und hat den Zugang ganz oder theilweise verschüttet. Wieder eine Arbeit, aber ganz anderer Art wird dadurch nöthig. Was thäte jedoch nicht eine solche Insektenmutter für ihre Nachkommenschaft! Wie ein Hund, welcher in ein Mauseloch gerochen und den Einwohner gewittert hat, mit den Vorderfüßen scharrt und die Erde weit hinter sich wirft, so scharrt die kleine Wespe mit ihren Vorderbeinen und wirft den Sand durch die weitgespreizten Hinterbeine unter sich weg und nach hinten mit einer Gewandtheit und Schnelligkeit, daß feine Staubwolken herniederrieseln. Bald ist der Schaden ausgebessert und die herbeigeschaffte Spinne wird an ihren Bestimmungsort unter die Erde gebracht. Eine andere Oekonomie hat unsere Wegwespe wie die folgende »Sandwespe«, ob sie aber ihrer Brut täglich neue Nahrung zutrage, wie man meint, und was ich bezweifle, bedarf erst noch genauerer, allerdings sehr schwieriger Beobachtungen.
Die Larven sind denen der Schlupfwespen ähnlich, saugen ebenfalls wie diese an den ihnen vorgelegten Insekten und entleeren den ganzen Inhalt ihres Magens vor der Verpuppung durch den Mund. Die Puppe hat wie jene die Gestalt des vollkommenen Insekts, nur die Flügel bedürfen nach dem Ausschlüpfen desselben einer weitern Entfaltung.