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Gleichzeitig mit der Wegwespe trifft man auch die bei weitem schlankere Sandwespe. Sie besucht gern gewisse Blumen, so entsinne ich mich, sie stets zahlreich auf blühenden Brombeersträuchern, Weidenröschen ( Epilobium), Rainweiden saugend gefunden zu haben. Im Jahre 1850 waren sie im Spätsommer besonders zahlreich und hatten, Loch bei Loch, die verfallene, nach Morgen gelegene, sandige Wand eines Grabens an einem Holzsaume bebaut. Stundenlang wird man von ihnen gefesselt und kann sich nicht müde sehen an dem geschäftigen Treiben und den höchst eigenthümlichen Gewohnheiten dieser kecken Gesellen, zumal wenn sie so in Masse neben einander wohnen und immer welche da sind, die man bewundern kann, während andere ab- und zufliegen. Oefter verrieth sich eine durch einen eigenthümlich singenden Pfeifton; fand ich sie, dem Schalle nachgehend, was auf offener Oertlichkeit immer sehr leicht ist, so war sie sicher mit der ersten Anlage ihres Nestes beschäftigt. Wie ein Hund scharrte sie mit den Vorderbeinen in den Boden und summte sich ihr Liedchen dazu. Häuft sich der zurückgeworfene Sand zu sehr an, so daß ein Zurückrutschen in die Höhlung zu fürchten, dann stellt sie sich darauf und fegt unter Staubwirbeln den ganzen Haufen weiter aus einander. Nach Beschaffenheit des Bodens oder ihrer jeweiligen Laune greift sie die Sache auch anders an. Es wollte mir dünken, daß da, wo der Boden nicht ganz gleichmäßig ist, und unter den vorherrschend staubartigen Körnchen auch gröbere vorkommen, diese besonders herausgetragen werden. Die Wespe kriecht in das Loch, kommt rückwärts gleich wieder hervor und hat zwischen Kopf und Vorderfüße so viel Abraum geklemmt, als sie fassen kann, nimmt fliegend einen kleinen Satz abseits vom Loche und läßt ihre Bürde fallen. In demselben Augenblicke ist sie schon wieder hineingeschlüpft und wiederholt das gleiche Geschäft zwei, drei Mal. Dann bleibt sie auch wohl der Abwechslung wegen vor der Oeffnung sitzen, streicht mit den Vorderbeinen über die Fühler weg, geht um ihren Bau herum, als wenn sie ihn mustern wollte, stolz die kolbige Hinterleibsspitze wie eine geschwungene Keule erhebend; husch ist sie wieder in der Erde verschwunden, und je tiefer sie vordringt, desto länger dauert es, ehe sie, mit neuem Abräume beladen, sich rückwärts wieder herausdrängt, doch geschieht dies stets nach verhältnismäßig kurzer Zeit.
Jetzt kommt sie heraus und verschwindet im Fluge. Hat sie Hunger bekommen von der anstrengenden Arbeit, oder ist sie fertig und will nun Vorrath für die künftige Brut herbeischaffen? Wir müssen dies unentschieden lassen. An der oben bezeichneten Stelle fand ich zu verschiedenen Malen vor einem der Löcher eine Eulenraupe, wie sie an Graswurzeln leben, im Verenden begriffen, an Gewicht mindestens um das Zehnfache die schwippe Wespe übertreffend. An der andern Seite des Grabens lag ein Stück Acker brach, welchen sie fleißig zu besuchen schienen, dort stammten jedenfalls auch die Raupen her; denn auf der Waldseite war für diese keine günstige Oertlichkeit. Ist eine Raupe aufgefunden, so bekommt sie einige Stiche in das fünfte oder sechste fußlose Bauchglied und wird infolge dessen sofort widerstandsunfähig. Bis zum Neste war aber ein weiter Weg. Auf dem zwar ebenen Acker, der mit Unkraut verschiedener Art überwuchert war, mußte unter Umständen eine merkliche Strecke zurückgelegt werden, dann kam der Graben mit diesseitigem steilen, jenseitig allerdings mehr abgeschrägtem Ufer, in welchem die Wohnungen angebracht waren. Fürwahr, keine so ganz leichte Arbeit für ein Thier, solch' schwere Bürde fortzuschaffen! Man beobachtet aber nie, wie bei den geselligen Ameisen, daß eine der andern Hilfe leistet. Nicht selten sah ich eine Wespe, welche eine Raupe ziemlich weit vorn mit ihren kräftigen Zangen gepackt hatte und wie auf ihr reitend, d. h. mit gespreizten Beinen über ihr gehend, sie mühsam mit fortschleppend, am abschüssigen Rande des Grabens anlangen. Sie zog und zerrte so lange an der Beute, bis sie das Uebergewicht verlor und Roß und Reiter jählings hinabstürzten und wohlbehalten, aber gewiß schneller unten ankamen, als dieser erwartet haben mochte. Beim Sturze hatte die Wespe die Raupe verloren, fand sie aber bald wieder und schleppte sie weiter. Nun aber ging's bergauf, da wollte die frühere Weise nicht mehr passen. Sie bewegte sich rückwärts und halb seitwärts voran und zog ihre schwere Bürde nach; es ging langsam vorwärts, aber doch vorwärts. Das arme Thier mußte gewaltig stemmen. In einem Falle wollte ich ihm durch behutsames Nachschieben zu Hilfe kommen. Es schien aber zu erschrecken; denn es ließ los, und die Raupe kam in's Rutschen. Ich hätte ihm gern seine Arbeit abgenommen, doch kannte ich unter den vielen Löchern das rechte nicht, wo ich sie hätte hinlegen müssen, und da mich die Erfahrung gelehrt, daß es andern Wespen möglich geworden war, eine gleiche Last zu bewältigen, so überließ ich es auch dieser, ihre Thatkraft zu üben, und ging meiner Wege.
Was die Wespe nun weiter beginnt, wenn sie an Ort und Stelle angelangt ist, hatte ich schon bei anderer Gelegenheit mehrfach mit angesehen. Zunächst begiebt sie sich allein in ihren Bau und mag ihn gründlich durchsuchen, ob auch noch alles in Ordnung sei. Es dauert oft längere Zeit ehe sie wieder hervorkommt, und dann bringt sie in der Regel wieder einige Erdklümpchen mit. Ist alles so weit fertig, so wird die Raupe oder Spinne – denn auch diese sind ihnen genehm – vollends herangeschafft, die Wespe kriecht rückwärts in ihr Loch und zieht den Raub nach. Es will nicht recht gelingen, der Eingang ist etwas zu eng. Da hilft kein Zaudern, die Raupe wird wieder herausgezogen, bei Seite gelegt und am Baue so lange nachgeholfen und erweitert, bis die Raupe sich durchzwängen läßt. Nun bleibt die Wespe längere Zeit darin und heftet ihr weißes, längliches Ei, aber nur eins, an jene. Noch ist sie nicht fertig. Sie weiß sehr wohl, daß sich in der Nähe ihres Baues kleine graue Fliegen und andere Faullenzer umhertreiben, welche ihre Eier auch legen möchten, aber keine Lust und weder Geschick noch Kraft dazu haben, dem Beispiele der Sandwespe zu folgen, es vielmehr vorziehen, von andern Seiten herbeigeschafftes Futter für ihre Zwecke zu benutzen und ihre Kukuksbrut an jenes abzusetzen. Gegen solche ungebetene Gäste sucht sie sich zu verwahren indem sie Steinchen, Erdklümpchen, Holzstückchen oder dergleichen herbeischafft und mit ihnen den Zugang zu ihrem Neste auf das Sorgfältigste verschließt. Ein wunderbarer Trieb! Es ist nicht unwahrscheinlich, daß solch ein Verschluß bisweilen vorläufig gleich nach Beendigung des Nestes vorgenommen wird, noch ehe die Wespe ausfliegt, um Nahrung einzutragen. Sie erreicht damit einen doppelten und dreifachen Vortheil: während ihrer Abwesenheit sichert sie den Bau vor Unfug, ganz besonders vor dem Eindringen und Besitzergreifen seitens ungebetener Gäste, und sodann sind nach dem Ablegen des Eies die Schlußsteine schon da und brauchen nicht erst mühsam gesucht zu werden auf die Gefahr hin, das Kleinod auf längere Zeit unbeschützt lassen zu müssen. Zur Aufnahme eines zweiten und aller folgenden Eier wiederholen sich dieselben Vorkehrungen.
Das Ei wird bald lebendig und saugt sich an dem Orte, wo es angehängt war, als Made ein Loch in die Raupenhaut, selbige nach und nach rein aus und frißt schließlich die weichen Theile auch noch auf. Während andre Mordwespen ihren Larven von Zeit zu Zeit neues Futter zutragen, wieder andere Insekten aufspeichern, um keinen Futtermangel eintreten zu lassen, scheint die gemeine Sandwespe nur ein Stück einzutragen für je ein Ei. Sollte sie an der aufzuwendenden Kraft beim Transport desselben seine hinreichende Größe bemessen? Daß manche Larve nicht immer ganz ausreichendes Futter hatte und bei besserer Kost gern noch größer geworden wäre, scheint nach der ungleichen Größe des vollkommenen Kerfs nicht unwahrscheinlich, er schwankt nämlich zwischen 15 und 30,5 mm in Ansehung seiner Länge.
Die nach etwa vier Wochen erwachsene Larve, den Eizustand eingerechnet, spinnt ein dünnes, zähes, weißes Gewebe und innerhalb dieses ein dichteres und festeres, sie eng umschließendes, welches inwendig braun erglänzt. In diesem Gehäuse wird sie bald zu einer von zarter Haut umschlossenen Puppe, welche nicht lange auf ihre volle Entwickelung warten läßt. Die Wespe frißt ein Deckelchen vom walzigen Cocon herunter und kommt zum Vorscheine. Zwischen dem zuerst und dem zuletzt abgelegten Eie ein und derselben Mutterwespe liegt ein Zeitraum von mehreren Wochen, ja von Monaten, und bei günstigen Witterungsverhältnissen ist wohl anzunehmen, daß die den ersten Eiern entsprungene Brut noch zeitig genug zur Entwickelung gelangt, um den Grund zu einer zweiten legen zu können; trotzdem scheint mir die Annahme von zwei Generationen als Regel nicht gerechtfertigt zu sein. Soviel nur steht fest, daß die Ueberwinterung als Puppe oder im Zustande der reifen Larve erfolgt.
Es bleibt nun noch übrig, zu obiger Abbildung einige erklärende Bemerkungen hinzuzufügen. Vor allen Dingen fällt der lange, dünnstielige Hinterleib auf, welcher beinahe erst an seinem Ende die größte Breite erreicht. Der Stiel ist zweigliedrig, eine Eigenthümlichkeit dieser Gattung. Am ovalen Mittelleibe erscheint der Vorderrücken wulstig abgeschnürt und schmäler als das übrige Stück, wodurch der Familiencharakter, daß der Hinterrand nicht bis zu den Flügelschüppchen reicht, noch auffälliger wird, als bei gleicher Breite beider erster Brustringe. Sodann zeigen sich an den Seiten und hinten einige Haarflecke von silberweißem Glanze (bei andern Arten können sie auch Goldglanz haben). Die kaum getrübten Flügel erscheinen zur Körperlänge kurz; denn sie gehen nur bis zum Stielende; die Adern, welche auf den Vorderflügeln drei Cubitalzellen bilden, deren mittelste beide rücklaufende Adern aufnimmt, deren dritte trapezisch gestaltet ist, erreichen den Außenrand der Flügel nicht. In der Ruhe liegen diese flach auf und klaffen etwas auseinander, wenn die Wespe ihren Hinterleib wie drohend in die Höhe hält. Die schlanken und kräftigen Beine, deren hinterste am längsten, sind weniger an den Schienen als an den fünf Fußgliedern stark bewehrt. Am Kopfe, welcher breiter als das Bruststück ist, kräftige Freßzangen und schwache, kurze Fühler so wie einzelne lange Behaarung trägt, lasten sich beide Geschlechter leicht unterscheiden. Das Schildchen desselben, d. h. die vorderste Hornplatte, welche die Wurzel der Zangen verbirgt, ist beim Männchen schmäler und silberhaarig – sofern es noch nicht abgerieben ist; auch sind hier die Augen schmäler und die Fühler etwas länger als beim Weibchen. Die Farbe des ganzen Thieres ist schwarz, schmutzig roth sind nur das zweite Stiel-, erste Hinterleibsglied und meist auch das zweite in seiner vordern Hälfte.
In andern Erdgegenden leben noch mehrere Arten, die sich theils in der Färbung, mitunter nur unwesentlich, theils durch die reichere Silberbehaarung von unserer gemeinen Sandwespe unterscheiden.