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( Diptera, Antliata)
Wer in den Sommermonaten in ein Gefäß mit stehendem Wasser, etwa in einen Löschkübel, Brunnentrog oder ein Faß, in dem man Regenwasser ansammelt und zum Gießen der Blumen aufbewahrt, einen flüchtigen Blick geworfen, hat darin gewiß ein reges Leben und Weben kleiner Thierchen wahrgenommen. Die größten von ihnen wollen wir einmal näher in das Auge fassen. Der Bequemlichkeit wegen dürfte es gerathen sein, eine kleine Gesellschaft derselben mit ihrem Elemente in einen gläsernen Behälter auszuschöpfen; denn wir müssen einige Wochen hindurch geduldig beobachten, wenn wir selbst sehen wollen, was jetzt erzählt werden soll.
Figur a zeigt uns eins dieser Geschöpfe aus der kleinen Heerde vergrößert, wie es mit dem vom vorletzten Leibesgliede seitwärts abgehenden, kleinen Stielchen an der Wasserfläche hängt, den Kopf nach unten gerichtet. An diesem sind die beiden vordersten, stark mit Wimpern besetzten Spitzchen, die Kinnbacken, die längeren, weiter nach außen stehenden Körper die mit Haarbüscheln vorn ausgestatteten Fühler. Jene befinden sich in fortwährend zitternder Bewegung und verursachen im Wasser eine Strömung unter sich, die nur daran erkennbar wird, daß die kleinen Schmutztheilchen desselben nach dem Munde der Thiere aufsteigen, wo sie verschwinden und mit der Zeit den mitten durch den durchsichtigen Leib gehenden Darmkanal dunkler färben. Es ist unterhaltend, diese immer mit den Freßwerkzeugen arbeitende Schaar senkrecht da hängen zu sehen, übrigens regungslos, oder durch Hebung des Kopfes, und Umhertasten mit demselben eine mehr wagrechte Richtung einnehmend, jedoch stets so, daß jenes seitliche Stielchen an der Oberfläche des Wassers verweilt. Kommt auf seinen Biegungen eins dem andern zu nahe, so zausen sie sich auch bei den Köpfen, ohne sich jedoch in längerem Streite zu verbeißen; denn bald ist jedes wieder in seiner gewohnten Lage. Ein auf der Straße vorbeirasselnder Wagen läßt unser Glas leise erzittern. Husch! Wie vom Blitze getroffen, schnellen alle durch schlangenartige Windungen ihres Leibes nach unten und durchwühlen den Bodensatz, bald aber kommt eins nach dem andern wieder herauf; denn sie bedürfen der freien Luft: das Stielchen, an dem sie zu hängen scheinen, ist eine sternförmig mündende Röhre, durch welche sie athmen. Oefter tauchen sie auch, ohne erschreckt zu sein, unter und krabbeln am Boden umher, auf dem Rücken liegend, um, wie es scheint, sich am andern Ende des Leibes zu – – entleeren. So treiben sie ihr Spiel ununterbrochen fort, und es ist noch kein Beispiel vorgekommen, daß eins am Kinnbackenkrampfe gestorben sei, obgleich diese ihnen so wichtigen Körpertheile keinen Augenblick Ruhe haben.
Wenn ihre Zeit gekommen ist, so hängen sie in fragzeichenförmiger Krümmung ihres Leibes an der Oberfläche, dieser bekommt hinter dem Kopfe einen Längsriß und aus der Haut kriecht dasselbe Thier, nur unmerklich größer und in unveränderter Form hervor. Die alten Bälge schwimmen im Wasser umher, lösen sich nach Umständen auf und werden wahrscheinlich wieder verspeist, wenn sie in Atome aufgeweicht sind. Jede Larve hat drei solcher Häutungen zu bestehen, bis sie bei einer Länge von durchschnittlich 9 mm. vollkommen erwachsen ist. Platzt die Haut zum vierten Male, so ist es um das bisherige Leben geschehen, die schlanke Form ist verschwunden und durch eine gedrungene, von den Seiten her etwas zusammengedrückte ersetzt. Fig. b stellt die nun zu einer Puppe gewordene Larve dar.
Diese geschwänzten Knäulchen hängen mit zwei ohrartigen Athemröhrchen an der Oberfläche und schnellen ihren Schwanz unter sich, wie die Krebse, wenn sie untertauchen oder überhaupt sich Bewegung verschaffen wollen. Der Verdauung wegen ist ihnen diese nicht nöthig; denn sie nehmen gleich andern Puppen keine Nahrung zu sich. Nun schlängeln und wirbeln sich Larven und Puppen lustig durch einander in unserem kleinen Aquarium, die Zahl jener nimmt mehr und mehr ab, diese würden sich in demselben Maße vermehren, wenn nicht eine nach der andern einem vollkommneren Zustande entgegenreifte und nach acht Tagen dem Mummenschanze ein Ende machte. Jetzt hat aber auch ihr Stündlein geschlagen; ein Riß der Haut im Nacken befreit sie von ihrer Maske. Es arbeiten sich sechs Beinchen hervor, ein schmächtiger, zweiflügeliger Leib folgt (Fig. e), das Thierchen faßt zunächst Fuß auf der schwimmenden Hülle, von welcher es eben noch geborgen wurde, – erleidet bei windigem Wetter bisweilen auch Schiffbruch damit und ertrinkt, – dann auf dem Wasser selbst, oder auf schwimmenden Körperchen, ruht hier noch etwas von seiner Arbeit aus, entfaltet und trocknet seine Flügel und schwingt sich als – – Mücke in die Luft, sein Element, um wenigstens lebendig nie wieder zurückzukehren in die ihm nun feindliche Heimath, das Wasser.
Da ist er nun geboren, der kleine Quälgeist mit seinem gelbbraunen, von zwei dunklen Längslinien gestreiften Rücken, mit hellgrauem, braungeringeltem Hinterleibe, blassen Beinen und unbedeckten, gestielten Knöpfchen (Schwingern) hinter den Flügeln. Wie ein Spieß steht der Stechrüssel vom Kopfe ab und ist länger als die vierzehngliedrigen, kurzbeborsteten Fühler. So die Quälgeister, die zugleich die Weibchen sind. (Fig. d) Bei dem Männchen, (Fig. e) welches niemals Blut saugt, gleichen die Fühler einem zierlichen Federbusche, und ein Büschel feiner Härchen ziert jederseits auch den Rüssel, es sind die Spitzen der langen Lippentaster; in den übrigen Theilen gleicht es seinem wenig größeren Weibchen.
Wer von uns wäre nicht schon von Mücken gestochen, wenn nicht förmlich zerstochen worden? Wer hätte nicht schon gesehen, wie der einzelnen nach und nach der Bauch anschwillt und roth gefärbt wird von dem Blute, welches sie uns abzapft? Jedermann weiß auch, daß sie dies mit ihrem Rüssel thut, ohne aber vielleicht dessen Einrichtung zu kennen. Wohlan, betrachten wir dieses Werkzeug etwas näher. Der Spieß, welchen wir unter den Fühlern gerade ausgestreckt sehen, ist nur die Scheide, das Futteral, blos seine äußerste, zum Bohren eingerichtete Spitze stellt das Ende zweier mit Widerhaken versehener Borsten dar, die durch zwei andere ergänzt werden, um den Saug- und Stechapparat zu vervollständigen. Will die Mücke jetzt Nahrung zu sich nehmen, so richtet sie ihren Spieß senkrecht nach unten, sticht mit der Spitze in die Haut und schiebt das Stilet tiefer und tiefer hinein, bis sie ein Blutgefäß durchbohrt hat. Hierbei biegt sich das draußen bleibende Futteral anfänglich nur, klappt sich zuletzt, wenn jenes fast bis an das Heft eingedrungen, durch ein dreifaches Gelenk nach hinten ein in beistehender Form. Ist nun der Bauch gefüllt, so daß seine prall angespannten Wände fast bersten möchten, so zieht die Mücke ihr Stilet zurück und fliegt davon. Das Jucken an der betreffenden Stelle mag durch die Verwundung und, wie man meint, durch den Speichel hervorgebracht werden, den die Mücke beim Stechen ausfließen läßt. Durch Kratzen mit den Nägeln werden Geschwulst und Reizempfindungen gesteigert, noch mehr, wenn man die Mücke nicht wegfliegen läßt, sondern tödtet, weil dann die Hakenspitzchen ihres Stilets in der Wunde zurückbleiben. Salmiakspiritus ist bekanntlich das beste Mittel, um die Folgen der bereits sitzenden Mückenstiche zu lindern, Nelkenöl, mit welchem man Gesicht und Hände dann und wann betupft, wenn die Haut nicht zu empfindlich gegen dessen brennende Wirkung ist, oder tüchtige Rauchwolken von Glimmstengeln die sichersten Mittel, sich vor den Angriffen dieser blutdürstigen Wütheriche zu schützen.
Im Freien wird wegen des allgemeinen Geräusches die Ankündigung der herrannahenden Mücke in der Regel nicht vernommen, hat sich aber ein und die andere in unser Schlafgemach verflogen, und wir können ob der Schwüle die gewünschte Ruhe nicht finden, so verräth uns ein pfeifender Ton, daß wir zum Opfer eines andern als der gewöhnlichen Blutsauger auserkoren sind. Ein musikalisch gebildetes Ohr hört das d'' oder e'' heraus, welches durch den Flügelschlag hervorgebracht werden dürfte. Außerdem bringt die Mücke mittels ihrer vier Athemlöcher am Mittelleibe einen noch höheren Ton hervor. Bei Betrachtung der Schmeißfliege wird in allgemeinen Umrissen der Bau dieser Werkzeuge erläutert werden.
Prof. H. Landois macht auf einen interessanten Umstand aufmerksam, den ein jeder leicht selbst erproben könne, wenn an einem warmen Sommerabende ein Mückenschwarm in der Nähe sei. Seiner Erzählung nach soll der betreffende Schwärm sich plötzlich demjenigen nähern, der den Ton e'' oder d'' singt oder auf einer Geige anstreicht. Als Beleg für die Wahrheit dieses Umstandes erzählt er folgenden Scherz: »Ich traf meinen Diener im Garten mit gewohntem Nichtsthun beschäftigt und war ärgerlich, daß er seine Dienstpflichten, wie Stiefelputzen u. s. w. vernachlässigte. Zufällig war ein großer Mückenschwarm in der Nähe. Ich rief den Diener herbei und sprach zu ihm in erhobener Stimme, nämlich in dem Tone e'' »Wenn Du nächstens mir die Stiefel nicht ordentlich putzest, sollen Dich die Mücken todtstechen.« Und wie auf Commando fiel der ganze Schwarm auf uns herab. Der Diener nahm eiligst die Flucht und meinte später, das müsse doch nicht mit rechten Dingen zugehen, daß der Herr Professor sogar die Mücken unter Commando hätte.«
Die Töne und Stimmen der Insekten dienen denselben, wie allgemein angenommen werden muß, zum Auffinden und Anlocken der Geschlechter zu einander, und jene Schwärme Im Jahre 1736 bewegten sich in England die Mücken in so unermeßlichen Schwärmen, säulenartig in der Nähe eines Kirchthurmes, daß sie von vielen Leuten für eine Rauchsäule gehalten wurden. Ganz dieselbe Erscheinung beobachtete man im Juli 1812 in der schlesischen Stadt Sagan und am 20. August 1859 in Neubrandenburg, wo ein Mückenschwarm dicht unter dem Kreuze des Marienkirchthurms, in einer Höhe von fast 300 Fuß spielte, so daß er, von unten gesehen, einer dünnen, in steter Wallung begriffenen Rauchwolke glich. Aehnliche Beispiele werden uns von vielen Gegenden Europa's berichtet, es steht aber nicht überall fest, daß die Schwärme von der gemeinen Stechmücke herrührten, oder ist erwiesen, daß es andere Gattungen gewesen sind, immerhin aber doch Mücken. dürften im wesentlichen als die Hochzeitsreigen anzusehen sein. Der eine besteht aus lauter Weibchen, der andere aus lauter Männchen. Kommen dieselben, durch das Singen aufmerksam gemacht, einander nahe genug, so fährt wie bei zwei Gewitterwolken verschiedener Elektricität der Blitzstrahl aus dem einen in den andern. Je ein Männchen erfaßt ein Weibchen, setzt sich auf dasselbe und eine Minute lang ist der Flug ein gemeinsamer. Das Männchen hat seine Bestimmung erfüllt und stirbt, das Weibchen dann erst, wenn es seine Eier untergebracht hat.
Zu diesem Zwecke setzt es sich früh am Morgen dicht an den Rand eines stehenden Wassers, lieber noch auf einen dort schwimmenden Gegenstand, kreuzt seine beiden langen Hinterbeine, so daß dieselben innerhalb des Bereiches des Hinterleibsendes einen kleinen Raum der Wasserfläche durch einen spitzen Winkel abgrenzen. In diesen so begrenzten Raum wird ein Ei neben das andere in aufrechter Stellung gesetzt, so zwar, daß das etwas breitere Ende auf dem Wasser ruht. Indem die nahezu flaschenförmigen Eierchen beim Legen feucht sind und aneinander kleben, entsteht ein kleiner Kuchen von der dreieckigen Form, welche ihm die gekreuzten Beine vorgeschrieben hatten. Sobald er diesen Raum ausgefüllt hat, werden die Beine gleichlaufend gestellt, das Eierfloß fortgesetzt und schließlich mit einer dem Anfange entsprechenden Spitze beendet. Auf diese Weise hat die Mücke einen aus 250 bis 350 Eiern zusammengesetzten kleinen Nachen der Wasserfläche anvertraut, einen Nachen, der nie untersinkt, nie Wasser schöpft, sondern aus demselben unter allen Verhältnissen umhertreibt. Jetzt darf auch sie von der Schaubühne des Lebens abtreten; denn sie hat nicht umsonst gelebt. Aus dem kleinen Floße kommen aber schon nach wenigen Tagen, und zwar aus den untern Enden der einzelnen Eier, die uns bereits bekannten Larven hervor. Die leeren Eihülsen treiben noch so lange auf dem Wasser umher, bis sie vom Wetter oder durch sonstige Zufälligkeiten zerstört werden.
Aus der Entwickelungsweise der gemeinen Stechmücke erklärt sich der Umstand zur Genüge, daß in feuchten Gegenden oder in recht nassen, warmen Sommern die Mücken sehr lästig werden, während in trockenen Gegenden oder trocknen Jahren ihre Mengen nicht auffallen. Jene begünstigen ihr Gedeihen, und da sie sich außerordentlich stark vermehren und bei warmem Wetter schnell entwickeln, so müssen zwei Bruten im Jahre mindestens angenommen werden, wenn auch nicht fünf oder gar sechs, wie einige meinen. Von der letzten Brut überwintern an geschützten Stellen, namentlich gern in unsern Kellern, die befruchteten Weibchen, »spielen« wohl auch in der Luft, wenn einige milde und sonnige Wintertage eingetreten sind. Wenn übrigens von Stechmücken die Rede ist, darf man nicht blos an die gemeine, außerordentlich weit verbreitete Art denken, sondern es giebt deren mehrere auch bei uns zu Lande, die im allgemeinen sich eben so entwickeln und betragen, wie die geschilderte, und zahlreichere noch in andern Erdstrichen, besonders den wärmeren, wo sie unvergleichlich lästiger werden als bei uns. Wir kommen weiter hinter noch einmal auf diesen Gegenstand zurück.