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Ich habe im Leben keinen besseren Freund gefunden, als Paul Lindau, keinen treueren Kameraden, keinen Kollegen, dem ich mehr Anregung verdanke, keinen, der mehr Schriftsteller und Journalist ist, als er. Und er besitzt eine Eigenschaft, die in unserem Stande so selten geworden: die Freude am Erfolge des Kollegen, an dessen Vorwärtskommen. Er ist eine wahrhaft vornehme Natur, und er hat mehr Geist und Kenntnisse als alle, die es als eine Art Sport betreiben, über seine Leistungen von oben herab zu urtheilen. Keiner in diesem gestrengen weisen Danielkollegium könnte den Platz, den Paul Lindau in der Literatur einnimmt, wie er ausfüllen, Allen fehlt seine Vielseitigkeit, seine Gründlichkeit, die Tiefe seiner Beobachtung und sein Humor. Zu den heitersten Stunden meines Lebens rechne ich die, welche mich mit Lindau zusammenführen. Das Eigenartige und die Dauerbarkeit seiner guten Laune sind ohne Gleichen, wie sein Talent, allen Situationen 221 und Erscheinungen, die nicht ganz echt sind, die Komik abzugewinnen. Aber auch in den Stunden, denen der Ernst des Lebens und des Berufs jede Fröhlichkeit nahm, habe ich Lindau stets bewährt gefunden, hier zeigte sein Wesen jene Innigkeit, welche der Satiriker unwillkürlich verbirgt und welche, frei von jeder Phrase, mitfühlt und aufrichtet.
Wir haben miteinander viel Heiteres erlebt. Wir kannten uns, bevor er (1871) nach Berlin kam, und seit dieser Zeit sind wir gute Freunde. Nun, da er sich auf seine gastfreundliche Villa in Strehlen bei Dresden zurückgezogen hat, fehlt mir viel, und es kommt mir oft so vor, als fehle auch dem literarischen Leben Berlins etwas wie ein Mittelpunkt, jedenfalls die Persönlichkeit, welche das schriftstellerische Berlin repräsentirte. Es ist eine Lücke vorhanden. Die Reichshauptstadt hat einen großen Kreis namhafter und berühmter Schriftsteller aufzuweisen, von denen aber keiner die Prägnanz der literarischen Individualität Lindaus aufweist.
Viele meiner heiteren Erinnerungen sind mit dem Namen Lindau's eng verknüpft. Wenn ich sie aufzeichnen wollte, so wüßte ich nicht, wo ich anfangen und aufhören sollte, und ich bin auch überzeugt, daß der Leser dieser Zeilen, wenn ich ihm erzählte, was uns häufig in die heiterste Stimmung versetzte, gar nicht begreifen würde, wie uns 222 dergleichen amüsieren konnte, und er würde überzeugt sein, daß wir ungemein bescheiden in unseren Ansprüchen waren. Es käme aber darauf an, dem Leser zu erklären, wie wir die Thorheiten der Menschen und unsere eigenen ansahen und noch ansehen, und das ist recht schwer zu erklären. Wie eine Frau nur so schön ist, wie sie den Augen des Beschauers erscheint, so sind Menschen, Begegnungen und Erscheinungen nur so komisch, wie sie von des Betrachtenden Temperament und Auffassung als komisch erkannt werden, und wir erfahren täglich, daß wir für burlesk halten, was Andere ganz ernst nehmen oder gar absolut gleichgültig betrachten. Der Sinn für das Komische ist angeboren. Daß er auch dem ganz ernsten Geist und Charakter gegeben ist und sich mit einer strengen Auffassung des Lebens wohl verträgt, wird nicht bestritten werden können.
Und wie kannte Lindau namentlich seine lieben Kollegen, und wie genau sah er, was bei ihnen Pose, was wirklich echt war! Das wußten sie, und das brachte ihm Freunde und Feinde, mehr als der Schriftsteller für's Haus braucht. Die Freunde fanden in ihm einen treuen Genossen, die Feinde ärgerten ihn viel weniger als sie wünschten. Besonders Diejenigen waren seine Feinde, die sein Wesen nicht kannten und dies deshalb falsch beurtheilten, oder ihn um einen Erfolg, um seine Popularität beneideten. 223 Das ist unter den Schriftstellern genau so, wie unter den Komödianten, nur mit dem Unterschiede, daß die Schriftsteller in diesem Fach größere Komödianten sind.
So lange Lindau in Berlin wohnte, war sein Haus eines der gastlichsten der häuserreichen Stadt, in welchem sich ein großer Theil der politischen, literarischen und Kunstwelt zusammenfand. Die Ungebundenheit des Verkehrs war meisterhaft, der Wirth selbst schien einer seiner Gäste, und der hervorragendste Gast stand nicht außerhalb des Rahmens der Geselligkeit. Man war wie im eigenen Heim. Ich erinnere mich eines solchen Abends, den Lindau in aller Eile für den Herzog von Meiningen und dessen Familie arrangirt hatte. Der kunstsinnige Fürst war nach Berlin zu einem Familienfest am kaiserlichen Hof gekommen und hatte sich, die Gemahlin und Prinzen bei Lindau eines Tages zum Abend angemeldet, zugleich den Wunsch äußernd, eine Reihe von Künstlern und Schriftstellern, die er namhaft machte, kennen zu lernen. Diese lud nun Lindau, da der Herzog, der mit den Seinen von einem kaiserlichen Souper kam, ausdrücklich ersucht hatte, keine Umstände zu machen, zu einem Glas Bier ein. Dergleichen ist in Berlin nicht leicht, aber mit Hülfe von Boten, der Rohrpost und des Telegraphen zusammengerufen, war die ziemlich zahlreiche 224 Gesellschaft nach zehn Uhr Abends beisammen. Die Unterhaltung war bald allgemein, wir plauderten, tranken und lachten, nicht einen Augenblick übte die Anwesenheit der fürstlichen Gäste irgend einen Zwang aus, der Herzog vertiefte sich in Gespräche mit den anwesenden dramatischen Autoren über sein Lieblingsthema, das Theater, dessen ausgezeichneter Kenner er bekanntlich ist, und als wir nach Tisch die Cigarre angebrannt hatten, bot das Ganze ein so in jeder Weise gesellschaftliches Bild, als sei es aus zwanglosen, natürlich sich bildenden Gruppen von der bühnenkundigen Hand des Herzogs für ein heiteres Salonstück inscenirt. Als dann die herzogliche Familie sich entfernt hatte und wir noch sehr lange in gleich lebhafter Unterhaltung zusammenblieben, da zeigte eben diese unveränderte Stimmung, daß das Lindau'sche Haus sich nicht von der Anwesenheit fürstlicher Gäste, sondern daß diese sich unwillkürlich von dem in diesen Räumen herrschenden Geist der Geselligkeit leiten ließen. Solcher aber läßt sich nicht künstlich schaffen und ist daher so ungemein selten. Wer die Berliner Gesellschaft aus Gesellschaften kennt, weiß das.
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Ich habe schon erzählt, wie hoch Berthold Auerbach mich durch seine Freundschaft ehrte und wie lieb ich ihn hatte. In seinem Hause verkehrte 225 ich viel, sein Kreis war, wie man weiß, ein hervorragend interessanter. Eines Abends war derselbe besonders zahlreich, und Auerbach forderte mich auf, eine kleine, freundliche alte Dame zu Tisch zu führen, der er mich vorstellte. Frau Doktor Johanna Veit hatte er sie genannt. Ihre schönen, freundlichen Augen fielen mir auf, und über diese Augen vergaß man ganz, daß ihr Haar schneeweiß war. Nachdem ich eine Weile mit ihr geplaudert hatte, sprach mir der uns gegenübersitzende Hans Hopfen von Weimar, wo wir vor einigen Tagen gewesen waren. Dann fragte mich meine Nachbarin: Sie waren in Weimar, in meinem lieben Weimar?
Ich bejahte. Sie kennen Weimar?
Ich? rief sie lebhaft. Ja, wissen Sie denn nicht, daß Weimar meine Vaterstadt ist und daß ich eine geborene Elkan bin, dieselbe, von der Zelter an Goethe schreibt: »Die kleine artige Elkan aus Weimar will gerne etwas für Dich mitnehmen . . .«
Ich kann nicht sagen, wie mich diese Worte ergriffen. Das ist wohl der unbeschreibliche Zauber, der aus dem Namen Goethe wirkt. Wenn wir Jemand, der Goethe gesehen hat, erzählen hören, so ist es uns, als beneideten wir ihn um seine Augen, und als müßten wir mehr hören, so viel, daß wir Goethe selbst vor uns sehen können, und immer wieder möchten wir nach tausend Kleinigkeiten fragen, 226 um mit ihrer Hülfe das Bild des Dichters zu vervollständigen, das wir in uns tragen. Diese Empfindung hatte ich, als mir einst F. Ch. B. Avé-Lallement erzählte, er sei als Student von Jena nach Weimar gewandert, um Goethe zu sehen, und er habe ihn auch gesehen, ihn und den Großherzog, beide zu Pferde. Daß mir Holtei von seinem Verkehr mit Goethe erzählt hatte, habe ich bereits erwähnt.
Meine kleine weißhaarige Dame war von der Wirkung, die ihre wenigen Worte auf mich ausgeübt hatten, durchaus nicht überrascht. Sie war ihr gewiß nichts Neues. Ich küßte ihre Hand, und auch hierüber wunderte sie sich nicht, sie wußte wohl, welche Ehren ihr gebührten, ihr, die Goethe gesehen und gehört hatte, die in seinem Hause gewesen war, die ihm einen Brief gebracht und mit artigem Knix überreicht. Wenn ich sie umarmt hätte, sie würde gewiß nichts anderes darin erblickt haben, als eine Huldigung, dargebracht der Sonne, in die sie mit jugendlichen Augen geblickt hatte. Und doch war die kleine Frau so liebenswürdig bescheiden, von so edlem Anstand, – eine echte Tochter der Stadt Goethes. Sie war auch eine von den jungen Weimaranerinnen, welche zuweilen im Goethe'schen Kreise lebende Bilder stellten, an denen der Altmeister seine Freude hatte.
Im Goethe-Zelter'schen Briefwechsel findet sich denn auch ein Brief von Zelter an Goethe, in 227 welchem es heißt: »Die kleine artige Elkan aus Weimar will gerne etwas für Dich mitnehmen,« und der geschätzte Goethephilologe Professor Geiger hat in einem Aufsatz »Goethe und die Juden« mitgetheilt, was ihm die glückliche Briefbotin über ihren Besuch bei Goethe erzählt hat, daß sie viel von Berlin berichten mußte und durch Goethes Fragen und Aufforderungen zu immer weiteren zutraulichen Berichten ermuntert wurde. Die kleine artige Elkan saß nun als eine alte Dame neben mir, eine der interessantesten Tischnachbarinnen meines tischnachbarinnenreichen Lebens. Ich habe sie zu meinem großen Leidwesen nicht wiedergesehen, nachdem sie fast heimlich sich aus der Gesellschaft entfernt hatte. Vor mehreren Jahren ist sie gestorben.
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Jahrelang, an allen Donnerstag-Abenden nach gethaner Redaktion, bildeten die Gelehrten des Kladderadatsch und ich einen Kreis, in dem der Abend bei guten Tropfen und Gesprächen munter in die Nacht hinein verlief. Dohm, Löwenstein, Trojan und der Zeichner Wilhelm Scholz waren mir befreundet, noch bevor ich Redakteur der Berliner Wespen geworden war, und es störte unsere Freundschaft nicht, daß dann unsere Blätter gegen einander konkurrirten. Unserem persönlichen Verkehr blieben 228 unsere Blätter ganz fern, als ob sie gar nicht existirten, er war rein musterhaft, freilich, wie ich bedauernd hinzufügen muß, ohne als Muster zu dienen. Ich kenne wenigstens keinen literarischen Kreis, in dem nicht der Beruf eine große Rolle spielte und mit seinen kleinlichen Rivalitäten und Privatinteressen die Vertraulichkeit entfernte. Unser Kreis übte daher auf Kollegen und auch auf solche Männer, die der Journalistik, namentlich der unsrigen, nicht angehörten, ja selbst nicht einmal unseren politischen Standpunkt theilten, eine gewisse Anziehungskraft aus. Die Abgeordneten Bamberger und Oppenheim, der Direktor des Zoologischen Gartens Bodinus, Paul Lindau, Ludwig Pietsch, Professor Scheibler, Rudolph Genée, Albert Traeger und Andere fanden sich bei uns ein, und so gestalteten sich Abende, die Anregung und Unterhaltung in Menge boten und um so schneller hingingen, je weniger sie mit schweren politischen und wissenschaftlichen Fragen belastet wurden. Ich kenne, wie gesagt, keinen Kreis, der dem unsrigen ähnlich sähe, heute ist alles mit Politik und Partei verzwickt. Jeder ist nach seiner Façon unselig geworden und so ungeheuer thätig in der Werkstatt der Weltverbesserung! Und das bringt jede Geselligkeit um. In die Rubrik des oben angehängten »und Andere« gehörte der Schriftsteller Moritz Busch, allgemein bekannt geworden 229 durch sein Buch: »Bismarck und seine Leute«, das er in seiner Stellung als Privatsekretär des Reichskanzlers während des französischen Krieges aus zahllosen Aeußerungen seines Herrn und der Leute desselben mit dem Fleiß und der Gewissenhaftigkeit eines Eckermann zusammennotirt hatte. Busch wußte viel und fesselnd von Bismarck zu erzählen, auch solche Details, die er aus gewissen Rücksichten nicht in sein Buch aufgenommen hatte. Aber so interessant auch alles war, was er vorbrachte, es bekam einen komischen Anstrich durch seinen sächsischen Dialekt, den er, ein geborener Dresdener, mit unerschütterlicher Virtuosität vorbrachte. Er sprach das Sächsische gewissermaßen vom Faß, zum Gaudium nicht nur für Bismarck, auf den dieser Tonfall als Gegensatz zu dem aus der Ferne ernst dröhnenden Kanonendonner einen um so komischeren Eindruck gemacht haben muß, sondern für Jeden, der ihn vernahm. Eines Abends erzählte er uns eine Geschichte, der wir mit größter Spannung lauschten, und er erzählte sie, wie er nicht anders konnte, sächselnd. Da er aber einen seiner Landsleute redend vorzuführen hatte, so unterbrach er sich plötzlich mit den Worten: »Nee, die Geschichte muß ich Ihnen sächsisch erzählen!« und er begann sie von neuem, natürlich im Ton absolut unverändert. Das machte einen unbeschreiblich drolligen Eindruck.
230 Wie viele meiner Kollegen war ich stets bis zu dem Moment, wo mein Blatt in die Presse ging, in der Druckerei, und wie wenige meiner Kollegen mit einer gewissen Passion. Ich war immer ein gewissenhafter Korrekturleser, habe es nie begreifen können, wie ein Autor auch nur eine Zeile in die Oeffentlichkeit gelangen lassen mag, ohne sie bis an die Schwelle desselben zu begleiten, und kann versichern, daß mir das Erscheinen einer nach meiner Ueberzeugung gelungenen Arbeit nie so viel Vergnügen gemacht, als es mir Aerger bereitet hat, wenn ich zu spät bemerken mußte, daß ich bei der Korrektur irgend eine Ungeschicklichkeit oder einen Druckfehler übersehen hatte. Auch bot mir das Leben und Treiben in der Druckerei, ja selbst der Lärm der Maschinen eine gute Unterhaltung, vielleicht als Gegensatz zu dem gesellschaftlichen Trubel, in welchem der Schriftsteller und der Journalist trotz aller ihnen geschenkten Aufmerksamkeit niemals die Geltung erlangen können, die sie sich in der Druckerei zu verschaffen vermögen, wenn sie in deren Personal Mitarbeiter schätzen, die durch ihre Geschicklichkeit und ihren Fleiß anspruchslos dem Autor die Aufgaben seines Berufs erleichtern. Wenn ich also meine Kollegen über ihre Pflicht, in der Druckerei redigiren, korrigiren und revidiren zu müssen, seufzen und schelten höre, so glaube ich ihnen ihre Seufzer und 231 ihr Schelten nicht immer, was sie, beiläufig bemerkt, bei der Menge dessen, was man ihnen nicht glaubt, nicht sonderlich erschüttern wird. Es ist das nach meiner Meinung mehr ein Seufzen, das gewissermaßen zum Beruf gehört und zur Gewohnheit geworden ist. Kein Autor wird gern auf den Aufenthalt in der Druckerei verzichten, in der er die letzte Hand an seine Arbeit legt, bevor diese dem gestrengen Richter, dem Publikum, vorgeführt wird.
Zum Dank für viele schönen Stunden, die mir in den Druckereien durch die Intelligenz und den guten Willen ihrer »Leute« bereitet worden sind, schildere ich eine von vielen kleinen heiteren Episoden, deren ich mich erinnere.
Viele Jahre hindurch hatte ich regelmäßig einmal wöchentlich in der Druckerei von Gensch meine Redaktion zu besorgen. Ging das Blatt in die Presse, so fand ich an derselben den alten Maschinenmeister Lanzenberger, einen bescheidenen, überaus tüchtigen und braven Arbeiter, aus dessen Hand ich den Revisionsbogen empfing und der dann mit großer Geduld und freundlichem Entgegenkommen Alles ertrug, was ich betreffs der noch in dem Blatt nöthig erscheinenden kleinen Aenderungen mit oft überflüssigem Eifer anzuordnen hatte. Ich hatte den Alten gern, er war nicht nur ein höchst intelligenter Arbeiter, 232 sondern auch ein guter Vater tüchtiger Söhne, die mit ihm in der Druckerei arbeiteten. Am 24. Juni 1878 sollte er sein 50ähriges Buchdruckerjubiläum feiern, und ich betheiligte mich freudig an dem Fest, welches für diesen Tag arrangirt wurde. Ich machte die Verse zu einer Begrüßungsadresse, die in der Druckerei mit großer Letternpracht hergestellt wurde, und ließ bei Vollgold, dem berühmten Meister des Kunsthandwerks, eine silberne Cigarrentasche anfertigen und dieser eine Widmung eingraviren, welche meiner Dankbarkeit den passendsten Ausdruck gab. Eine Cigarrentasche schien mir ganz besonders geeignet. Denn seit Jahren hatte ich regelmäßig während der Arbeitsstunden am Donnerstag dem wackeren Maschinenmeister etliche Cigarren gegeben, die er auch gerne annahm. Wenn er sie nicht anzündete, sondern in die Seitentasche seines Rockes steckte, so fiel mir das nicht auf: er rauchte wohl erst, wenn Feierabend war. Der Ehrentag kam. Am Sonntag Vormittag versammelten wir uns um den »Jubelgreis« und feierten ihn, wie sich's gebührte, durch Reden, herzhaftes Trinken und Ueberreichen der Adresse und anderen Festgaben. Ich drückte ihm die Hand, dankte ihm für seine treue Mitarbeit und wünschte ihm, er möge noch viele, viele Jahre die Cigarrentasche, für deren Füllung ich immer sorgen wolle, gesund und fröhlich in Gebrauch haben.
233 Es freut mich, sagte ich, daß Ihnen meine Cigarre schmeckt.
Ach, antwortete er, ich habe noch nie geraucht, ich –
Erschrocken rief ich: Aber, lieber Lanzenberger, seit Jahren gebe ich Ihnen Cigarren, und ich dachte, Sie seien ein passionirter Raucher!
Nein, versicherte er, aber meine Söhne rauchen, und für diese habe ich die Cigarren immer eingesteckt.
Ich war außer mir. In der Meinung, ihm das passendste Festgeschenk ausgewählt zu haben, hatte ich das allerunpassendste gefunden.
Vor etlichen Jahren ist der liebe Maschinenmeister Lanzenberger gestorben, und ich habe ihn betrauert, wie man den Heimgang eines guten Freundes betrauert.