Robert Falcon Scott
Letzte Fahrt - Auszug
Robert Falcon Scott

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31. Das Ende

Sonntag, 17. März 1912. Ich kann nur absatzweise schreiben. Die Kälte ist ungeheuer, mittags 40°. Meine Kameraden sind heiter, aber wir sind drauf und dran, zu erfrieren, und obwohl wir beständig davon reden, daß wir uns doch noch durchschlagen werden, glaubt es im Herzen keiner mehr. Gestern mußten wir des Orkans wegen still liegen, und heute geht es furchtbar langsam. Wir sind nur 2 Ponymärsche vom Ein-Tonnen-Lager entfernt. Hier lassen wir unsern Theodoliten, eine Kamera und Oates' Schlafsäcke zurück. Die Tagebücher, sowie die auf Wilsons speziellen Wunsch mitgenommenen Gesteinproben wird man bei uns oder auf unserm Schlitten finden.

18. März. Heute beim zweiten Frühstück sind wir 39 Kilometer vom Depot entfernt. Das Unglück schreitet weiter. Gestern hatten wir wieder Gegenwind, und der Schnee trieb uns ins Gesicht; wir mußten den Marsch unterbrechen; Temperatur 37°. Kein menschliches Wesen brächte es fertig, solch einem Wetter zu trotzen, und unsere Kraft ist fast ganz erschöpft. Wir brechen allmählich alle zusammen. Ich Esel rührte mir einen kleinen Teelöffel voll Currypulver in meinen Pemmikan – er verursachte mir heftige Beschwerden. Die ganze Nacht lag ich mit Schmerzen wach, und auf dem Marsch fühlte ich mich kraftlos; mein rechter Fuß erfror, und ich merkte es gar nicht. Ein Augenblick Nachlässigkeit – und man hat einen Fuß, den man gar nicht ansehen mag. Bowers ist, was seine Gesundheit anlangt, Nummer Eins. Die andern glauben noch, daß wir durchkommen – oder stellen sich wohl nur so! Wir haben den Primuskocher noch einmal halb voll gegossen, das letztemal – dann müssen wir verdursten. Der Wind ist augenblicklich günstig – vielleicht hilft er uns. Die Entfernung bis zum nächsten Depot wäre uns auf der Hinreise lächerlich klein erschienen.

19. März. Gestern abend waren wir fast erstarrt, bis wir unser Abendessen verzehrt hatten: es bestand aus Schiffszwieback, kaltem Pemmikan und einem halben Kännchen Kakao. Dann wurden wir wider Erwarten ganz warm und haben alle gut geschlafen. Heute brachen wir in der gewöhnlichen schleppend langsamen Weise auf. Wir sind 29 Kilometer vom Depot entfernt und könnten in 3 Tagen hinkommen. Wir haben noch auf 2 Tage Lebensmittel, aber nur noch auf 1 Tag Brennmaterial. Wilsons Füße sind noch am besten, mein rechter am schlechtesten, nur mein linker ist ganz in Ordnung. Aber wie sollen wir unsere Füße schonen, ehe wir das Depot erreicht haben und uns wieder mit warmem Essen pflegen können?

21. März. Montag abend waren wir noch 20 Kilometer vom Depot entfernt; gestern konnten wir eines wütenden Orkans wegen nicht weiter. Heute wieder eine verlorene Hoffnung – Wilson und Bowers wollen zum Depot gehen, um Brennstoff zu holen.

22. und 23. März. Der Orkan wütet fort – Wilson und Bowers konnten sich nicht hinauswagen – morgen ist die letzte Möglichkeit – kein Brennstoff mehr und nur noch auf 1, höchstens 2 Tage Nahrung – das Ende ist da. Wir haben beschlossen, eines natürlichen Todes zu sterben – wir wollen mit unsern Sachen oder auch ohne sie zum Depot marschieren und auf unserer Spur zusammenbrechen.

Freitag, 29. März. Seit dem 21. hat es unaufhörlich aus Südwest gestürmt. Jeden Tag waren wir bereit, nach unserm nur noch 20 Kilometer entfernten Depot zu marschieren, aber draußen vor der Zelttür ist die ganze Landschaft ein wirbelndes Schneegestöber. Wir können jetzt nicht mehr auf Besserung hoffen. Aber wir werden bis zum Ende aushalten; der Tod kann nicht mehr fern sein. Es ist ein Jammer, aber ich glaube nicht, daß ich noch weiter schreiben kann. R. Scott.

Um Gottes willen – sorgt für unsere Hinterbliebenen!


Acht Monate später wurden die Verunglückten gefunden. Wilson und Bowers lagen in ihren Schlafsäcken, die sie über dem Kopf geschlossen hatten.

Scott war offenbar zuletzt gestorben. Er hatte die Klappen seines Schlafsacks zurückgeworfen und seinen Rock geöffnet. Die kleine Tasche mit seinen Tagebüchern lag unter Schultern und Kopf, und sein Arm umschlang Dr. Wilson.

Bei den Tagebüchern fanden sich mehrere Briefe, rührende Abschiedsbriefe an seine Frau und an mehrere Freunde und ergreifende Trostbriefe an die Witwen der mit ihm umgekommenen Kameraden.

Auf der ersten Seite des letzten Tagebuchheftes sieht die Bitte:

»Schickt dieses Tagebuch meiner Frau! R. Scott.«

Das Wort »Frau« ist ausgestrichen und »Witwe« darüber geschrieben.


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