Robert Falcon Scott
Letzte Fahrt - Auszug
Robert Falcon Scott

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14. Rückkehr der Sonne

Montag, 14. August 1911. Die Ponys sind so vergnügt, daß sie keine Gelegenheit versäumen, ihren Lenkern durchzubrennen und mit erhobenem Schweif und aufwärtsgekehrten Kufen davon zu galoppieren. Die Hunde sind ebenso gestimmt. Die Aussicht über die beiden Eskimohunde hat jetzt Clissold übernommen; er führt sie gewöhnlich mit dem kleinen Nugis als Leithund aus. Am Sonnabend schlug sein Schlitten an der Flutrinne um; Clissold blieb auf dem Schnee liegen, während das Gespann in der Ferne verschwand. Nugis kehrte später mit durchbissener Leine wieder zurück; die beiden andern wurden schließlich etwa 3 ½ Kilometer entfernt in einem Eishügel »verwickelt « gefunden. Gestern fuhr Clissold mit demselben Gespann nach Kap Royds und brachte in 2 Stunden eine Last nach Hause, die 45 Kilo pro Hund wog – in so kurzer Zeit eine gute Leistung.

15. August. Das Azetylen hat plötzlich versagt; ich schreibe heute zum erstenmal bei Tageslicht.

22. August. Heute hätten wir die Sonne zum erstenmal sehen müssen! Statt dessen stürmt es heftig mit zerrissenen Windwolken, Schneetreiben und umherwandernden Schneewehen. Und doch ist es herrlich, das Tageslicht sich schnell verbreiten zu sehen.

26. August. Auch die Ponys empfinden die Rückkehr des Tageslichts und werden übermütig. Christoffer und Schnipps brannten gestern etwa 50 Meter vom Stall entfernt auf das Eisfeld durch, und es dauerte fast eine Stunde, bis wir sie wieder hatten.

Kurz vor dem zweiten Frühstück vergoldete der Sonnenschein das Eisfeld, und ich ging mit Ponting zu den Eisbergen hinaus. Der uns zunächst liegende ist umgestürzt und ließ sich leicht erklettern. Von seinem Gipfel aus konnten wir die Sonne klar über der zackigen Kontur des Kap Barne sehen. Es war herrlich, wieder einmal im glänzenden Sonnenschein zu stehen. Wir fühlten uns wie verjüngt, sangen und riefen Hurra. Jetzt schaut jeder das Leben wieder mit andern Augen an, das schlechte Wetter verliert seine Schrecken; morgen oder übermorgen wird es ja wieder schön sein. Am Nachmittag kletterte ich die Rampe hinauf, und fröhliches Rufen und Singen der Kameraden und Wiehern der Pferde drang an mein Ohr.

28. August. Ponting und Gran gingen gestern abend spät um die Eisberge herum, als sie plötzlich auf dem Heimweg einen Hund von Norden her über das Eisfeld kommen sahen! Das Tier stürmte auf sie los und sprang mit ungeheurer Freude an ihnen in die Höhe. Es war unser lang vermißter Julick! Seine Mähne zeigte eine Blutkruste, und er duftete stark nach Robbenspeck; Hunger hatte er nicht, war aber sehr abgemagert. Einen ganzen Monat war er fort – was für Abenteuer mag er seitdem erlebt haben!

Die Sonne scheint in die Hüttenfenster hinein – schon ruhen Sonnenstrahlen auf den gegenüberliegenden Wänden.

31. August. Meares und Dimitri sind nach der Hüttenspitze gefahren. Dimitris Gespann sauste im vollen Galopp über die holprige zugefrorene Flutrinne und warf seinen Kutscher auf den Schnee ab. Glücklicherweise standen einige von uns auf dem Eis. Als der Schlitten an mir vorbeifuhr, sprang ich hinauf und blieb glücklich oben; Atkinson wollte es ebenso machen, fiel aber hin und wurde, da er sich am Schlitten festhielt, lustig über das Eis geschleift. Unser Gewicht verminderte die Fahrgeschwindigkeit, und bald konnten andere dem Gespann in die Zügel fallen. Dimitri war sehr ergrimmt; er ist noch nie abgeworfen worden. – Eigentlich liegt noch kein Grund zur Abreise nach der Hüttenspitze vor, aber Meares hofft wahrscheinlich, die Hunde dort besser einfahren zu können, wenn er sie für sich hat. Ich habe also gewissermaßen die Vorhut zu unserm Sommerfeldzug schon abgesandt.


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