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Donnerstag, 4. Jan. 1912. Nach dem Abschied von unsern Gefährten legten wir 5, die letzten Überbleibsel meiner Expedition, bis 7 Uhr abends einen Marsch von 23 Kilometer zurück, und ich sah mit großer Befriedigung, daß es uns nicht allzu schwer ward, die notwendige Durchschnittsgeschwindigkeit einzuhalten. Am Nachmittag gerieten wir leider auf sandartigen Schnee – ein saures Stück Arbeit!
5. Jan. Ein entsetzlich anstrengender Tag. Leichter Wind trieb losgerissene Wolken heran, und seiner Schnee fiel unaufhörlich. Dadurch wurde der Weg so schlecht wie nur denkbar! Um 7 Uhr abends hatten wir 23 Kilometer hinter uns, die anstrengendsten, die wir bisher auf dem Plateau erlebten. Immerhin: wir sind dicht vor dem 88. Breitengrad. Das Kochen für 5 Personen dauert übrigens ½ Stunde länger als das für 4. Hieran hatte ich bei der Neuordnung meiner Gesellschaft gar nicht gedacht. –
Wir brachten es heute in der Stunde nur auf wenig mehr als 2 Kilometer. Wie endlos lange dauert das, bis die Schatten langsam um uns herumkriechen, von unserer rechten Seite nach vorne rücken und dann von vorne wieder nach links hinüberschleichen! An wieviel tausend Dinge denkt man auf diesen eintönigen Märschen! Und was baut man für Luftschlösser in der Hoffnung, daß der Pol uns gehöre!
6. Jan. Gestern abend gerieten wir zwischen Schneefahnen – heute morgen wurden sie höher, und bald waren wir mitten in einem Meer von Eiswellen, die sich wie Angelhaken um unsere Füße legten; wir kennen sie nur zu gut! Nach den ersten 1 ½ Stunden schnallten wir unsere Schneeschuhe ab und zogen zu Fuß. Stellenweise ging es furchtbar mühsam. Am Nachmittag wurde es nicht besser, im Gegenteil! Als wir ungefähr eine Stunde marschiert waren, entdeckten wir, daß ein Schlafsack vom Schlitten gefallen war. Der Zwischenfall kostete uns mehr als eine Stunde. Wir brachten es daher heute nur auf 20 Kilometer, aber es war wohl die anstrengendste Zugarbeit, die wir je gehabt. Unsere Schneeschuhe wollen wir zurücklassen, weil sie uns hier voraussichtlich zerbrechen. In 2 Tagen wollen wir unsere Last erleichtern, indem wir noch ein Depot errichten; jedenfalls das letzte.
Sonntag, 7. Jan. Höhe 3220 Meter. Die Wechselfälle unseres Weges sind verblüffend! Gestern abend ließen wir unsere Schneeschuhe zurück. Heute morgen machten wir in 40 Minuten fast 2 Kilometer, und die Schneefahnen verschwanden allmählich! Wir kehrten also wieder um und holten die Schneeschuhe, die ich jetzt auf alle Fälle bei mir behalten will; dadurch gingen uns fast 1 ½ Stunden verloren. Als wir uns aber wieder in Marsch setzten, merkte ich zu meinem Schrecken, daß wir jetzt wieder auf Schneeschuhen den Schlitten kaum vorwärts bewegen konnten, weil sandartiger Schnee die Oberfläche bedeckte. Wir ließen aber nicht nach, und später machten wir auch bessere Fortschritte, doch es blieb eine grauenhaft schwere Arbeit, Und wenn wir auch am Nachmittag 9 Kilometer hinter uns brachten, so ändert das nichts an der Tatsache: das war heute der kürzeste Marsch bisher hier auf der Höhe! Solch aufreibende Märsche aber können wir unmöglich lange aushalten. Doch kann der Weg nicht so bleiben, und morgen deponieren wir Vorräte auf 8 Tage.
Auf Schneeschuhen ermüdet das Marschieren doch weniger. Bowers, der zu Fuß geht, hat es sehr schwer, aber ihn scheint nichts anzugreifen. Evans hat sich beim Zusammensetzen der Schlitten eine böse Schnittwunde an der Hand geholt; hoffentlich wird sie nicht schlimmer.
8. Jan. Wir konnten nicht weiter, denn wir hatten unsern ersten Orkan auf der Höhe. Evans' Hand wurde heute morgen verbunden; Ruhe wird ihr gut tun. Doch länger als einen Tag dürfen wir nicht still liegen, nicht nur wegen des Zeitverlustes, auch wegen der Lebensmittel und der langsamen Eisansammlung im Zelt und auf unsern Sachen. Wenn wir nur morgen aufbrechen können! –
9. Jan. Als wir aufstanden, stürmte es noch, aber nach dem zweiten Frühstück konnten wir weiterziehen, zwar bei schlechtem Licht, aber auf guter Oberfläche, Das Marschieren wird nachgerade schrecklich einförmig. Wir könnten noch ein Depot hinterlassen, aber es ist uns etwas sehr Verdrießliches widerfahren: Bowers' Uhr geht auf einmal 26 Minuten nach; sie mag infolge der Kälte stehengeblieben sein. Das erschwert uns die Berechnung der Entfernungen und mahnt zur größten Vorsicht, besonders da der Orkan unsere Spur fast völlig verwischt!
10. Jan. Schrecklich mühsamer Marsch am Morgen! Wir beschlossen, nun doch auf 88° 29' noch ein letztes Depot, das Anderthalb-Grad-Depot, zu hinterlassen: Lebensmittel für 1 Woche und Kleidungsstücke. Mit letzteren sind wir jetzt so knapp ausgerüstet, daß wir nur noch eben bekleidet sind. Mit Lebensmitteln auf 8 Tage zogen wir weiter. Gestern noch hätte ich darauf geschworen, daß wir unser Ziel erreichen würden, aber heute spottete der Weg jeder Beschreibung. Immer nur sandartiger Schnee, und wenn die Sonne schien, war es trostlos Wenn das so weiter geht, halten wirs nicht aus! Bloß 20 Kilometer heute! Nur noch 157 Kilometer bis zum Pol! Aber der Rückweg wird auch nicht besser sein! –
11. Jan. Während der ersten Stunden heute konnten wir doch wenigstens den Schlitten vorwärtsbringen; dann aber trat die Sonne aus den Wolken, und nun war es einfach zum Verzweifeln. So etwas haben wir noch nicht erlebt! Der Schlitten schrammte und krachte beängstigend. Der Schnee wird weicher, je weiter wir kommen; die Schneefahnen sind manchmal hoch und unterhöhlt, aber nicht hart – keine Kruste wie auf der Barriere. – Noch 137 Kilometer bis zum Pol – aber können wir das noch ganze 7 Tage aushalten? 7 Tage? –
12. Jan. Wieder ein schwerer, schwerer Marsch: Am Nachmittag zogen Wolken mit leichtem, kaltem Wind von Westen herauf, und einige Minuten lang fühlten wir zu unserm Entzücken, daß uns der Schlitten von selber folgte. Ach, ein paar Minuten später war es trotz der Verfinsterung der Sonne schlechter als je. Ich hatte schon gefürchtet, daß unsere Kraft sich gefährlich verringert habe; aber diese wenigen Minuten bewiesen, daß uns nur eine gute Oberfläche fehlt, um wieder frisch und fröhlich wie früher ziehen zu können.
Als wir heute abend das Lager aufschlugen, fröstelte uns allen, obgleich die Temperatur höher war als gestern, 27 ½ Grad! Wie kommt es, daß wir plötzlich die Kälte so fühlen? Vielleicht – infolge unserer Erschöpfung?
13. Jan. 89° 9' südlicher Breite. Höhe 3130 Meter. Wieder ein Tag mit voller Kilometerzahl! Unmöglich ists nicht! – Nur noch 94 Kilometer vom Pol heute abend! Wenn wir nicht hingelangen, so kommen wir doch verteufelt nahe.
Sonntag, 14. Jan. Die Sonne stand den ganzen Tag hindurch undeutlich am bedeckten Himmel, und ein angenehmer Südwind wirbelte nur wenig Schnee auf. Infolgedessen war die Oberfläche etwas besser, und wir kamen in gleichmäßigem Schritt 22 Kilometer weiter. Aber das Einhalten der Richtung war schrecklich schwierig; oft sah ich überhaupt nichts mehr, und Bowers schob mich an der Schulter den richtigen Weg vorwärts. Wieder spürten wir empfindliche Kälte. Oates scheint mehr als wir andern unter Kälte und Anstrengung zu leiden, aber sonst sind wir alle wohl und munter. Nur noch 70 Kilometer! Kämen doch nur ein paar schöne Tage! Das Ziel liegt vor uns, zum Greifen nahe, und nur das Wetter versperrt uns den Weg!
15. Jan. Während der Nacht wurde die Luft vollständig klar, und die Sonne schien aus gänzlich wolkenlosem Himmel herab. Der leichte Wind hatte sich gelegt, und die Temperatur war auf 32° heruntergegangen. Das bedeutet schweres Ziehen! sagte ich mir, und ich hatte nur zu richtig geraten. Die Oberfläche war schrecklich, aber wir gewannen in 4 ¾ stündiger Arbeit 11 Kilometer. Doch waren wir alle ziemlich erschöpft, als wir das Lager aufschlugen, und hinterließen deshalb hier unser letztes Depot – nur Proviant auf 4 Tage und ein paar Kleinigkeiten. Nach dem zweiten Frühstück glitt der Schlitten erstaunlich leicht vorwärts – teils infolge des geringen Gewichtes, teils auch weil er richtig beladen war, hauptsächlich aber infolge unserer stärkenden Rast. Jedenfalls machten wir einen großartigen Nachmittagsmarsch von 11 ½ Kilometer.
Ein wunderbarer Gedanke, daß nur noch 2 Märsche uns an den Pol bringen werden. Nur noch lumpige 50 Kilometer. Wir müssen hinkommen, koste es was es wolle! Jetzt schreckt mich nur noch die eine furchtbare Möglichkeit, daß die norwegische Flagge vor der unsern dort flattern könnte!