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Mittwoch, 1. Nov. 1911. Heute morgen brachen wir in mehreren Abteilungen auf – Michael, der Baron und der Chinese sollten gegen 11 Uhr vormittags als erste den Marsch antreten. Der kleine Teufel Christoffer wurde mit der gewöhnlichen Mühe angespannt, und Oates mußte seine ganze Kraft aufbieten, um sich auf dem Schlitten zu halten. Knochen trabte ganz manierlich mit Crean ab; ich folgte mit Schnipps in seiner Spur. 10 Minuten darauf sauste Deckoffizier Evans mit Schnapper, wie stets in voller Fahrt, an uns vorbei. Der Wind wehte bei der Finnwalinsel sehr heftig, und der Himmel sah drohend aus – die Ponys hassen den Wind. 2 Kilometer weiter überholte mich Bowers mit Viktor und ließ mich da, wo ich am liebsten bleiben wollte: am Ende der Reihe.
Schnapper übernahm bald die Führung und erreichte, immer gleichmäßig vorwärts stürmend, die Hüttenspitze in 4 Stunden. Knochen und Christoffer langten fast ebenso frisch an; letzterer war auf der ganzen Fahrt bockig gewesen. Wir übrigen drei kamen eine Stunde später an. Es war auch Zeit, denn bald nachher erhob sich ein Sturm.
2. Nov. Hüttenspitze. Der gestrige Zug war für die Geschwindigkeit der Ponys sehr lehrreich, und mein weiterer Marschplan ist nun klar. Wir brechen in 3 Abteilungen auf – die langsamen Ponys, die halbschnellen und die »Flieger«. Schnapper soll zuletzt abfahren. Wir wollen mit Nachtmärschen beginnen und ziehen hoffentlich nach dem Abendbrot ab.
3. Nov. Bei der Hüttenspitze wehte es scharf mit etwas Treibschnee, aber wir fuhren doch abteilungsweise los. Die Ponys marschierten gleichmäßig über das Meereis. Ich traf Atkinson, als er eben wieder aufbrechen wollte; der Chinese und Jehu seien müde, meinte er. Wir hatten kaum unser Lager aufgeschlagen, da kam Ponting mit Dimitri und seinem kleinen Hundegespann.
Nach kurzer Rast packten wir wieder auf und marschierten weiter. Frühstück um Mitternacht ist nicht gerade meine Schwärmerei, aber der Marsch hinterher ist ein Genuß, wenn wie heute der Wind sich legt und die Sonne wärmer wird. Die beiden Abteilungen vor uns kampierten 9 Kilometer jenseits des Hauptlagers, und wir kamen etwa ¾ Stunde später bei ihnen an.
1 Uhr mittags. Futterstunde. Ich weckte die Gesellschaft, und Oates teilte das Futter aus – alle Ponys fressen gut. Es ist schwül, kein Lüftchen regt sich, rings blendendes Licht, und man vergißt ganz, daß die Temperatur 30° unter 0 ist. In der Nähe unseres Lagers liegt eine Petroleumkanne mit einem Zettel, der besagt, daß der eine Motorschlitten am 29. Oktober 9 Uhr abends in voller Fahrt diese Stelle passiert habe – die Motorabteilung ist uns 4 bis 5 Tagemärsche voraus und müßte diesen Abstand eigentlich einhalten.
4. Nov. Gleich nach unserer Abfahrt fand ich auf einem sehr lustigen Zettel die erfreuliche Mitteilung, mit den Motoren stehe alles gut und beide gingen ausgezeichnet. Day schrieb: »Hoffentlich sehen wir uns erst wieder auf 80° 30' südlicher Breite!«
Der arme Junge! Kaum 3 Kilometer weiter wird er schon aus einem andern Tone gesungen haben! Wahrscheinlich hat er am 29. Oktober sehr schlechte Bahn gehabt, und nun schien alles verkehrt zu gehen. Eine Menge von Petroleum und Öl wurde »verkleckert«. Aber es kam noch schlimmer. Etwa 7 Kilometer weiter stießen wir auf eine Konservenbüchse mit der inhaltsschweren Nachricht: »Days Motorzylinder Nr. 2 geplatzt.« Und nach einem weiteren Kilometer fanden wir den Motor, seine Lastschlitten und was dazu gehörte. Zettel von Leutnant Evans und Day erzählten den Hergang: der einzige Aushilfezylinder war zu Lashlys Motor verwendet worden; Days Maschine so zu ändern, daß sie mit 3 Zylindern lief, hätte zu lange gedauert. Also hatten sie sich entschlossen, diesen Motor im Stich zu lassen und mit dem andern allein weiterzufahren. So ist denn der Traum, große Hilfe an den Motoren zu haben, vorbei!
5. Nov. Ecklager. Die Ponys haben sich auf der weichen Oberfläche gut gehalten, waren aber auch nur leicht beladen. Ein sehr konfuser Zettel von Leutnant Evans teilt mir mit, die Maximalgeschwindigkeit des Motors sei 13 Kilometer pro Tag. Sie haben 9 Säcke Preßheu mitgenommen, aber im Süden sehen wir 3 schwarze Punkte – sollte das nicht der verlassene Motor mit seinen Lastschlitten sein? Welche Enttäuschung!
6. Nov. Wir brachen in gewöhnlicher Marschordnung auf und nahmen aus dem Ecklager ganze Lasten mit, für den Fall, daß sich die schwarzen Punkte im Süden wirklich als unser Motor herausstellen sollten. Als wir nun dort anlangten, sah ich meine Befürchtungen vollauf bestätigt. Ein Zettel von Leutnant Evans meldete, die bisherigen Mängel hätten sich wiederholt: ein Zylinder war geplatzt, im übrigen war die Maschine in Ordnung. Die Motorabteilung ist vorschriftsmäßig als Hilfsmannschaft weitergezogen.
7. Nov. Ein Orkan wütete die ganze Nacht und bis jetzt, wo ich dies spät am Nachmittag schreibe. Vormittags kam mitten im Schneegestöber die Hundeabteilung an und schlug ungefähr ½ Kilometer von uns ihr Lager auf. Meares hatte gehofft, uns noch schneller einzuholen, aber es ist schon beruhigend, daß die Hunde überhaupt Lasten ziehen wollen und imstande sind, solchem Wind zu trotzen.
Die Ponys wurden wie gewöhnlich vom Schnee sehr mitgenommen. Zelte und Schlitten sind arg verschneit, die Schneewehen hinter den Ponywällen haben wir schon mehrmals weggeschaufelt. Wenn wir nur erst wieder auf dem Marsche wären! Nur ein wenig Sonne! Unter ihren Decken frieren die Ponys nicht; etwas feiner Schnee dringt freilich auch darunter, und besonders unter die breiten Bauchgurte, taut hier auf und legt sich erkältend auf die warme Haut. Auch quält der Schnee die Tiere, wenn er als seiner Nadelregen auf empfindliche Stellen wie Nüstern, Augen und Ohren niederprasselt. Es ist schauderhaft, hier still liegen zu müssen, während das Wetter den Tieren, von denen so viel abhängt, das Mark aus den Knochen saugt.
8. Nov. Bis gestern abend wehte es unausgesetzt bei bewölktem Himmel. Ich befahl schließlich den Aufbruch, und bald nach Mitternacht zog der Vortrab ab. Zu meiner Überraschung sahen die »Schindmähren«, als ihnen die Decken abgenommen wurden, ganz frisch und leistungsfähig aus, fuhren schnellen Schrittes davon, legten 11 Kilometer zurück und waren schon im Lager, als unsere Abteilung, die tüchtig marschiert war, anlangte. Nachdem sie wieder abgezogen waren, warteten wir auf das Eintreffen der Nachhut und schlossen uns ihr an. Da sich zuletzt der Wind legte, die Sonne an Kraft gewann und die Ponys ihre Sache gut machten, war der Weitermarsch ein wirkliches Vergnügen.
Unsere im vorigen Jahr errichteten Wegmale finden wir sehr leicht wieder. Durch die für die Ponys aufgeführten Schneewälle, die Lagerplätze und die Wegmale werden wir auf dem Rückmarsch unsere Spur leicht verfolgen können. Der Wind hat sich gelegt, und die Sonne scheint prächtig. Menschen und Ponys schwelgen in solchem Wetter, und ich habe den frommen Wunsch, daß es nun, da wir uns aus der windigen Nordregion entfernen, eine Weile so bleiben möge! Bald nachdem wir das Lager aufgeschlagen hatten, langten die Hunde gemütlich trabend ebenfalls an.
9. Nov. Auf dem heutigen Marsch ließ Wright einen Augenblick seinen Pony los, um seinen Geschwindigkeitsmesser zu untersuchen; dem Chinesen gefiel aber das Zurückbleiben nicht, und er galoppierte der Hauptschar nach, so daß Wrights lange Beine kaum ausreichten. Dadurch ließ sich der alte Jehu anstecken und lief im Zuckeltrab hinterher. Diesem Pony hatten wir keinen einzigen pausenlosen Marsch zugetraut, und nun zeigt er sich so tapfer!
10. Nov. Ein greulicher Marsch. Zuerst starker Gegenwind, dann Schneesturm. Wright ging voran; die Orientierung wurde ihm bald sehr schwer. Zum Glück fand er, als er schon das Lager aufschlagen wollte, die Spur der Exmotorabteilung wieder, der wir bei halbwegs gutem Wetter werden folgen können. Die Ponys machten ihre Sache wieder ausgezeichnet, aber die Oberfläche war auch famos. Die heutige Einbuße beträgt zwar nur 3 Kilometer, ist aber doch unangenehm.
Sonntag, 12. Nov. Unsere Märsche sind gleichmäßig scheußlich, und die Oberfläche bleibt schauderhaft. Heute erreichte unser Vortrab geradeswegs genau unser vorjähriges, durch eine Fahnenstange bezeichnetes Blufflager. Hier fand ich einen sehr vergnügten Zettel von Leutnant Evans vom 7. Nov.; darnach ist er uns fast um 5 Tage voraus, was sehr erfreulich ist. Atkinson lagerte 2 Kilometer weiter und machte mir die traurige Mitteilung, der Chinese werde höchstens noch ein paar Kilometer aushalten. Das Wetter war greulich: Wolken, Finsternis und Schnee, und wir sind in sehr gedrückter Stimmung.
13. Nov. Wieder ein entsetzlicher Marsch: trostlose Beleuchtung und miserable Oberfläche! Wenn wir nur erst 33 Kilometer weiter das Ein-Tonnen-Depot erreichen, werden wir klar sehen, woran wir sind; aber die Tiere machen mir große Sorge, denn sie sind nicht die Ponys, die sie sein müßten.
3 Uhr nachmittags. Seit einigen Stunden hat es beharrlich geschneit, und der Schnee auf der weichen Oberfläche ist Zoll um Zoll gestiegen! Was kann solch ein Wetter zu bedeuten haben? Dieses Übermaß an Niederschlägen muß auf irgendeine außenliegende Quelle zurückgehen, wie etwa das offene Meer. Wenn das aber ein Ausnahmezustand ist, dann wird unser Los furchtbar sein! Im Lager geht es schweigsam und niedergeschlagen zu, ein Zeichen, daß es schlecht steht.
15. Nov. Unser Ein-Tonnen-Depot (241 Kilometer von Kap Evans) haben wir ohne Schwierigkeit gefunden. Die ersten 10 Kilometer ermüdeten den Chinesen sehr; er marschierte dann aber doch in guter Haltung hinter den andern her; der Weg war auch entschieden besser. Heute ist Ruhetag für die Tiere, dann soll es mit einer täglichen Geschwindigkeit von 24 Kilometer weitergehen. Oates ist überzeugt, daß die Ponys das aushalten werden, obgleich sie schneller mager geworden seien, als er erwartet habe. Er ist sonst sehr pessimistisch.
Ein Zettel von Leutnant Evans, am 9. geschrieben, meldet, daß seine Abteilung mit 4 Kisten Schiffszwieback nach 80° 30' südlicher Breite gezogen sei; er hat in 2 ½ Tagen mehr als 55 Kilometer zurückgelegt – ein großartiges Marschtempo. Hoffentlich hat er gute Wegmarken errichtet.
18. Nov. Die Ponys ziehen nicht gut. Die Oberfläche ist zwar schlechter als gestern, aber bessere können wir jetzt nicht mehr erhoffen. Mit Schrecken hatte ich festgestellt, daß wir zuviel Ponyfutter mitschleppten; wir ließen daher einen Sack zurück. Unsere 24 Kilometer haben wir hinter uns, und noch einige hundert Meter darüber. Die »Schindmähren« marschierten famos. Oates gibt dem Chinesen wenigstens noch 3 Tage, Wright sogar eine Woche. Besser wäre es, 10 wirklich zuverlässige Tiere zu haben. Alles hängt davon ab, ob wir noch mit ihnen den Beardmoregletscher bewältigen.
Sonntag, 19. Nov. Wir sind heute auf eine wirklich sehr schlechte Oberfläche gestoßen; die Schlitten glitten leicht darüber hin, aber die Ponys sanken sehr tief ein. Jehu ist halbtot; vielleicht, daß er noch einen Tag mitmacht, mehr aber nicht.
20. Nov. Der Weg ist etwas besser. Einige feste Stellen erweckten in mir Hoffnung auf bessere Eisverhältnisse, aber sie währte nicht lange. Die »Schindmähren« sind noch im Gang, Jehu ist sogar wohler als gestern; eine Marschstrecke hält er immer noch aus. Anfangs war heute der Chinese sehr elend, aber dann erholte er sich wieder. Die übrigen Ponys marschierten diese Nacht sehr gleichmäßig; sie gewöhnen sich schon an die weiche Schneekruste. Auch ihr Körpergewicht vermindert sich nicht so schnell, wie wir glaubten. Der Baron erscheint jetzt gesünder als je; er kann nie satt werden. Auch die übrigen fressen recht gut. Christoffer hat sogar heute den Vorderrand seines Schlittens zertrümmert – er muß noch viel überschüssige Kraft im Leibe haben! –