Walter Scott
Waverley - So war's vor sechzig Jahren
Walter Scott

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Kapitel LXIV.

Noch mehr Aufklärung

Mit dem ersten Strahl des Tages war die alte Janet auf den Beinen, um den Baron zu wecken, der für gewöhnlich gesund und fest schlief.

»Ich muß nach meinem Loche zurück,« sagte er zu Waverley, »wollt Ihr mich durch das Thal begleiten?«

Sie gingen mit einander und folgten einem engen gewundenen Fußpfade, den einzelne Angler oder Holzfäller längs dem Ufer des Flusses getreten hatten. Während des Weges setzte der Baron Waverley auseinander, daß er in keiner Gefahr wäre, wenn er einen oder zwei Tage in Tully-Veolan bliebe, selbst nicht wenn er frei umhergehe, sobald er nur die Vorsicht gebrauchte, zu behaupten, daß er sich die Besitzung als Agent eines englischen Edelmannes besähe, welcher sie zu kaufen beabsichtigte. Daher rieth er ihm, den Amtmann zu besuchen, der noch in der Faktorei wohne, die Klein-Veolan hieß und ungefähr eine Meile entfernt lag, die er aber mit dem nächsten Termin verlassen müsse. Stanleys Paß würde eine hinlängliche Antwort für den Offizier sein, der den Militärposten kommandirte, und was irgend einen von den Landleuten beträfe, die Waverley erkennen möchten, so versicherte ihn der Baron, daß keine Gefahr des Verrathes bei ihnen zu fürchten sei.

»Ich glaube,« sagte der alte Herr, »die Hälfte der Leute auf der Baronie wissen, daß ihr armer alter Laird hier herum versteckt ist, denn sie lassen nicht einen einzigen Jungen hierher kommen, um Vogelnester auszunehmen, ein Gebrauch, den ich nie ganz verhindern konnte, als ich noch im vollen Besitze meiner Macht war. Ja, ich finde sogar oft Dinge, welche die armen Menschen, Gott helfe ihnen, liegen lassen, weil sie glauben, daß sie mir nützlich sein können. Ich will hoffen, daß sie einen klügeren Herrn bekommen, und einen ebenso gütigen, wie ich war.«

Ein Seufzer schloß diesen Ausspruch, aber der ruhige Gleichmuth, mit welchem der Baron sein Unglück trug, hatte etwas Ehrwürdiges, ja Erhabenes. Er zeigte keine fruchtlose Reue, keine lästige Traurigkeit, er trug sein Loos und die Härte, welche es mit sich brachte, mit einer launigen, wenn auch ernsten Fassung, und führte keine heftige Sprache gegen die siegende Partei.

»Ich that, was ich für meine Pflicht hielt,« sagte der gute alte Herr, »und ohne Frage thun sie, was sie für die ihrige halten. Es betrübt mich zuweilen, wenn ich auf die geschwärzten Mauern blicke, in denen meine Vorfahren wohnten; aber die Offiziere können nicht immer die Hand der Soldaten von Zerstörung und Vernichtung abhalten, und Gustavus Adolphus selbst erlaubte sie oft, wie wir in des Obersten Munro Expedition mit dem würdigen schottischen Regimente Mackay lesen können. – In der That habe ich selbst eben so traurige Anblicke, wie der von Tully-Veolan jetzt ist, gehabt, als ich unter dem Feldmarschall Herzog von Berwick diente. Gewiß können wir mit Virgilius Maro sagen: Fuimus Troes – und das ist das Ende von einem alten Liede. Aber Häuser und Familien und Menschen haben alle lange genug gestanden, wenn sie standen, bis sie mit Ehren fielen, und nun habe ich ein Haus erreicht, nicht unähnlich einer domus ultima.« Sie standen unter einem steilen Felsen. »Wir armen Jakobiten,« fuhr der Baron fort, indem er in die Höhe sah, »gleichen jetzt den Kaninchen in der heiligen Schrift (welche der große Reisende Pococke »Jerboa« nannte), ein schwaches Volk, das seine Wohnungen in den Felsen sucht. So lebt also wohl, mein guter Junge, bis wir uns am Abend bei Janet wiedersehen, denn ich muß in mein Patmos kriechen, was nichts Leichtes für meine alten steifen Glieder ist.«

Damit begann er, den Fels zu erklettern, indem er mit Hilfe der Hände von einem steilen Absatze zu einem andern stieg, bis er die halbe Höhe erreicht hatte, wo einige Büsche den Eingang einer Höhle verdeckten, die einem Ofen glich, in welchen der Baron zuerst Kopf und Schultern schob und dann allmählich den Rest seines langen Körpers. Waverley war neugierig genug, hinaufzuklettern, um ihn in seinem Loche liegen zu sehen, wie die Höhle mit Recht genannt werden konnte. Das Ganze glich so ziemlich dem sinnreichen Spiele: Der Haspel in der Flasche, dem Wunder aller Kinder, und einiger großen Leute, wie ich z.B., welche weder begreifen, wie das Ding hineingekommen, noch wie es herauszuholen ist. Die Höhle war sehr eng und zu niedrig, um darin stehen oder auch nur sitzen zu können, obgleich er zuweilen diese letztere Stellung einzunehmen versuchte. Seine einzige Unterhaltung war sein alter Freund, Titus Livius, und zuweilen verschaffte er sich dadurch eine Abwechselung, daß er lateinische Sprichwörter oder Stellen aus der heiligen Schrift mit seinem Messer in die Seitenwände und die Decke seiner Festung schnitt, welche von Sandstein waren. Da die Höhle trocken und mit frischem reinen Stroh und getrocknetem Farrenkraut ausgelegt war, wälzte er sich, wie er sagte, mit einem Wohlbehagen darin umher, welches auffallend gegen seine Lage abstach, überhaupt sei es, wenn nicht gerade Nordwinde wehten, ein ganz leidliches Nest für einen alten Soldaten. Auch fehle es ihm nicht an Außenposten zum Rekognosziren. Davie und dessen Mutter wären beständig auf der Wache, um Gefahr zu entdecken oder abzuwenden, und es sei sonderbar, was für sinnreiche Einfälle dem armen Narren der Instinkt der Anhänglichkeit da einstoße, wo die Sicherheit seines Gebieters in Frage komme.

Edward suchte jetzt eine Unterredung mit Janet. Er hatte sie auf den ersten Blick als das alte Weib wieder erkannt, das ihn während seiner Krankheit pflegte, als er von Gifted Gilsillan befreit worden war. Auch die Hütte, seitdem freilich etwas ausgebessert und stattlicher eingerichtet, war sicher der Ort seiner Haft, er erinnerte sich auch jetzt auf der Gemeinweide von Tully-Veolan eines alten Baumstumpfes, welcher der Gerichtsbaum genannt wurde, und ohne allen Zweifel derselbe war, bei welchem sich die Hochländer in jener denkwürdigen Nacht trafen. Das alles hatte er sich in der vergangenen Nacht zusammengesetzt, aber Gründe, welche der Leser wahrscheinlich errathen wird, hielten ihn ab, die alte Janet in der Gegenwart des Barons zu befragen. Jetzt begann er dagegen die Inquisition in vollem Ernste, und seine erste Frage lautete: »Wer war das junge Mädchen, das mich während meiner Krankheit besuchte?« Janet zögerte und sagte dann: »Das Geheimniß jetzt noch zu bewahren, würde niemand schaden oder nützen. Es war eine Lady,« sagte sie, »die ihresgleichen in der Welt nicht hat – Miß Rosa Bradwardine.«

»So war Miß Rosa wahrscheinlich auch die Urheberin meiner Befreiung?« fragte Waverley, entzückt durch die Bestätigung einer Vermuthung, welche die Umstände in ihm erweckt hatten.

»Ja, Herr Waverley, das war sie, aber sehr, sehr bös würde sie gewesen sein, das arme Ding, hätte sie geglaubt, daß Ihr je ein Wort von der Sache erführet. Denn sie hieß mich gälisch sprechen, damit Ihr glauben solltet, Ihr wäret im Hochland. Ich kanns gut genug sprechen, denn meine Mutter war eine Hochländerin.«

Noch einige weitere Fragen brachten das ganze Geheimniß von der Befreiung aus der Gefangenschaft heraus, in welcher Waverley Cairnvreckan verlassen hatte. Nie klang Musik süßer in eines Musikfreundes Ohr als das Geschwätz, mit welchem die alte Janet ihm alle näheren Umstände auseinandersetzte:

Als Waverley seinem Freunde Fergus den Brief mittheilte, den er von Rosa Bradwardine durch Davie Gellatley erhalten hatte, und durch den sie ihn benachrichtigte, daß Tully-Veolan von einem kleinen Kommando Soldaten besetzt sei, ergriff dieser Umstand den thätigen und erfindungsreichen Geist des Häuptlings. Begierig, die feindlichen Posten zu beunruhigen und sie abzuhalten, so sehr in seiner Nähe eine Garnison zu errichten, auch mit dem Wunsche, den Baron zu verpflichten (denn der Gedanke einer Heirat mit Rosa ging ihm oft durch den Kopf), beschloß er, einige seiner Leute abzusenden, um die Rothröcke zu vertreiben und Rosa nach Glennaquoich zu bringen. Aber eben als er Evan mit einer kleinen Abtheilung dazu den Auftrag gegeben hatte, zwang ihn die Nachricht, daß Cope in das Hochland eingerückt sei, um die Streitkräfte des Chevalier zu sprengen, noch ehe sie sich ganz gesammelt hätten, mit all seinen Leuten zu den Fahnen des Prinzen zu stoßen.

Er schickte einen Befehl an Donald Bean, ihn zu begleiten, aber dieser vorsichtige Freibeuter, welcher den Vortheil eines abgesonderten Kommandos sehr gut einsah, schützte, statt sich mit ihm zu vereinigen, mehrere Entschuldigungen vor, welche Fergus unter so dringenden Umständen als gültig annehmen mußte, obgleich nicht ohne den innern Vorsatz, für diese Verzögerung Rache zu nehmen, wenn Zeit und Ort dazu geeignet wären. Da er aber die Sache nicht ändern konnte, ertheilte er Donald den Befehl, in das Tiefland hinabzuziehen, die Soldaten aus Tully-Veolan zu vertreiben und seinen Aufenthalt irgendwo in der Nähe des Ortes zu nehmen, um des Barons Tochter und Familie zu beschützen und die bewaffneten Freiwilligen oder kleine Truppenabtheilungen, die er in der Nachbarschaft finden möchte, zu beunruhigen oder zu vertreiben.

Da dieser Befehl eine Art von Raubauftrag enthielt, nahm Donald sich vor, das Heu zu machen, während die Sonne schien. Ohne Schwierigkeiten vollzog er die Aufgabe, die Soldaten aus Tully-Veolan zu vertreiben, aber obgleich er es nicht wagte, in das Innere der Familie einzudringen oder Miß Rosa zu belästigen, da er sich nicht in der Armee des Chevaliers einen mächtigen Feind machen wollte, so trieb er doch von den Landleuten Kontributionen ein und benutzte auch auf andere Weise den Krieg zu seinem eigenen Vortheil. Zugleich steckte er die weiße Kokarde auf, machte Rosa Versicherungen inniger Anhänglichkeit an die Sache, in die ihr Vater verwickelt war, und entschuldigte sich wegen der Freiheiten, die er sich nehme, mit der Notwendigkeit, für den Unterhalt seiner Leute sorgen zu müssen. Um diese Zeit erfuhr Rosa durch den offenen Mund der Fama, mit allen Arten von Uebertreibungen, daß Waverley den Schmied von Cairnvreckan getödtet hätte, als dieser einen Versuch machte, ihn zu verhaften, daß der Major Melville von Cairnvreckan ihn in das Gefängniß hätte werfen lassen, und daß er durch Kriegsgesetz binnen drei Tagen hingerichtet werden sollte. In der Angst, welche diese Nachrichten ihr verursachten, forderte sie Donald Bean auf, den Gefangenen zu befreien. Das war ein Unternehmen, wie er es sich wünschte, da er glaubte, daß es ihm als ein hinlängliches Verdienst angerechnet werden würde, um einige kleine Sünden vergessen zu machen, die er sich in dem Lande hatte zu Schulden kommen lassen. Er besaß aber die Kunst, indem er Pflicht und Disciplin vorschützte, so lange zurückzuhalten, bis die arme Rosa sich in ihrer höchsten Angst erbot, ihm einige werthvolle Diamanten, welche ihrer Mutter gehört hatten, als Belohnung für die Unternehmung zu geben.

Donald Bean, der in Frankreich gedient hatte, kannte den Werth dieser Tändeleien und überschätzte ihn vielleicht noch. Aber er bemerkte auch Rosas Besorgniß, es könne herauskommen, daß sie sich zu Waverleys Befreiung ihrer Juwelen beraubt habe. Damit diese Rücksicht ihm den Schatz nicht entziehe, erbot er sich freiwillig zu einem Eide, nie zu erwähnen, welchen Antheil Rosa an der Sache gehabt hätte, und weil er Vortheil davon erwartete, den Eid zu halten, und keinen Nutzen von dem Bruche entdeckte, leistete er den Eid, wie er zu seinem Lieutenant sagte, um redlich gegen die junge Lady zu sein, auf die einzige Art und Weise, welche er, nach einem innern Vertrage mit sich selbst, als bindend betrachtete: Er beschwor das Geheimniß auf den gezogenen Dolch. Er wurde zu dieser Art der Eidesleistung noch besonders durch einige Aufmerksamkeiten bewogen, welche Miß Bradwardine gegen seine Tochter Alice zeigte, die das Herz der Hochlandsdirne gewannen und zugleich der Eitelkeit ihres Vaters schmeichelten. Alice, die jetzt ein wenig englisch sprach, war zur Vergeltung von Rosas Freundlichkeit sehr redselig, und vertraute ihr bereitwillig die sämmtlichen Papiere an, welche die Intrigue mit Gardiners Regiment betrafen, deren Depositärin sie war; und ebenso bereitwillig zeigte sie sich auf Rosas Bitten, ohne Wissen ihres Vaters diese Papiere dem jungen Waverley zurückzugeben. »Denn das kann die gute junge Lady und den schönen jungen Mann verpflichten,« sagte Alice, »und von welchem Nutzen kann meinem Vater das Pack alten Geschreibsels sein?«

Der Leser weiß, daß sie am Abend vor Waverleys Entfernung aus dem Thale die Gelegenheit ergriff, um diese Absicht auszuführen.

Wie Donald seinen Auftrag erfüllte, ist bereits bekannt. Aber die Vertreibung der Soldaten aus Tully-Veolan hatte Allarm gemacht, und während Donald auf Gilfillan lauerte, wurde eine starke Abtheilung, der er nicht die Spitze bieten mochte, abgesendet, die Insurgenten zurückzutreiben und hier zu lagern, um die Gegend zu beschützen. Der Offizier, ein Edelmann und strenger Soldat, drängte sich weder bei Miß Bradwardine ein, deren schutzlose Lage er ehrte, noch gestattete er seinen Leuten, die Disciplin auf irgend eine Art zu verletzen. Er errichtete ein kleines Lager auf einer Anhöhe in der Nähe von Tully-Veolan und ließ die Pässe der Nachbarschaft durch Posten besetzen. Diese unwillkommenen Nachrichten erreichten Donald Bean Lean, als er nach Tully-Veolan zurückkehrte. Entschlossen aber, den Preis seiner Arbeit zu gewinnen, nahm er sich vor, da es unmöglich war, Tully-Veolan selbst zu erreichen, seinen Gefangenen in Janets Hütte abzusetzen, einem Orte, dessen Existenz selbst viele von denen nicht ahnten, die lange in der Nachbarschaft gelebt hatten. Als dies geschehen war, forderte und erhielt er seinen Lohn. Waverleys Krankheit war dann ein Ereigniß, welches alle Berechnungen störte. Donald war gezwungen, mit seinen Leuten die Nachbarschaft zu verlassen und anderwärts ein freieres Gebiet zu seinen Unternehmungen zu suchen. Auf Rosas dringende Bitten ließ er einen ältern Mann zurück, einen Kräutersammler, dem man einige medizinische Kenntnisse zutraute, und der Waverley während seiner Krankheit pflegen sollte.

Während dessen stiegen neue und beängstigende Zweifel bei Rosa auf; sie wurden durch die alte Janet erweckt, welche darauf aufmerksam machte, daß ein Preis auf die Auslieferung Waverleys gesetzt worden sei, und daß man nicht wissen könnte, zu welchem Treubruch sein persönlicher Vortheil den Donald bewegen könne, um so mehr, als Waverleys Sachen so werthvoll waren. In einem Anfalle von Angst und Schrecken faßte Rosa den kühnen Entschluß, dem Prinzen selbst die Gefahr auseinanderzusetzen, in welcher sich Herr Waverley befand, indem sie glaubte, daß Karl Eduard sowohl als Politiker wie als Mann von Ehre ein Interesse daran haben würde, zu verhindern, daß er in die Gewalt der feindlichen Partei fiele. Diesen Brief wollte sie zuerst anonym absenden, aber ganz natürlich fürchtete sie, daß er in diesem Falle keinen Glauben finden würde. Sie unterzeichnete daher ihren Namen, obgleich nur widerstrebend und mit Angst, und übergab dann den Brief einem jungen Manne, der zu der Armee des Chevaliers ging, und der sie darum gebeten hatte, ihm ein Empfehlungsschreiben an den hohen Abenteurer mitzugeben, von dem er eine Anstellung zu erhalten hoffte. Den Brief erhielt Karl Eduard, als er nach dem Tiefland zog, und da er die politische Wichtigkeit erkannte, die es für ihn haben mußte, wenn man ihn als im Verkehr mit den englischen Jakobiten stehend ansah, so ließ er Donald Bean Lean die bestimmtesten Befehle ertheilen, Waverley, an Person und Eigenthum unverletzt, an den Gouverneur des Schlosses Doune abzuliefern. Der Freibeuter wagte es nicht, ungehorsam zu sein, denn die Armee des Prinzen stand jetzt so nahe, daß die Strafe augenblicklich hätte folgen können. Er war sowohl Politiker als Räuber und mochte die Gunst nicht in die Schanze schlagen, die er durch frühere geheime Dienste erworben hatte. So machte er aus der Noth eine Tugend und ertheilte seinem Lieutenant den Befehl, Edward nach Doune zu bringen, was, wie wir wissen, glücklich von statten ging. Der Gouverneur hatte den Auftrag, ihn als Gefangenen nach Edinburg zu senden, denn der Prinz fürchtete, daß Waverley, wenn er in Freiheit gesetzt würde, nach England zurückkehren möchte, ohne ihm die Gelegenheit zu einer persönlichen Unterredung zu geben. Hierin handelte er nach einem Rathe des Häuptlings von Glennaquoich, mit dem der Chevalier konferirt hatte, wie über Edwards Person zu verfügen sei, ohne ihm aber zu sagen, auf welche Art er den Ort seiner Haft erfahren hatte. Denn dies betrachtete Karl Eduard als das Geheimniß einer Dame, da er, obwohl Rosa ihren Brief in den vorsichtigsten und allgemeinsten Ausdrücken geschrieben und dabei gesagt hatte, daß lediglich die Rücksichten allgemeiner Menschenliebe sowie der Vortheil des Prinzen sie zu dem Schritte bewögen, dennoch aus der dringenden Art, wie sie den Wunsch aussprach, nicht als Vermittlerin erwähnt zu werden, die innige Theilnahme erkannte, welche sie an Waverleys Schicksal nahm. Diese richtige Vermuthung führte ihn indeß zu falschen Schlüssen, denn die Aufregung, welche Edward verrieth, als er sich in den Hallen von Holyrood Flora und Rosa näherte, wurde von dem Prinzen auf Rechnung der letzteren gesetzt, und er glaubte, daß des Barons Anordnung wegen der Erbfolge oder irgend solch ein Hinderniß ihrer Neigung im Wege sei. Das Gerücht verband freilich Waverley häufig mit Miß Mac-Ivor, aber der Prinz wußte, daß das Gerücht in dieser Beziehung sehr freigebig ist, und aufmerksam das Benehmen der Damen gegen Waverley beobachtend, zweifelte er nicht, daß der junge Engländer kein Interesse an Flora finde und von Rosa Bradwardine geliebt werde. Mit dem Wunsche, Waverley an seine Fahne zu fesseln und ihm zugleich einen Freundschaftsdienst zu erweisen, drang der Prinz dann zunächst in den Baron, seine Güter auf seine Tochter zu übertragen. Mr. Bradwardine stimmte ihm bei, aber die Folge war, daß Fergus augenblicklich seine doppelten Ansprüche auf eine Frau und eine Grafschaft vorbrachte, welche der Prinz, wie wir bereits wissen, zurückwies. Der Chevalier, fortwährend mit seinen eigenen verwickelten Angelegenheiten beschäftigt, hatte bisher noch keine Auseinandersetzung mit Waverley gesucht, so gern er es auch gewollt hatte. Nachdem sich aber Fergus erklärt hatte, sah er die Nothwendigkeit ein, gegen beide neutral zu bleiben, und hoffte, der Zwist, der jetzt dem Ausbruche nahe schien, würde bis nach Beendigung der Expedition ruhen. Als Fergus auf dem Marsche nach Derby, über die Ursache seines Streites mit Waverley befragt, angab, daß Edward seine Bewerbungen um Flora zurückzunehmen beabsichtige, sagte ihm der Chevalier offen, er hätte das Benehmen der Miß Mac-Ivor gegen Waverley beobachtet und sei überzeugt, Fergus urtheile Waverley gegenüber nach falschen Voraussetzungen, da dieser, wie er alle Ursache hätte zu glauben, Miß Bradwardine gegenüber gebunden sei. Der Streit, der darauf zwischen Edward und dem Häuptlinge erfolgte, wird dem Leser hoffentlich noch erinnerlich sein.

Als Janet die Hauptzüge dieser Schilderung beendigt hatte, gaben sie Waverley leicht den Faden, um durch die anderen Windungen des Labyrinthes zu gelangen, in das er sich verwickelt sah. Rosa Bradwardine verdankte er also das Leben, welches er jetzt für ihren Dienst in die Schanze zu schlagen bereit war. Einige Ueberlegung überzeugte ihn, daß es weit angenehmer sein würde, für sie am Leben zu bleiben, und daß sie, da er unabhängig war und Vermögen besaß, dieses entweder in einem fremden Lande oder in dem eigenen mit ihm theilen könnte. Das Vergnügen, mit einem Manne von dem hohen Werthe des Barons von Bradwardine, der auch von seinem Oheim, Sir Everard, so sehr geschätzt wurde, verwandt zu werden, war ebenfalls ein erfreulicher Gedanke, hätte noch etwas gefehlt, um die Verbindung wünschenswerth zu machen. Seine Eigenheiten, die während seines Glückes lächerlich erscheinen mußten, konnten bei dem Sonnenuntergange seines Glückes nur mit seinen edlen Zügen und seinem trefflichen Charakter in Einklang stehen, so daß sie ihn zwar originell aber nicht lächerlich erscheinen ließen.

Den Geist mit solchen Plänen zukünftigen Glückes beschäftigt, suchte Edward Klein-Veolan, die Wohnung des Amtmanns Duncan Macwheeble, auf.


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