Walter Scott
Waverley - So war's vor sechzig Jahren
Walter Scott

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Kapitel XLV.

Vorabend der Schlacht.

Obgleich die Hochländer rasch marschirten, war die Sonne doch schon im Untergehen, als sie auf den Rücken der Höhen gelangten, welche eine offene und weithin nördlich zur See sich erstreckende Ebene beherrschten, aus der die beiden kleinen Dörfer Seaton und Cockanzie und in ansehnlicher Entfernung das größere Preston liegen. Eine der niederen Straßen nach Edinburg durchschnitt diese Ebene, aus den Gehegen um Seaton-Haus hervortretend und bei dem Flecken oder Dorfe Preston wieder in die Defileen einer umschlossenen Gegend einlenkend. Auf diesem Wege wollte der englische General sich der Hauptstadt nähern, erstlich, weil er der bequemste für seine Kavallerie war, und dann, weil er wahrscheinlich meinte, daß er dadurch den Hochländern, welche in der entgegengesetzten Richtung von Edinburg kamen, direkt entgegengehen würde. Darin irrte er sich aber; das richtige Urtheil des Chevalier, oder derer, auf deren Rath er hörte, ließ den geraden Weg frei und besetzte die Höhen, von denen die Straße übersehen und beherrscht wurde.

Als die Hochländer die Höhen über der eben beschriebenen Ebene erreichten, wurden sie sogleich am Saume des Hügels in Schlachtordnung aufgestellt. Beinahe in demselben Augenblick trat die Vorhut der Engländer aus den Bäumen und Gebüschen um Seaton in der Absicht hervor, die Ebene zwischen der Höhe und dem Meere zu besetzen. Der Raum, welcher beide Armeen trennte, betrug nur etwa eine Viertelstunde in der Breite. Waverley konnte deutlich die Schwadronen der Dragoner, eine nach der andern, ihre Vedetten in der Front, aus den Defileen hervorkommen und sich auf der Ebene der Armee des Prinzen gegenüber formiren sehen. Ihnen folgte eine Batterie Feldartillerie, welche, als sie die Flanke der Dragoner erreichte, ebenfalls aufgestellt und gegen die Höhen gerichtet wurde. Der Marsch wurde durch drei oder vier Regimenter Infanterie fortgesetzt, die in offener Kolonne vorrückten, und deren Bajonettreihen wie eben so viele Hacken von Stahl aussahen, und deren Musketen wie Blitze funkelten, als sie auf ein gegebenes Signal ebenfalls in die Linie einrückten. Eine zweite Batterie und ein zweites Regiment Kavallerie schloß die lange Kolonne und bildeten den äußersten linken Flügel auf der Flanke der Infanterie, mit der Front nach Süden.

Während die englische Armee diese Evolutionen vornahm, zeigten die Hochländer gleichen Eifer zur Schlacht. Sobald die Clans auf der Höhe anlangten, die dem Feinde gegenüberlag, wurden sie in Schlachtordnung aufgestellt, so daß beide Armeen zu gleicher Zeit vollständig formirt waren. Als dies vollendet war, brachen die Hochländer in ein lautes Geschrei aus, das der Widerhall der Höhen hinter ihnen wiederholte. Die regelmäßigen Truppen, die sehr aufgeregt waren, erwiderten den Ruf durch Hohngeschrei und feuerten ein oder zwei Geschütze auf einen vorgeschobenen Posten der Hochländer ab. Diese zeigten großen Eifer, sogleich zum Angriff überzugehen. Evan Dhu führte gegen Fergus als Grund an, »daß der sidier ro zitterte wie ein Ei auf dem Stocke, und daß sie den Vortheil des Angriffs hätten, denn selbst eine Kuh könnte bergab angreifen«.

Aber das Terrain, welches die Hochländer zurückzulegen gehabt hätten, war zwar nicht von großer Ausdehnung, doch ungangbar, denn es war nicht nur sumpfig, sondern wurde auch von Mauern und der ganzen Länge nach von einem sehr breiten und tiefen Graben durchschnitten. Dies waren die Umstände, welche dem Musketenfeuer der regulären Truppen einen gewaltigen Vortheil gewährt haben würden, ehe die Schotten von ihren Schwertern, auf die sie besonders angewiesen waren, Gebrauch machen konnten. Die Autorität der Führer wurde daher dem Ungestüm der Hochländer entgegengesetzt, und nur einige Schützen sendete man von der Höhe hinab, mit den feindlichen Tiralleuren zu scharmützeln und das Terrain zu rekognosciren. Es zeigte sich jetzt ein militärisches Schauspiel von nicht gewöhnlichem Interesse, das sich nicht oft ereignen wird. Die beiden Armeen, so verschieden in Aussehen und Disciplin, aber jede in ihrer eigenthümlichen Kriegsweise so wohl geordnet, standen einander jetzt gegenüber, wie zwei Gladiatoren in der Arena, von denen jeder überlegt, wie er den Feind angreifen soll. Die kommandirenden Offiziere und der Generalstab beider Armeen konnten vor der Front ihrer Linien unterschieden werden, wie sie beschäftigt waren, mit Ferngläsern ihre beiderseitigen Bewegungen zu beobachten, Befehle abzusenden und Meldungen zu empfangen, welche durch Adjutanten und Ordonnanzoffiziere überbracht wurden. Diese verliehen dem Bilde dadurch ein eigenthümliches Leben, daß sie nach verschiedenen Richtungen galoppirten, als ob das Geschick des Tages von der Schnelligkeit ihrer Pferde abhinge. Der Raum zwischen den beiden Armeen wurde durch den theilweisen und unregelmäßigen Kampf einzelner Scharfschützen eingenommen, und dann und wann sah man einen Hut oder eine Mütze fallen, wenn ein Verwundeter von seinen Kameraden fortgetragen wurde. Dies aber waren nur unbedeutende Scharmützel, denn es sagte keiner von beiden Parteien zu, in dieser Richtung vorzurücken. In den benachbarten Dörfern zeigten sich die Bauern vorsichtig, als wollten sie den Ausgang des erwarteten Kampfes beobachten, und in nicht großer Entfernung sah man in der Bucht zwei Barkschiffe, deren Masten und Raaen mit weniger ängstlichen Zuschauern bedeckt waren.

Als diese furchtbare Pause eine kurze Zeit gewährt hatte, empfingen Fergus und ein anderer Häuptling den Befehl, mit ihren Clans gegen das Dorf Preston vorzurücken, um die rechte Flanke von Copes Armee zu bedrohen und ihn zu einer Aenderung seiner Position zu zwingen. Um diese Befehle vollziehen zu können, besetzte der Häuptling von Glennaquoich den Kirchhof von Tranent, der eine beherrschende Lage hatte, und, wie Evan Dhu bemerkte, ein passender Ort war für jeden, der das Unglück haben sollte, getödtet zu werden, und ein christliches Begräbniß begehrte. Diese Abtheilung aufzuhalten oder zu vertreiben, detachirte der englische General zwei Geschütze unter einer starken Kavallerieeskorte. Sie kamen so nahe, daß Waverley die Fahne der Schwadron deutlich erkennen konnte, die er früher kommandirt, daß er die Trompeten und die Kesselpauken dasselbe Signal zum Vorrücken geben hörte, dem er so oft gehorcht hatte. Er konnte auch das wohlbekannte Kommandowort in englischer Sprache und die ebenfalls wohlbekannte Stimme des Regimentskommandeurs hören, der ihm einst so viel Ehrfurcht eingeflößt. Gerade in diesem Augenblick sah er um sich und gewahrte die wilde Kleidung und das wilde Aussehen seiner Hochlandsverbündeten. Er hörte ihr Geflüster in einer ihm unverständlichen Sprache und blickte auf seinen eigenen Anzug, der dem so unähnlich war, den er von seiner Kindheit an getragen. Ach, er wünschte aus dem Zustande zu erwachen, der ihm in diesem Augenblicke als ein Traum, als ein sonderbarer, unnatürlicher Traum erschien.

»Guter Gott,« flüsterte er, »so bin ich denn wirklich ein Verräther gegen mein Vaterland, ein Abtrünniger von meiner Fahne, ein Feind Englands, meines Vaterlandes, wie der arme Sterbende sich ausdrückte?«

Ehe er noch seine Gedanken verbannen oder beschwichtigen konnte, war sein früherer Kommandeur, der zu rekognosciren beabsichtigte, deutlich erkennbar. »Jetzt kann ich ihn fassen,« sagte Callum, indem er vorsichtig den Lauf seines Gewehres über die Mauer erhob, hinter der er kaum sechszig Schritte entfernt verborgen lag.

Edward war zu Muthe, als sollte in seiner Gegenwart ein Vatermord begangen werden, denn das ehrwürdige graue Haar, das edle Gesicht des Veteranen erinnerten ihn an die kindliche Ehrfurcht, mit welcher seine Offiziere ihn betrachteten. Aber ehe er noch Halt sagen konnte, ergriff ein greiser Hochländer, der neben Callum Beg lag, seinen Arm. »Spare Deinen Schuß,« sagte der Seher, »seine Stunde ist noch nicht gekommen. Mag er sich vor morgen in Acht nehmen! – Ich sehe sein Sterbehemd auf seiner Brust!«

Callum, der anderen Rücksichten unzugänglich war, war es nicht dem Aberglauben. Er wurde blaß bei den Worten des Sehers oder Taishatr und zog sein Gewehr zurück. Oberst Gardiner, nichts ahnend von der Gefahr, der er entging, wendete sein Pferd um und ritt langsam zu der Front seines Regimentes zurück.

Während dieser Zeit hatte die reguläre Armee eine neue Frontstellung eingenommen, sie hatte den einen Flügel gegen das Meer gelehnt, den andern gegen das Dorf Preston, und da sich bei dem Angriffe dieser neuen Position ähnliche Schwierigkeiten boten, wurden Fergus und sein Detachement zu ihren früheren Posten zurückberufen. Dies rief eine entsprechende Aenderung in der Stellung des Generals Cope hervor, welche wieder parallel mit der Linie der Hochländer gewählt wurde. Unter diesen Manövern von beiden Seiten war der Tag beinahe hingegangen, und beide Armeen trafen Anstalten, die Nacht hindurch bei den herrschenden Umständen unter dem Gewehr zu bleiben, wo sie eben standen.

»Es wird heute Abend nichts gethan werden,« sagte Fergus zu seinem Freunde Waverley, »und ehe wir uns in unsere Plaids hüllen, laß uns sehen, was der Baron hinter der Front macht.« Als sie sich dem Posten desselben näherten, fanden sie den guten alten Offizier, der seine Nachtpatrouillen ausgeschickt und seine Posten aufgestellt hatte, damit beschäftigt, dem übrigen Theil seiner Leute den Abendsegen der bischöflichen Kirche vorzulesen. Seine Stimme war laut und kräftig, und obgleich die Brille auf seiner Nase und die Erscheinung des Saunders Saunderson, welcher in militärischer Tracht das Amt eines Küsters versah, etwas Komisches hatte, verliehen doch die gefährlichen Umstände, in denen sie sich befanden, das militärische Aeußere der Zuhörer, die hinter denselben gezäumten und gesattelten Pferde dem ganzen Gottesdienste etwas Feierliches und Eindrucksvolles.

»Ich habe heute gebeichtet, ehe Du aufwachtest,« flüsterte Fergus Waverley zu, »aber ich bin kein so strenger Katholik, um nicht in das Gebet dieses Mannes einzustimmen,«

Edward war der gleichen Meinung, und sie blieben, bis der Baron den Gottesdienst beendet hatte.

Als er das Buch zuschlug, sagte er: »Nun, Bursche, geht morgen mit wuchtigen Händen und leichtem Gewissen dran!« – Dann begrüßte er herzlich Mac Ivor und Waverley, welche ihn in Betreff ihrer Situation um seine Meinung baten. »Ei, ihr wißt wohl, daß Tacitus sagt, in rebus bellicis maxime dominatur Fortuna, was unserm Spruche gleich kommt: Glück entscheidet alles im Kriege. Aber glaubt mir, ihr Herren, der da ist kein Meister seines Handwerks. Er dämpft den Geist der armen Burschen, die er kommandirt, indem er sie in der Defensive hält, welche schon an und für sich Furcht oder Schwäche verräth. Da werden sie unter den Waffen liegen, so ängstlich und so unbehaglich, wie eine Kröte unter der Harke, wahrend unsere Leute morgen frisch und munter zum Gefecht sein werden. Gute Nacht jetzt. – Eines nur beunruhigt mich, aber wenn der morgende Tag glücklich vorübergeht, will, ich Euch deshalb zu Rathe ziehen, Glennaquoich.«

»Ich könnte beinahe auf Mr. Bradwardine die Charakteristik, die Heinrich von Fluellen gibt, anwenden,« sagte Waverley, indem er mit seinem Freunde dem Bivouak zuschritt:

»Zwar ist er nicht ganz nach modernem Schnitt,
Aber Werth und Muth bringt der ›Schotte‹ mit.«

»Er hat lange gedient,« entgegnete Fergus, »und man wundert sich zuweilen, so viel Unsinn mit so viel Verstand in ihm vereint zu finden. Ich möchte übrigens nur wissen, was ihn beunruhigen kann, wahrscheinlich etwas wegen Rosa. – Horch! Die Engländer stellen ihre Posten aus!«

Das Rasseln der Trommeln und der schneidende Ton der Pfeifen drang den Hügel herauf, erstarb, erschallte aufs neue und verstummte endlich. Dann hörte man die Trompeten und Kesselpauken der Kavallerie die schöne und wilde Kriegsweise spielen, welche das Signal zu diesem Theile des nächtlichen Dienstes gibt, und die endlich mit dem Winde in schrillen, traurigen Tönen verhauchte.

Die Freunde, welche jetzt ihren Posten erreicht hatten, blickten umher, ehe sie sich zur Ruhe niederlegten. Der westliche Himmel funkelte von Sternen, ein Frostnebel, der von dem Ozean aufstieg, bedeckte den östlichen Horizont und rollte in weißen Wolken über die Ebene hin, auf welcher die feindliche Armee bivouakirte. Ihre Vorposten waren bis zu dem großen Graben am Fuß der Höhe vorgeschoben und hatten an verschiedenen Stellen große Feuer angezündet, welche mit trübem Glänze durch den Nebel schimmerten, der sie umgab.

Die Hochländer lagen »dicht wie die Blätter in Balumbrosa« auf dem Saume des Hügels in tiefem Schlafe, bis auf die Schildwachen. »Wie viele von den braven Burschen werden vor morgen Abend noch fester schlafen, Fergus!« sagte Waverley mit einem unwillkürlichen Seufzer.

»Daran müßt Ihr nicht denken,« entgegnete Fergus, dessen Gedanken ganz kriegerisch waren. »Ihr dürft nur an Euer Schwert denken, und an den, von dem Ihr es erhieltet. Alle andern Betrachtungen sind jetzt zu spät.«

Mit dem Schlaftrunke, welcher in dieser unwiderleglichen Bemerkung lag, war Edward bemüht, den Tumult seiner widerstreitenden Gefühle einzulullen. Der Häuptling und er thaten ihre Plaids zusammen und machten sich so ein leidlich warmes Lager. Callum saß ihnen zu Häupten, denn es war sein Amt, unmittelbar die Person des Häuptlings zu bewachen und begann einen langen gälischen Trauergesang zu singen, eine langsame, eintönige Weise, welche sie, gleich dem fernen Rauschen des Windes, bald in Schlaf wiegte.


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