Walter Scott
Waverley - So war's vor sechzig Jahren
Walter Scott

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Kapitel XXXIV.

Ein Freiwilliger vor sechszig Jahren.

Als Major Melville den unwillkommenen Ton der Trommel hörte, öffnete er hastig eine Glasthür und trat auf eine Terrasse, welche sein Haus von der Landstraße trennte, von der die kriegerische Musik herausschallte. Waverley und dessen neuer Freund folgten ihm, obgleich er ihre Begleitung augenscheinlich nicht wünschte. Bald erblickten sie in einem feierlichen Marsche zuerst den Trommelmusikus, dann eine große Fahne, welche in vier Felder getheilt war, auf denen die Worte standen: »Covenant, Kirche, König, Königreiche!« Dem, welcher mit dem Tragen dieser Fahne geehrt wurde, folgte der Kommandeur der Abtheilung, ein magerer, schwarzer, streng aussehender Mensch von ungefähr sechszig Jahren. Der geistliche Stolz, der bei dem Wirthe des Armleuchters durch eine Art von hochmüthiger Heuchelei bemäntelt wurde, war in dem Gesichte dieses Menschen erhabener, doch echter und ganz entschiedener Fanatismus. Es war unmöglich, ihn anzusehen, ohne ihn in Gedanken in irgend eine merkwürdige Krisis zu versetzen, in welcher religiöser Eifer den Ausschlag gab. Ein Märtyrer auf dem Scheiterhaufen, ein Krieger in dem Felde, ein einsamer verbannter Wanderer, getröstet durch die Kraft und eingebildete Reinheit seines Glaubens unter allen irdischen Entbehrungen, vielleicht ein verfolgungssüchtiger Inquisitor, ebenso fürchterlich in der Macht wie unbeugsam im Mißgeschick – irgend eine dieser Rollen schien dem Charakter dieses Menschen zuzugehören. Neben diesen scharf geprägten Zügen innerer Kraft lag in der affektirten Bestimmtheit und Feierlichkeit seines Benehmens und seiner Rede etwas, was ans Spaßhafte grenzte, so daß man den Mr. Gilsillan nach der Stimmung des Beobachters, oder nach dem Lichte, in welchem er gerade erschien, fürchten, bewundern oder verlachen konnte. Seine Kleidung war die eines westländischen Bauern, von besserem Stoffe freilich als die der niederen Stände, aber in keiner Weise die herrschende Mode oder die des schottischen Adels irgend welcher Zeit nachahmend. Seine Waffen waren ein Schwert und Pistolen, welche, nach ihrem Aussehen zu urtheilen, schon den Aufstand von Pentland oder Bothwell-Bridge mitgemacht haben konnten. Als er dem Major Melville einige Schritte näher trat und feierlich, doch kaum merklich, seine schwerfällige mit einem überbreiten Rande versehene blaue Mütze berührte, um dem Major zu danken, der seinen kleinen goldbetreßten dreieckigen Hut höflich lüftete, konnte Edward sich des Gedankens nicht erwehren, er sehe einen von den Führern der ehemaligen Rundköpfe in Berathung mit einem Hauptmann Marlboroughs.

Die Abtheilung von etwa dreißig Bewaffneten, welche diesem begabtenIm Englischen heißt er Gifted Gilfillan Führer folgte, war ziemlich buntscheckig. Alle trugen gewöhnliche Tieflandskleidung von verschiedener Farbe, welche ihnen durch den Gegensatz zu ihren Waffen ein unregelmäßiges plebejisches Ansehen verlieh, denn das Auge ist einmal daran gewöhnt, beim Soldaten Gleichheit der Kleidung vorauszusetzen. Voran standen einige wenige, die allem Anscheine nach den Enthusiasmus ihres Führers theilten, Leute, die offenbar in einem Kampfe zu fürchten waren, in welchem ihr natürlicher Muth durch religiösen Eifer gesteigert wurde. Andere dagegen waren nicht wenig aufgeblasen und machten sich wichtig, weil sie Waffen trugen, was für sie etwas neues war; die übrigen, allem Anscheine nach ermüdet durch ihren Marsch, schleppten sich lautlos im Gliede fort oder entfernten sich heimlich von ihren Gefährten, um sich Erfrischungen zu verschaffen, wie die benachbarten Hütten und Bürgerhäuser sie gewährten.

»Sechs Grenadiere von Ligoniers Regiment,« dachte der Friedensrichter, indem er sich seiner eigenen militärischen Erfahrung erinnerte, »würden mit all diesen Burschen fertig werden.«

Er grüßte indeß Mr. Gilfillan höflich und fragte, ob er den Brief erhalten, den er ihm während seines Marsches zugeschickt, und ob er den Transport des darin erwähnten Staatsgefangenen bis Stirling, übernehmen könnte.

»Ja,« lautete die kurze Antwort des Cameronmannes mit einer Stimme, die aus dem tiefsten Innern seines Körpers herzukommen schien.

»Aber Eure Mannschaft, Mr. Gilfillan, ist nicht so stark, als ich erwartete,« sagte Major Melville.

»Einige der Leute,« entgegnete Gilfillan, »hatten Hunger und Durst unterwegs, und sie blieben zurück, bis ihre armen Seelen durch das Wort erfrischt würden.«

»Es thut mir leid,« entgegnete der Friedensrichter, »daß Ihr mit der Erfrischung Eurer Leute nicht bis Cairnvreckan gewartet habt; was aber mein armes Haus enthält, steht Leuten, die im Dienst sind, zu Befehl.«

»Nicht von fleischlicher Erfrischung sprach ich,« antwortete der Covenanter, indem er den Major mit geringschätzendem Lächeln betrachtete, »dennoch danke ich Euch; die Zurückbleibenden warteten aus den herrlichen Gottesmann Mr. Jabesh Rentowel, um seine Nachmittagspredigt zu Ende zu hören.«

»Und habt Ihr,« fragte der Major, »während die Rebellen auf dem Punkte stehen, sich über dieses Land zu ergießen, wirklich einen großen Theil Eurer Leute wegen einer Feldpredigt zurückgelassen?«

Gilsillan lächelte abermals geringschätzend und gab die indirekte Antwort: »So sind die Kinder dieser Welt in ihrer Art weiser als die Kinder des Lichts.«

»Da Ihr aber,« sagte der Friedensrichter, »diesen Herrn nach Stirling transportiren und ihn mit diesen Papieren den Händen des Gouverneurs Blackeney übergeben sollt, ersuche ich Euch, während Eures Marsches einige militärische Regeln zu beobachten; z. B. würde ich Euch rathen, Eure Mannschaft dichter zusammenzuhalten, so daß jeder seinen Vordermann deckt, statt sie wie eine Heerde Gänse laufen zu lassen. Zur Vermeidung eines Ueberfalles möchte ich Euch ferner rathen, aus Euren besten Leuten eine kleine Avantgarde zu bilden, mit einer Vedette zur Eröffnung des ganzen Marsches, so daß, wenn Ihr Euch einem Dorfe oder einem Walde nahet – aber,« unterbrach Major Melville sich selbst, »ich sehe, daß Ihr nicht auf mich hört, Mr. Gilfillan, und ich glaube daher, daß ich mir nicht die Mühe zu geben brauche, Euch noch etwas weiteres über diesen Gegenstand zu sagen. Ihr habt ohne Zweifel ein besseres Urtheil als ich über die zu treffenden Maßregeln; auf eines aber möchte ich Euch doch noch aufmerksam machen, daß Ihr diesen Herrn, Euren Gefangenen, weder mit Strenge noch mit Unhöflichkeit zu behandeln, ihn namentlich keinem andern Zwange zu unterwerfen habt, als den die Sicherheit erfordert.«

»Ich kenne meine Instruktion,« sagte Mr. Gilfillan, »die von einem würdigen Bekenner, dem Earl William von Glencairn, unterschrieben ist, und ich finde darin nichts davon, daß ich wegen meines Thuns Weisungen oder Befehle von dem Major William Melville in Cairnvreckan zu empfangen hätte.«

Mr. Melville wurde roth bis zu den wohlgepuderten Ohren, die unter seinen militärischen Seitenlocken hervorblickten, um so mehr, da er das Lächeln des Mr. Morton in demselben Moment bemerkte.

»Mr. Gilfillan,« erwiderte er mit einiger Schärfe, »ich bitte zehntausendmal um Verzeihung, daß ich einer Person von Eurer Wichtigkeit einen Rath zu ertheilen wagte; ich glaubte, da Ihr als Viehmäster aufgewachsen seid, wenn ich nicht irre, könnte es nichts schaden, wenn ich Euch an den Unterschied zwischen Hochländern und hochländischen Hornochsen erinnerte, und wenn Ihr zufällig mit irgend einem Manne zusammentrefft, der gedient hat und geneigt ist, mit Euch darüber zu sprechen, so glaube ich noch jetzt, daß es Euch keinen Schaden bringen würde, ihn anzuhören. Aber ich bin fertig und habe nur nochmals diesen Herrn sowohl Eurer Höflichkeit als Eurer Aufsicht zu empfehlen. – Herr Waverley, es thut mir wirklich leid, daß wir uns auf diese Weise trennen müssen, aber ich hoffe, wenn Ihr wieder in diese Gegend kommt, Gelegenheit zu finden, Euch Cairnvreckan angenehmer zu machen, als die Umstände mir es diesmal gestatteten.«

Mit diesen Worten schüttelte er unserm Helden die Hand.

Morton nahm ebenfalls herzlichen Abschied von ihm, und Waverley, der sein Pferd bestiegen hatte, welches ein Musketier am Zügel führte, während auf jeder Seite ein ganzes Glied marschirte, um seine Flucht zu hindern, rückte mit Gilfillan und dessen Abtheilung aus. Durch das kleine Dorf wurden sie von dem Geschrei der Kinder begleitet, welche riefen: »Ha, seht den Südlandsedelmann, der gehangen wird, weil er den langen Schmied John Mucklewrath angeschossen hat.


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