Walter Scott
Waverley - So war's vor sechzig Jahren
Walter Scott

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Kapitel LXI.

Was ist zunächst zu thun?

Es war Zwielicht, als sie in der Stadt ankamen, und nachdem Edward seine Gefährtin abgeschüttelt hatte und durch viele Straßen kreuz und quer gegangen war, um die Möglichkeit einer Nachspürung zu verhindern, nahm er einen Miethswagen und fuhr nach dem Hause des Obersten Talbot, in eine der Hauptstraßen von Westend. Durch den Tod von Verwandten hatte der Oberst seit seiner Heirat ein großes Vermögen geerbt, er besaß wichtige politische Verbindungen und lebte aus großem Fuß.

Waverley fand es anfangs schwer, Zutritt zu erhalten, doch wurde er endlich in ein Zimmer gewiesen, in welchem der Oberst bei Tafel saß. Lady Emily, deren reizendes Antlitz von ihrer Krankheit her noch etwas blaß war, saß ihm gegenüber. Sobald er Waverleys Stimme hörte, sprang er auf und umarmte ihn, »Frank Stanley, mein lieber Junge, wie gehts? – Emily, meine Liebe, das ist Stanley.«

Das Blut trat der Lady in die Wangen, als sie Waverley mit einer Mischung von Artigkeit und Herzlichkeit begrüßte, und ihre zitternde Hand und bebende Stimme verriethen, wie sehr sie erschrocken war. Es wurde indeß schnell wieder Essen aufgetragen, und wahrend Waverley sich erquickte, fuhr der Oberst fort: »Es wundert mich, Frank, daß Sie hergekommen sind. Die Aerzte sagten mir, für Ihren Zustand sei die Londoner Luft sehr nachtheilig. Sie hätten das nicht wagen sollen. Indeß bin ich erfreut, Sie zu sehen, und auch Emily ist es, obgleich ich fürchte, daß wir nicht darauf rechnen dürfen, Sie lange hier zu behalten.«

»Ein besonderes Geschäft führte mich her,« sagte Waverley.

»Das dachte ich wohl, aber ich werde nicht zugeben, daß Sie lange bleiben. Spontoon,« sagte er zu einem ältlichen Diener von militärischem Aussehen, »nimm diese Sachen weg und komm selbst, wenn ich klingele, keiner von der Dienerschaft soll mich stören, mein Neffe und ich, wir haben von Geschäften zu sprechen.«

Als der Diener sich entfernt hatte, rief der Oberst: »Um Gottes willen, Waverley, was führte Sie her? Es kann Ihnen das Leben kosten!«

»Theurer Herr Waverley, dem ich mehr verdanke, als sich je vergüten läßt,« sagte Lady Emily, »wie konnten Sie so unbesonnen sein?«

»Mein Vater – mein Oheim – dieser Paragraph –,« er überreichte dem Obersten Talbot das Zeitungsblatt.

»Wollte der Himmel, daß diese Schurken dazu verdammt wären, in ihren eigenen Pressen zu Tode gequetscht zu werden,« sagte Talbot. »Wie ich höre, kommen jetzt in der Stadt nicht weniger als ein Dutzend solcher Zeitungen heraus, und da ist es denn natürlich, daß sie Lügen ersinnen müssen, um Absatz zu finden. Es ist übrigens wahr, mein theurer Edward, daß Sie Ihren Vater verloren haben, was aber die Andeutung betrifft, daß er sich seine Lage zu Gemüth gezogen hätte, so ist die Wahrheit – es ist zwar hart, das zu sagen, aber es wird Sie von dem Gedanken einer schweren Verantwortlichkeit befreien – daß Herr Richard Waverley bei dieser ganzen Sache einen großen Mangel an Gefühl für Ihre Lage und die Ihres Oheims zeigte. Als ich ihn zuletzt sah, sagte er mir sehr heiter, da ich so gut wäre, für Sie zu sorgen, hätte er es für das beste gehalten, eine Unterhandlung für sich selbst anzuknüpfen, und durch Kanäle, die seine früheren Verbindungen ihm noch offen ließen, seinen Frieden mit der Regierung zu schließen.«

»Und mein Oheim, mein theurer Oheim?«

»Der ist in gar keiner Gefahr. Es ist freilich wahr,« dabei sah er nach dem Datum der Zeitung, »daß vor einiger Zeit ein albernes Gerücht der Art, wie es hier steht, in Umlauf war, aber es war durchaus falsch. Sir Everard ist nach Waverley-Haus gegangen, frei von jeder Sorge, als der um Sie, aber Sie selbst schweben in Gefahr; Ihr Name steht in jeder Proklamation, es sind Verhaftsbefehle gegen Sie erlassen. Wann und wie kamen Sie hier an?«

Edward erzählte seine Geschichte ganz ausführlich, nur unterdrückte er seinen Streit mit Fergus, denn er selbst war für die Hochländer eingenommen und wünschte deshalb nicht, dem Obersten bei dessen Nationalvorurtheil noch irgend welchen Vorwand zu gewähren.

»Sind Sie gewiß, daß es Ihres Freundes Glen Page war, den Sie bei Clifton todt sahen?«

»Ganz gewiß.«

»So ist der kleine Teufelsbub dem Galgen entgangen, der ihm im Gesicht geschrieben stand, obgleich er (zu Lady Emily sich wendend) recht hübsch war. Aber was Sie betrifft, Edward, so wünschte ich, daß Sie wieder nach Cumberland zurückgingen, oder vielmehr, daß Sie es nicht verlassen hätten, denn in allen Häfen sind die Schiffe mit Beschlag belegt, und es findet strenge Nachforschung nach den Anhängern des Prätendenten statt. Auch wird sich die Zunge des verwünschten Weibes rühren wie eine Mühlklapper, bis sie auf die eine oder die andere Weise herausbringt, daß der Kapitän Butler nur fingirt war.«

»So, wissen Sie etwas von meiner Reisegefährtin?« fragte Waverley.

»Ihr Mann war sechs Jahre lang mein Wachtmeister, sie war eine muntere Wittwe mit etwas Geld; er heiratete sie und avancirte, weil er ein guter Exerciermeister war. Ich muß Spontoon ausschicken, um zu sehen, was aus ihr geworden ist. Er wird sie schon bei den alten Regimentskameraden auffinden. Morgen müssen Sie wegen Ermüdung Ihr Zimmer hüten. Lady Emily wird Ihre Pflegerin sein, und Spontoon und ich Ihre Diener. Sie tragen den Namen eines nahen Verwandten von mir, den niemand von meiner jetzigen Dienerschaft sah, ausgenommen Spontoon, so daß also keine unmittelbare Gefahr vorhanden ist. Ich bitte Sie daher, haben Sie Kopfschmerzen, lassen Sie sobald als möglich Ihre Augenlider schwer werden, damit Sie auf die Krankenliste gesetzt werden können, und Du, Emily, laß für Frank Stanley ein Zimmer mit allen Bequemlichkeiten zurecht machen, die ein Kranker beansprucht.«

Am nächsten Morgen besuchte der Oberst seinen Gast. »Ich habe Ihnen einige gute Nachrichten zu bringen,« sagte er, »Ihr Ruf als Edelmann und Offizier ist von der Anklage vernachlässigter Pflicht und Theilnahme an der Meuterei unter Gardiners Dragonern gereinigt. Ich habe darüber einen Briefwechsel mit einem sehr eifrigen Freunde von Ihnen geführt, Ihrem schottischen Pfarrer Morton; sein erster Brief war an Sir Everard gerichtet, aber ich befreite den guten Baronet von der Mühe, ihm zu antworten. Sie müssen wissen, daß Ihr freibeuterischer Bekannter, Donald von der Höhle, endlich in die Hände der Philister gefallen ist. Er trieb das Vieh eines Gutsbesitzers fort, der Killan oder ungefähr so heißt.«

»Killancureit?«

»Richtig. – Der scheint nun ein großer Landwirth gewesen zu sein und eine besondere Vorliebe für seine Rindviehzucht gehabt zu haben, da er außerdem noch sehr schüchterner Natur ist, hatte er eine starke Abtheilung Soldaten auf seinem Gute, um sein Eigenthum zu schützen. Donald steckte daher, ohne es zu ahnen, seinen Kopf in den Rachen des Löwen, wurde besiegt und gefangen genommen. Zur Hinrichtung verurtheilt, bestürmte ihn auf der einen Seite ein katholischer Priester und auf der andern Ihr Freund Morton. Er wies den Katholiken hauptsächlich wegen der Lehre der letzten Oelung zurück, was der ökonomische Herr als übermäßige Oelverschwendung tadelte. So fiel also seine Bekehrung dem Herrn Morton zu, der sich seines Auftrages vortrefflich entledigte, obgleich ich vermuthe, daß Donald nach allem doch nur ein Christ mit manchem Deficit geworden ist. Er gestand jedoch in Gegenwart eines Beamten, eines Friedensrichters und des Major Melville, der ein sehr genauer und freundlicher Herr zu sein scheint, seine ganze Intrigue mit Houghton, setzte genau auseinander, wie sie geleitet wurde, und sprach Sie von der Theilnahme daran frei. Er erwähnte auch Ihrer Rettung durch ihn aus den Händen des Offiziers der Freiwilligen, sowie daß er Sie auf Befehl des Prät–, des Chevaliers, meine ich, als Gefangenen nach Doune schickte, von wo Sie, wie er hörte, als Gefangener nach Edinburg gebracht wurden. Das sind Dinge, die nur zu Ihrem Vortheil sprechen können. Er deutete an, daß er beauftragt worden sei, Sie zu befreien und zu beschützen, und daß er dafür Belohnung empfing, er wollte aber nicht gestehen von wem, und sagte, er würde sich kein Gewissen daraus gemacht haben, einen gewöhnlichen Eid zu brechen, um die Neugier des Herrn Morton zu befriedigen, dessen frommen Ermahnungen er so viel verdankte, aber er hätte den Eid des Stillschweigens auf die Schneide seines Dolches abgelegt, und der schien seiner Meinung nach unverletzlich zu sein.«

»Und was ist aus ihm geworden?«

»Er wurde in Stirling, nachdem die Rebellen die Belagerung aufgehoben hatten, mit seinem Lieutenant und noch vier andern Plaids gehangen, doch wurde ihm die Ehre eines höheren Galgens als seinen Freunden zu Theil.«

»Ich habe wenig Ursache, mich über seinen Tod zu freuen oder zu betrüben, und doch hat er mir viel Gutes und viel Böses gethan.«

»Sein Geständniß wenigstens wird Ihnen wesentlich nützen, da es Sie von dem Verdachte reinigt, der der Anklage gegen Sie eine ganz andere Natur verleiht als die ist, welche man gegen so manchen andern unglücklichen Edelmann, der jetzt oder früher die Waffen gegen die Regierung ergriff, mit Recht erheben kann. Ihr Verrath, ich muß der Sache den Namen geben, obgleich Sie die Schuld theilen, ist eine Handlung, die aus mißverstandener Tugend entsprang, und deshalb nicht als Schande betrachtet werden kann, obgleich sie ohne Zweifel verbrecherisch ist. Wo die Strafbaren so zahlreich sind, muß Gnade für die bei weitem größere Menge walten, und ich zweifle nicht daran, daß ich Ihre Begnadigung erwirken werde, wenn es Ihnen gelingt, sich fern von den Klauen der Justiz zu halten, bis diese ihre Opfer gewählt und sich an ihnen gesättigt hat, denn in diesem wie in anderen Fällen gilt das Sprichwort: zuerst gekommen, zuerst bedient. Ueberdies wünscht die Regierung in dem gegenwärtigen Augenblicke die englischen Jakobiten einzuschüchtern, unter denen sich nicht viele Beispiele zur Bestrafung bieten. Dies ist ein rachsüchtiges und ängstliches Gefühl, welches bald verschwinden wird, denn von allen Nationen ist die englische ihrer Natur nach am wenigsten blutdürstig, jetzt aber besteht dieses Gefühl noch, und Sie müssen daher zunächst aus dem Wege gehalten werden.«

Spontoon trat jetzt mit einem besorgten Gesichte ein. Durch seine Regimentsbekanntschaften hatte er Madame Nosebag ausfindig gemacht und sie voll Feuer und Zorn, Lärmen und Toben gefunden, einen Betrüger zu entdecken, der unter dem angenommenen Namen des Kapitän Butler von den Gardinerdragonern vom Norden mit ihr hergereist wäre. Sie stand im Begriffe, ein Signalement seiner Person abzugeben, um ihn als einen Abgeordneten des Prätendenten aussuchen zu lassen; Spontoon aber brachte sie dahin, die Ausführung dieses Vorsatzes, den er übrigens vollkommen zu billigen schien, noch zu verzögern. Es war keine Zeit zu verlieren, die Genauigkeit ihrer Personalbeschreibung konnte leicht zu der Entdeckung führen, daß Waverley der falsche Kapitän Butler gewesen sei, eine Entdeckung, die viel Gefahr für Edward, wahrscheinlich auch für Sir Everard und vielleicht auch für den Obersten Talbot hatte. Wohin sich jetzt wenden, das war daher die Frage.

»Nach Schottland,« sagte Waverley.

»Nach Schottland?« erwiderte der Oberst. »In welcher Absicht? Hoffentlich doch nicht, um wieder zu den Rebellen zu gehen?«

»Nein. Ich betrachtete meinen Feldzug für beendet, als ich des Chevaliers Truppen trotz meiner Bemühungen nicht wieder erreichen konnte, und jetzt wollen sie nach allen Berichten einen Winterfeldzug in dem Hochlande führen, wo ihnen jeder Anhänger wie ich eher lästig als nützlich sein wird. Es ist mir in der That wahrscheinlich, daß sie den Krieg nur verlängern, um die Person des Chevaliers außer Gefahr zu bringen und dann für sich selbst einige Bedingungen zu erlangen. Ein weiterer Grund ist, die Wahrheit zu gestehen, wenn ich dadurch vielleicht auch in Ihrer Meinung verliere, daß ich des Kriegshandwerks herzlich müde bin und dieses Fechtens so überdrüssig, wie Fletchers humoristischer Lieutenant.«

»Des Fechtens? Pah! Was haben Sie denn gesehen als ein Scharmützel oder zwei? Ja, wenn Sie noch den Krieg in großem Maßstäbe gesehen hätten, sechszig- oder hunderttausend Mann auf jeder Seite des Schlachtfeldes.«

»Ich bin durchaus nicht neugierig, Oberst. Genug, sagt bei uns ein Sprichwort, ist so gut wie ein Festmahl. Die Reiterei mit wallendem Federbusch und der gewaltige Krieg bezauberten mich in der Poesie, aber die Nachtmärsche, die Wachen, das Lagern unter dem winterlichen Himmel und alle solche Nebendinge des glorreichen Standes sind in der Praxis gar nicht nach meinem Geschmacke. Was die bloßen Hiebe betrifft, so hatte ich mein Theil des Fechtens bei Clifton, wo ich ein halbes Dutzend Mal nur eben davon kam, und Sie, sollte ich meinen –«

»Ich bekam genug bei Preston, wollten Sie sagen?« antwortete der Oberst lachend, »doch das ist mein Beruf, Heinz.«

»Aber meiner ist es nicht,« sagte Waverley, »und da ich auf ehrenvolle Weise das Schwert ablegte, das ich nur als Freiwilliger zog, bin ich mit meiner militärischen Erfahrung vollkommen zufrieden und will mich durchaus nicht übereilen, es wieder zu ergreifen.«

»Ich bin sehr erfreut, Sie so sprechen zu hören, aber was wollen Sie denn im Norden?«

»Zuerst sind an der östlichen Küste von Schottland noch einige Häfen in den Händen von den Freunden des Chevaliers; könnte ich einen derselben erreichen, so würde es mir leicht werden, mich nach dem Kontinente einzuschiffen.«

»Gut – Ihr zweiter Grund?«

»Die Wahrheit zu gestehen, gibt es in Schottland eine Person, von der, wie ich jetzt finde, mein Glück mehr abhängt, als ich bisher glaubte, und um deren Lage ich sehr besorgt bin.«

»Also hat Emily Recht, daß doch eine Liebesgeschichte dabei im Spiele sei? – Und welche der beiden reizenden schottischen Mädchen, die ich durchaus bewundern sollte, ist denn die auserwählte Schöne? Doch nicht Miß Glen – will ich hoffen.«

»Nein.«

»Die andere mag passiren; Einfalt kann gebessert werden, doch Stolz und Dünkel nie. Nun, ich entmuthige Sie nicht, nach dem was Sir Everard sagte, als ich mit ihm über die Sache scherzte, wird sie ihm gefallen, nur hoffe ich, daß der unerträgliche Papa mit seiner Lehnspflicht und seinem Schnupftabak und seinem Latein und seinen unleidlich langen Geschichten von dem Herzog von Berwick es für die Folge nothwendig finden wird, im Ausland zu wohnen. Was die Tochter betrifft, so glaube ich wohl, daß Sie eine eben so passende Partie in England gefunden hätten, aber wenn Ihr Herz wirklich an dieser schottischen Rosenknospe hängt, so hat der Baronet eine große Meinung von ihrem Vater und dessen Familie, und wünscht sehr, Sie verheiratet zu sehen, sowohl wegen Ihnen selbst, als wegen der drei laufenden Hermeline, die sonst davon laufen möchten. Doch da Sie ihm jetzt nicht schreiben können, will ich Ihnen seine Meinung von dieser Angelegenheit mündlich überbringen, denn ich denke, Sie werden nicht lange vor mir in Schottland sein.«

»Wirklich! und was kann Sie bewegen, an eine Rückkehr nach Schottland zu denken? Doch hoffentlich nicht eine Sehnsucht nach dem Lande der Felsen und Wasserfälle?«

»Nein, auf mein Wort nicht, aber Emilys Gesundheit ist jetzt Gott sei Dank wieder hergestellt, und Ihnen die Wahrheit zu sagen, habe ich wenig Hoffnung, die Angelegenheit, die mir jetzt am meisten am Herzen liegt, zu Ende zu bringen, wenn ich nicht eine persönliche Unterredung mit Sr. königl. Hoheit dem Generalissimus haben kann. Denn wie Fluellen sagt: der Herzog liebt mich sehr, und ich habe Gott sei Dank einige Liebe von ihm verdient. – Ich gehe jetzt auf eine oder zwei Stunden aus, um alles zu Ihrer Abreise vorzubereiten; Ihre Freiheit erstreckt sich bis auf das nächste Zimmer, Lady Emilys Wohnzimmer, wo Sie sie selbst finden, wenn Sie Neigung für Musik, Lektüre oder Unterhaltung verspüren. Wir haben Maßregeln getroffen, alle Diener fern zu halten, ausgenommen Spontoon, und der ist treu wie Gold.«

Nach zwei Stunden kehrte Oberst Talbot zurück und fand seinen jungen Freund im Gespräch mit seiner Frau; ihr gefiel sein Wesen und seine Kenntnisse, und er war entzückt, wenn auch nur für einen Augenblick in die Gesellschaft zurückgeführt zu sein, der er angehörte.

»Und nun,« sagte der Oberst, »hört meine Anordnungen, denn es ist wenig Zeit zu verlieren. Dieser Jüngling, Edward Waverley, alias Williams, alias Kapitän Butler, muß in Zukunft bei seinem vierten alias Frank Stanle bleiben und meinen Neffen vorstellen. Er reist morgen nach dem Norden, und unsere Kalesche bringt ihn die beiden ersten Stationen. Spontoon soll ihn dann begleiten, und sie reiten mit Postpferden bis Huntingdon. Da Spontoon auf dem ganzen Wege als mein Diener bekannt ist, wird dies alle Fragen abschneiden. In Huntingdon werden Sie den wirklichen Frank Stanley treffen. Er studiert in Cambridge. Da Emilys Gesundheitszustand es mir vor einiger Zeit zweifelhaft machte, ob ich selbst würde nach dem Norden gehen können, verschaffte ich ihm von dem Staatssekretariate einen Paß, um ihn statt meiner gehen zu lassen. Er sollte hauptsächlich nach Ihnen sehen, und so ist seine Reise jetzt unnöthig geworden. Er kennt Ihre Geschichte; Sie werden in Huntingdon zusammen essen, und vielleicht sinnen eure weisen Köpfe einen Plan aus, die Gefahren der Weiterreise zu verhindern oder zu verringern. Und jetzt,« dabei nahm er seine Brieftasche heraus, »lassen Sie mich Ihnen die nöthigen Gelder zu Ihrem Feldzuge einhändigen.«

»Ich bin beschämt, mein theurer Oberst –«

»Nein,« sagte Oberst Talbot, »Sie sollen unter allen Umständen über meine Börse gebieten, doch dies Geld ist Ihr eigenes. Ihr Vater, der die Möglichkeit annahm, daß Sie ergriffen würden, machte mich zu seinem Schatzmeister. Sie sind also jetzt 15,000 Pfund Sterling werth, noch außer Brerewood-Lodge, und also eine ganz unabhängige Person, jede größere Summe oder Kredit im Auslande sollen Sie haben, sobald Ihre Lage es verlangt.«

Der erste Gebrauch, den Waverley von den erworbenen Reichthümern machte, war, daß er an den ehrlichen Pachter Jobson schrieb und ihn bat, einen silbernen Deckelkrug von seinem Freunde Williams anzunehmen, welcher die Nacht des 16. Dezember noch nicht vergessen hätte. Er bat ihn zugleich, für ihn sorgfältig die Hochlandskleider und alles übrige aufzuheben, besonders aber die Waffen, die an und für sich selbst werthvoll wären, und denen die Freundschaft der Geber noch einen besonderen Werth verleihe. Lady Emily übernahm es, ein passendes Andenken zu besorgen, welches der Eitelkeit der Mistreß Williams schmeicheln und ihrem Geschmacke gefallen könnte, und der Oberst, der eine Art von Oekonom war, versprach, dem Ulswater Patriarchen ein ausgezeichnetes Gespann Pferde für Karren und Pflug zu schicken.

Einen glücklichen Tag brachte Waverley in London zu, und dann in der beschriebenen Weise reisend, traf er mit Stanley in Huntingdon zusammen. Die jungen Leute waren in einer Minute mit einander bekannt.

»Ich kann meines Oheims Räthsel lösen,« sagte Stanley. »Der vorsichtige alte Kriegsmann wollte mir nicht schreiben, daß ich Ihnen den Paß einhändigen möchte, den ich jetzt nicht mehr brauchen kann, käme es aber später als der tolle Streich eines Studenten heraus, cela ne tire à rien. Sie müssen daher mit diesem Passe Frank Stanley sein.« Dieser Vorschlag schien in der Tat einen großen Teil der Schwierigkeiten zu beseitigen, auf welche Edward sonst überall gestoßen sein würde, und er machte sich kein Gewissen daraus, ihn anzunehmen, zumal seine gegenwärtige Reise durchaus keinen politischen Zweck hatte. Der Tag verging heiter. Der junge Student fragte nach Waverleys Feldzügen und den Sitten des Hochlandes, und Edward machte sich ein Vergnügen daraus, seine Neugier dadurch zu befriedigen, daß er ihm einen Pibroch pfiff, einen Strathspey tanzte und ein Hochlandlied sang. Am nächsten Morgen ritt Stanley eine Station weit mit seinem neuen Freunde und trennte sich von ihm nur mit großem Widerstreben und auf die Vorstellungen Spontoons, der daran gewohnt, sich der militärischen Disziplin zu unterwerfen, selbst streng auf ihre Befolgung hielt.


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