Walter Scott
Waverley - So war's vor sechzig Jahren
Walter Scott

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Kapitel XXV.

Die Erklärung.

Der Wink, den der Häuptling wegen Flora hingeworfen hatte, war nicht ohne Vorbedacht. Er hatte mit großer Zufriedenheit die wachsende Neigung Waverleys für seine Schwester bemerkt und sah kein Hindernis ihrer Verbindung, ausgenommen die Stellung, welche Waverleys Vater in dem Ministerium einnahm, und Edwards eigene Anstellung in der Armee Georgs II. Diese Hindernisse waren jetzt gehoben, und zwar auf eine Weise, welche augenscheinlich dem Sohne den Weg bahnte, sich mit einem andern Bündnisse auszusöhnen. In jeder andern Beziehung war die Verbindung sehr wünschenswert. Die Zukunft, das Glück und die ehrenvolle Versorgung seiner Schwester, die er herzlich liebte, schienen durch diese Heirat sicher gestellt, und sein Herz schwoll, wenn er bedachte, wie sehr in den Augen des Exmonarchen, dem er seine Dienste geweiht hatte, seine eigene Wichtigkeit durch eine Verbindung mit einer der ältesten, mächtigsten und reichsten Familien Englands von alter ritterlicher Treue erhöht werden musste, deren geschwundene Anhänglichkeit für die Familie der Stuarts neu anzufachen jetzt eine Lebensfrage für die Sache der Stuarts war. Auch konnte Fergus kein Hindernis für einen solchen Plan entdecken. Waverleys Liebe war unverkennbar, sein Äußeres war gefällig, seine Neigungen stimmten mit denen Floras überein, er erwartete also von ihr keinen Widerspruch. Bei seinen Begriffen von patriarchalischer Macht und denen, welche er in Frankreich in Beziehung auf Verfügung über weibliche Mitglieder in Eheangelegenheiten angenommen hatte, würde ein Widerspruch seiner Schwester, so theuer ihm diese war, auch das geringste Hindernis; gewesen sein, auf das er gerechnet hätte, wäre selbst die Verbindung weniger wünschenswerth gewesen. Geleitet durch diese Gefühle führte der Häuptling Waverley jetzt zu Miß Mac-Ivor, nicht ohne Hoffnung, daß die gegenwärtige Aufregung seines Gastes ihm den Muth geben würde, das kurz abzubrechen, was Fergus den Roman des Hofmachens nannte. Sie fanden Flora nebst ihren schönen Begleiterinnen Una und Cathleen beschäftigt mit Zurüstungen, die Waverley für Brautgeschenke hielt. Er verhehlte so gut als möglich die Aufregung seines Gemüthes und fragte, zu welcher fröhlichen Veranlassung Miß Mac-Ivor so reichliche Anstalten treffe?

»Für Fergus' Brautfest,« sagte sie lächelnd.

»Wirklich!« rief Edward. »Er hat sein Geheimniß wohl bewahrt. Ich hoffe, er wird mir gestatten, sein Brautführer zu sein.«

»Das ist eines Mannes Amt, doch nicht das Eure, wie Beatrice sagt,« entgegnete Flora.

»Und wer ist die schöne Braut, wenn ich fragen darf, Miß Mac-Ivor?«

»Sagte ich Euch nicht längst schon, daß Fergus um keine andere Braut freit als um die Ehre?« antwortete Flora.

»Und bin ich denn unfähig, sein Beistand und Rathgeber auf der Bahn der Ehre zu sein?« fragte unser Held, dunkel errötend. »Stehe ich in Eurer Meinung so tief?«

»Weit davon entfernt, Kapitän Waverley, wollte Gott, daß Ihr unsere Meinung theiltet! Ich brauchte den Ausdruck, der Euch mißfiel, nur, weil

Ihr doch nicht steht auf unsrer Seite – Nein, offenbar im Widerstreite.«

»Die Zeit ist vorüber, Schwester,« sagte Fergus, »und Du kannst Edward Waverley – nicht mehr Kapitän – Glück dazu wünschen, daß er von der Sklaverei eines Usurpators befreit ist, welche durch dies schwarze Zeichen von böser Vorbedeutung ausgedrückt wurde.«

»Ja,« sagte Waverley, die Kokarde von seinem Hute nehmend, »es hat dem Könige, der mir dies Zeichen verlieh, gefallen, es auf eine Weise zurückzunehmen, welche mir wenig Veranlassung gibt, meine Entlassung zu beklagen.«

»Gott sei Dank!« rief die Begeisterte, »und möchten sie blind genug sein, jeden Ehrenmann, der ihnen dient, eben so unwürdig zu behandeln, damit ich weniger zu seufzen habe, wenn der Kampf beginnt.«

»Und jetzt, Schwester,« fuhr der Häuptling fort, »ersetze diese Kokarde durch eine von freundlicherer Farbe. Ich denke, es war vor Zeiten die Art der Damen, ihre Ritter auszurüsten und zu hohen Thaten auszusenden.«

»Doch nicht eher,« erwiderte die Lady, »als bis der Ritter die Gerechtigkeit und Gefahr der Sache wohl erwogen hat, Fergus. Herr Waverley ist jetzt zu sehr durch die neuesten Ereignisse aufgeregt, als daß ich ihn dringen könnte, einen Entschluß von so wichtigen Folgen zu fassen,«

Waverley fühlte sich halb beunruhigt bei dem Gedanken, zu dem überzutreten, was die Mehrzahl der Bewohner des Königreiches als Rebellion betrachtete, aber dennoch vermochte er nicht, seinen Kummer über die Kälte zu verhehlen, mit welcher Flora ihres Bruders Wink abwehrte. »Wie ich sehe,« sagte er etwas bitter, »hält Miß Mac-Ivor den Ritter ihrer Ermuthigung und Gunst für unwerth.«

»Das nicht, Herr Waverley,« entgegnete sie mit viel Freundlichkeit. »Weshalb sollte ich meines Bruders geehrtem Freunde eine Gabe verweigern, welche ich unter seinen ganzen Elan vertheile? Gern würde ich jeden Mann von Ehre für die Sache anwerben, der mein Bruder sich gewidmet hat. Aber Fergus traf seine Maßregeln mit offenen Augen. Sein Leben war von der Wiege an dieser Sache geweiht; für ihn ist ihr Anspruch ein heiliger und forderte er selbst seinen Jod. Aber wie kann ich wünschen, daß Ihr, Herr Waverley, so neu in der Welt, so fern von jedem Freunde, jedem Einflüsse, der Euch leiten darf, und noch dazu in einem Augenblicke der Gereiztheit und des Unwillens, Euch plötzlich in eine so verzweifelte Unternehmung stürzet?«

Fergus, der dieses Zartgefühl nicht faßte, schritt im Zimmer auf und ab, biß sich auf die Lippen und sagte endlich mit gezwungenem Lächeln: »Gut, Schwester, ich überlasse Dich Deiner neuen Rolle als Vermittlerin zwischen dem Kurfürsten von Hannover und den Unterthanen Deines gesetzmäßigen Herrschers und Wohlthäters.« Und damit verließ er das Gemach.

Es entstand eine peinliche Pause, welche endlich Miß Mac-Ivor brach. »Mein Bruder ist ungerecht,« sagte sie, »weil er keine Unterbrechung zu ertragen vermag, die seinen edlen Eifer zu hemmen scheint.«

»Und theilt Ihr seinen Eifer nicht?« fragte Waverley.

»Ob ich ihn theile?« entgegnete Flora. »Gott weiß, daß der meinige den seinigen übertrifft, wenn das möglich wäre. Aber ich bin nicht gleich ihm durch den Lärm kriegerischer Rüstungen und alle die Einzelnheiten, die zu der gegenwärtigen Unternehmung nöthig find, gehindert, die großen Grundzüge der Gerechtigkeit und Wahrheit in Erwägung zu ziehen, auf die unser Beginnen gegründet ist, und diese können nur durch Maßregeln gefördert werden, welche an sich gerecht und offen sind. Auf Eure gegenwärtigen Gefühle zu wirken, lieber Waverley, Euch zu einem unwiderruflichen Schritte zu veranlassen, dessen Gerechtigkeit und Gefahren Ihr nicht geprüft habt, das ist meinem beschränkten Urtheile nach weder offen, noch wahr.«

»Unvergleichliche Flora!« sagte Edward, ihre Hand ergreifend, »wie sehr bedarf ich eines solchen Rathgebers.«

»Einen viel bessern,« entgegnete Flora, indem sie sanft ihre Hand zurückzog, »wird Herr Waverley stets in seinem eigenen Busen finden, wenn er der leisen Stimme desselben Muße läßt, sich Gehör zu verschaffen.«

»Nein, Miß Mac-Ivor, das darf ich nicht hoffen, tausend Umstände verderblicher Selbstleitung haben mich mehr zu dem Geschöpfe der Einbildungskraft als des Verstandes gemacht. Dürfte ich nur hoffen, könnte ich nur denken, daß Ihr der innige, herablassende Freund sein wolltet, welcher mir die Kraft verliehe, meine Irrthümer zu sühnen, so würde mein zukünftiges Leben –«

»Still, lieber Herr! Ihr treibt jetzt Eure Freude, den Händen eines jakobitischen Werbeoffiziers entgangen zu sein, zu einem unverhältnißmäßigen Uebermaß der Dankbarkeit.«

»Nein, theure Flora, scherzt nicht länger mit mir, Ihr könnt den Sinn der Gefühle nicht verkennen, die ich fast unwillkürlich ausgesprochen habe, und da ich die Scheidewand des Schweigens niederriß, laßt mich meine Kühnheit benutzen. – Oder darf ich mit Eurer Erlaubniß Eurem Bruder sagen –«

»Nicht um die Welt, Waverley.«

»Wie soll ich das verstehen?« sagte Edward. »Besteht irgend ein verhängnißvolles Hinderniß, eine frühere Neigung –«

»Keines, mein Herr,« antwortete Flora. »Ich bin es mir selbst schuldig, zu sagen, daß ich noch nie den Mann sah, an den ich mit Beziehung auf diesen Punkt dachte,«

»Die Kürze unserer Bekanntschaft vielleicht, wenn Miß Mac-Ivor mir Zeit gönnen wollte –«

»Ich habe nicht einmal diese Entschuldigung. Herrn Waverleys Charakter ist so offen, ist – kurz, er ist solcher Art, daß er sich nicht verkennen läßt, weder in seiner Stärke, noch in seiner Schwache.«

»Und wegen dieser Schwäche verwerfet Ihr mich?« sagte Edward.

»Verzeiht mir, Waverley, und bedenkt, daß bis zu der letzten halben Stunde zwischen uns eine für mich unübersteigliche Scheidewand bestand; denn an einen Offizier im Dienste des Kurfürsten von Hannover konnte ich nie anders denken, als wie an eine zufällige Bekanntschaft. Erlaubt mir daher, meine Gedanken in Bezug auf eine so unerwartete Aufgabe zu ordnen, und in einer halben Stunde will ich bereit sein, für den Entschluß, den ich ausspreche, Gründe anzugeben, die Euch genügend, wenn auch vielleicht nicht angenehm sein werden.«

Mit diesen Worten ging Flora, und überließ es Waverley, über die Art und Weise nachzudenken, wie sie seine Erklärung aufgenommen hatte.

Ehe er noch darüber ins Klare kommen konnte, ob er hoffen sollte, daß seine Werbung annehmbar erschienen oder nicht, trat Fergus wieder in das Zimmer

»Wie, à la mort, Waverley?« rief er aus. »Kommt mit hinunter in den Hof, und Ihr sollt einen Anblick haben, der alle Tiraden Eurer Romane aufwiegt. Hundert Gewehre, Freund, und eben so viele Degen, die eben von guten Freunden ankamen, und zwei bis dreihundert kräftige Burschen, die sich beinahe darum schlagen, wer sie zuerst besitzen soll. – Doch laßt Euch näher betrachten. – Ei, ein echter Hochländer würde sagen, Ihr wäret vom bösen Blick getroffen worden. – Kann denn das thörichte Mädchen Euren Sinn so sehr betrübt haben? Denkt nicht mehr an sie, theurer Edward; die Weisesten ihres Geschlechtes sind Narren, was die Angelegenheiten ihres Lebens betrifft.«

»Wahrlich, mein guter Freund,« entgegnete Waverley, »alles, was ich Eurer Schwester zum Vorwurf machen kann, ist, daß sie zu gedankenreich, zu vernünftig ist.«

»Wenn das alles ist, so wette ich mein Leben gegen einen Louisd'or, daß die Laune nicht über vierundzwanzig Stunden anhält. Kein Weib war je über die Zeit hinaus gedankenreich, und wenn es Euch Freude macht, will ich dafür bürgen, daß Flora morgen so unvernünftig ist wie irgend eine ihres Geschlechts. Ihr müßt es lernen, mein lieber Freund, die Weiber en musquetaire zu betrachten.«

Mit diesen Worten ergriff er Waverleys Arm und zog ihn fort zur Revue seiner kriegerischen Zurüstungen.


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