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Sattelhaid liegt nicht gar weit von Oberhaid, und dieses ebenso weit von Wallern entfernt.
Der Odumbauer aus Sattelhaid versicherte oft, dass die Ochsen zeitweise weit klüger wären als die Menschen und begründete das folgendermaßen: »Ein Ochs«, so sagte er, »frisst sein Lebetag keine Hobelspäne, wenn er a krank is und wenn man ihm a a grüne Brilln aufsetzt, damit's ihm appetitlicher vorkommen soll; a Mensch ober losst si', besonders wenn er krank is, all's einreden und frisst auch Hobelspän, wenn ihm's wer anrekommandiert.«
Im Allgemeinen kann man wohl dieser Sentenz nicht beipflichten, schon aus dem Grunde der Selbstachtung nicht; in besonderen Fällen aber, so bezüglich des Odumbauern und auch in Anbetracht des Umstandes, dass mancher Mensch viel mehr zu trinken pflegt, als ihn der Durst plagt, während Ochsen das nie tun, muss man zugeben, dass der Odumbauer nicht so ganz unrecht hat.
Außerdem gibt es, wie fast im ganzen Böhmerwald bekannt ist, Tage, an denen die Ochsen sprechen, ja sogar dichten können, wie das unser folgendes Geschichtchen zur Evidenz erweisen wird. –
Der Hof des Odumbauern war ganz passabel; im Stalle standen acht Kühe, zwei Ochsen und etliche Kälber. Außerdem gab's da auch mehrere fette Schweine, eine Menge Hühner sowie anderes Geflügel. An Erdäpfeln, Korn und Kraut war Überfluss vorhanden, und so hätten die glücklichen Bewohner dieses Hauses das ganz Jahr über recht zufrieden leben können.
Das war aber keineswegs der Fall, und zwar bloß darum, weil des Odumbauern Weib, Paulina, ebenso geizig war wie die Moosbachbäuerin, von der ich in dem Kapitel von dem verhexten Schmedi erzählt habe.
Die Paulina schmalzte aber nicht nur schlecht, sondern sie gab auch dem Vieh nicht genug Salz ins Futter, und das Salz ist doch den armen Tieren ebenso notwendig wie den Menschen Salz und Schmalz, und wenn schon Mann und Kinder diesen Übelstand resigniert hinnahmen, taten dies die Dienstleute des Hofes durchaus nicht und verlangten nicht nur mehr Schmalz für sich, sondern auch mehr Salz fürs Vieh, weil sie für das ihnen anvertraute Vieh ein Herz hatten.
Sintemalen aber, die Pauline an beiden Ohren blind war und weder für die Leute, noch für die Tiere ein Herz besaß, wechselten ihre Dienstboten jedes Jahr, ja nicht selten sogar »unterm Johr«.
Alle diese Übelstände änderten sich erst, als der Knecht Kajetan am Odumhofe einstand und schließlich auch die Ochsen, der »Blassl-ochs« und der »Scheck« gegen diese Misswirtschaft demonstrierten.
Wie Letzteres möglich war? Nun, die Ochsen wussten ganz gut, dass sie zu besonderen Zeiten, vornehmlich den »Losnächten«, ganz besonders aber in der Mettenandacht die Gabe der menschlichen Sprache erlangen, alles sagen können, was ihnen am Herzen liegt und dann auch noch prophezeien können. Und sie warteten nur geduldig auf diese Gelegenheit, der Kajetan auch. – Der Odumbauer war »in die Metten« gegangen, ebenso auch der Knecht Kajetan und die »Dirn« Agerl, und so blieb denn die Bäuerin mit ihren Kindern allein zu Hause.
Mit dem Kochen und Backen für die heilige Zeit war sie bald fertig, weil sie, wie gesagt, geizig war, sich selbst nichts vergönnte und den andern erst recht nicht. Darum setzte sie sich, nachdem sie die Kinder zu Bette gebracht hatte, auf die Ofenbank und döste. Niederlegen konnte sie sich jedoch nicht; denn sie musste doch den so etwa um zwei Uhr morgens Heimkehrenden wenigstens eine Kleinigkeit vorsetzen, eine Mettwurst und ein Stück Stritzel mindestens.
Das eintönige Tik-tak der Wanduhr klang so schläfrig, dass sie's selber auch wurde und schließlich einnnickte. Sie mochte schon ein Stündchen oder anderthalbe »g'nozt« haben, als sie plötzlich aus ihrem Traume von Dukaten und Sparkassabücheln jäh geweckt wurde: Im Stall war ein Höllenlärm. Die Ochsen brüllten, die Kühe muhten, die Ziegen meckerten, die Schweine grunzten, und die Hühner flatterten und kreischten, als ob der Marder sie haschen wollte.
Ohne jedoch an etwas Böses zu denken – es fiel ihr gar nicht ein, dass heute eine Losnacht sei, in welcher alle Hexen und bösen Geister »regieren« – stand sie auf, zündete das kleine, rußige Öllamperl an, stellte es in die große Stalllaterne und ging nachsehen. Gewiss war ein Ochs oder eine Kuh ledig geworden, hatte seinen Stand verlassen und dadurch das übrige Vieh rebellisch gemacht.
Die alten Bauernhäuser sind sehr praktisch angelegt; man braucht nur die Stubentüre öffnen, quer über den schmalen Flur gehen, die gegenüber liegende Tür aufmachen, und schon ist man im Stall. Das tat sie denn auch, und kaum sahen die Tiere, welche bis auf die Hühner alle auf ihrem Platze waren, Licht und hörten die beschwichtigende Stimme ihrer Bäuerin, verstummte aller Lärm.
Auch die Paulina schwieg daraufhin und spähte nur noch umher, um zu ergründen, was das Vieh in so große Unruhe versetzt hatte.
Da schlug die Uhr Zwölf. Im selben Augenblick zuckte das Weib aber auch, wie von einer Schlange gebissen, zusammen: Aus der Ecke nächst der Häckselkammer, in welcher der »Blassl« stand, kam's deutlich, wenn auch in tiefer, rauer Sprache, wie man das auch von einem Ochsen gar nicht anders erwarten konnte, hervor:
»Den Leuten nix ordentli' schmolz'n,
Den Viechern nix ordentli' solzn;
Dös holt ka Teufl net aus,
Bringt obr a kan Seg'n ins Haus!«
worauf des Blassls Zwillingsbruder, der »Scheck« resigniert bestätigte:
»Wohr is, wohr is –
und wenn's Johr gor is,
tamr lieb'r olli krepiern;
hot d' Not a End und 's Sekier'n!«
Die Paulina war aber keine von denen, welche gleich vor Schreck den Verstand und die Sprache verlieren, und wenn ihr auch jetzt eingefallen war, dass in der Mettennacht die Tiere reden könnten, so leuchtete sie jetzt doch erst da- und dorthin und berechnete, als sie nirgends eine menschliche Gestalt entdecken konnte, dass, wenn binnen Jahresfrist das ganze Vieh verenden würde, der Schaden mehrere Tausend betragen würde. Das durfte jedoch auf gar keinen Fall geschehen, und sollte noch so viel Schmalz in den Rein und noch so viel Salz ins Viehfutter hinein.
Das den Ochsen auf der Stelle zu offenbaren, hielt sie nicht für ratsam; aber sie sollten es alle bald merken, Menschen wie Vieher. –
Am heiligen Tage, als Bauer und Dienstboten mit gesegnetem Appetit aus dem Hochamte heimkamen, gab's nebst reichlichem gut geschmalzenem Essen auch heilige Ruhe und heitere Gesichter. Der Bauer schmunzelte und schielte zum Kajetan hinüber; doch dieser schien das gar nicht zu bemerken und löffelte mit Wonne darauf los; die Agerl schnalzte mit der Zunge, die Kinder wischten sich das ungewohnt reichliche Fett vom Munde ab und sagten vergnügt: »Dös is obr wos Fein's, wos Guts.« Selbst der Krummschnabel im Käfig neben dem Fenster hüpfte kreuzfidel umher, als ob er auch Salz im Futter hätte. Und erst das Muh und Bäh, das klang aus dem Stall so lieblich, dass es eine wahre Freude war.
Die Paulina blickte bald den Bauern, bald den Kajetan und die übrigen forschend an. Des Bauern Geschmunzel kam ihr verdächtig vor. Als aber der Odumbauer den Kajetan fragte: »Wegen was bist denn d' ganze Mettn über so tramhapert neben meiner g'stand'n?« und die Agerl darauf spöttisch antwortete: »G'ift hot'r si', doss d' Susanna net in der Mettn wor«, und der Kajetan darauf zornig sagte: »Wegen dem net; obr mir wor vom Mogn net gut, weil d' Würst so truckn worn«, schwand der Verdacht der Paulina, und sie bemerkte, erfreut über die Wirkung ihrer heutigen Kochkunst ganz verschämt lächelnd: »Esst's ner, esst's ner, wenn Eng dös Ess'n so schmeck'n tut; wird schon so bleibn a; is jo Schmolz und Fleisch grod g'nug im Haus, und mit dem Solz fürs Vieh brauch m'r net sporn, weil es is bess'r, Mensch und Vieh nährt si' ordentli, doss a a Freud an der Orbeit hot und a Kroft hot drzu.« –
Der Bauer aber kaufte dem Kajetan am nächsten Jahrmarkt eine echte Kuschwarder Pfeife mit Silberbeschlag und Ebenholzrohr und seiner vielgeliebten Paulina ein seidenes Kopftuch mit herrlichen Blumen und langen Fransen.