Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Der alte Hammerschmied Zoglauer war ein urwüchsiger und unverwüstlicher Mann; leiblich sehnig und groß, geistig trotz seines Alters frisch, gutmütig und immer guter Laune. Sein Mutterwitz ging ihm nicht aus, sein Spott war nie beleidigend; denn ihm fehlte der böse Wille jemanden zu kränken, und selbst seine herbsten Ein- und Ausfälle bewegten sich immer in erträglichen Grenzen. Hie und da erzählte er gern »a Raubrgschicht« aus seinem Leben oder von anderen Leuten, nicht selten von solchen, welche eben neben ihm saßen, und dann übertrieb er auch mit Vorliebe, was viel Spaß machte, dem Betroffenen und noch mehr den Zuhörern. Zu diesen Geschichten gehört auch nachstehende, und ich will mich bemühen, diese in seiner Art und möglichst wortgetreu wiederzugeben. –
»Monna, dös wor Eng a Afruhr, wej dr erschti Zug eim Hirgst (Herbst) 1877 in Eisnschtoa gfohrn kema is! – Frei net glauben hon mir's z'erst wolln, doss d Bohn z'stond kimmt. D Bohn scho – obr dr Spitzber(g)tunöll? Na! Obr dös muss ma sogn, olln Respekt vor dy Inschenierer (Ingenieure) und dy Figurantn: Übrn Spitzberg konnst net überisegn, durch'n Berg konnst nyt segn, ums Eck a net – vo zwei Saitn hobns den Tunöll z'grobn und schuißn o-ghebt (angefangen) – und dennest sans mit ehri Gong net vobeikemma und hon si ei dr Mitt' troffn! Und dös olls ner mit de poor Nibelierinstrumentr und etla Lottn (Latten) mit Strich. –
Mei Leh'r, God hobn selig, hot immr gsogt: »Wer eine Reise tut, der kann etwas erzählen.« Is a richti a sou. Gfohrn samr, erlebt homr wos und erzähln können mir wos. – Is no net long gfohrn d Bohn, gibt's mr ka Ruh, und i denk mr »Schau, fohrst a!« I red mitm Senninger und dem Rauschn-Korl do und red' denen zu, se solltn a mitfohrn. »Jö«, sogt der Natzl, »Wär mir scho recht a, obr gleich hübsch weit, doss darfür stehn tut«, und dr Korl sogt: »Vo mir aus – glei(ch) bis af Pilsn eini!« Und samr scho gfohrn a!
Am We(g) zur Bohn sog i glei zum Natzl: »Dös sog i Enk, kan Bazaschier, der uns nyt passn tut, de(n) lossn mir uns nyt eini in unsr Gubö und ka olts Wei scho gor net!«
Moant dr Natzl do draf: »Wos konnst denn dagegn mochn, wann Dir der Konduktor a poor olti Zuln einitut?« – »Ha, ha«, sog i draf, »do gibt's scho allrlei Mittl, doss selbr wiedr gern außi mögn.« Und i sogn dös Mittl und wos's tun müss't, wann i a sou af ehm blegezn tu. –
Wej (wie) mir obr einsteign, san mir gonz alloni im Gubö. – Gleich hinterm Kopperl kimmt dr Konduktor – is a recht a grobr unkultiviertr Sock g'wesn – in unsr Gubö und schreit: »Die Karten!« Wort Brüderl, denk i mir, i werd dir's zeign, wej ma mit Duristn redn muss! Und i sog z ehm: »Na, dös gfreut mi recht, Herr Konduktor, doss mit – tun mögn; weil z' dritt hätt mr eh koan Kreuzmariasch schpyln kinnt. Nehmns ner Plotz!« – I greif in d' Toschn, nehm a Packl gonz nuji Kortn außy und heb z' mischn o. – Ejz wird der ogschmochti Karl no gröbr; er möcht d Forhkortn sogtr und koani Schpylkortn.
»Ho, ho«, sog i, »fei(n) stad (still, auch langsam), Herr Konduktor, und a andrsmol redn's af deutsch und sogn's glei: »Ich bitte um die Bülleter, meine Herren!« Is dös a Red »Karten her«! Kortn gibt's ollerlei, erstns Schpylkortn, zwaitns Londkortn, drittns Speiskortn, viertns Jogdkortn und a sou waitr. Do hons ünseri Bülletr, drai Stück bis af Pilsn eini und redur a.« – Koa Wörtl hotr gsogt draf, ner d Löchr hotr einigstocha und is o-pascht. Mir obr hon an »Zwick« gschpylt, drai Zwetsch(k)n-petzgn um an Kreuzr und ner, we(nn) a Station kema ist obr a Ort, hon mit außigschaut baim Fenstr, weil dös sehr romantisch is. –
I(n) Klattau is a Aufentholt, a poor Minütla – komm'n drei Herrn, zwoa Judn und a Preiß ausm Restauratzin mit an Hafn Fresszeug doher, wiglns in Popier, schuibns ei d Kabzn (Tasche) und rufn am Konduktor »Pilsn – Dritte!« Der Konduktor weist's (führt sie) bis vor unsr Gubö und i hör, wejs draußn mit dem Konduktor sochn und oanr vo der drai Lolai (Dummiane) moant: »Mit die drei Woldbärn wird's a Bärnhetz gebn.«
»Kruzisakra«, sog i zm Natzl und zm Korl, »hobt's ghört, dy möchtn uns schwonzn (aufziehen), obr worts, ös Halodri, ös törischn (blöden), eng wermrs geign! Natzl, schnopp ner, wenn i dr blegezn tu!« –
De Drei steign ein, setzn si' hi(n), sogn nyt Aff und nyt Maff, legn ehri Hütt aufs Brettl obn und mochns ehnen schö komodi. Der Oani setzt si a routs Kappl af, dossr wej a Marianko-Aff aussegt, dr zwaiti a seidini Hau(b)n und dr Dritt gor a Kappl aus Hodrsaustroafeln (Buchenschwammstreifen), zammgnaht. Hernochr schauns uns vo dr Saitn an, no und mir se grod a a sou a. Und weil koanr ka Wörtl nyt red, denk i mr, stellt di recht dumm und probierst, obs a gscheiti Antwort ge(b)n, und is sog zu dem Oan, der wos ollweil mit dr Nosn sou umandand schmeckt: »Mit Verlaub, meine Herrn, fahren Sie auch auf Pilsen eini?«
Ejz locht dr Oani, steht af und sogt: »Erlaube mir, mich vorzustellen. Mein Name ist Ben Akiba, königlicher Stabstrompeter aus Amarapura in Südostasien.« Der Zwait steht af, mocht a a Kumpliment und sogt: »William Yenkee, Alligatorenbändiger vom Mississippi-Missuri in Nordamerika.« Der Dritt steht a af und meld: »Ich heiße John Bull und bin derzeit Diamantentaxator in Kapstadt in Afrika.« – Na warts Bagaschi ölendigi übranand, denk i mir, eng wird's o-zohlt; damits nyt moants, doss mir so dumm san und nix glernt hon in der Schul, und i sog draf: »Jesas, dös trifft si obr guat – wenn jetz' no a Australnegr bei Ehn'n wär, so wärn alle fünf Weltteil in dem Gubö bejanand, weil mir drai sand Europäer. I heiß Odum Schworzspecht und bin a Kohlnbrenner in Glosrwold; der do hoißt Franz Xaverl Kidlkankerl und is a Wurzlgrobr in Pampherhüttn, und der da heißt Johann Nepomuk Wossrschmecker und hat a königlich bayerischi Brisiltrafik in Seewiesen.« – Mir kemmn ins Dischkurieren, und oanr liugt den ondren an, doss staubt. Nach anr Weil begenz i af n Netzi hi, und der mocht an Schnoppr mit'm Mäul, als ob er domit Fluign fongn wollt. I tu nix derglaichn, red weitr, erhähl vo die vieln Bärn und Wölf, die bei uns im Wold umanandlafn; der Natzl obr schnoppt oamol übrs onderi, ollweil wildr und verdraht d Augn dabei, grod schiach. – Do steigt denen drai do a Grausbirn af und der Schnopstrometr ruckt zum ondrn Fenstr hin, deut mir, doss i zu ehm hin soll und frogt mi, wo der Natzl do vor a abscheuli' Gwonheit hätt.
Jo, sog i, dös is so a eigeni Gschicht. Seit den fertn (voriges Jahr) a wütender Wolf bissn hot, hotrs scho so in ehm, dös Schnoppn und Wildschaun, dossrs nimmer loa (lassen) konn. Ob er nyt beißt a, frogtr mi weitr, der Ogschmoch (abgeschmackter Mensch). »Seltn«, sog i, recht seltn; ner wann r an recht an groußn Hungr hot.« – »Er scheint aber Hunger zu haben, warum isst er nicht?« fragt der Trumpetr und segt den Natzl alleweil von der Seitn an. Jo sog i draf, erhot nix als a schworz Brout mit und a Solz und mir grod a sou, und der Hund, der schlechti, möget alleweil a Salami und an Schweizernen Kas und an Wein. Drauf hotr si' a Weil mit dem Amerikaner aus Preißlau und dem Afriker aus Leimstadtl berotn, a jeds vo de Drei greift in seini Toschn und hernochr kimmt der Trumpetr recht manierla zum Natzl und forgt dem, obr nyt an Appetit hätt af a Vernoneser Salami, an Emmentolr und an Konjak. Der Natzl sogt jo, nimmt dös fein Papperl und s Flaschal, teilt d Wurscht und n Kas in drai gleichi Teil, mir nehmn unsr Broud und s Solz her, essn olls auf und trinken mitanand den Konjak aus bis afs letzti Dröpfl. Ejz mirkns obr dennest scho, de Drai, doss gschwonzt san, und der aus Birma frogt gonz gifti', z'wegn wos dr Natzl dös Zeug nyt alloans gess'n hätt; vor de Ondrn wär's jo nyt bestimmt gwen. I loch recht schlecht und sog: »O, beileib' net; wann mir nix angnummn hättn von dem, do wär er afs ollerhöchst beleidigt gwen und wann der amol beleidigt ist, beißtr glei, wej a Alligator vom Mississippi-Missuri.«
Ongessn san mir gwen, ejz kimmt uns dr Appetit af a Pfeifn Tuwak. Mir nehmn wegn dem ünseri Stinkowitz außa und fongn z nebln o, doss in zehn Minutn s gonzi Gobö schworz is und de drei Schwonz hustn müssn, doss ma moan'n könnt, s gonzi Gschling reißts ehn'n aus. – Ejz varlongns, mir solltn s Rauka lossn. »Geht net«, sog i, »mir sand dös scho a sou nochn Essn gwohnt, und wann der Natzl nochm Essn net raukn tät, beißtr uns olli mitanand mausdreckerl tot.«
Ejz rufns n Konduktor und mochn an Bahöl. Der selm hot no an Zurn af uns und tat uns s Rauka verbietn. I obr loss mi nyt her und frog ehm, obr dös als a Konduktor nyt was, doss s Rauchn ner im Nichtrauerkubö verbotn is, und ob dös epr koans wär. Dös wisstr a, doss dös a Rauchrkubö war, sogtr, ober an Rauchrkubö is no ka Selchkuchl nyt, sogtr, und wann mir mit dem bestialischn Gstonk nyt afhörn, müsstr n Stationsschefn rufn. »No«, sog i, »muss so nyt ollweil grod graucht wern; obr a Schnupfn wird jo wohl doch erlaubt sein? Oder das auch nicht?« sog i af Hochdeutsch. Schnupfn, sogtr kimm'r so vyl, wos mir mögn. – An frischn boanhirtn Schmalzl (echt bayereischer »Brisiltabak«), hon mir ghot, Monna, nix Zweits!! Mir hebn alsdann zum Schnupf o, blosn olliried (jeden Augenblick), a Stäubl doni und haun mitm Schneuzteuchl drein, wenn a Patzerl wo af d Housl obr im Frack hifollt und in fünf Minuten neißn de drai Krobotn, doss i denk, sy haun si'd Köpf af Scherb'n vonanand.
»Konduktör! Konduktör!« fongns ejz zu brülln an, und wej dr endla doherkimmt, hons bettlt, er solls in a ondrs Gubö neilossn, und mit lautr Neißn sans außi. I obr bedonk mi manierla und schrei ehn'n nochi: »Mir donkn fürs Essn und n Konjak, Herr Schnopstrumpeter, und wenn am End in dem ondrn Kubö a so etla Woldbärn san solltn, so sogns ehn'n, mir lossns schöi grüßn! – Außibissn hon mirs, Monna, weil außi hons mejssn! Ober hinno, Monna, do hots üns bissn, dös saktrisch Malefiz-Pilsner! … In Pilsn gehen mir fleißi umanand und kafn ei. Dr Natzl kaft si a silberni Uhr um dreizeih Gulda, der Korl a Kummet vor sein Gödn sei Ross, und i kaf für d' Meinigi a schöni, ledrni, schworzi Toschn und weils gor aso gern Würst essn tut, so kauf i derer fünfundzwanzig frischi Zerwalatwürst aus Rossfleisch eini; weil kennt hot ma dös nyt, doss d' Würscht nöt von an schweinern'n Fleisch sand. Mir trinken draf bold do, bold do a Holbi Bier, bold a Boirisch, bold a Lichts, bold a Protiwienr, bold a Smichowr. Z'letzt follts uns ei, doss, wer in Rom gewn is und n Pobstn nyt gsegn hot, für d Kotz durt wor und wegn dem gehen mri zum Waldekn af a poor Pilsner. Wej mir so's siebenti odr's ochti Glasl ünt hon, sog i: »Monna, wos trunkn müssmr scho hobn, weil weis zum Einsteign in Omnibus kimmt, hot üns dr Hauskneht und drai Kellner einischuibn mejssn, und af dr Bohn wohrscheinla a. Do woas i obr nix mehr, weil i glei eigschlofa bin. –
Wej long dös Fohrn bei dr Nocht dauert hot, sel weiß i nyt. Ner dös woas i, wej dr Konduktor af amol's Gubötürl aufgmocht und »Aussteign!« gschrien hot.
Aussteign? Denk i in mei Rausch, wegn meinr a guat; i steig alsdann aus. Wej i obr draußd bi und der Zug furt is, seg i af amol n Spitzauer vor meinr, n Stationsschefn. »Jesas, Her Spitzauer! Wej kemm'n den Sy wiedr noch Eisnschtoa her? Sand se wiedr zu üns zruckversetzt?« – »I?« sogtr draf, »na, ober wej kemmn denn se doher?« – »I?« I bi in Pilsn am Morkt gwen und ejz bin i holt wiedr dahoamt in Eisnschtoa«, Ejz lochtr recht und frogt, seit welcher Zeit in in Prestitz dahoamt bi. I schau mi no gonzi tramhapet um – Jeses und Marja! – bin i in Prestitz ausgstiegn in mein Saurausch! – Nutzt nix; i muss im Wortsool do blaibn bis fruh. – Af d Bänk hon i mi hinglegt, hon dös Ledertscherl mit dy Würscht hintrn Kopf toan und schlof holt mein Rausch waitr aus. Fruh bini donn nüchtrn gwen, ner gfrorn hot mi, wej an Hund.
Endla kimmt dr Zug. I will einschteign, do schrait oanr aus dem Gubö »Zoglauer! Zoglauer!« I schau um – wos moants, wers wor? Dr Natzl wors, dr Natzl! Is der in Pilsn – stotts in n Eisnschtoanr Zug – in Progr Zug einigsessn und is a poor Station af Prog zu mitgfohrn. – Wor dös a Freud, wej mir wiedr do zamkemmn! I natürla ge schnell eini zu ehm und mir erzähln uns unsr Malör. Kummt üns obr dr Hungr und nix zu Essn do. Do bsinn i mi, dss i jo die 25 Rosswürscht in dem Tascherl drinnyt hon. I nimm alsdann 's Schlüssaj her, sperr af – jo – wos – is – denn – dös? – a weißi Weibetshousn mit Spitzn – a Nochtlaibl mi Maschala – a Zohnbürst! – a Soafn – und lautr und lautr so a Zeug von oan Stodrfräuln – und koa Würscht! – Muss d Ledrtoschn rein varwechslt hobn! (Mainr Oltn wors natürla lejbr, dös Paradizeug – wos ober dös Stodtfräuln zu dy 25 Rosswürscht gsog hot – dös losst si so bai Leipzig denkn.) –
Wos mitm Korl wor? Der ist richti no am sell Tog in Eisnschtoa ankemma, obr ohni Hut, ohni Steckn und ohni Kummet; dy drai Sochn mussr in sein Rausch rein varlorn hobn, odr baim Waldekn liegn lossn. – Gift hon mir üns alli drai nyt wenig, scho über dös Gschmatz (Geschwätz) von die Leut! Etla Johr hots daurt, hons üns no mit derer Reis' gschwonzt und traktiert, und der und der hot uns gfrogt, wejs uns denn ganga hätt auf derer Reis' no Pils und redur.
Drum hon mit obr olli drai gschworn, füfsechsrlei Bier trinken mir nimmr und af an Konjak afi scho gor nyt; weil dös bringt an Stier um, und an schwochn Menschn mochts damisch. –
Mei Olti obr trogt seit derer Zeit olli heili Zeitn dy weißn Hösla mit de Spitzn und dös Laibl mit da Maschala und putzt sie olli Johr – am Nomstog nämli – d Zähnt mit dem Bürstl. –
So die Erzählung des alten Zoglauer, und mit Rührung bestätigeten Senninger und Rauscher dieWahrheit dieser, und wenn man die drei Reisekameraden fragte, ob sie nach diesem Abenteuer nochmals nach Pilsen gekommen wären, antworteten sie: »Scho, scho, echt oft a no, weil dös Püls is a mol z guat; obr mehri als wej zeij, zwölf hon mir nimmr truna af an Sitz.«