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O' zohlt

Im Fürstenwalder Revier, Abtlg. III. a, stand eine schöne Fichte, auf welche sowohl der Boiersepp als auch der Andredl-Cölestin ein Auge geworfen hatten. Der Boiersepp brauchte sie als Ersatzbaum für einen morsch gewordenen Stubenwandbaum, und der Cölestin wollte aus der Fichte zöllige Bretter schneiden lassen, mit denen er den schadhaft gewordenen Fußboden ausflicken wollte.

Der Sepp kam dem Cölestin zuvor, indem er heimlich zum Revierförster ging, um den Baum ansuchte und ihn auch gegen Erlag von fünf blanken Silbergulden zugesprochen erhielt. Abends hänselte er den Cölestin im Wirtshause mit dem listigen Streich. Er zeigt ihm die »Bolettn« und renommierte: »Jo, Freunderl, wer mir fürikemmn möcht, der müsst zeitla afstehn, weil i, wonn i mi af wos setz, i führs a durch.«

Das ärgerte den Cölestin »mentisch«, und er entgegnete deshalb ebenso spöttisch: »Und i, wann i mi af wos setzn tu – mein muss sein und wannst zeih Blettn hättst. Mogst wettn, dass i den Bam krieg?« Diese Prahlerei kostete den Sepp nur einen Lacher, und dem Cölestin die offene Rechte hinhaltend, rief er: »Gilt scho a! Wennst dös zammbringst, sollstn hobn, den Bam. Obr darwischn wann i di tu dabei, drlebst wos! Ins Lo(ch) msst nochr. Mirk dirs!« Die anwesenden Nachbarn hörten diesem Streite mit Interesse zu und wurden so Zeugen der Wette.

Der Sepp beschloss, den Baum so bald als möglich heimzuschaffen; denn er kannte seinen »Vogel Fuchs«, wie er den Cölestin nannte, und ging darum alsbald ans Werk. Er fällte am nächsten Morgen mit Hilfe seines Sohnes Hannsl den Baum, entästelte und entrindete ihn und rollte ihn sodann zu einer mächtigen Buche. Den Baum sofort nach Hause zu schaffen war jedoch unmöglich, denn das Heu lag strohdürr auf der Wiese und musste vor Anbruch der Nacht in die Scheuer kommen. Über tags konnte der Cölestin den Baum ohnehin nicht holen, da überall Leute arbeiteten, unter ihnen auch solche, welche vom Sepp genau instruiert waren darüber, was sie zu tun hätten, wenn der Cölestin mit dem Baum daherkommen sollte. Die Nacht hindurch musste er ihn jedoch selbst bewachen. Das war auch nicht schwer, da die Fichte selbst einen guten Sitz und die Buche daneben eine gute Lehne bot.

Demgemäß wurde übertags fleißig gearbeitet, und abends ging der Sepp ins Wirtshaus, um sich zu stärken. Er aß beim Praschlwirt gut ein Viertel Meter Wurst und drei Wecken, trank etliche Krügel Bier und einen Enzianschnaps dazu und schritt sodann, seiner Holzpfeife dichte Wolken entlockend, dem Walde zu.

Bei seinem Baume angekommen, breitete er erst mehrere zusammengelegte Säcke auf dessen dickes Ende und setzte sich sodann auf den so gewonnenen Ruhesitz. – Der Wald ist kein ganz stiller Ort; bald huscht ein Reh vorbei, bald bricht ein Hirsch wo durch, dann schreit wieder der Kautz, oder es singt »d' Nochtlerchn«; auch fährt der Wind durch die Bäume, dass sie sich oft in ihren Gipfeln ächzend drehen und knarren.

Zu normalen Zeiten hätten diese Töne den Sepp nicht gestört, heute aber, da er einen Dieb zu fangen gedachte, veranlasste jedes Geräusch den besorgten Mann aufzuspringen, zu »lusen« (zu horchen), und zu »äugeln« (zu schauen).

Es war aber immer wieder nichts, und der Sepp kam endlich zu der Überzeugung, dass der Cölestin seine Reden nicht ernst gemeint hätte. Trotzdem blieb er wach und vertrieb sich die Zeit mit Rauchen.

Gegen Mitternacht wurde es wunderbar ruhig um ihn. Die Rehe und Hirsche schliefen im Holz und die Vögel im Geäste und die Hasen in ihrem Lager, und nur der Wind wurde stärker, so dass es sich anhörte, als ob Wasser rauschten und die Bäume auch.

Die schwere Tagesarbeit, das viele Bier, die laue Luft wirkten auf den Boiersepp nach und nach gar mächtig ein, sein Haupt sank ihm auf die Brust, und er versank in einen tiefen Schlaf.

Süße Träume umgaukelten ihn; ihm träumte, er hätte dem Fürsten Schwarzenberg den ganzen Wald abgekauft und die große Brettsäge mit dem Buntgatter auch, und er saß mitten in der Säge und ließ alle Bäume in Pfosten und zolldicke Bretter zerschneiden. Ganz deutlich hörte er das Knirschen der Säge und das Rauschen des Wassers, welches das mächtige Schaufelrad drehte; ja, er empfand sogar das Vibrieren des Bodens, auf dem er stand; denn in so einer Säge zittert und wackelt einmal alles.

Dann gab's Feierabend, die Säge stand still. Dafür fingen die Vögel zu flöten und zu schlagen an, und die Hasen, Rehe und Hirsche erhoben sich von ihrem Lager. Auch die Käfer und Falter erwachten, und selbst dem Sepp gab's zuletzt einen Ruck, und er erwachte. Das heißt nur innerlich, äußerlich noch nicht ganz; denn die Augenlider lagen noch bleiern über den Augensternen. Das machte jedoch nichts aus, fühlte er doch den Stamm unter sich.

So war der Cölestin richtig nicht gekommen. Der war eben auch nur ein Schwadronär, wie es so viele in der Welt gibt. Langsam taten sich endlich auch die Augen ganz langsam auf, und langsam blickten sie um sich und – »Himmelkreuzsakra! Sakra! Sakra! kreischte der Sepp auf. »O du miserabliger Hund, du!«

Das dicke, erdfaule Ende, auf dem der Sepp gesessen war, war nämlich zwar noch immer da, die neun übrigen Meter aber, welche am verflossenen Abend noch dran gewachsen waren, die waren pfutsch! – Abgesägt und fortgeschleppt!

Damit war auch des schönen Traumes Deutung gefunden; die Buntgattersäge war erklärt.

Sepp und Cölestin wechselten kein Wort wegen des Baumes; das beiderseitige »Gschau« war hinreichend, und nur ein einziges Mal hatte der Boiersepp dem Cölestin zugerufen: »Glaubst, dir is gschenkt? Ozohlt wird's!«

*

Sommer und Herbst vergingen, und der Winter kam. So ist's alle Jahre, und alle Jahre schlachtet auch der Cölestin um Martini ein Schwein, gerade so, als ob auch das im Kalender stünde. Und weil die Geschichte mit der Fichte schon vergessen war und der Sepp schon seit vielen Jahren im ganzen Dorfe schlachtet (In jedem Dorfe des Waldes gibt es solch kunstkundige Laienbrüder), lud ihn der Cölestin auch diesmal wieder zu dieser Moritat geziemend ein.

Der Boiersepp kam auch wie immer mit seiner Mordstrumm-Moschn, in welcher etliche große, scharfe Messer etc. und eine Menge »Hodrn« enthalten waren und ging solgleich an sein Geschäft.

Flink und rein, umsichtig und geschickt waltete er seines Amtes, und Schlag drei Uhr nachmittags war das große Werk vollbracht.

Der Sepp trug die kostbaren Sachen selbst an Ort und Stelle und ging endlich mit seinem üblichen Lohngulden, etlichen Würsten und einem »Schön Dank a davor!« heim. – Das waren nun wirklich feiste Tage, die beim Cölestin aufeinanderfolgten: Am Sonntag gab's a Brütsuppn, Würscht und a kochts Schweinerns, am Montag »Krammlsterz« mit saurer Milch, am Dienstag Sauerkraut mit Schweinsöhrln, am Mittwoch »Gstondenes«, am Donnerstag »Übligkeiten mit Wacholderschnaps« und am Freitag, weil's ein Fasttag ist – Ernüchterung. Cölestins Weibe fand nämlich am Freitag, als sie die Kammer inspizierte, wo am weißen Brett die Würste lagen, auch eine Rechnung, geschrieben von ungelenker Hand, aber gut leserlich. Sie lautete: Oan Schunka mocht 3 Gulda, zeih Leberwürst zu 4 Kr. mocht 40 Kr., sex Blunzn a 5 Kr. mocht 30 Kr., an Presssock 80 Kr., a Trumm Speck 50 Kr., olls zamm mocht 5 fl. Hot der Bam a net mehr kost, Sepp. Die Alte verstand nicht sofort, desto besser der Cölestin; ihm war alles sofort klar, Fichte und Schwein, Streich und Gegenstreich; doch diesmal war er es, der in einem fort »Sakra! Sakra! Himmelkreuzsakra!« rief. – Der Boiersepp hatte seine mit Hadern gespickte »Moschn« nach Beendigung des Schlachtgeschäftes in der Kammer deponiert und beim jedesmaligen Hineintragen von Fleisch, Würsten und Speck einen entsprechenden Teil der guten Sachen in die Moschn hinein- und dafür etliche schmutzige Hadern herausgeworfen. Das sofort angestellte Inventar ergab nur die Richtigkeit der Rechnung. –

Auch diesmal wechselten Sepp und Cölestin kein Wort, nur Blicke miteinander, nur mit dem Unterschiede, dass diesmal der Boiersepp grinste, während der Cölestin die Zähne zusammenbiss.


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