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Der Boiersepp vermittelte dem Prager Holzgroßhändler Pfeifer schon seit Jahren in Außergefild, Bergreichenstein und anderen Orten Holzkäufe, und dieser scheute selbst im Winter keine Reise in den fernen Böhmerwald, wenn ihm da ein nutzbringendes Geschäft in Aussicht stand.
So eine Reise zu stürmischer Winterszeit war kein Honigschlecken; doch der Herr Pfeifer war ein großer und kerngesunder Mann und allen Strapazen gewachsen.
Drei Tage vor' Nikolo entschloss er sich wieder einmal, und zwar infolge eines Briefes seines Geschäftsfreundes, nach Fürstenwald zu reisen und unternahm auch diese Reise trotz allem Abraten seitens seiner besorgten Gattin. –
Bis Strakonitz ging die Reise per Bahn, von da an bis Schüttenhofen per Wagen und den Rest des Weges per Schlitten. Und dieser »Rest« war der zeitraubendste und beschwerlichste, insbesondere von Rehberg an, von wo es mit Ochsen heimzu ging, weil da nur solche weite konnten.
Es »wachelte«, dass eine schwarze Kuh, wie es im Walde hier heißt, schneeweiß werden konnte, und ein eiskalter Wind pfiff von Norden daher. Doch das focht den Herrn Pfeifer nicht an; in seinem Reisepelz, die Füße im warmen Fußsack, die Hände in mit Pelz gefütterten Handschuhen und eine über die Ohren gezogene Pelzmütze am dichtbehaarten Kopfe – was konnte ihm unter diesen Umständen das Wetter an? So sollte man wenigstens glauben. Aber es gibt zur strengen Winterszeit im hohen Walde Hindernisse noch anderer Art.
Dazu gehören unter anderem auch die oft mehrere Meter hohen »Quaden«, das sind durch Wirbelwinde zusammengetragene Schneewälle, welche oft richtige Verkehrshindernisse bilden!
Ein Fußgeher kann sie umgehen oder überklettern, wobei er allerdings zwar bis zum Bauch oder noch tiefer einsinken kann, endlich aber dennoch auf der anderen Seite weiterkann. Mit einem Schlitten kann man jedoch den Schneeberg nicht hinauf- und herunterfahren, und das Hindernis »umgehen« ist leichter gesagt als getan: Einmal erst vom Wege abgekommen, ist er oft gar nicht leicht wiederzufinden, oder man gerät auf vom Winde entblößte Stellen, wo Zäune, Gräben, Bäume und so weiter das Fahren erschweren. Da hilft nichts, als stehenbleiben, aussteigen und die Wälle mittelst (vorsichtshalber mitgenommener Schaufeln) ausschaufeln. Und solche Wälle wiederholen sich! Oft dutzendweise!
Solchen Vorkommnissen zufolge kam Herr Pfeifer anstatt um zwei oder drei Uhr nachmittags erst abends in Fürstenwald an, als es bereits finster war, was leicht zu vermeiden gewesen wäre, denn der Knecht Andredl, welchen ihm der Boiersepp bis Rehberg entgegengeschickt hatte, und der alle Schwierigkeiten der Fahrt voraussehend, schon mittags zum Aufbruch gedrängt hatte, fand bei dem fremden Herrn keinen Glauben. Der sagte immer nur: »Wird nicht so arg sein«, und unterhielt sich in Rehberg bis zum letzten Augenblick bei Bier und Kartenspiel sehr gut.
*
Während die beiden Nordpolfahrer mit allerlei Unbilden des Winters bei Schneesturm und Finsternis nur äußerst mühselig weiterkamen, bestürmte der kleine Hansel des Boierseppen daheim seine Mutter, die beim Herd stand und das Nachtmahl kochte, mit Fragen dringender Art.
Der Bub war erst neun Jahre alt, sah aber aus wie zwölf, so groß und stark war er. In diesem gesunden Korpus mit dem rotwangigen und blauäugigen Mondscheingesichte wohnte aber ein unruhiger und mutwilliger Geist voller List und ausgelassener Schwänke.
Er hatte erst neulich in einem Geschichtenbüchlein von dem heiligen Nikolo gelesen, und wie freigebig dieser heilige Mann – anderswo sei, und es wollte ihm durchaus nicht einleuchten, warum derselbe nicht auch in den Wald hinaufkäme, insbesondere zu ihm nicht, wo doch für morgen Nikolaus im Kalender stände.
Um das zu ergründen, entwickelte sich zwischen ihm und seiner Mutter folgendes Zwiegespräch:
»Wegen was kimmt der heili Nikolo net a zu uns afi? Ha?« »Weil er nur in d' Stodt eini mog.«
»Wegen was denn? Ha?«
»Weil ehm zu weit her is und weil er an Haufen Zeug mittrogn muss und mit dem die hohen Berg net 'rauf kann. »Könnt jo mit Ouxn fohrn, net?«
»Olberner Kerl du; im Himmi gibts jo koani Ouxn net.« »M-hm! Schod. – Der obr, wenn 'r so daher karret mit dem Tuifl – dem tat ichs zeigen, dem Mist, dem Tuifl! Dem gabet i a Watschn, doss 'r plärn tat, wej a Goas.« –
Man soll den Teufel nicht an die Wand malen. Kaum hatte der Hansel seine frevelhafte Rede getan, wäre er auch schon bald vor Schreck umgefallen. Draußen klirrte eine Kette und ein Brummen ließ sich vernehmen, wie wenn ein Bär vor der Türe stände.
Dem Hansel rutschte sein Herz in die Hose herab und er schlug ein Kreuz.
Dazu war auch schon die höchste Zeit; denn im nächsten Augenblicke wurde die Stubentüre aufgerissen, und auf der Schwelle stand der heilige Nikolo, genau, wie er in dem Büchel darin abgebildet stand, mit großer Pelzmütze und langem Bart, mit Pelz und hohen Stiefeln und einer mächtigen Ledertasche und über und über mit Schnee bedeckt, und hinter ihm lugte der leibhaftige Satan in die Stube und rasselte mit der Kette!
»Guten Abend, Frauerl!« sagte der Nikolo.
»In Ewigkeit Amen«, entgegnete die Seppin. Der Hansel aber retirierte in die entlegenste Ecke und brüllte wie am Spieß:
»Vodr! Vodr! Kimmts einii! Der heili Nikolo is do und der Tuifl a!«
Der vermeintliche Nikolo stutzte einen Augenblick lang, dann begriff er die Situation, und dass er hier möglicherweise ein gutes Werk vollbringen könnte; doch zum Stehenbleiben war der Platz nicht gut geeignet und auch die Zeit hiezu nicht, und er trat deshalb, unbekümmert um das Gebrüll des Buben, ein.
Zum Glück kam aber auch schon der Bauer herein, den der Teufel persönlich aus dem Stall geholt hatte, und weil er schon erfahren hatte, in welchem Irrtum sich sein nicht allzu braver Hansel befinde, blinzelte er dem heiligen Nikolo zu, deutete auf sein Söhnlein und begrüßte den heiligen Mann mit den Worten: »Grüß Gott, heiliger Herr Nikolo, und gut ist's, dass endlich einmal daher kommts! Weil mit dem Kerl ist's nimmermehr zum Aushalten. Net beten und nix lernen mag er a net und folgen a mol schon gar net.«
»I mog scho', Vodr! I mog scho! Doss 'r mir obr nix tut, Vodr!« – »Vater unser, der Du bist im Himmel und auf …«
»So? Alsdann is's gut. Alsdann für dösmol, heiliger Herr Nikolo, lassen wir's gut sein. Nehmens nur Platz, und die Meinige wird Ihnen gleich eine gute Suppe und einen Eiersterz bringen! Du aber, Hansl, gehst auf der Stell' in die Kammer, damit sich's der heilige Herr Nikolo komod machen kann! Leg Dich gleich ins Bett – vielleicht legt Dir der Herr Nikolo, derweil Du schloffst, was Guts ein.«
Diese Schlussworte machten dem Hansel flinke Beine, und er verschwand mit einem demütigen »Gelobt sei Jesus Christus« in der anstoßenden Kammer, wo sein Bett stand.
Der Herr Pfeifer entledigte sich zunächst seiner nassen Oberkleider, sodann aß und trank er mit großem Appetit und dann erzählte er von seinen Reiseerlebnissen. Schließlich wurde auch noch der geschäftliche Teil soweit als tunlich erledigt, während die Detailerörterungen für morgen zurückgestellt wurden. Ganz zuletzt galt es noch, das dem Hansel gegebene Wort einlösen.
Äpfel, Nüsse und Krampusse aus Lebzelten fanden sich in Herrn Pfeifers Reisetasche nicht vor, wohl aber etliche Tafeln Schokolade, Hustenbonbons, eine Handvoll Würfelzucker und einige Kipfeln. Das genügte vollkommen, und all diese Sachen wanderten in die Sonntagsschuhe des Hansel, und der Spender derselben legte zu allem Überflusse auch noch einen blanken Silbergulden obenauf. –
Herr Pfeifer schlief infolge der durchgemachten Strapazen bis zu Sonnenaufgang, zu welcher Zeit der Hansel bereits in Außergefild mit seinen Herren Kollegen vor dem Schulhause debattierte, welche schon von dem Besuche des heiligen Nikolo in Fürstenwald Kunde erhalten hatten.
Umringt und befragt über das Aussehen und die Geschenke des heiligen Mannes, kniff der liebe brave Hansel ein Auge zu, schmunzelte verschmitzt und rief: »Meint's richtig, ös Tepp'n, der heili Nikolo wors? An Schmorrn, a Holzhondler aus Prog wor's, Pfeifer schreibt er si', und der wor scho im Summr a poormol do, und i hon den nur net glei erkennt, weil er a Trumm Pelzhaubn und an Montl bis auf d' Füß anghabt hot; obr hintnoch hon i den scho an seiner Stimm erkennt und hob a a jeds Wort verstandn, wos er und der Vodr hintnoch mitanand gred hobn. Weil, ganz hob i jo des Kammertürl net zugmocht und hon ner a sou gschnorcht, a sou Chrrchrschr, domits meinen solln, i schlof scho fest. So gscheit wie der Herr Pfeifr bin i a no. Obr – nutzt nix – bis zum Sunnwendfest muss i mi a weng zruckholtn und a gut tun, weil is selber ghört hon, wie der sel Holzwurm zu mein Vodrn gsogt hot, er schickt mir z' Johanni ollerlei schöni Spielsochn und a Zuckerbacht, wenn i mi bessr, und der Vodr sollt ehm wegen dem gwiss schreibn. Obr i mein – i drmochs net so long.«
Ich glaube es auch nicht.