Johann Gaudenz v. Salis-Seewis
Gedichte - Ausgabe letzter Hand
Johann Gaudenz v. Salis-Seewis

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Die Tochter des Landes.

            Die PalesPales, bei den Römern die Schutzgöttin der Hirten.

Ihre Feste hießen die Palilien und wurden im April gefeiert. Tibull liefert uns eine reizende Schilderung der ländlichen Spiele, die dabei Statt hatten, in seiner fünften Elegie des zweiten Buches. Siehe auch hierüber Ovids Fasten L. IV.

sich zur Pfleglingin erkoren,
    Die Tochter der Natur,
Wird in der Hütte stillem Raum geboren,
    Erzogen auf der Flur.

Den Jubelton von hellen Weidenpfeifen
    Empfängt zuerst ihr Ohr:
Ihr erster Blick steigt zu den Purpurstreifen
    Am Westgewölk empor.

Glückselig Kind, das in bekränzter Wiege
    Ein Blüthenwipfel kühlt,
Um das vertraut sein Lamm und seine Ziege
    Im hohen Grase spielt.

Froh klimmt sie nach des Regenbogens Farben
    Hinan des Hügels Pfad;
Zum Sitze wählt sie pralle Weizengarben,
    Zum Pfühl der Gerste Schwad. 119

Ein Nelkenstock befriedigt ihr Begehren;
    Mit wenigem vergnügt,
Ist ihre Thräne, gleich Aurorens Zähren,
    Im ersten Stral versiegt.

Ihr singt der Hain nur mit der Freude Tönen,
    Leicht ist ihr Gang wie Tanz;
Noch band sie nicht, ein theures Grab zu krönen,
    Den bittern Rautenkranz.

Glückseliger, wenn sie nun sechszehn Lenze,
    Statt sechszehn Ahnen, zählt.
Dem Haupt zum Kleinod goldner Primeln Kränze,
    Der Brust Violen wählt.

Ihr Antlitz blüht, wenn einfach sich die Haube
    Um ihre Schläfe drängt,
Bescheiden, hold, wie halb versteckt im Laube
    Ein Maienglöckchen hängt.

Schön wallt ihr Haar, das sie gleich der Najade
    Im Quell zu waschen pflegt,
Und, unentweiht von Puder und Pomade,
    In lose Flechten legt. 120

So prangt sie still im heimathlichen Thale,
    Von weiser Zucht bewacht,
Und Unschuld wirft den Schleier der Vestale
    Um ihre Hirtentracht.

Die Häuslichkeit birgt sie in grünen Hallen,
    Vom Sonnenstral umblinkt,
Bis ihr beim Hochzeitlied der Nachtigallen
    Der Myrthenkranz entsinkt.

Dann zieret sie, wenn bräutlich hold sie bebet,
    Verschämtes Rosenlicht;
Und bald, was mehr ein holdes Weib noch hebet,
    Erfüllte Mutterpflicht. 121

 


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