Johann Gaudenz v. Salis-Seewis
Gedichte - Ausgabe letzter Hand
Johann Gaudenz v. Salis-Seewis

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Elegie

an die Ruhe.

1786.

        Wie nach dem röthenden Abend die Schnittermädchen sich sehnen,
    Also sehnt sich mein Herz, ländliche Ruhe, nach dir!
Dich zu finden, verbärg' ich mich gern in entlegener Wildniß,
    Wie der Vogel des Forsts unter den Blättern sich birgt.
Hätt' ich ein ländliches Haus, in waldiger Windung des Seethals,
    Halb vom glänzenden Grün kühlender Linden verhüllt,
Wo auf schwankendem Sproß sich wiegte der lockende Buchfink,
    Oder ein Hänflingspaar baute sein schwebendes Nest;
Dann umflöcht' ich mit hochroth blühenden Bohnen die Gitter
    Meines Sommergemachs, daß durch des säuselnden Laubs 34
Öffnungen blinkte der Mond und der Purpurschimmer der Frühe,
    Oder des Sonnenscheins grünlich durchwobenes Gold.
Blühendes Gaisblatt verbände des Gartens Lillagebüsche,
    Und umathmete süß meine verborgene Bank.
Emsig begöss' ich am Morgen und Abend die dürstenden Nelken,
    Träufelt' erquickendes Naß auf das verwelkende Kraut.
Bald bestieg' ich selbst die Leiter am röthelnden Kirschbaum,
    Bald entriß ich die Nuß ihrem versagenden Stiel.
Rauschend entstürzten dem Wipfel die purpurwangigen Äpfel,
    Oder es tropften ins Gras bläuliche Pflaumen herab.
Ich begleitete gern die Schwade der Mäher im Heumond,
    Nähme selber sogar öfters die Sense zur Hand.
Kühlte mit Milch den Durst in des Mittags sengender Schwüle,
    Wenn sich des Landvolks Kreis lagert im Schatten des Zauns.
Aus den Töchtern des Landes erwählt' ich eine zum Weibe,
    Sittsam wie Veilchen, und keusch wie die Viole der Nacht.
O dann lächelte mir ihr Blick in die häuslichen Schatten,
    Wie der Dämmerung Stern, Wehmuth und liebliche Ruh! –
Aber was lullst du mich ein in Zauberschlummer der Täuschung,
    Nichtige Phantasie? Selten, ach! selten gedeiht
Deine Blüthe zur Frucht! Mir ruft die wirbelnde Trommel,
    Und der Kanonen Zug klirrt durch die Wölbung des Thors;
Bajonette blitzen in langen, starrenden Reihen, 35
    Hoch vom Flattergeräusch farbiger Fahnen umweht
Gebt mir die Lanz' und das Schwerdt, daß ich mich gürte! Mir tönet
    Laut die Stimme der Pflicht, lauter der Ehre Gebot.
Fröhlich folg' ich dem Heer' in übende Waffengefilde;
    Muthiger, ist's mir vergönnt, stürz' ich in Donner und Tod.
Ruhe, dich lieb' ich umsonst! Ich flieh' und wende die Blicke;
    Nur noch ein Seufzer entschlüpft mir in betäubendem Lärm,
Wie der entführten Braut im Arme des siegenden Jünglings,
    Wenn sie an's heimische Haus zärtlicher Ältern gedenkt. 36

 


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