Johann Gaudenz v. Salis-Seewis
Gedichte - Ausgabe letzter Hand
Johann Gaudenz v. Salis-Seewis

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Das Abendroth.

        Wie lieblich, wenn dein rother Schein
    Den stillen See bemalt,
Und in den Thaubesprengten Hain
    Durch Blüthenzweige stralt;
Auf goldner Wogenfluth des Korns
    Leicht hin und wieder schlüpft,
Und funkelnd auf des Wiesenborns
    Umschäumtem Silber hüpft!

Wie lieblich, wenn er mit dem Bach
    Die Blumenau durchspielt,
Und sich durch das Hollunderdach
    In meine Laube stiehlt: 17
Wenn wolligkrauser Wölkchen Heer
    Sein Purpur überzieht
Und, roth vom Wiederschein, das Meer
    Wie Lavaströme glüht!

O Pracht, wenn du der Berge Blau
    Mit goldnem Saume zierst,
Bevor du dich ins matte Grau
    Der Dämmerung verlierst!
Noch wunderschöner strömt die Fluth
    Von deinem Rosenlicht
Dem Mädchen unterm Halmenhut
    Ins blühende Gesicht.

Wenn bei der Heidelerchen Sang
    Dein letzter Strahl erstirbt,
Im Todtenacker, leis' und bang',
    Noch die Zikade zirpt;
Dann lächelt die Vergangenheit
    Durch der Erinnrung Flor;
In mildem Lichte steigt der Zeit
    Verblichnes Bild empor. 18

Aus deines Kranzes Rosen thaut
    Wehmüthiges Gefühl;
Im Spiegel stiller Ahnung schaut
    Mein Geist der Wallfahrt Ziel;
Vom Hauch der Hoffnung kühl umwebt,
    Vergißt er Gram und Schmerz;
Die Erde rings um ihn vergeht,
    Er schwingt sich himmelwärts. 19

 


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