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Die Zauberei im Altertum. – Der Wärwolfsglaube bei Griechen und Römern. – Die Zauberei bei den Juden. – Die Toleranz der Heiden und die Unduldsamkeit der jüdischen Priesterkaste. – Volksaberglauben im Mittelalter: Elementargeister, Alraunen, Galgenmännlein, Festmachen, Unsichtbarmachen, Nestelknüpfen usw. – Liebeszauber. – Die Diebshand. – Die Faustsage. – Nahrung des Zauberwahns und Verfehmung der Hexerei durch die Kirche. – Die pfäffische Erfindung der Teufelsbuhlschaft. – Die Hexenverfolgungen nur eine Spielart der Ketzerverfolgungen. – Pfäffische Verleumdungen der Stedinger. – Thomas von Aquino behauptet die Teufelsbuhlschaft. – Die Inquisition eröffnet die Hexenverfolgungen. – Die Hexenbulle Innocens' VIII. – Auch der Kaiser Maximilian befiehlt die Hexenverfolgung. – Der »Hexenhammer«. – Die weiteren Ursachen der Hexenprozesse: Blutgier, Geilheit, Rachsucht, Habgier. – Statistisches über die Hexenbrände. – Zweijährige und Neunzigjährige als Hexen. – Die verschiedenen Grade der Folter. – Wollust und Grausamkeit. – Wie Geständnisse erpreßt wurden. – Aberwitzige Aussagen. – Leibhaftige Nachkommenschaft des Teufels. – Das Kinderfressen der Hexen. – Gewittermachen und Wetterbrauen. – Der Teufel als Salat. – Hexensabbath und Teufelshuldigung. – Als Wärwolf verbrannt. – Die Subpriorin als Hexe im Jahre 1749. – Teuflischer Stecknadelnsamen. – Die Reformatoren als Förderer des Hexenwahns. – Die ersten Gegner der Wahnsinnsepidemie. – Der endliche Sieg des Kulturfortschritts über die Pfaffen.
Eins der fürchterlichsten Kapitel menschlichen Wahnes und religiöser Verfolgungssucht bildet die Geschichte der Hexenprozesse. Wer könnte sich ohne Schaudern der Haut vorstellen, daß während des 15., 16., 17., ja sogar noch des 18. Jahrhunderts drei bis vier Millionen Menschen in der scheusäligsten Weise zu Tode gemartert worden sind, aus keinem anderen Grunde, als weil sie sich der Zauberei und Hexerei schuldig gemacht haben sollten! Drei bis vier Millionen Menschen ohne Unterschied des Geschlechts und des Alters, vom zweijährigen Kinde bis zur neunzigjährigen Greisin! Niemals feierte die Bestie im Menschen entsetzlichere Orgien, als bei den Hexenprozessen. Blödester Glaubenswahn, hirnverbrannteste Wundersüchtelei, viehische Wollust und Grausamkeit rangen bei diesen Exekutionen um die Palme. Und kein Mensch wagte es jahrhundertelang, diesem grauenhaften Aberwitz entgegenzutreten. Theologen und Juristen wetteiferten darin, Massenbrände zu schichten und die blutrünstige Tollheit in ein grausiges System zu bringen, Katholiken und Protestanten überboten sich an Verfolgungswut.
Der Hexenwahn und die Hexenprozesse waren nur möglich in einem Zeitalter, das angefüllt war mit dem tollsten Aberglauben, das hinter jedem natürlichen Ereignis mangels naturwissenschaftlicher Erkenntnis den Einfluß geheimnisvoller Zaubermächte witterte.
Der religiöse Unglauben mancher Gelehrten entsprang der Opposition gegen die Kirche oder ihrer Indifferenz, aber keineswegs einer wissenschaftlichen Einsicht in die Zusammenhänge der Natur. Dagegen hatten die naive Gläubigkeit und der blöde Aberglauben psychologische Ursachen, die in den sozialen Wirren des Zeitalters wurzelten. Es »entspannen sich Kämpfe auf Leben und Tod zwischen den aufstrebenden und den untergehenden Klassen. Die Bedrückung und Proletarisierung der Bauern wuchsen, das Elend und die Landstreicherei … Haß, Angst, Verzweiflung wurden tägliche Gäste in der Hütte und im Palast; jeder zitterte vor dem Morgen, beklagte das Gestern und rang mit dem Heute. Der Krieg wurde ein Beruf, die Menschenschlächterei ein Handwerk, der verabschiedete Soldat, durch die Not gezwungen, im Frieden die Gewohnheiten des Krieges fortzusetzen, die von ihm Bedrohten getrieben, ihn wie ein wildes Tier zu hetzen. Und gleichzeitig jagten die Würgeengel der Pest und die Syphilis durch ganz Europa. Unsicherheit, Jammer, Elend, stete Angst vor den unwiderstehlichen sozialen Mächten herrschte überall, vor Mächten, die nicht im kleinen Rahmen der Markgenossenschaft wirkten, sondern mit der verheerenden Wucht nationaler und internationaler Geißeln auftraten.«
»Unter dem Einfluß dieser Situation wuchs das religiöse Bedürfnis, die Sehnsucht nach einem besseren Jenseits, der Drang nach der Anerkennung eines allmächtigen Gottes, der allein imstande schien, dem allgemeinen Jammer ein Ende zu machen. Aber gleichzeitig schwand auch der liebenswürdige, heitere Zug der Religion, sie entwickelte ihre finstersten, grausamsten Seiten. Der Teufel erschien wieder überall den Menschen, und ihre Phantasie war damit beschäftigt, ihn so grauenhaft als möglich auszumalen. Mit Wollust ersannen sie die fürchterlichsten Qualen der Hölle, um sie in teuflischen Grausamkeiten gegen die Lebenden auf Erden zu verwirklichen. Zugleich mit der Blutgesetzgebung gegen Bettler und Landstreicher kamen auch die Hexenriechereien und Hexenverbrennungen in die Mode.« (Kautsky.)
Die sozialen Wehen der Zeit schufen so die Disposition für Hexenwahn und Hexenverfolgungen. Und die Kirche, trotz der ökonomischen Erschütterung ihrer Macht noch immer die geistige Führerin der Massen, und gerade durch die Erschütterung ihrer Macht zum rücksichtslosesten Gebrauch derselben gereizt, schritt dem durch das soziale Elend entmenschten Zeitalter mit der Brandfackel des Hexenrichters voran!
Auch den Alten fehlte die Naturerkenntnis, auch Griechen und Römer glaubten an Zauberei, ohne daß es deshalb zu blutigen Verfolgungen der vermeintlichen Zauberer gekommen wäre. Und zweifellos wäre auch dem Mittelalter und dem Beginn der Neuzeit die Schmach der Hexenbrände erspart geblieben, wenn nicht wiederum die Kirche zuerst die Losung zu dem Vertilgungskrieg gegen die Hexerei gegeben und Hexenprozesse großen Stils inszeniert hätte. Die Juristerei, die ja noch alle Zeit jede Schandtat in Rechtsformeln zu bringen verstanden hat, nahm sich mit Eifer des neuen Arbeitsgebietes an. Und nachdem so die Hexenprozesse erst einmal sozusagen eine staatliche Einrichtung geworden waren, führten die reformierten Pfaffen und Regierungen das gottgefällige Werk der Hexenverbrennungen mit einem heiligen Eifer fort, den im Anfang kaum die Inquisition an den Tag gelegt hatte. Erst als sich der Wahnwitz fast drei Jahrhunderte lang ausgerast hatte, begann die Stimme der Vernunft allmählich Gehör zu finden. Aber es ist noch gar nicht allzulange her, daß die letzten Hexen am Brandpfahl schmorten: 1756 und 1758 wurden in Bayern zwei dreizehn- bis vierzehnjährige Mädchen verbrannt, weil sie mit dem Teufel Umgang gehabt, Menschen verzaubert und Wetter »gemacht« haben sollten. In Glarus wurde sogar noch 1782 und in Posen 1783 eine Hexenverbrennung vollzogen! Unsere europäische Kultur, die ja überhaupt noch recht fadenscheinig aussieht, ist also noch gar nicht sehr alten Datums!
Der Glaube an Zauberei ist uralt. Es ist bekannt, eine wie große Rolle die Zauberer und Wettermacher bei den Naturvölkern spielen. Aus dem alten Testament wissen wir, daß bei den Juden strenge Gesetze gegen die Zauberer, Wahrsager und Zeichendeuter bestanden. Auch die Griechen und Römer hatten ihre Zauberer und Zaubergeschichten. Aus der Odyssee sehen wir, daß man glaubte, durch Zauberei die Geister Verstorbener beschwören, durch Zaubersäfte die Menschen in Tiere verwandeln zu können usw. Unter den Griechen war die Sage von den Weibern Thessaliens verbreitet, die sich durch Einreiben mit Salben in Tiere oder Steine verwandeln, die durch Verwünschungen Gliederlähmungen herbeiführen und Blitz und Regen machen konnten. In Vögel verwandelt, flogen diese Weiber durch die Lüfte auf Buhlschaften aus. (Soldan.) Auch der Wärwolfsglaube war den Griechen nicht unbekannt. Schon Herodot erzählt, daß Bewohner des Skythenlandes sich nach den Erzählungen in jenem Lande gewesener Griechen an einigen Tagen des Jahres in einen Wolf zu verwandeln vermöchten. Dieser Wärwolfsglaube ging dann auch auf die Römer über. Auch die Bereitung von Liebestränken fällt in das Gebiet der Zauberei. Bei Horaz vergräbt eine Zauberin einen unmündigen Knaben bis zum Mund in die Erde und läßt ihn langsam Hungers sterben, um dann die ausgedorrte Leber und das verbrannte Mark des Kindes zur Bereitung eines Liebespulvers zu gebrauchen. In Eulen verwandelte Weiber legten sich in die Wiege der Säuglinge und sogen ihnen das Blut aus. All diese und andere Züge des Zauberwahnes gingen allmählich in den Hexenglauben des Mittelalters über und spielten bei den Hexenprozessen ihre Rolle.
Die Griechen und Römer hielten die Ausübung von Zauberkünsten keineswegs für ein Verbrechen. Sie schrieben diese Künste einer tieferen Einsicht in die geheimnisvollen Kräfte der Natur zu. Das Gesetz bestrafte die Zauberei nur dann, wenn dadurch andere Personen an ihrem Besitz oder ihrem Leibe geschädigt wurden. Die römische Gesetzessammlung der zwölf Tafeln verbot wohl, durch Zauberkünste Getreide von fremden Feldern an sich zu bringen, und Kaiser Konstantin setzte schwere Strafen darauf, durch Zaubermittel die Gesundheit eines andern zu gefährden oder in unschuldigen Gemütern böse Begierden zu erwecken; allein dasselbe Gesetz erklärte die Anwendung von Zaubermitteln dann für erlaubt, wenn es sich um die Leitung von Kranken oder um den Schutz der Fluren gegen Unwetter handle.
Das Judentum hatte im Gegensatz zu den Griechen und Römern die Zauberei überhaupt für ein todeswürdiges Verbrechen erklärt, weil sein starrer Eingottesglaube die Anrufung anderer Gewalten nicht dulden konnte. Die Griechen und Römer waren frei von der religiösen Unduldsamkeit dieses Monotheismus. Ihre Götter kannten keine Unduldsamkeit und Eifersucht. Sie ließen auch noch andere Gottheiten und Gewalten neben sich gelten. Der Jehovah der Juden hingegen duldete keine anderen Götter neben sich. Oder, um es deutlicher auszudrücken: die jüdische Priesterkaste war eifersüchtig darauf bedacht, keine andere Priesterkaste neben sich aufkommen zu lassen. Sie stempelte deshalb die Zauberei zur Abgötterei. Wer mit Umgehung Jehovahs und seiner Priester wahrsagen oder sonstige Zauberei treiben wollte, der sollte gesteinigt werden, da er ein Verächter Jehovahs und seiner Diener sei.
An anderer Stelle (Kapitel VII) haben wir bereits gezeigt, wie das Christentum und der christliche Klerus den Gedanken, daß Zauberei schlimmste Abgötterei sei, mit äußerster Konsequenz durchgeführt hatte. In den altindischen, altpersischen und altägyptischen Religionssystemen wurde bereits der Verkörperung des Guten eine Verkörperung des Bösen entgegengesetzt. In der indischen Dreigottheit ist Siwa der Zerstörer, in der zoroastrischen Lehre ist dem guten Ormuzd der böse Ahriman gegenübergestellt, und in der ägyptischen Mythologie tritt dem Repräsentanten des Guten, Osiris, der schlimme Typhon gegenüber. Auch dem alttestamentlichen Jehovah tritt bereits ein Gegengott als Verkörperung des Bösen entgegen. Die arglistige Schlange des Paradieses ist ja schließlich nichts als der leibhaftige Satanas in Embryogestalt. Aber dem Christentum und den christlichen Pfaffen ist es doch schließlich vorbehalten geblieben, Gott und seinem himmlischen Reiche den Teufel und seine Hölle mit förmlich plastischer Deutlichkeit gegenüberzustellen. Und wie Gott sein Reich unter den Menschen errichtete, so war auch der Teufel bemüht, seinen Gegenstaat zu begründen. Seine Anhänger aber waren die Zauberer und Hexen, die sich dem Teufel in aller Form zugeschworen und ihm gehuldigt hatten.
Der Teufels- und Hexenglauben brauchte von der mittelalterlichen Kirche nur in ein groteskes System gebracht zu werden; seine Elemente waren in der biblischen und klassischen Überlieferung, sowie in dem alten Volksaberglauben reichlich vorhanden. Der biblische Teufelsglaube mischte sich mit den Zaubereivorstellungen der Alten und den einheimischen Spukgebilden zu einem wüsten, ausschweifenden Teufels- und Hexenwahn. Ein ungeheurer Wust abergläubischer Vorstellungen benebelte das Hirn der damaligen Menschheit, der Glauben an Kobolde und Unholde (Bild), Verzauberungen, Verwandlungen, Entrückungen und Besessensein, an Wahrsagen und Zeichendeuten, Wettermachen, Schatzgräberei, Nestelknüpfen und Schloßschließen, Treffschießen, Festmachen gegen Lieb, Stich und Schuß, Liebeszauber, Unsichtbarmachen, an Alraunen, Galgenmännlein, Geisterbeschwören usw. Da hausten die Kobolde als Hausgeister in der Umgebung des Herdes, wo ihnen die Hausfrau Speiseopfer aufstellen mußte, da bevölkerten die Wassergeister (Neks, Nixen) das Wasser, die Waldgeister (Holzleute, Schräte) den Wald. Fest glaubte man an glückbringende Alraunen, die unter dem Galgen hervorwachsen aus den Angsttränen gehenkter Diebe. Ein Verwandter des Alraunen ist das Glücks- oder Galgenmännlein. Die Gebrüder Grimm beschreiben es folgendermaßen: »Er wird gemeiniglich in einem wohlverschlossenen Gläslein aufbewahrt, sieht aus nicht recht wie eine Spinne, nicht recht wie ein Skorpion, bewegt sich aber ohne Unterlaß. Wer diesen kauft, bei dem bleibt er, er mag das Fläschlein hinlegen, wo er will, immer kehrt er zu ihm zurück. Er bringt großes Glück, läßt verborgene Schätze sehen, macht bei Freunden geliebt, bei Feinden gefürchtet, im Kriege fest wie Stahl und Eisen. Wer ihn aber behält bis er stirbt, der muß mit ihm in die Hölle.« Über Liebestränke erzählt noch 1726 Kräutermann in seinem »Kuriösen und vernünftigen Zauberarzt«: »In den magischen oder teufelischen Liebesmitteln gebrauchten Zauberer und Zauberinnen teils allerhand Worte, Zeichen, Murmelungen, Wachsbilder, teils die abgeschnittenen Nägel, ein Stückchen von der Kleidung oder sonst etwas von der Person, welches sie vergraben, es sei nun unter die Türe oder eine andere Schwelle. Huren oder dergleichen Gesindel bedienen sich auch ihrer monatlichen Blume, des Mannes Samen, Nachgeburten, Milch, Schweiß, Urin, Speichel, Haar, Nabelschnüren, Gehirn von der Quappe oder Alraunen u. dgl. mehr.« Dergleichen Liebeszauber hatte, wie uns viele Autoren aus dem 16. und 17. Jahrhundert erzählen, oft sehr betrübende Folgen für die Behexten. Zuweilen aber auch einen ganz unerwarteten Erfolg, wie z. B. Harsdörfer in seinem »Schauplatz lust- und lehrreicher Geschichten« (1653) erzählt: »In der oberen Pfalz hat sich wie landkundig zugetragen, daß ein Pfaff sich in eine ehrliche Bürgersfrau verliebet, und da sie im Kindbett gelegen, von ihrer Magd, der er etliche Dukaten geschenkt, etliche Tropfen von der Frauenmilch begehrt. Die gab ihm aber von ihrer Gaisenmilch. Was er damit getan, ist unbewußt, das aber hat er erfahren, daß ihm die Gais in die Kirch vor den Altar und bis auf den Predigtstuhl nachgelaufen, was die Frau zweifelsohne hätte tun müssen, so er ihre Milch zuwege gebracht. Er konnte des Tiers nicht ledig werden, bis er es kauft und schlachten ließ.«
In das Gebiet des Liebeszaubers gehörte auch das Nestelknüpfen und Schloßschließen, das in vielen Hexenprozessen eine Rolle spielt. Dadurch, daß jemand im Augenblick der priesterlichen Zusammengabe eines Ehepaares den Hosenbund schloß oder ein Schloß zuschnappen ließ, konnte er bewirken, daß die Neuvermählten nicht die eheliche Pflicht erfüllen konnten. Ja es kam sogar vor, daß Hexen Männern ihrer Mannheit Verkörperung sichtbarlich auf Bäume hexten. Solches Übel tat eine 1550 bei Basel verbrannte Hexe, die unter anderem Männern ihre Mannheit auf einen Nußbaum hinaufhexte!
Namentlich unter Soldaten und Verbrechern spielte die »Zauberei« eine große Rolle. Durch Waffensalben und dergleichen suchte man seine Waffen unwiderstehlich und sich selbst unverwundbar zu machen. Die Verbrecher bedienten sich häufig der sogenannten Diebshand, die aus der Hand eines Gehenkten verfertigt und mit einer aus »Jungfernwachs und Flachsdotter« gemachten Kerze versehen war. Der Schein dieser Kerze sollte die Bewohner eines Hauses, in dem ein Verbrechen geschah, in tiefe Betäubung versenken.
Die Zauberer schlossen zur Erlangung ihrer Wunderkräfte, zur Ausübung der »schwarzen Magie«, mit dem Teufel ein förmliches Bündnis. Für die Volksvorstellung hierüber ist charakteristisch das aus dem Jahre 1586 stammende Buch über den Doktor Faust. Faust schloß mit dem Teufel einen Pakt, wonach dieser ihm im Diesseits zu Zauberkünsten und allerlei Wollüsten verhalf, wofür Faust dem Teufel seine Seele verschrieb. Der Teufel selbst nahm die Gestalt eines schönen Weibes an, um mit Faust Unzucht zu treiben. Diese Teufelsbuhlschaft gehört, wie wir noch sehen werden, unlöslich zu dem mit dem Teufel abgeschlossenen Vertrage. Als die Faust gewährte Frist verstrichen, holte ihn der Teufel gewaltsam zur Hölle.
Das Gestrüpp wüsten, gelegentlich zu scheußlichen Verbrechen führenden Aberglaubens überwucherte also den ganzen Vorstellungskreis des Volkes. Statt dies Gestrüpp hinwegzuräumen, düngte es die Kirche noch mit theologischem Aberwitz. Die Pfaffen brachten den schauerlichen Blödsinn erst in ein System, sie stempelten erst die Zauberei zu dem furchtbarsten Verbrechen und hetzten erst die verblendete Menschheit auf zu den grauenhaftesten Massenermordungen Unschuldiger, die je die Geschichte gesehen hat.
Es unterliegt trotz aller pfäffischen Leugnungsversuche keinem Zweifel, daß die Kirche die Hexenverfolgungswut erst künstlich entflammt hat und daß keineswegs umgekehrt der in den Massen verbreitete Hexenglauben die Kirche gewissermaßen gezwungen habe, ihm durch die Strafexekutionen ihren Tribut zu zollen. Denn so verbreitet auch der Glaube an Zauberei und Hexenwesen war, so gemütlich war doch ursprünglich im Volke die Anschauung vom Wesen des Hexentums. »Freilich waren die alten Weiber, die sich mit Zauberei abgaben oder die man im Verdacht hatte, Hexen zu sein, gemieden, weil man sie fürchtete, und demnach im allgemeinen von jedem Verkehr ausgeschlossen; aber ein todeswürdiges Verbrechen sah das Volk nicht darin, daß irgend eine Person eine Hexe war, falls sie nicht durch ein wirkliches oder vermeintliches Verbrechen den Tod verschuldete; ebensowenig fanden sich allzuviel Menschen, die ihrerseits aus Gewissensskrupeln auf die altgewohnten Zaubermittel verzichten mochten, wenn es galt, einen Dieb zu ermitteln oder eine Krankheit zu beschwören.« (Mejer.) Auch daß die Hexen Werkzeuge des Teufels seien und Teufelsbuhlschaft trieben, war keine ursprüngliche Volksmeinung. Sie wurde vielmehr erst durch die Theologie verbreitet und ging dann freilich auch ins Volk über, wie die oben zitierte Faust-Sage beweist.
Die Hexenverfolgungen waren nichts als eine Spielart der Ketzerverfolgungen der Kirche. Das beweisen am augenfälligsten die Kreuzzüge wider die Stedinger, jenen oldenburgischen Bauernstamm, der sich in altem Freiheitsstolz dem Joch des Erzbischofs von Bremen nicht beugen wollte. Als in jahrzehntelangen Kämpfen der Erzbischof gegen die unbotmäßigen Bauern nichts auszurichten vermochte, wandte er sich an Gregor IX., der dann auch zu einem Kreuzzug wider die Rebellen aufrief. Um das tapfere Völkchen durch einen Kreuzzug zu erwürgen, war es nötig, den religiösen Fanatismus der »Gottesstreiter« zu entflammen. Die Rebellen waren, da sie sich gegen erzbischöfliche Macht auflehnten, schon längst zu Ketzern gestempelt worden, nunmehr drückte man ihnen noch das Brandmal besonders verruchter Teufelsanbetung auf. In einem Breve, das im Jahre 1233 in den Kirchen angeschlagen wurde, um überall die wehrhaften Männer zur Teilnahme an dem Kreuzzug zu begeistern, bezichtigte der Papst die Stedinger des abenteuerlichsten Teufelskultus. Es heißt in dem Breve: »Wenn ein Neuling aufgenommen wird und zuerst in die Versammlung eintritt, so erscheint ihm eine Art Frosch, welche einige eine Kröte nennen. Diesem geben einzelne einen schmachwürdigen Kuß auf den Hinterteil des Körpers, andere auf das Maul und ziehen dabei die Zunge und den Speichel des Tieres in ihren Mund. Dasselbe erscheint zuweilen in gehöriger Größe; manchmal so groß wie eine Ente oder eine Gans; meistens nimmt es jedoch die Größe eines Backofens an … Hierauf setzt man sich zum Mahle, und wenn man sich nach demselben wieder erhebt, so steigt aus einer Statue, die in solchen Versammlungen zu sein pflegt, ein schwarzer Kater von der Größe eines mittelmäßigen Hundes rückwärts und mit zurückgebogenem Schwanze hervor. Diesen küßt zuerst der Noviz auf den Hinterteil des Körpers, dann der Lehrer oder Meister der Versammlung und nach ihm alle übrigen der Reihe nach« … Dies ekelhafte Pfaffenmärchen, das dann noch von verruchten, widernatürlichen geschlechtlichen Ausschweifungen zu erzählen wußte, tat seine Schuldigkeit. Ein gewaltiges Kreuzheer warf sich im Jahre 1234 auf die Stedinger, erschlug ihrer 4000 und unterwarf den Rest dem Erzbischof von Bremen. Von ihrem Teufelskult war nach dieser Unterwerfung weiter keine Rede mehr, er hatte ja seine Schuldigkeit getan.
Die Bezichtigung der Teufelsbuhlschaft tauchte aber bald an anderen Orten wieder auf. Die im Beginn des 13. Jahrhunderts von Gregor IX. errichtete Inquisition, deren Hauptträger die Dominikaner waren, war emsig bemüht, ihren bemitleidenswerten Opfern allerlei Verruchtheiten anzudichten. So wurde im Jahre 1275 in Toulouse von der Inquisition eine gewisse Angele von Labarthe verbrannt, die gestanden hatte, allnächtlich mit dem Teufel Buhlschaft getrieben zu haben. Um die Frucht dieses Umganges, ein Ungeheuer mit einem Wolfskopfe und einem Schlangenschwanze, zu ernähren, habe die Mutter in jeder Nacht kleine Kinder stehlen müssen! Das war der Übergang von den Ketzer- zu den Hexenverfolgungen, die allmählich dank dem heiligen Eifer mordlüsterner Glaubensschnüffler immer mehr in Schwang kamen. Speziell in Frankreich nahmen die Hexenprozesse bald einen erschreckenden Umfang an. In den Jahren 1320-1350 wurden in Carcassone über 200, in Toulouse über 400 Hexen hingerichtet. Carcassone erlebte allein im Jahre 1357 einunddreißig Hinrichtungen.
Die Kirchenleuchten hatten sich derweilen eifrig gemüht, den Hexenwahnsinn mit theologischer Gelahrsamkeit gleichsam wissenschaftlich-theoretisch zu begründen. Man erinnerte sich, daß schon viele ältere Kirchenväter aus der Stelle im Alten Testament, wo von den Liebschaften der Engel mit den Töchtern der Erde die Rede ist, aus denen das riesige Geschlecht der Nephilim hervorgegangen, gefolgert hatten, daß eine fleischliche Vermischung zwischen Menschen und Dämonen möglich sei. Selbst der berühmteste Theologe des Mittelalters, der Stolz des Dominikanerordens, Thomas von Aquino (1225-1275), hatte die Existenz buhlerischer Geister anerkannt und ausführlich erörtert, wie der Teufel bald als Succubus (weiblicher Beischläfer), bald als Jucubus (männlicher Beischläfer) den Menschen beiwohnen und Kinder zeugen könne. Solchen Autoritäten gegenüber mußten die Vertreter des gesunden Menschenverstandes schweigen, wenn sie sich nicht selbst in den Verdacht bringen wollten, Hexerei und Teufelsbuhlschaft zu treiben.
Die Inquisition, die Trägerin des blutrünstigen Hexenverfolgungswahns, hatte in Deutschland anfangs weniger Glück als in den anderen Ländern. Der berüchtigtste älteste deutsche Inquisitor, Conrad von Marburg, war 1234 von einem Volkshaufen erschlagen worden. Als aber auch das Pariser Parlament 1390 gegen die Inquisition einschritt und die Hexenuntersuchungen an weltliche Richter übertrug, »fühlte sie sich in ihrer bisherigen Wirksamkeit so eingeengt, daß sie sich entweder ein neues Feld der Tätigkeit aufsuchen oder dasselbe weiter nach Norden gegen die deutsche Grenze vorschieben mußte. Sie wählte das letztere.« (Niehues.)
Sie verlegte sich zunächst auf eine literarische Bearbeitung der öffentlichen Meinung zugunsten des theologischen Hexenwahns. So suchte auf dem Baseler Konzil (1431) der Inquisitor Johannes Nider die dort versammelten Bischöfe und Theologen von der Existenz der Hexerei zu überzeugen. Beim Abschied gab er ihnen zur Belehrung über die Geheimnisse der Hexenkunst noch eine von ihm verfaßte Schrift über die Hexerei mit auf den Weg. In dieser Schrift behauptete er unter anderem, die Hexen bereiteten die Salben, mittels deren sie sich in Tiere verwandelten, aus den Leichen von ihnen ermordeter kleiner Kinder! Im Jahre 1458 und 1459 erschienen zwei weitere Propagandaschriften für die Hexenverfolgungen, deren Verfasser Inquisitoren waren. Diese theologische Hexenhatz tat denn auch ihre Wirkung. Bereits im Jahre 1446 wurden in Heidelberg vier Frauen als Hexen hingerichtet, ein großer Erfolg der infamen pfäffischen Verhetzungen, waren doch bisher Hexenverbrennungen in Deutschland nur ganz vereinzelt vorgekommen.
Die Hexenprozesse großen Stils begannen jedoch erst in Deutschland, als Papst Innocens VIII. im Jahre 1484 eine Bulle erließ, durch die er die deutschen Inquisitoren besonders in seinen Schutz nahm und sie ausdrücklich anwies und bevollmächtigte, gegen die mit dem Verdacht der Hexerei behafteten Personen gerichtlich vorzugehen. Diejenigen, die ihnen dabei Schwierigkeiten bereiteten, wurden mit den schwersten Kirchenstrafen bedroht. In dieser Bulle heißt es: »Neulich haben wir zu unserem großen Schmerze gehört, daß es im oberen Deutschland und in den Diözesen Mainz, Köln, Trier, Salzburg und Bremen Personen beiderlei Geschlechts gibt, die sich, uneingedenk ihres eigenen Seelenheils und abirrend vom katholischen Glauben, dem Teufel hingeben und durch ihre Zaubersprüche und Zauberlieder, durch ihre Beschwörungen, Verwünschungen und andere nichtswürdige Zaubermittel es dahin brächten, daß die Geburten der Frauen und die Jungen der Tiere, die Früchte der Erde … vernichtet würden … Männer selbst und Frauen … peinigen sie und hindern Männer und Frauen an der Erfüllung ihrer ehelichen Pflichten …«
»Obschon nun von seiten des apostolischen Stuhles Heinrich Institoris im oberen Deutschland und in den näher bezeichneten Diözesen und Kreisen, Jakob Sprenger aber am Rhein zum Inquisitor ernannt sei, gebe es doch Priester und Laien, welche mehr wissen wollten, als andere und der genannten Inquisition die rechtliche Kompetenz bestritten … Er erkläre daher nochmals ausdrücklich, daß denselben kraft der Vollmacht, welche sie als Inquisitoren empfangen hätten, in allen genannten deutschen Bezirken, Kreisen, Städten und Diözesen das Recht zustehe, jede Person, welche obiger Vergehen und Verbrechen schuldig oder verdächtig sei, vorzuladen, zu verhaften und zu bestrafen.«
Diese päpstliche Bulle schlug allen Widerstand gegen die Hexenprozessierung zu Boden. Um so mehr, als sich auch Kaiser Maximilian, nachdem die Bulle ihm vorgelegt, verpflichtet hatte, den Inquisitoren jede Unterstützung zuteil werden zu lassen. Die beiden vom Papst und Kaiser protegierten Hexenschnüffler, Heinrich Institoris und Jakob Sprenger, betrieben von nun ab das Hexenverbrennen nicht nur en gros, sondern sie verfaßten auch eine vollständige Theorie des Hexenwesens und der Hexenprozesse unter dem Titel » Hexenhammer« ( malleus maleficarum). Dies »mit dem Geifer eines vor Fanatismus, Habsucht, Wollust und Henkerslust wahnsinnig gewordenen Mönches« geschriebene Buch, das 1489 erschien, erhielt die Approbation der Kölner Universität und behielt für 300 Jahre bei Katholiken und Protestanten kanonische Geltung!
»So schwangen denn seit dieser Zeit die Hexenrichter fast 300 Jahre hindurch die Brandfackel über unser Vaterland und trugen in allen Städten und Gemeinden die Scheiterhaufen zusammen … Einige Jahrzehnte ging die Inquisition noch mit leuchtendem Beispiel voran, dann nahmen ihr die Landesbehörden der materiellen Vorteile wegen das Schwert überall aus der Land, nicht um es zur Seite zu stellen, sondern um es mit erhöhter Wucht zu führen.« (Niehues.)
Nachdem die Kirche glücklich den entsetzlichen Brand entfacht, fand sich Brennstoff genug, um die Flammen zu nähren. Viele Umstände kamen zusammen, um die Dauer der entsetzlichen Wahnsinnsepidemie zu verlängern: der tiefeingewurzelte Aberglaube des Volkes, die pfäffische Verfolgungswut – die, wie wir in den vorhergehenden Kapiteln sahen, bei den Protestanten nicht geringer war als bei den Katholiken –, persönliche Rachsucht, Habgier, das materielle Interesse der Behörden, sadistische Instinkte der Richter – all das erklärt einigermaßen den ungeheuren Umfang und die lange Zeitdauer der Hexenprozesse.
Welche Motive Rachsucht und Eigennutz spielten, dafür nur ein paar Beispiele. Im Jahre 1592 wurde die siebzigjährige Erbmarschallin Cäcilie von Pappenheim in einen Hexenprozeß verwickelt, weil sie ein Schäfer denunziert hatte, mit dem sie wegen eines Guldens in Streit geraten war. Der Schäfer klagte sie an, »sie habe in vergangener Nacht bei dem Teufel zu Gevatter gestanden, er selbst habe dabei geblasen.« Erst nach dreijähriger Einkerkerung und mit enormen Geldopfern gelang es der Familie der Erbmarschallin, sie vor dem Scheiterhaufen zu retten. Drastischer ist noch das folgende: In Lindheim im jetzigen Großherzogtum Hessen forderte im Jahre 1661 der Oberschultheiß Heiß die Regierung auf, ihn zur Einleitung neuer Hexenprozesse zu ermächtigen; dadurch »könnte die Herrschaft auch so viel bei denen bekommen, daß die Brugk wie auch die Kirche kendten wiederumb in guten Stand gebracht werden. Noch überdaß so kendten sie auch soviel haben, daß deren Diener inskünfftige kendten so viel besser besuldet werden.« Um also der Gemeinde und der Herrschaft Geld in den Beutel zu bringen, machte dieser biedere Schultheiß den gemütvollen Vorschlag, wieder etwelche Hexen und Hexeriche zu verbrennen, damit deren Vermögen konfisziert werden könnte! Solcher Gemütsmenschen hat es zweifellos eine Menge gegeben; die Hexenprozesse stellten eine ebenso hübsche Einnahmequelle dar, wie die Konfiskation der Kirchengüter. »Bald erlebten die Inquisitoren und die mit ihnen verbündeten Juristen goldene Zeiten. Man gewann die geistlichen und weltlichen Fürsten Deutschlands für den Hexenprozeß; jene, indem man ihnen einleuchtend machte, wie sehr dadurch dem hierarchischen Wesen Vorschub geleistet würde; beide zusammen, sowie die kleinen Dynasten und Städteobrigkeiten, indem man auf das Einträgliche des Geschäftes hinwies. Das Vermögen der Gemordeten wurde eingezogen und in der Regel so verteilt, daß zwei Drittel davon dem Grundherrn, das letzte Drittel den Richtern, Schöppen, Geistlichen, Spionen, Angebern und Scharfrichtern zufiel, nach standesmäßiger Taxierung natürlich. Hexenrichter und Henker bereicherten sich gerade zur Zeit der größten Verarmung Deutschlands, während des dreißigjährigen Krieges, ganz auffallend. Verdiente doch in dem einzigen Orte Coesfeld 1631 der Scharfrichter 169 Thaler. Es ist daher nicht zuviel gesagt, wenn fast die Hälfte der Hexenmorde auf Rechnung der Habsucht geschrieben wird.« (Scherr.)
Auch der protestantische Theologe Maifart (geb. 1590), der selbst bei vielen Hexenprozessen zugegen war, erklärte Grausamkeit und Wollust, Üppigkeit, Schlemmerei, Habsucht und Rachsucht für die scheußlichsten Quellen der Hexenprozesse. Er sagt unter anderem: »Billig wäre es, wenn man in die scharfe Frag-Stuben solche Reime schriebe:
Wenn Richter trachten nach dem Gut,
Die Henker dürstet nach dem Blut,
Die Zeugen suchen ihre Rach,
Muß Unschuld schreien Weh und Ach.«
Einige Zahlen mögen den ungeheuren Umfang der Hexenprozesse dartun. Sprenger und Institoris, die Verfasser des »Hexenhammer«, schickten in fünf Jahren 48 Opfer in den Feuertod, ein Kollege von ihnen in Wormserbad brachte es in einem Jahre schon zu der doppelten Anzahl. Der Rat von Genf verurteilte 1515 in drei Monaten 300 Personen, in der Diözese Eomo beliefen sich die Hexenbrände auf jährlich 100.
Am massenhaftesten loderten die Scheiterhaufen im 16. und 17. Jahrhundert. In Quedlinburg wurden im Jahre 1589 an einem Tage 133 Personen verbrannt, in Elbing 1590 in acht Monaten 65. In dem kleinen Städtchen Wiesenburg wurden in einem Prozeß 25 Personen verurteilt, in dem Städtchen Ingelfingen 13. Lindheim, das 540 Einwohner zählte, ließ in den Jahren 1640-1654 30 Personen verbrennen. Im Braunschweigischen war die Menge der Brandpfähle so groß, daß sie von den Zeitgenossen mit den Stümpfen eines niedergebrannten Kiefernwaldes verglichen wurden. Im Trierischen blieben unter dem Bischof Johann bei einem großen Hexenprozeß im Jahre 1585 in zwei Ortschaften nur zwei Menschen am Leben; aus 22 Dörfern in der Nachbarschaft von Trier wurden in den Jahren 1587-1593 nicht weniger als 368 Personen wegen Hexerei hingerichtet. Im Bistum Bamberg betrug in den Jahren 1624-1630 in den beiden Landgerichten Bamberg und Zeil die Zahl der Verurteilten nach aktenmäßiger Feststellung 285. Eine mit Genehmigung des Bischofs 1659 erschienene Schrift führt den Titel: »Kurtzer und wahrhaftiger Bericht und erschreckliche Zeitung von sechshundert Hexen, Zauberern und Teufelsbannern, welche der Bischoff von Bamberg hat verbrennen lassen, was sie in gütlicher und peinlicher Frage bekannt. Auch hat der Bischoff im Stift Würzburg über die 900 verbrennen lassen.« Einer der bestialischsten unter den Ketzerrichtern Deutschlands, Balthasar Voß im Fuldaischen, rühmte sich, daß er bereits über 700 Menschen habe verbrennen lassen, er hoffe, er werde die Zahl auf 1000 bringen. Im Jahre 1633 mußten in der kleinen Stadt Büdingen 64, im folgenden Jahre 50 den Scheiterhaufen besteigen. Das Städtchen Dieburg leistete sich im Jahre 1627 36 Hinrichtungen. Der Magistrat von Neisse, der offenbar dem technischen Fortschritt huldigte, hatte zum Verbrennen der Hexen einen eigenen Ofen herrichten lassen und verbrannte in demselben im Jahre 1651 42 Frauen; im Fürstentum Neisse sollen in neun Jahren über 1000 Hexen, darunter Kinder von 2-4 Jahren, verbrannt worden sein. Dies Verbrennen unmündiger Kinder bis hinab zum Säuglingsalter war keine Seltenheit. Kinder von 7, 9, 10 Jahren wurden häufig »eingeäschert«, wie die Gerichte das nannten, dafür schickte man aber auch Matronen von 93 und 95 Jahren auf den Scheiterhaufen. Auch sie sollten Teufelsbuhlschaft getrieben haben! Im Jahre 1756 (!) wurde zu Landshut ein vierzehnjähriges Mädchen enthauptet und verbrannt, »weil es mit dem Teufel Umgang gehabt, Menschen verzaubert und Wetter gemacht.« Zwei Jahre vorher hatte ebenfalls in Bayern ein dreizehnjähriges Mädchen dasselbe Schicksal gehabt! Im Jahre 1671 wurde zu Münden eine dreiundneunzigjährige Greisin nach erpreßtem Geständnis mit glühenden Zangen gezwickt und lebendig verbrannt. Im Bambergischen erlag eine fünfundneunzigjährige Frau der Folter. In Luzern wurde im Jahre 1652 eine fünfundachtzigjährige Frau auf die raffinierteste Weise gemartert und verbrannt. In demselben Jahre ward daselbst Katharine Schmidli, »ein klein Meiteli von elf Jahren, wegen Vögelmachen, sintemal keine Besserung zu verhoffen, im Turm ohne Abkündigung des Lebens stranguliert und dann im Sack gestoßen und verbrannt«, wie das Ratsprotokoll meldet. Ebenso heißt es im Turmbuch 1659: »Ein Menschlin von sieben Jahren, Katharineli genannt, so Gott verleugnet,« sei im Turm am Pfahl erwürgt und nachher beim Hochgericht verbrannt worden!
»Kein Krieg und keine Seuche kosteten der Menschheit soviele Opfer, als diese gehaltloseste, unsinnigste aller Verirrungen des menschlichen Geistes. Denn der Hexenwahnsinn schonte kein Alter, kein Geschlecht. Männer und Frauen, Vornehme und Geringe, Gebildete und Ungebildete fielen ihm in gleicher Weise zur Beute. Seine Fangarme umspannten das Kind in der Wiege und den Greis am Rande des Grabes, den Mann bei der Arbeit, wie die Mutter im Kreise der Familie. Vor ihm schützte keine Tugend, kein Laster, nicht die strengste Zurückgezogenheit, noch das Hinaustreten ins öffentliche Leben. Der Wanderstab lieferte unfehlbar in die Hände der Ketzerrichter, aber auch das Vaterhaus schützte nicht vor Verdacht und Angebereien. Freundschaft und Feindschaft konnten gleich verderblich werden; die Bande des Blutes wirkten gefahrdrohend noch auf Kinder und Kindeskinder. Denn hatte sich eine Mutter unter den Qualen der Folter als Hexe bekennen müssen, so traf die Kinder die Anklage, daß sie eine Teufelsbrut seien; wurde ein Familienvater verurteilt, so sandte man ihm über kurz oder lang die Hausangehörigen als natürliches Angebinde nach ins Grab.« (Niehues.)
Und der qualvolle Flammentod war für die Unzähligen, die als Opfer der Habsucht und der pfäffischen Verhetzung fielen, schließlich nur die ersehnte Erlösung. Denn die vorhergehenden Torturen, durch die man den Unglücklichen Geständnisse erpreßte, waren noch schlimmer als das Verbranntwerden bei lebendigem Leibe. Welch auserlesene Brutalität zeichnet die Martervorschriften dieses Zeitalters der Pfaffenherrschaft aus! Da heißt es: »Wenn der Inquisit erbleicht, ohnmächtig wird, Schweiß und Schaum abrinnen und der Tod nahe scheint, soll man ihm Schwefel in der Nase verbrennen und wenn die Ohnmacht aufhört, wieder anfangen … Ein Blinder kann mit der Tortur belegt werden. Ein Fieberkranker mag am besseren Tag gefoltert werden. Säugende Mütter sollen nur so gemartert werden, daß dem Kinde die Nahrung nicht gänzlich verfällt. Die Zeitlängen der höchsten Marter sollen mit und nach dem heiligen Vaterunser abgemessen werden.« (Hössli). Welch verruchte Lästerung der Gottes- und Nächstenliebe! Nie sind scheußlichere Gotteslästerungen begangen worden, als durch die Pfaffen selbst!
Worin die Tortur bestand, erzählt Niehues nach den Gerichtsakten des Fürstbistums Münster. Man unterschied daselbst fünf Grade der Tortur. Der erste Grad bestand in dem Vorzeigen der schauderhaften Marterwerkzeuge. Der zweite Grad darin, daß man dem Gefolterten die Daumschrauben anlegte und zusammenpreßte, bis das Blut unter den Nägeln hervorsprang oder gar die Knochen zersplitterten. Beim dritten Grad legte man dem Inquisiten die sogenannten spanischen Stiefel an, die man solange zusammenschraubte, bis die darin aufs äußerste zusammengepreßten Füße und Schienbeine, wie die Daumen in den Daumschrauben, zu Splittern zerquetscht wurden. Die dadurch verursachten Schmerzen waren so gewaltig, daß selbst die vertierten Richter und Henkersknechte das Jammergeschrei der Gefolterten nicht länger ertragen konnten. Um das Schreien unmöglich zu machen, legte man den Gemarterten dann einen Knebel in den Mund, eine sogenannte Mundbirne. Beim vierten Grad der Folterung zog man die Angeklagten an den zusammengebundenen Händen in die Höhe und belastete die Füße mit schweren Gewichten, so daß Sehnen und Muskeln zerrissen. Beim fünften Grad der Tortur hatte man »alles zusammengehäuft, was man an Marterwerkzeugen, die nicht unmittelbar den Tod zur Folge hatten, nur auffinden konnte«. Der Scharfrichter brach dem Angeklagten die Arme und die Schulterknochen aus ihrem Schultergelenk, schnürte die Arme nach rückwärts am Hinterkopf fest zusammen und ließ ihn so durch seine Knechte aufziehen, so daß seine Füße einige Spannen über dem Boden hingen. Zur Erhöhung der Höllenqualen gelangten dann von Zeit zu Zeit die Daumschrauben und spanischen Stiefel zur Anwendung. Dazu peitschte man den Gefolterten mit bleibeschwerten Lederriemen oder man zerriß ihm das Fleisch mit Haken, und zwar solange, bis der Scharfrichter selbst erklärte, daß eine weitere Folterung den Tod nach sich ziehen müsse.
Der »Hexenhammer« lehrt, daß man eine Tortur zwar nicht » wiederholen« dürfe, wenn nicht neue Indicia zutage getreten seien, aber man könne die Folter am zweiten und dritten Tag ruhig » fortsetzen«. Dies Buch der päpstlich und kaiserlich privilegierten rheinischen Hexenrichter empfiehlt auch Zaubersalben, durch die sich Hexen bei der Tortur unempfindlich zu machen wüßten, dadurch unschädlich zu machen, daß man den Hexen die Haare am ganzen Körper, auch an den geheimsten Stellen, abrasiere. Es sei ganz ungerechtfertigt, daß man in Deutschland dies Rasieren nicht für ein ehrbares Mittel gelten lassen wolle. Der vielgeliebte Kollege Cumanus sei darin erfreulicherweise mit gutem Beispiel vorangegangen, habe er doch nach seinem eigenen Bericht allein im Jahre 1495 in der Gegend von Wormserbad 41 Hexen am ganzen Leibe rasieren und dann verbrennen lassen. Welche Wollustschauer mochten manchen pfäffischen Sadisten überrieseln, wenn er den nackten Hexenleib in Todesqualen zucken und sich winden sah!
Kein Wunder, daß die Angeklagten unter den unerträglichen Martern der Folter die aberwitzigsten »Geständnisse« ablegten. Alles, was man von ihnen nur irgend erwartete, gaben sie vollinhaltlich zu: die Teufelsbuhlschaft, die Geburt abenteuerlichster Ungetüme, das Viehbehexen, Wettermachen, die Verwandlung in einen Wärwolf, eine schwarze Katze, nächtliche Luftfahrten auf einem Besenstiel, kurz alles, was der von Pfaffen ausgeheckte und im Hexenhammer systematisch zusammengestellte Hexenwahn an zauberischen Verbrechen kannte. Man hat die auf der Folter erpreßten, stets übereinstimmenden Aussagen der Hexen damit zu erklären versucht, daß viele Hexen sich wirklich schuldig gefühlt hätten, daß sie sich selbst eingebildet hätten, Hexerei begangen zu haben. So vertreten Haas und Roskoff die Ansicht, daß eine Menge Menschen einem epidemischen Wahnsinn, einer »imitatorischen Epidemie« verfallen gewesen seien. Man ist noch weiter gegangen, und hat die Hypothese aufgestellt, daß damals die Massen narkotische Mittel zur Anwendung gebracht hätten, wodurch sie in einen Rauschzustand versetzt worden seien, in dem sie jene Empfindungen des Fliegens, der Wollust usw. gehabt hätten, die dann die Vorstellungen der Teufelsbuhlschaft, der nächtlichen Hexenritte hervorgerufen hätten.
Es kann ruhig die Möglichkeit zugegeben werden, daß es hysterische Weiber gegeben hat, die sich infolge des von den Pfaffen eifrig genährten Volksaberglaubens faktisch einbildeten, Hexen zu sein; daß ferner diese Wahnvorstellungen durch irgendwie herbeigeführte Rauschzustände gesteigert worden seien; allein daß der Hexenglaube allgemein in der Form einer psychischen Epidemie aufgetreten sei oder daß die allgemeine Anwendung eines Narkotikums diese Epidemie erzeugt habe, ist völlig unwahrscheinlich. Zu solch krampfhaften Erklärungen gelangt man nur, wenn man die Tatsache, daß die Kirche die Urheberin der Hexenverfolgungen ist, trotz aller Beweise leugnen will. So sagt Mejer, der die Hypothese von dem Narkotikum vertritt, selbst: »In vielen Kreisen herrscht die Meinung, daß die Ketzerprozesse allmählich in Hexenprozesse übergegangen sind, weil die Kirche das Laster der Zauberei als ketzerisch hingestellt und verurteilt habe; es ist ein verführerisch naheliegender Gedanke, aber zugleich so abscheulich und unmenschlich, daß wir ihn schon deshalb (!) verwerfen müssen.« Nun, wir haben ja nachgewiesen, daß tatsächlich vielfach pfäffische Verfolgungssucht und Habgier die Ursachen der Hexenverfolgungen waren. Was aber die Gleichartigkeit der Geständnisse anlangt, so war die Kenntnis vom Wesen und den Verbrechen der Zauberei hinlänglich Gemeingut des Volkes geworden, um die vielfältige Übereinstimmung der durch die Folter erpreßten Selbstbezichtigungen mehr als hinlänglich zu erklären. Man brauchte die angeblichen Verbrechen gar nicht erst durch Suggestivfragen zu entlocken; jeder Angeklagte wußte von vornherein, welches Geständnis man von ihm wünschte. Die Übereinstimmung des Inhalts der Aussagen ist also nur zu begreiflich; daß aber fast alle Angeklagten schließlich ein Schuldbekenntnis ablegten, dafür sorgten schon die unwiderstehlichen Marterinstrumente der Richter. So fand Niehues bei seinem Aktenstudium der Münsterischen Hexenprozesse, daß nur drei Personen von all den Hunderten allen Schmerzen der Folter widerstanden hatten; von diesen drei erlagen aber nach der Folter zwei den unmittelbar an sie gerichteten Drohungen und Mahnungen des Scharfrichters. Ein einziger also nur blieb standhaft! Der Jesuit Spee, der selbst Hexenprozessen beigewohnt hatte und durch seine Erlebnisse zu einem mannhaften Gegner dieser Schändlichkeiten geworden war, urteilte: »Behandelt die Kirchenobern, behandelt mich ebenso, wie jene Unglücklichen, werft uns auf dieselben Foltern und ihr werdet uns alle als Zauberer erfinden.« Und an einer anderen Stelle: »Häufig dachte ich bei mir: daß wir nicht alle auch Zauberer sind, sei die Ursache allein die, daß die Folter nicht auch an uns kam, und sehr wahr ist, was neulich der Inquisitor eines großen Fürsten zu prahlen wagte, daß wenn unter seine Hände und Torturen selbst der Papst fallen würde, ganz gewiß auch er sich endlich als Zauberer bekennen würde.«
Aber die teuflisch erfundenen Marterungen der Tortur waren es nicht allein, die den Angeklagten die tollsten Aussagen erpreßten. Schon die bloße Kerkerhaft mußte bei längerer Dauer die Gefangenen seelisch brechen. Ein alter authentischer Bericht schildert die Gefängnisse als finstere, feuchte Löcher und Gewölbe. »Etliche haben fünfzehn, zwanzig, dreißig Klafter tiefe Brunnen, aufs allerstärkste gemauert, oben im Gewölb mit Löchern, dadurch sie die Gefangenen auf und ablassen. Nachdem nun dergleichen Ort, Gruben, Löcher und Ställe sind, sitzen etliche in so großer Kälte, daß ihnen die Füße erfrieren und gar ersterben; etliche liegen in steter Finsternis, so daß sie den Sonnenglanz nicht sehen und nicht wissen können, ob es Tag oder Nacht ist, sie sind ihrer Gliedmaßen wenig oder gar nicht mächtig, haben immerwährende Unruhe, liegen in ihrem eigenen Mist und Gestank, unflätiger und elender als das Vieh, werden übel gespeist, können nicht ruhig schlafen, haben daher schwere Gedanken, große Kümmernis, böse Träume, Schrecken und Anfechtung, werden von Ungeziefer geplagt und überdies nachträglich mit Schimpf, Spott, Bedrohung von Stockmeistern, Henkern und Henkersleuten tribuliert, geängstigt, schwer- und kleinmütig gemacht.« (Janssen.)
Mit welcher Brutalität gerade die »Hexen« von den Stockmeistern und Henkern behandelt wurden, beweist ein Bericht des Hexenrichters Remigius, der binnen 15 Jahren in Lothringen 800 Hexen hatte verbrennen lassen. Der Bluthund erzählt, eines seiner Opfer, Katharina geheißen, sei, obgleich noch ein unmannbares Kind, im Kerker wiederholt dergestalt vom Teufel (!) genotzüchtigt worden, daß man sie halbtot vorgefunden!
So bekannten denn die Angeklagten alle die haarsträubenden Dinge, die nach der Bibel der Hexenrichter, dem »Hexenhammer«, von Zauberern verübt wurden. Da nach diesem Erzeugnis pfäffischer Borniertheit, Blutgier und Geilheit jede Hexe nach abgeschlossenem Kontrakt mit dem Teufel ihren Leibbuhlen bekommt, so gestanden alle Hexen auch solche Buhlschaft ein. So bekannte beispielsweise eine Hexe, daß sie nicht nur mit ihrem Leibteufel namens Hannes ständigen Umgang gepflogen habe, sondern daß ihr aus dieser teuflischen Vermischung einstmals auch »ein schwarzer, rauher Windwurm« abgegangen sei, den sie auf Anraten ihres Teufels zu Pulver verbrannt habe. Mit diesem Pulver habe sie ihr höllischer Liebster Vieh umzubringen gelehrt.
Der Superintendent und Domprediger Heinrich Rimphof erzählt in seinem »Drachenkönig« (1647): »Im Kloster Lockum ward vor kurzem eine Hexe verbrannt, die hat das Hexen umb großer Armut willen umb ein Kopfstück gelernt, die hat vier Wochen hernach vom Sathan einen grausamen Schnacken (Schlange) zur Welt geboren, fünf vierthel lang, wofür sie sich heftiglich entsetzte, vndt diesen scheußlichen Wurmb alßfort uff den Misthaufen getragen und darinnen verscharret; der Sathan hat sie so lange gepeitscht und geschlagen, bis sie solches Thier uß dem Misthaufen wieder gesucht, hat's müssen am Feuer wärmen wie ein Kindlein und in ein Milcheimer setzen, vndt hat den unfreundlichen Gast müssen tagtäglich zur Speise Milch geben; sobald sie sothanen Schnacken angerühret, sind ihr die Hände geworden, als wären sie aussetzig, hat auch solche ungesunde Händ behalten bis sie hingerichtet worden.«
Aber die Hexen ließen sich nicht nur vom Teufel für eine verruchte Nachkommenschaft von Wechselbälgen, Schlangen und Gewürmen sorgen, sondern sie hemmen – nach dem Zeugnis des Hexenhammers – auch in jeder Weise die normale Vermehrung von Mensch und Vieh. Sie berauben Menschen und Tiere der Zeugungskraft, sie zerstören die unreifen Kinder im Leibe der Mutter und bewirken Früh- und Fehlgeburten; ihre Hauptleidenschaft ist aber, daß sie – Kinder fressen, was sie oft sogar mit ihren eigenen Kindern tun. Sie fraßen jedoch nur ungetaufte Kinder; fraßen sie aber dann und wann auch einmal ein getauftes Kind, so geschieht das nur durch »besondere göttliche Zulassung«. Für ungetaufte Kinder scheint danach die göttliche Allmacht keine Geltung zu haben, überhaupt stellen die Hexen gern größeren und kleineren Kindern nach. Wenn Kinder in Gegenwart ihrer Eltern an Bächen spielen, schleichen sich die Hexen unsichtbar herbei und stürzen die Kleinen ins Wasser. Aus den Gebeinen der Gemordeten bereiten die Hexen dann unter der Anleitung des Teufels zauberische Salben und Getränke, durch die sie Menschen und Vieh behexen.
All diese Wissenschaft empfing Jacob Sprenger, der Hauptverfasser des »Hexenhammer«, von einem der Hexerei angeklagten jungen, bußfertigen Mädchen, das von seiner gottlosen Tante zur Hexerei angehalten worden war. Diese Tante hatte die arme Unschuld in der raffiniertesten Weise zu verführen versucht. Sie hatte ihr nicht weniger als fünfzehn Teufel in der Gestalt von »flacken Junggesellen« in grünen Röcken vorgestellt und gesagt: »Wähle Dir einen, der soll Dein Bräutigam sein, der Dir gefällt!« Das standhafte junge Mädchen würde aber auch dieser Versuchung widerstanden haben, wenn es die Tante nicht noch obendrein geschlagen und gezaust hätte. Als das Mädchen so durch Zwang zur Hexe gepreßt war, unternahm es mit seiner Tante oft große Luftreisen, so von Straßburg bis Köln.
Dieses junge Mädchen wurde – gegen den strengen Grundsatz des Hexenhammers, daß man einer überwiesenen Hexe in keinem Falle das Leben schenken dürfe – ausnahmsweise von dem furchtbaren Hexenrichter begnadigt; ihre Tante endete natürlich auf dem Scheiterhaufen.
Eine Hexe, die zu Waldshut am Rhein verbrannt wurde, erzählte auf der Folter, wie sie einmal ein Gewitter gemacht habe, um sich an einer Hochzeitsgesellschaft zu rächen, zu der sie nicht eingeladen worden war. Der von ihr herbeigerufene Teufel führte sie durch die Luft auf einen nahen Berg, wo das Wetterbrauen begann. Da es ihr nun aber an dem zu dieser Prozedur nötigen Wasser gefehlt habe, habe sie sich ihres eigenen Wassers bedient und es in persönlicher Gegenwart des Teufels nach dem Brauche beim Gewittermachen umgerührt. Darauf habe der Teufel selbst die Brühe in die Luft geworfen. Sofort sei ein entsetzliches Hagelwetter losgebrochen, das die Hochzeitsgesellschaft auseinander getrieben habe. Grauenhafter Aberwitz!
Gar interessante Dinge berichtet der »Hexenhammer« über die teuflischen Verführungskünste. So verwandelte sich der Teufel einmal in einen Salat, um eine ehrbare Nonne zur teuflischen Buhlschaft zu verleiten. Besagte Nonne verspürte kurz nach dem Genuß eines Gerichtes Salat auf einmal Regungen, die sich mit ihrem Stande nicht vertrugen. Bald darauf machte sie die Bekanntschaft eines hübschen jungen Mannes. Nachdem beide vertrauter geworden waren, fragte sie der schöne Jüngling: »Weißt Du denn auch, wer ich bin?« »Nein,« sagte die Nonne mit einiger Bestürzung. »Ich bin der Teufel. Erinnerst Du Dich noch jenes Salates? Der Salat war ich, und wenn Du Dir einbildetest, Salat zu essen, hast Du eigentlich mich selbst gegessen.«
Zeus verwandelte sich nach der heiteren Mythe der Alten gelegentlich bei seinen galanten Abenteuern in einen Schwan, in einen Stier oder eine Wolke. Der Teufel der Hexenrichter war viel schlauer als der alte Heidengott, er verwandelte sich in Rapunzien- oder Selleriesalat!
Wir sagten schon, daß nach der kirchlichen Auffassung der Teufel einen förmlichen Teufelskult eingeführt habe, durch den das Reich Gottes in abgeschmackter Weise nachgeäfft und verhöhnt werde. Wie Gott durch Taufe und Abendmahl einen Bund mit den Gläubigen schloß, so schloß auch der Teufel in aller Form einen Bund mit seinen Anhängern. Diese Nachäffung und Verhöhnung christlicher Bräuche erfolgte bei den größeren Hexenzusammenkünften, den Hexensabbaten, namentlich dem Hauptsabbat, der in Deutschland am Blocksberg stattfand.
Zu diesen Sabbaten führen die Hexen, nachdem sie sich mit einer Teufelssalbe bestrichen, die aus den Gliedern zu Brei gekochter Kinder bereitet war, auf einer Ofengabel, einem Besenstiel oder einem Zaubermantel. Die nordischen Hexen bedienten sich gewöhnlich der Ziegenböcke. Nahmen sie dabei ihre Nachbarinnen und Gevattern mit und reichte der Rücken des Bockes zum Sitzen nicht aus, so steckten sie dem Bock einfach eine Stange in einen gewissen Ort hinein. Auf diese Stange konnte sich dann die ganze Gesellschaft ruhig setzen, ohne befürchten zu müssen, aus der Luft herabzufallen! So mischte sich im Hexenwahn beständig Grauenhaftes und grotesk Lächerliches!
Auf dem Hexensabbat erfolgte dann die feierliche Huldigung des Höllenfürsten. »Sobald die Gesellschaft zusammen war, ward dem Teufel der Hof gemacht. Gemeiniglich saß er in der Gestalt eines übelriechenden Bockes auf dem Thron, bisweilen aber auch in Menschengestalt mit prachtvollem Anzug, in beiden Fällen den Hintern nach der Gesellschaft zugekehrt. Jeder fiel vor ihm nieder, küßte ihn an dem eben benannten Ort zum Zeichen der Huldigung und entsagte von neuem Gott und seiner Gnade. Dies geschah besonders von den neuaufgenommenen Reichsuntertanen … Nun wurde nachgesehen, wieviel Böses jede Hexe getan hatte, wars zu wenig, gabs Schläge; hatte sich eine aber ausgezeichnet, so ward sie andern als Muster vorgestellt, hatte auch wohl die Ehre, daß Beelzebub selbst mit ihr tanzte und sie anderer Vertraulichkeiten würdigte.« –
Der ganze Wahnwitz der Hexenprozesse tritt uns vor Augen, wenn wir die Akten einzelner Prozesse genauer verfolgen.
Im Jahre 1615 wurde gegen einen gewissen Peter Kleikamp aus Ahlen im Erzbistum Münster die Anklage wegen Sodomiterei erhoben. Diese Anklage ließ sich nicht aufrecht erhalten, weshalb man nunmehr die Anklage wegen Zauberei erhob. Um Material gegen Kleikamp zu erhalten, wandte man sich an einen früheren Trinkkumpan Kleikamps. Dieser stand, da seine kürzlich verstorbene Frau des Hexens verdächtig und auch von einer hingerichteten Hexe der Zauberei direkt beschuldigt war, selbst in Gefahr, der Hexerei verdächtigt zu werden. Dieser eigenartige Zeuge, Mense Schröder, erzählte nun allerhand verdächtige Dinge über Kleikamp, offenbar in dem Gefühl, daß er sich selbst dadurch möglichst reinwaschen könne. Die Behauptungen dieses einen Zeugen genügten, um Kleikamp auf die Folter zu bringen. Er widerstand den Qualen der ersten Tortur, machte dann aber am Tage darauf »gütlich«, wie es in den Prozeßakten heißt, ein Geständnis, durch das er nicht nur sich selbst der Hexerei bezichtigte, sondern auch seine Frau und viele andere Personen. Er sowohl wie seine Frau hätten Teufelsbuhlschaft getrieben. »Seiner Frauen Buhle habe sich Jürgen genannt, die seine habe Schnelleke geheißen«. Dann bekannte er weiter nach dem Protokoll:
»Er sei ein Wärwolf vor 10 Jahren geworden. Sein Gehilfe sei damals gewesen der verstorbene Johann Ossenkamp. Sie wären zusammen in Fricus Busch zu Walstedde gegangen, wo der Kotten stehe. Dort habe er zuerst dem Fric ein schwarzbuntes Kalb gebissen.«
»Acht Tage später seien sie zusammengekommen am Leuderich hinter Beckhorst Haus. Dort hätten sie im Kamp des Jobst von der Recke auf dem Hause Hussen einen schwarzbunten Butt (jungen Ochsen) zu Schanden gemacht …«
»Vierzehn Tage später hätten sie seinem Bruder Heinrich, der jetzt bei Wilmes als Knecht diene, ein Schaf umgebracht …«
»Ungefähr vor sechs Jahren habe er mit gemeldetem Ossenkamp und ihren beiden Hunden (in Hundesgestalt auftretenden Teufeln) Jobst von der Recke auf der Heide hinter dem Beckhorster Hof einen roten Butt, so etwas weißes gehabt, zu nichte gemacht; er hatte demselben die Kehle abgebissen …«
»Später, vor fünf Jahren, sei Christian zum Loe sein Gehilfe geworden«.
»Sie wären zusammengekommen an der Roers Heide, wo Christian zum Loe damals gepflügt habe …«
»Christian zum Loe's Hund habe Ruwebusch geheißen und sei ein Hund gewesen.«
»Sie hätten von dieser Zeit an als Wölfe zusammengelaufen; der Teufel in Gestalt der beiden Hunde neben ihnen …«
Es folgt dann eine Aufzählung all des Viehs, das sie als Wärwölfe niedergerissen hätten.
Ferner erzählte Kleikamp, wie einmal eine Rotte der von ihm denunzierten Zauberer und Hexen, sieben Personen, einen Hexentanz aufgeführt hätten. Er sei ihr Trommelschläger gewesen.
»Unsern Tanz hielten wir auf den Kampforten. Wir tanzten auf einer Leine, welche an den Pfosten und an der Mauer befestigt war. »Beim Trommelschlagen saß ich auf der Mauer. Die Trommel wird mit einem Fuchsschwanz geschlagen und geht: Tup, Tup, Tup, Tup, Tup.«
Es wurden nun alle die Personen geladen, die Kleikamp als Besitzer des angeblich zerrissenen Viehs bezeichnet hatte! Ein Zeuge, dem Kleikamp vor fünf Jahren ein schwarzbuntes Kalb totgebissen haben wollte, sagte aus, daß ihm vor drei Jahren zwei Hühner abhanden gekommen seien, auch sei ihm vor 1½ Jahren ein schwarzes Rind zuerst an den Füßen krank geworden und schließlich verendet. Trotzdem fanden die Richter, daß diese Aussage einigermaßen zu dem Geständnis des Kleikamp passe! Ein anderer Zeuge, dem Kleikamp ein Schaf zerrissen haben wollte, hatte überhaupt keine Schafe besessen! In anderen Fällen ergab sich, daß wenigstens wirklich einmal Vieh gefallen – der Beschreibung nach an der Klauenseuche – oder von wilden Tieren zerrissen worden war. So wenig seltsam das an sich war, so mußte doch Kleikamp als Wärwolf der Täter gewesen sein!
Im Verlaufe des Prozesses nahm Kleikamp seine Aussage gegen seine Frau zurück. »Er wisse nichts Quades (Böses) von ihr. Sie sei keine Zaubersche gewesen.« Gegen die übrigen Bezichtigten hielt er seine Beschuldigungen hingegen aufrecht. Namentlich gegen den am schwersten belasteten Christian zum Loe. Er hatte sich zu sehr in sein eigenes Lügensystem verstrickt, um noch zurückzukönnen, ohne den Richtern als böswilliger Lügner zu erscheinen.
Als Christian zum Loe mit ihm konfrontiert wurde, spielte sich nach den Akten folgende herzzerreißende Szene ab:
»Und als nun bei der Verlesung der Aussagen Peter Kleikamps Christian zum Loe zur Konfrontation hinzugeführt wurde, hat Peter Kleikamp ihm in die Stirn gesagt: Er, Christian, sei ein Wärwulf so wie er. An Roers Hause seien sie zusammengekommen. Christians Hund heiße Ruwebusch. Sie hätten als Wölfe zusammengelaufen und dem Roer das Kalb totgebissen.
»Und als Christian später fragte, welchermaßen das Peter wahr machen könne, hat Peter geantwortet: Dazu pflege man keinen Zeugen hinzuzurufen. Wenn er, Christian, so lange gepeinigt würde wie er, so solle er auch die Wahrheit wohl bekennen … Der Teufel sei ein listiger Vogel, der einen bald verführe; er solle sich wohl bedenken. So er, Christian, es nicht gewesen, so möge er sich verteidigen, daß es der Teufel in seiner Gestalt getan habe …
»Und obwohl Christian zum Loe alles geleugnet, hat ihm doch Peter in seine Stirn gesagt, daß alles wahr sei. Er wisse an seiner Aussage nichts zu ändern.« Peter Kleikamp wurde verbrannt, und Christian zum Loe wäre unfehlbar demselben Tode verfallen, wenn er nicht Selbstmord begangen hätte. Der Scharfrichter freilich gab das Gutachten ab, zum Loe habe sich das nicht selbst angetan, sondern der Teufel habe ihm dabei geholfen. Er habe dergleichen schon bei mehreren Fällen konstatieren können.
Ein Zeugnis der unsäglichen Verblödung, die infolge des pfäffischen Hexenwahns noch vor hundertfünfzig Jahren in unserem Vaterlande herrschte, liefert der Prozeß gegen die Nonne Marie Renata Singerin, die 1749 in Würzburg verbrannt wurde.
Diese Nonne, die mit neunzehn Jahren von ihren Eltern in das Kloster gebracht worden war, hatte darin zwei Menschenalter zugebracht, bevor erkannt wurde, daß man es mit einer Hexe zu tun habe, die bereits als sechs- oder siebenjähriges Kind von einem Offizier, vielleicht dem verkleideten Teufel in Persona, zur Zauberei verführt worden war. Ja diese Hexe hatte sich durch ihren »auferbaulichen Wandel«, ihre geistlichen Übungen, ihr frommes Gebaren derart den Schein geistlicher Untadeligkeit zu erwerben vermocht, daß sie zur Subpriorin gemacht worden war!
Da erkrankten mehrere Nonnen, darunter etliche an Epilepsie, und alsbald wurde der Verdacht rege, daß eine Hexe dies Unheil angestiftet habe und daß diese Hexe im Kloster selbst hause. Mehrere der Kranken erhoben die Beschuldigung, daß die Subpriorin die Übeltäterin sei. Die Achtzigjährige wurde verurteilt, daß sie mit dem Teufel einen Pakt gemacht, daß sie vermittelst der Hexenschmiere zu Hexenversammlungen ausgefahren sei, daß sie mit dem Teufel Unzucht getrieben habe, daß sie das Hexen anderen Personen gelehrt und insonderheit die Hexerei » mit Mäüß lebendig machen und unter Haltung einer redenden Katze selbsten getrieben habe, daß sie sowohl innerhalb wie außerhalb des Klosters Menschen verhext und ihnen höllische Geister in den Leib gezaubert habe, daß sie endlich geweihte Hostien nicht verschluckt, sondern in einer Hexenversammlung »gottesräuberisch mißhandelt« habe. Das arme Weib wurde an einem Junitage des Jahres 1749 verbrannt! In demselben Jahre, in dem Goethe das Licht der Welt erblickte!
Dergleichen haarsträubende Barbareien kamen im »Jahrhundert der Aufklärung« nicht nur in katholischen Landen vor. Im protestantischen Glarus wurde sogar noch dreiunddreißig Jahre später, 1782, die Dienstmagd Anna Göldi hingerichtet, weil sie beschuldigt und »überführt« war, durch Hexerei einem Kinde das Bein gelähmt und es zum Ausspucken von Stecknadeln gebracht zu haben, indem sie ihm in einem Zauberkuchen » Stecknadelnsamen, welcher im Magen des Kindes aufging,« zu essen gegeben hatte! –
Lange, lange währte es, bis sich gegen den schauerlichen Wahnsinn der Hexenprozesse eindringliche Stimmen erhoben. Die Reformatoren leisteten dem Wahn sogar noch Vorschub. Daß Calvin auch an Hexen glaubte, haben wir in einem früheren Kapitel bereits gesehen. Und gar Luther! Bei ihm spielte der Satan eine geradezu überwältigende Rolle. Überall sah er ihn am Werke. Als Oecolompad in Basel an der Pest gestorben, war er davon überzeugt, daß ihm der Teufel selbst den Hals umgedreht habe. Als Zwingli in der Schlacht bei Cappel erschlagen wurde, versicherte Luther, der Satan selbst habe den Ketzer auf dem Schlachtfelde umgebracht. Er selbst fühlte sich vom Teufel in tausend Formen versucht und gepeinigt, er war überzeugt, ihn leibhaftig gesehen zu haben. Kein Wunder, daß ein solcher Mann von dem Teufelswesen und der Zauberei felsenfest durchdrungen war. In seinen Predigten setzte er auseinander, wie die Hexen im Bunde mit dem Teufel allerhand Schaden ausrichten können. Er bezeichnete es als eine ausgemachte Wahrheit, daß der Teufel mit den Hexen Kinder zeuge, die sogenannten Wechselbälge oder Kilkröpfe. Als er eines Tages in Dessau einen solchen Kilkropf, einen Kretin, sah, äußerte er, das sei ein Teufelskind und man solle es nur ins Wasser werfen, er wolle es schon auf seine Seele nehmen!
Aber selbst ein so aufgeklärter Kopf, wie der große Satiriker Johann Fischart, dessen Geißel sonst alle Narrheiten der Zeit traf, vermochte sich von dem grausen Hexenwahn nicht zu befreien. In einem Gutachten über einige Hexen vom Jahre 1564 erklärte er, die Unglücklichen seien gemäß dem Spruche des Exodus und der Autorität Luthers zu verbrennen! Kein Wunder, daß die geringeren Geister sich dem Blödsinn um so williger ergaben, daß Theologen und Juristen lange Abhandlungen über den Begattungsakt zwischen dem Teufel und den Hexen schrieben und dabei scharfsinnige Erwägungen darüber anstellten, ob der Samen des Teufels als kalt oder warm empfunden werde.
Unter solchen Umständen konnte sich die Bekämpfung des Hexenwahnes nur zögernd und vorsichtig hervorwagen. Die ersten Bücher gegen den Hexenglauben wurden durch die Scharfrichter verbrannt. Ihre Verfasser setzten als Verbündete des Teufels ihre Ehre, ihren Besitz, ihr Leben aufs Spiel. Deshalb darf man sich nicht über die Konzessionen wundern, die auch die schärfsten Gegner der Hexen verfolgungen dem Hexen wahn immerhin noch machten. Ein calvinistischer Arzt, Johann Weyer, war einer der ersten, der mit Entschiedenheit gegen die grausame Verfolgung der Hexen auftrat. Aber in seiner 1563 erschienenen Schrift über die Blendwerke der Dämonen wagt er die Verbindungen mit dem Teufel an sich durchaus nicht zu leugnen. Auch meint er, daß namentlich das weibliche Geschlecht, das von Natur aus leichtfertig, schlüpfrig und boshaft sei, den Versuchungen des Teufels zugänglich sei. Bei den Frauen plädiert er aber dann für mildernde Umstände, weil sowohl nach der Auffassung der Kirchenväter wie des Philosophen Plato daran zu zweifeln sei, ob die Weiber den vernünftigen oder den unvernünftigen Geschöpfen zuzuzählen seien. In einer einundzwanzig Jahre später erschienenen Schrift trat der Bremer Arzt Johann Erich völlig in die Fußstapfen seines Vorgängers. In ähnlicher Weise machte auch Hermann Wilken, Professor in Heidelberg, in einer unter dem Pseudonym Augustin Lerchheimer 1585 erschienenen Schrift allerlei Bedenken gegen Hexenprozesse geltend. Einen weit rühmlicheren, entschiedeneren, mannhafteren Kampf gegen die Hexengreuel führte der Jesuit Graf Friedrich von Spee, der selbst als Beichtiger viele Hexen zum Holzstoß begleitet und dabei die Überzeugung von der Unschuld der schändlich hingemordeten Opfer gewonnen hatte. Im Jahre 1631 veröffentlichte er, allerdings ohne Namennennung, seine » Cautio criminalis«, in der er energisch die Unschuld der Hingerichteten beteuerte und namentlich gegen das Prozeßverfahren wuchtige Anklagen erhob. Leider verhallten die Mahnungen des wackeren Mannes. Die einflußreichsten Juristen der damaligen Zeit verteidigten mit ihrer ganzen Rabulistik den scheußlichen Mordwahnsinn. Im Jahre 1691 erschien dann die »Bezauberte Welt« des Niederländers Balthasar Becker, der die Existenz des Teufels selbst zu leugnen wagte und dafür von den orthodoxen Pfaffen als »Atheist« begeifert wurde. Ihm folgte Christian Thomasius, der berühmte deutsche Rechtslehrer, der sich schon früh wegen seiner Freimütigkeit den Haß der Theologen zugezogen hatte und 1690 aus Dresden fliehen mußte, um dem Verhaftbefehl zu entgehen, den die Vertreter der christlichen Nächstenliebe gegen ihn ausgewirkt hatten.
Es ist kein Zufall, daß ein Holländer und ein Sachse die radikalsten dieser Bekämpfer des Hexenwahnes waren. In beiden Ländern war die wirtschaftliche Entwicklung relativ weit fortgeschritten, mit ihr die wissenschaftliche Erkenntnis. Sachsen wurde durch seine Leibniz, Pufendorf, Thomasius bis zu Gellert, Klopstock, Lessing das Vorland der modernen Bildung. Thomasius selbst freilich bekannte ganz ehrlich, daß er seine Ideen wieder aus den Werken des Holländers Lugo Grotius und des Engländers Hobbes geschöpft habe. So siegte denn, als Folge des wirtschaftlichen Fortschritts, der Geist der Vernunft und der Forschung über den blöden Pfaffenwahn. Wobei freilich nicht zu vergessen ist, daß schon das bürgerliche Eigentum und der bürgerliche Erwerb andere Rechtsgarantien verlangten, als sie die rechtliche Vogelfreiheit zur Zeit der Hexenprozesse und der Ketzerverfolgungen geboten hatte. Das Bürgertum setzte in den Ländern, wo es zuerst zu Einfluß gelangte, den Grundsatz der religiösen Duldsamkeit und der Rechtssicherheit durch, so in Holland und England. Von diesen Ländern aus drangen der bürgerliche Rechtsbegriff und moderne Aufklärung auch in Frankreich und Deutschland ein. Wo die wirtschaftliche Entwicklung am rückständigsten und darum die Pfaffenherrschaft am mächtigsten geblieben, da forderte der Hexenwahn am längsten seine Opfer. So wurden z. B. in Mexiko noch in der zweites Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts durch die Obrigkeit Hexen verbrannt!
Die Hexenprozesse sind einer der scheußlichsten Greuel der Weltgeschichte und eines der entsetzlichsten Verbrechen, die das so übergroße Schuldkonto der Pfaffheit belasten. Hätte das Pfaffentum nie ein anderes Verbrechen begangen, dies eine der Hexenverfolgungen würde genügen, es mit ewiger Schmach zu beladen!