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Nachzuckungen des Bauernkrieges. – Herzog Anton von Lothringen zieht gegen die Bauern. – Blutbad von Zabern. – Michael Gaißmayer und der Alpenaufstand. – Wie der österreichische Befehlshaber Dietrichstein in der Steiermark wütete. – Die Schleifung von Schladming durch die Österreicher. – Gaißmayers Ermordung. – Aufstand in den Deutschordensländern. – Resultat des Bauernkrieges. – Furchtbarer Aderlaß der Kirche. – Die ökonomische Macht der Kirche ist durch den Bauernkrieg gebrochen. – Die Säkularisation des Kirchengutes. – Zusammenbruch des Kleinadels. – Anschluß des Kleinadels an die Fürsten. – Untergang der städtischen Selbständigkeit. – Wirtschaftliche und politische Machtzentralisation. – Der Kapitalismus. – Das Fürstentum. – Liebedienerei vor der fürstlichen Macht. – Luther und Melanchthon verteidigen alle politische und soziale Unterdrückung. – Der Reformatoren reaktionäres Wüten, eine Folge der steigenden Fürstenmacht. – Der Reformatoren reaktionäre Stellung erregt des Volkes Haß, führt zur Erstarkung des alten Klerus und legt den Grund zur Kirchenspaltung in Deutschland. – Elendslohn der Bauern. – Hunderttausend Erschlagene. – Rache der Herren. – Bäuerliche Klagelieder. – Übermütiges Triumphieren der Sieger. – Spottlieder auf die Bauern. – Vermehrung der Knechtschaft.
Nachdem es den Heerhaufen des weltlichen und geistlichen Herrentums gelungen war, die große deutsche Bauernerhebung in ihren beiden Hauptgebieten in Süd- und Mitteldeutschland zwischen Donau, Rhein, Main und Elbe zu erdrücken, zuckte die Bewegung noch an den Grenzen Deutschlands nach: im Elsaß, in den österreichischen Alpenländern und im Norden Deutschlands.
Im Elsaß war die Bewegung der Bauern später losgebrochen, als auf der rechten Rheinseite. Erst um Mitte April waren die Bauern aufgestanden, doch mit dem Erfolge, daß sie kaum einen Monat später, gegen Mitte Mai, das ganze Elsaß in ihrer Gewalt hatten. Nur einige wenige Städte leisteten noch Widerstand.
Die Bauern im Bistum Straßburg waren die Ersten gewesen, ihnen folgten die Oberelsässer, die Sundgauer und all' die andern Bauernschaften. Der Reihe nach standen sie auf; die Erhebung der einen bewirkte die Erhebung der andern Bauernschaft, bis endlich das ganze Volk in Bewegung war.
Der fruchtbare Boden des Elsaß hatte schon frühzeitig Mönche angelockt, die hier ihre Klöster bauten und durch die mittelalterliche Ausbeutung des Volkes zu großem Reichtum gelangten. Während das Volk darbte, füllten sich ihre Keller mit gutem Wein, ihre Vorratskammern mit Frucht und Fleisch. Als nun die Ketten der mittelalterlichen Sklaverei krachend zersprangen, da erhoben sich die elsässischen Bauern zumal mit Erbitterung gegen die Klöster. Die Mönche mußten machen, daß sie von dannen kamen, die Klöster aber wurden ausgeraubt und geschleift. Auch den adligen Herren entsank der Mut und sie glaubten die Stunde gekommen, wo der Junker mit der arbeitsungewöhnten Hand gleich dem Bauern den Pflug in den Acker drücken müsse.
Aber im Mai hatte der Adel auch hier sein Heer gegen die Bauern beisammen. Am 6. Mai brach von Nancy der Herzog Anton von Lothringen zur Niedermetzelung der Bauern mit 30 000 Kriegsknechten auf. Deutscher und französischer Adel verband sich zu brüderlicher Interessengemeinschaft gegenüber den »ketzerischen« Bauern. Die bigotten, mit dem Klerus eng verschwägerten und verschwisterten französischen Edelleute waren vielleicht noch grausamere Bauernschlächter als der Truchseß Georg. Es lebten in ihnen die »Kreuzfahrer« gegen die südfranzösischen Ketzer wieder auf. Die Landsknechte waren ein in allen Winkeln Europas aufgegriffener internationaler Haufe von Spaniern, Piemontesen, Lombarden, Griechen, Albanesen, die nicht einmal der Bauern Sprache verstanden. Mitte Mai schlug Herzog Anton bei Lützelstein mit seiner fast achtfachen Übermacht ohne Mühe viertausend Bauern; am 17. Mai zwang er das von den Bauern besetzte Zabern zur Kapitulation. Die Bauern sollten mit weißen Stäben in der Hand, waffenlos, aber mit allem, was sie hatten, abziehen. Das war den Landsknechten, deren Hauptverdienst beim Kriege doch das Rauben und Plündern darstellte, arg wider den Strich. Sie fingen mit den Abziehenden Händel an und hieben plötzlich in die Wehr- und Waffenlosen ein, die in wilder Flucht wieder nach Zabern hineinstürzten. Aber mit ihnen stürzte das Raubgesindel der Landsknechte herein und in den Straßen Zaberns hub ein Morden an, welches selbst das Massakre von Mühlhausen übertraf. Gegen 16 000 bis 18 000 Menschen, darunter auch zahlreiche Kinder, wurden erstochen und erschlagen. Die ganze Stadt plünderten die Landsknechte aus und schonten im allgemeinen Rauben auch die Häuser des Adels und der Geistlichkeit nicht. »Die schönsten Weiber, Töchter, Kindbetterinnen, nahmen sie mit sich, brauchten sie nach ihrem Willen und ließen sie dann wieder heimgehen; sie handelten mit Weibern und ließen die Männer zusehen, die sie hernach erstachen und erbärmlich behandelten.« So rettete das Kriegsheer der »frumben Herren« die »christliche Ordnung« vor den wehrlosen Bauern!
Zu Scherweiler wurden in einem entsetzlichen nächtlichen Gemetzel 7000 oberelsässische Bauern durch die gebräuchlichen Kriegsmittel jener Zeit: erst Verrat, dann Grausamkeit, niedergemetzelt. Nachdem dergestalt das Bauernheer zersprengt war, zog der Herzog mit den Herren durchs Land, um in den einzelnen Ortschaften grausam zu wüten und die Bauernsache in Blut zu ersticken.
In den österreichischen Alpenländern hatte im Frühjahr 1525 das Volk sich erhoben, um sich von dem unerträglichen Drucke der Pfaffen- und Adelsherrschaft zu befreien. Bald war das ganze Land in den Händen der Bauern und Bergarbeiter. An der Spitze des Volkes stand ein Mann der Münzerschen Schule, Michael Gaißmayer, ein hervorragendes militärisches Talent. Mit den Schlössern des Adels, mit den Klöstern und den Liegenschaften des Klerus sprangen seine Bauern übel um. Die österreichische Regierung war gegenüber der Volkserhebung bald am Ende ihres Lateins. Sie mußte sich auf gütliches Unterhandeln, auf Konzessionen verlegen und war froh, schließlich einen Waffenstillstand mit den Bauern zu erzielen. Aber sie benutzte ihn, wie ihn das Herrentum allgemein benutzte. Während die Bauern ihn ehrlich hielten, war die Regierung eifrig tätig, Streitkräfte zusammenzuziehen, um ihre vorläufige Niederlage blutig wett zu machen.
Als die ersten Streitkräfte beisammen waren, ward auch der Waffenstillstand nicht mehr gehalten. Der Befehlshaber Dietrichstein begann in der Steiermark zu plündern und zu brandschatzen, um sein böhmisches und ungarisches Kriegsvolk, dem er keinen Sold bezahlen konnte, zu entschädigen. Schändliche Grausamkeiten wurden verübt. Dietrichsteins Reiter »schnitten den Weibern die Brüste ab, den schwangeren Frauen die Kinder aus dem Leibe.« Da standen die mißhandelten Bauern wiederum auf, überwältigten anfangs Juli 1525 das Städtchen Schladming und nahmen blutige Rache. Aber im Dezember desselben Jahres noch schlug die österreichische Regierung den Aufstand nieder und stellte mit Henken, Köpfen und Brennen »die Ordnung her«. Zumal Schladming ward blutig heimgesucht. Es wurde mitten im Frieden überfallen und auf allen Seiten angezündet. »Die heulend daraus Fliehenden, so viel man ihrer ergriff, wurden in die Flammen zurückgeschleudert, daß sie mit verbrannten, alles zusammen, Männer und Weiber, Säuglinge und Greise, alles Lebende. Die Bauern aus der Nachbarschaft Schladmings, die nicht geflohen waren, wurden zu Hunderten längs der Hauptstraße an den Feldbäumen aufgehängt; die Entronnenen geächtet, ihre Güter eingezogen. Die Stadt Schladming ward dem Erdboden gleich gemacht, ein rauchender Schutthaufen, die Stätte für verflucht erklärt.« (Zimmermann.) Fürwahr, grauenerregend »gründlich« sind sie gewesen, um den Bauernschuh wieder unter Ritterstiefel und Kutte zu bringen.
Die Salzburgischen Bauern standen am längsten gegen ihren Erzbischof und gegen den Erzherzog unter den Waffen. Gaißmayer stand an ihrer Spitze, und noch im Jahre 1526, als im übrigen Deutschland alles längst still und tot lag, schreckte er, im Mai und Juni, das Herrentum auf durch ein paar kühne Gefechte, in welchen sich die bayrischen, österreichischen, schwäbischen und salzburgischen Truppen schwere Niederlagen holten. Eine Uebermacht bedrängte ihn schließlich, aber er schlug sich vor ihr auf venetianisches Gebiet durch. Dort agitierte er noch ein Jahr lang, um einen neuen Bauernaufstand vorzubereiten. Das Herrentum und die Regierung waren in großer Sorge. Aber sie wußten sich Rat. Zur Waffe des Verrats gesellte sich der Meuchelmord. Der Bischof von Brixen ließ sich hören, »wäre er in einem niederen Stande, er würde die Regierung des Lasts vom Gaißmayer längst entledigt haben«. Und so entledigten sie sich denn »des Lasts«. Zwei Spanier wurden mit Gold bestochen. Sie drangen nachts in Gaißmayers Wohnung zu Padua, ermordeten den Volksführer im Schlaf, hieben ihm das Haupt ab und flohen damit nach Innsbruck. Wo alles versagte, da half dem Herrentum der Dolch.
Ein paar Nachzuckungen hatte der große Bauernkrieg noch in Schlesien, wo sie jedoch mehr auf religiösem als auf sozialem Gebiete lagen. Doch ganz im Norden Deutschlands, wo bereits die Wellen der Ostsee sich am Strande brechen, in Livland, Esthland und in Samland, erhoben sich noch einmal die Bauern, als drunten längst die alte Herrenmacht wieder aufgerichtet worden war. Hier oben plackte und schindete der Adel seine Bauern fast noch mehr als im deutschen Süden. Die Kunde von dem Aufstand im Süden, die Predigten der herübergekommenen Prädikanten von Freiheit und Gleichheit brachten die gequälten Bauern zur Erhebung. Sie nahmen die zwölf Artikel an und verlangten die Abschaffung aller adligen Vorrechte. Ihre Wut richtete sich vor allem gegen den deutschen Orden, der im kirchlichen Gewande eine schlimme Ausbeutung der Bauern betrieb und seine Pracht, Herrlichkeit und Macht auf der Unterdrückung und Leibeigenschaft der Bauern aufbaute.
Da zog der Deutschmeister Albrecht von Brandenburg, der Bruder des Markgrafen Kasimir von Ansbach, ins Land. Er war eben Herzog von Preußen geworden und wollte Ruhe im Lande stiften, wie es soeben die Fürsten drunten getan hatten. Dazu hatte er jedoch nicht nötig, einen Krieg zu führen; die Bauern der Deutschordensherren waren selbst zu blinden Gewalttaten zu entkräftet, sie hatten nirgends Blut vergossen. Herzog Albrecht kam an der Spitze von dreihundert Rittern ins Land, zog durch die Städte, die Dörfer, die Höfe, kundschaftete die Verdächtigen aus und ließ sie richten, foltern, köpfen oder des Landes verweisen. In Friedland wurde ein Prediger lebendig gevierteilt. Der Umzug war ein »wanderndes Blutgericht« – er ließ die letzte Flamme des Bauernaufstandes verlöschen.
Der deutsche Bauernkrieg von 1525 war der elementare Verzweiflungsausbruch des Volkes gegen das kirchliche und adlige Herrschaftssystem des Mittelalters, welches durch die Entwicklung der Geldwirtschaft überwunden worden war. Diese Entwicklung ging mit unbarmherzigen Schritten weiter ihren Weg, und das blutige Bauerndrama beim Ausgange des Mittelalters half nur die Steine beiseite räumen, welche die Entfaltung der kapitalistischen Wirtschaft hinderten.
Der Bauernkrieg hat das meiste mit dazu beigetragen, die ökonomischen Grundlagen der alten klerikalen Herrschaft, welche das Mittelalter kurzweg als die Pfaffenherrschaft bezeichnete, zu erschüttern und zu beseitigen. Die Geistlichkeit war beim Ende des Bauernkrieges am schwersten geschädigt. Der Kirchenkoloß, gesättigt von seinem Riesenreichtum, hatte den revolutionären Bauern den wenigsten Widerstand leisten können. Der ganze ungeheure Vorrat der Kirchen, Klöster und Stifte, des geistlichen Herrentums überhaupt, an Lebensmitteln aller Art, an Wein, an Vieh, an gewerblichen Produkten, Arbeitsgeräten, Kleidern, Stoffen, Kostbarkeiten in Gold und Silber, Kunstgegenständen usw. war in den Händen der Bauern zerronnen. Wohl den letzten fetten Klosterkarpfen hatten sie aus den Teichen herausgefischt. Vielfach waren die in Jahrhunderten in den Klosterbibliotheken aufgestapelten Schätze der Wissenschaft mit den Dokumenten ihrer Sklaverei von den Bauern vernichtet worden. Überall, wo die Bauern aufgestanden waren, zeigten die schwarzen Brandmauern geistlicher Niederlassungen den Weg, den die Haufen genommen hatten. So rasch und so blutig der Bauernaufstand niedergeschlagen worden war, so schwerfällig sich die Bauernhaufen bewegt hatten, sie hatten doch einen furchtbaren Aderlaß am Leibe der Kirche vorgenommen, von dem diese sich nie wieder erholen konnte. Alle geistige und politische Herrschaft ist begründet auf ökonomischer Macht. Die ökonomische Macht der Kirche in Deutschland war im Bauernkrieg in tausend Trümmer geschlagen worden, nun war es auch mit ihrer ausschließlichen geistigen und politischen Herrschaft vorbei. Den großen Zusammenbruch der mittelalterlichen Pfaffenherrschaft bewirkte nicht Martin Luther; es waren die deutschen Bauern von 1525, die ihn in Wirklichkeit herbeigeführt hatten.
Weit über tausend Klöster und Schlösser lagen in Asche. Mönche und Nonnen wanderten obdachlos umher, bettelten von Tür zu Tür und verkamen im Lumpenproletariat, soweit sie nicht gelernt hatten, sich mit einer bürgerlichen Hantierung durchzubringen. Da die Dörfer der Bauern von dem siegenden Herrentum niedergebrannt, die Bauern selbst im Kriege erschlagen oder durch den Nachrichter gehenkt und geköpft worden waren, mangelte es an Arbeitskräften. Der fette Ackerboden, die Weinberge, die Wiesen lagen brach und die Fürsten hatten ihre stille Freude an der Hilflosigkeit des geistlichen Herrentums. Der Bauernkrieg hatte die Säkularisation des Kirchengutes populär gemacht. Was vor dem Bauernkrieg nur Absicht gewesen war, das ward jetzt mit der Tat vollführt. Die Fürsten zogen die Kirchen- und Klosterländereien ein und vergrößerten damit ihre Territorien. So machte der Landgraf Philipp von Hessen nach der Niederwerfung des Bauernaufstandes im Stifte Fulda den Abt, der zuvor sein Lehnsherr gewesen war, zu seinem Dienstmann, und andere Fürsten verfuhren ebenso. Die Säkularisation der geistlichen Güter dauerte von nun ab ununterbrochen an. Die Städte taten es dabei den Fürsten gleich. Wo in den Städten privilegierte Kirchenherren saßen, da zwangen die Stadtverwaltungen sie, auf ihre Privilegien um eine geringe oder auch gänzlich ohne Abfindung zu verzichten. Die Klostergüter wurden städtisch; die Klosterhöfe, die bereits inmitten der Städte lagen, verschwanden. Man riß die Mauern nieder und die Höfe wurden zu Marktplätzen. Mit dem Besitz schwand die alte Macht des Klerus. Die feisten Bettelmönche mußten sich ducken und genügsam sein, damit man sie in der Stadt fürderhin duldete. Mit dem alten klerikalen Regiment über die Stadt hatte es ein gründliches Ende.
Den kleinen Adel riß die Kirche in ihren Zusammenbruch mit hinein. Durch das ganze Mittelalter hindurch war er abhängig von ihr gewesen und mit dem Klerus verschwistert und verschwägert. Als die Kirchenherrschaft stürzte, stürzte auch die Adelsherrschaft; neben dem rauchenden Trümmerhaufen des Klosters sah man auch das feste Adelsschloß zerschossen und verbrannt daliegen. Seine Burgen und Schlösser wieder aufzubauen, hatte der Adel keine Mittel. Wohl waren die Bauern mit schweren Brandschatzungsgeldern belegt worden, doch waren sie viel zu arm und ausgesogen, um den auferlegten Pflichten nachkommen zu können. Die Kriegsentschädigung der adligen Herren stand zumeist nur auf dem Papier, in Wirklichkeit ging sie nicht ein. Wo aber die Gelder von den Bauern erpreßt werden konnten, wußten die Herren Besseres damit zu tun, als Schlösser zu restaurieren. Denn alle Raubburgen nützten ihnen nichts mehr, da die Fürsten ihnen die alten Raub- und Beuterechte genommen hatten.
Sich wie ehedem in den Schoß der Kirche zu flüchten, schien dem Adel zwecklos. Das hatte nur Wert gehabt, als die Kirche den Adelssöhnen und -Töchtern noch in Stiften und geistlichen Herrensitzen gute Existenzen und Herrenrechte in geistlichem Gewande zu bieten vermochte. Die Zeit schien für immer vorbei. Da sah sich denn der Adel nach einem anderen Unterschlupf um und fand ihn bei den Fürsten. Die Heere der Fürsten hatten den Adel vor der Bauernrevolution gerettet, jetzt begab sich der Adel in fürstliche Dienstbarkeit und fand eine neue Existenz.
Wie der Adel so auch die Städte. Auch sie hatten die Hilfe der Fürstenheere nötig gehabt und sie mußten die Hilfe mit dem Verlust ihrer Selbständigkeit bezahlen. Die Furcht der städtischen besitzenden Klasse vor einer neuen Erhebung des Proletariats trug dazu bei, die Städte an die Seite der Fürsten zu drängen. So wurden denn die Reichsstädte den fürstlichen Territorien einverleibt oder kamen doch wenigstens in eine moralische Abhängigkeit von der fürstlichen Macht.
Aus der Tragödie von 1525, aus der lokalen Zersplitterung und Verwirrung ging siegreich hervor die wirtschaftliche und politische Machtzentralisation. Der in der Entwicklung begriffene Kapitalismus und das Fürstentum, sie standen triumphierend über der niedergezwungenen Kirchenherrschaft auf der Scheide zwischen Mittelalter und Neuzeit. »Die kapitalistische Aera,« sagt Karl Marx, »datiert erst vom 16. Jahrhundert.« Von den beengenden Schranken der mittelalterlichen Kirchenherrschaft frei, entfaltete das Großkapital seine volksausbeutende Tätigkeit. Der »Fürkauf«, die Monopolienwirtschaft, die Macht der großen Handelshäuser und Handelsgesellschaften stieg. Die Preise aller Produkte wurden durch den kaufmännischen Handel in die Höhe getrieben. Die Ausbeutung blieb und steigerte sich. An Stelle der mittelalterlichen Kleriker stand der Kaufmann und Kapitalist.
Ungeheuer gewannen die Fürsten. Ihre schwächeren Konkurrenten in der politischen Macht lagen am Boden; sie selbst nahmen jetzt die Zügel aller Macht straff in die Hand. Sie zogen auch die Hauptbeute aus dem Bauernkriege; nicht bloß durch die Säkularisation des Kirchengutes, sondern auch durch die Annexion der Reichsstädte, weiter durch die ungeheuren Summen, welche die Brandschatzungsgelder von Städten und Bauernschaften in die fiskalischen Kassen brachten. Sie hatten überdies durch die Beseitigung der vielen Privilegien der Städte freiere Hand zu Steuer- und anderer Schätzung der Massen, wodurch sich wiederum ihre Macht und ihr Ansehen erhöhte.
Diese Machtsteigerung bewirkte, daß bald alle Welt den fürstlichen Interessen zu dienen begann. Luther, der wittenbergische Reformator, der solches schon vor dem Bauernkriege getan, tat es nun erst recht und in einer harten und brutalen Form, welche die Vertreter der alten Kirchenmacht zu heftigem, berechtigtem Widerspruch herausforderte. Deutlich offenbarte sich jetzt die reaktionäre Natur Luthers. Fortgesetzt war er tätig, der politischen und sozialen Knechtung des Volkes das Wort zu reden. »Die Schrift nennt die Oberkeit,« schrieb Luther im Jahre 1526, »Stockmeister, Treiber und Anhalter durch ein Gleichnis. Wie die Eselstreiber, welchen man allezeit muß auf dem Halse liegen, und mit der Ruthen treiben, denn sie gehen sonst nicht fort, also muß die Oberkeit den Pöbel, Herr Omnes, treiben, schlagen, würgen, henken, brennen, köpfen und radebrechen, daß man sie fürchte und das Volke also in einem Zaume gehalten werde. Denn Gott will nicht, daß man dem Volke das Gesetz allein fürhalte, sondern daß man auch dasselbige treibe, handhabe und mit der Faust ins Werk zwinge.« Die Obrigkeit müsse »den rauhen ungezogenen Herrn Omnes zwingen und treiben, wie man die Schweine und wilden Tiere treibt und zwinget.« (Sämtl. Werke XV.) Mit denselben brutalen Worten redete Luther für die Leibeigenschaft der Dienstboten, die in jener rohen Zeit unter Faust und Prügel standen. »Niemand könne«, so sagt Luther in seinen 1527 erschienenen Predigten, »das Volk anders im Zaum halten denn mit dem Zwang äußerlichen Regimentes … Wäre aber die Faust und Zwang da, daß Niemand mucken dürfe, er hätte die Faust auf dem Kopf: so ginge es besser, sonst wird es kein nütz … Ein Knecht galt dazumal ein Gulden oder achte, eine Magd ein Gulden oder sechse, und mußte tun, was die Frau mit ihr macht. Und sollt die Welt lang stehen, könnt man's nicht wohl wieder halten im Schwang, man müßt es wieder aufrichten.« Er berief sich auf das erste Buch Mosis, auf Abimelech, der Abraham und Sara mit Schafen und Rindern zugleich auch Knechte und Mägde gegeben hatte. »Das hat er ihr geben über die Schaf, Rinder, Knecht und Mägde, die sind auch Alles leibeigene Güter, wie ander Vieh, daß sie die verkauften, wie sie wollten: wie noch schier das Beste wäre, daß es noch wäre, kann doch sonst das Gesind Niemand zwingen noch zähmen.« (Ebenda XXXIII.) 1529 behauptete er gar, daß die Bauern sich in besserer Lage als die Fürsten befänden. »Ich bin sehr zornig auf die Bauern, die da selbst wollen regieren, und die solchen ihren Reichtum nicht erkennen, daß sie in Frieden sitzen durch der Fürsten Hilfe und Schutz. Ihr ohnmächtigen groben Bauern und Esel, wollt ihr's nicht vernehmen? Daß euch der Donner erschlage! Ihr habt das Beste, nämlich Nutz, Brauch, Saft aus den Weintrauben, und lasset den Fürsten die Hülsen und Körner. Das Mark habt ihr und sollet noch so undankbar sein und nicht beten für die Fürsten und ihnen nur Nichts geben wollen?« (Ebenda XXXVI.)
Die lutherische Geschichtsschreibung sucht, wofern sie nicht diese Auslassungen einfach totschweigt, den Anschein zu erwecken, als sei dies nur die ungefügige Sprache der Zeit. Ganz anders und milde aber hätten die Menschen gehandelt. Geschichtsklitterung! Aber auch in konkreten Fällen hat Luther nach diesen mittelalterlichen Anschauungen gehandelt. Heinrich von Einsiedel bat Luther um Rat, als seine Bauern über die unerträglichen Fronden seufzten. Da riet ihm Luther, neue Fronen solle er nicht auflegen, aber wegen der von den Eltern und Voreltern überkommenen Fronen brauche er sich kein Gewissen zu machen; »es wäre nicht gut, daß man das Recht, Fronen zu thun, ließ fallen und abgehen, denn der gemeine Mann müsse mit Bürden belastet sein, würde auch sonst zu mutwillig.« (Kapp, Nachlese etc. zur Erläuterung der Reformationsgeschichte nützlicher Urkunden. Leipzig, 1727-33, I. 281.) Melanchthon ging noch weiter und riet dem Bauernbedrücker: »Euer Ehrenvest soll keine Veränderung in den alten Frondiensten machen und soll das Gewissen allzeit feststehen … Und ist sehr schön geredet im Spruch Sirach 33, welchen auch Herr Georgius Spalatinus allegiret: wie dem Esel sein Futter, Last und Ruthe gehört, also gehört dem Knecht sein Brot, Arbeit und Strafe. Es müssen solche äußerliche leibliche Dienste sein; die können auch nicht an allen Orten gleich sein, und ist dennoch Gott solche Ordnung gewißlich gefällig.« ( Corpus reformatorum VH, 432.)
Eine solche verächtliche, förmlich mit Fußtritten redende Sprache wendeten Luther und Melanchthon gegenüber dem arbeitenden Volke an. Sie wurden die eigentlichen »Erfinder der Lehre von der unbedingten Unterwerfung unter die Obrigkeit«. Aber auch diese reaktionäre Sprache wurde nur geboren aus der Konstellation der politischen Macht nach dem Bauernkriege. Die alte Kirche lag am Boden, das Papsttum hatte keinen starken Arm mehr. An seiner Stelle stand das Fürstentum, alle Fäden der Macht in seinen Länden sammelnd. Diese Macht stieg von Tag zu Tag, ihr gehörte die Zukunft. And das Fürstentum, welches seine Richter, seine Gefängnistürme, seine Kriegsstreitkräfte in der Nähe hatte, beobachtete seit dem Bauernkrieg die Wittenberger Reformatoren mit bohrendem Mißtrauen. Unermüdlich waren die Federn der alten Klerisei tätig, Luthers radikalen Schriften vor dem Bauernkrieg die Schuld am Jahre 1525 zuzuschieben. So hofften sie der Fürsten Ohr und Arm zu gewinnen, die alte Kirche vor gänzlichem Verfall zu retten. Alle Welt huldigte der glänzenden Fürstenmacht und suchte ihre Gunst zu gewinnen. Sebastian Franck, ob er auch ein Gegner der alten Kirche war, schrieb dennoch: »Sunst im Papstthum ist man viel freier gewesen, die Laster auch der Fürsten und Herren zu strafen, jetzt muß Alles gehoffiret sein, oder es ist aufrührisch, so zart ist die lezt Welt worden. Gott erbarms!« Inmitten des allgemeinen Wettlaufs um die fürstliche Gunst, dünkte es Luther und Melanchthon gefährlich, zurückzubleiben. So taten sie es denn allen zuvor. Nachdem Luther gezögert hatte, seinen Kampf gegen Papst und Klerus mit dem Volke zu führen, mußte er ihn jetzt mit den Fürsten führen. Nach dem für das Volk unglücklichen Ausgang des Bauernkrieges konnte die Reformation nur im Schatten der Fürstenthrone stehen oder sie hörte überhaupt auf, zu sein. Jedes Wort zugunsten der unterlegenen Volkssache galt als umstürzlerisch, die reaktionäre Gesinnung aber war gnädiger Anerkennung gewiß. Deshalb eiferten Luther und Melanchthon, weit von den Bauern ab und nahe an die Fürsten heranzurücken. Ihre im Grunde rückschrittliche Geistesrichtung, ihr durch die kommunistische Agitation verletztes Klasseninteresse, erleichterten ihnen den Anschluß an die Macht.
Aber eine andere Folge hatte Luthers Verhalten im Zusammenhang mit dem schlimmen Ausgang des Bauernkrieges: die ganze Bewegung gegen die mittelalterliche Kirche wurde damit aufgehalten und der Grund zu der großen kirchlichen Spaltung in Deutschland gelegt. Als das Luthertum in so enge Verbindung mit den Fürsten trat und alles rechtfertigte, was den Unterlegenen an Gewalttat geschah, da ward die ganze Bevölkerung des von den Fürstenheeren so schwer heimgesuchten Süddeutschland von wildem Haß gegen Luther und seine Sache erfaßt. Luthers und Melanchthons reaktionäre Haltung bewirkte, daß die Bevölkerung Süddeutschlands dem alten Klerus wieder zufiel, zumal dieser klug genug war, es mit dem Volke nicht ganz zu verderben. Einzelne kirchliche Herren waren milder gegen ihre Bauern als die weltlichen Sieger. Das wurde dankbar vermerkt. Zugleich nützten alle katholischen Federn Luthers reaktionäre Äußerungen weidlich gegen die ganze kirchenfeindliche Bewegung aus und verfehlten nicht, Luthers ganzes Auftreten von Anbeginn für der Bauern Unglück verantwortlich zu machen. Es war eine doppelzüngige Taktik. Vor den Fürsten machte sie Luther für den Ausbruch der Revolution, vor den Bauern für die schließliche Niederlage verantwortlich. Aber die Taktik wirkte, das Volk lief dem Klerus wieder zu.
Bei der allgemeinen Reaktion, die mit dem Ende des Bauernkrieges einsetzte, mußte sich die Lage der Bauern doppelt elend gestalten. Auf den Kirchhöfen lagen ihrer mehr als Hunderttausend erschlagen; die Witwen und Waisen liefen jammernd im Elend umher. Die Türme waren noch lange Jahre nach dem Krieg gefüllt mit Aufrührern, die man dort gefangen hielt. Auf allen Wegen begegnete man den Gebrandmarkten und Verstümmelten und die Unsicherheit nahm zu, denn die den Landsknechten und den Henkern Entflohenen, die sich nicht heimwärts wagen durften, vermehrten das Räubertum in den Wäldern und an den Straßen. Hunderte von Dörfern lagen in Schutt und Asche, die Äcker sah man brach und vom Unkraut überwuchert. Kaum, daß man ein Rind brüllen hörte, denn alles Vieh war niedergemacht oder hinweggeführt. Dabei wollten die Prozesse und Hinrichtungen kein Ende nehmen, denn immer aufs neue wurden die in ihre Heimat zurückgekehrten Aufständischen ergriffen. Im Würzburgischen rühmte sich der Henker, er habe »in einem Monat 350 mit dem Schwert gericht'.« Ein Henker des brandenburgischen Markgrafen Kasimir von Anspach-Bayreuth reichte Rechnung ein über 80 Enthauptungen und 62 Blendungen, die er vollzogen; außerdem hatte er noch sieben Bauern die Finger abgehauen. (Janssen.) Ein Baseler Scharfrichter erzählte dem Thomas Platter: er habe mehr als fünfhundert Bauern die Köpfe abgehauen. Der Profoß des schwäbischen Bundes, des Truchseß Georg »besunders lieber Berthold«, beförderte mit eigner Hand zwölfhundert Menschen zum Tode. Was an Habe von Wert in den Bauerndörfern und in den am Krieg beteiligten Städten war, wurde herausgeholt. Oft wurden die Brandschatzungen zwei-, dreimal erhoben, weil verschiedene Territorialherren sie beanspruchten. Was auf solche Weise zusammenkam, zeigt das Beispiel des Pfalzgrafen Ludwig. Dieser galt als »schonungsvoll« und doch wurden seine Brandschatzungseingänge auf 200 000 Gulden bewertet. Der schwäbische Bund schrieb vor: »welche nicht Gnade nachsuchen und in die Strafen sich ergeben würden, sollten Weib und Kinder nachgeschickt und all ihr Gut genommen werden, und davon der Halbteil seiner ordentlichen Oberkeit zukommen.« Um wieviele Unglückliche es sich hier handelte, läßt die Donauwörther Chronik abschätzen: »Es wurden erfunden, ob 50 000, die landsäumig mußten sein, deren viel groß Hab und Gut vermochten.« Der schwäbische Bund verstieg sich sogar zu der Aufforderung zu Mord und Totschlag. »Welcher auch«, lautet seine Verordnung, »derselben Abgewichenen einen ersticht und umbringt, der soll darum nicht gestraft werden, oder damit nichts gefrevelt haben.« (Janssen.)
Jammernd und wehrlos mußte das Volk dem allem zusehen. Ein Lied ging von Mund zu Mund, welches die allgemeine Qual schildert:
»Mit Strafen izt sie wüthen,
Verschweren alle Last,
Niemand sich mag behüten,
Er wird erdrücket fast.
So ist das End vom Liede
Ein grause Tyrannei,
Ach Herrgott, gieb uns Friede
Und bring die Straf vorbei.«
Je mehr aber die Bauern am Boden lagen, je übermütiger triumphierte das Herrentum. Hohnlachend ward den Bauern überall ihre Erhebung und ihre Niederlage vorgeworfen. Hinter den vollen Bechern und Kannen taten sich die Herren groß damit, wieviel Bauern sie erschlagen oder wie sie ihnen sonst mitgespielt hatten. In der Zimmerischen Chronik (Tübingen 1869) ist geschildert, wie die Äbte Ulrich von Alpirsbach und Johann von St. Georg nebst etlichen vom niederen Adel sich, als die Bewegung losbrach, nach Rottweil in Sicherheit brachten, um, sobald die Bauern niedergeschlagen waren, wieder guter Dinge zu sein. »Da gingen die Gastereien um und wurden bald von dem einen, bald von dem andern gehalten. Sie brachten zur Zeit eine Manier auf, so man maislen nannte; das sollte ein Kurzweil sein. Man schmiß dabei allen Hausrat hin und her, so daß er verdorben und verwüstet wurde, warf einander mit Kuchenfetzen und beschüttete sich mit unsauberem Wasser« usw. Welch edles Herrenvergnügen! Die Siegestollheit der Tyrannei!
Im Bistum Speyer kam ein Spottlied auf, welches die übermütigen Landsknechte den Bauern sangen, wenn sie am Feldrain vorbeizogen:
»Einstmals da ich ein Kriegsmann was
Meins eygen Herren und Eyds vergaß,
Auch in gutem Wohn und Ehren saß,
Da dranck ich zu Kestenberg was,
Guten Wein aus dem großen Faß.
Lieber, rath, wie bekam mir das?
Gleich dem Hunde, da er frisst das Gras,
Ein Ort und dreizehn Gulden die Irten was,
Der Teufel gesegne mir das.«
Und hohnlachend zogen sie davon, während die Tränen der Gehöhnten auf die Schollen fielen.
Die Bauern hatten recht, zu weinen. Denn all' ihre Knechtschaft war geblieben, ja sie hatte sich noch vermehrt. Wohl hatten die Bauern bei ihren Zügen planmäßig alle Rechtstitel und Urkunden ihrer Fron und Knechtschaft zerrissen, zerfetzt, zerstampft, verbrannt. Was nützte es ihnen? Die Zehnten, Zinsen, Gülten, Fronden wurden aufs neue festgestellt und dabei meist das Maß der Leistungen zum Vorteil der Herrschaften erhöht, so daß nun die Bauern erst recht unter der alten Knechtschaft seufzten.
Vergebens suchten sich die Unterlegenen wieder zu sammeln. Heimlich auf den Kirchhöfen, im Walde, auf der Höhe bei Königshofen, wo unter der Erde die Erschlagenen lagen, traten sie zur Nachtzeit zusammen. Sendboten huschten hin und her, dunkle Hindeutungen auf neuen Aufruhr gingen von Mund zu Mund und zahlreiche Rachetaten, Brandstiftungen, Überfälle, Totschlag ereigneten sich. Eifrig fahndeten die Regierungen auf allerlei Leute, die im Verdacht standen, Agitatoren einer neuen Bauernerhebung zu sein. Aber es blieb still und tot in den deutschen Landen. Die Kraft des Volkes war gebrochen.