Peter Rosegger
Nixnutzig Volk
Peter Rosegger

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Wie Einer seine Frau eifersüchtig machte.

Einmal hatte an der Tafelrunde jeder der Reihe nach das Ungewitter seiner Ehe erzählt. Nun war's an dem Ingenieur Thomi.

»Es ist daher evident, meine Herren,« begann dieser, »daß jede Ehe, auch die beste und glücklichste, ihre Stürme, ihre Hochgewitter hat. Aus den sechs eben erzählten Fällen ist es leicht zu erkennen, um was die Stürme sich drehen – eben um die beiden Pole Mann und Weib. Die Geschichten sind sich ähnlich, sind miteinander verwandt. Ich erwartete, daß eine oder die andere derselben aus der Art schlagen würde, doch ich sehe, daß es mir allein beschieden ist, etwas Außerordentliches zum besten zu geben.

Hören Sie. Ich hatte eine Frau, die nicht eifersüchtig war. Ich habe sie nicht mehr. Ich habe wohl noch die Frau, aber sie hat nicht mehr die Tugend, um die mich alle Welt beneidete. Ich habe ihr die Tugend abgewöhnt, es mußte mit Gewalt geschehen. Aber ich will nicht vorgreifen. Bald nachdem ich vor einunddreißig Jahren meine Eva geheiratet hatte, erkrankte ich an einem Magenleiden, das mich auf lange Zeit nahezu siech machte. Entkräftet und verdrossen mußte ich die meiste Zeit auf meinem Zimmer zubringen, während meine junge Frau in Konzerte, Theater, auf Volksfeste und Landpartien ging und die schöne Welt genoß. Allerdings stets in Begleitung ihrer beiden Cousins, wovon einer Offizier, der andere Studierender an der Universität war. Zwei schneidige Burschen, so daß ich mir eigentlich gratulieren konnte, meine Eva stets in sicherer Hut bei Verwandten zu wissen. Die Väter meiner Frau und ihrer Mutter waren Brüder gewesen. Aber ein älterer Freund, der mich eines Tages besucht, redete so neben Betrachtungen über meine Krankengeschichte her allerlei Menschliches, darunter auch, daß man sich selbst auf Blutsverwandte nicht in allen Fällen verlassen dürfe. Besonders zwischen Cousins und Cousinen sei – kurz . . . . Da brach der Freund ab, sah auf die Uhr und fand, daß er sich bereits bei mir verspätet habe. Der Floh in meinem Ohr sprang aber ganz wütend hin und her. Und abends, als meine liebe Frau wie immer froh erregt nach Hause kam, um sich wieder in die Einförmigkeit der Krankenstube zu finden, schien mir, als sei in ihrem Rundgesicht ein gewisser Widerwillen bemerkbar. Nun begann ich anzüglich zu reden, freilich fände ich es begreiflich, daß es ihr draußen bei lustigen Leuten besser gefalle, als in einer Krankenstube. Aber ich möchte sie nur erinnern, was sie beim Standesamt versprochen hätte! – Wie ich das meine? – Den Ehegatten auch in Krankheit und Not nie zu verlassen . . . Jetzt blickte sie mich verblüfft an. Ob sie es hierin an etwas fehlen ließe? Ob sie mir nicht persönlich alles täte, was sie glaube, das mir gut tun könne? Ob sie die paar Stunden, die sie außer Hause sei, nicht der Pflegerin alles einschärfe? – Das, war meine Entgegnung, hätte ich nicht sagen wollen, und weshalb sie einer geraden Antwort ausweiche? Nun, wie bemerkt, ein paar lustige Vettern seien unterhaltsamer als der kranke Ehemann! – Rasch stieß ich's heraus, in mir kochte alles, mit den Nerven war ich ja arg herabgekommen. Sie aber lachte jetzt leichthin auf und sagte: Mir scheint, du bist eifersüchtig! Da schlug ich mit der Faust auf den Tisch und schrie: Ich leid es nicht mehr länger!

Für denselben Tag war's abgebrochen. Aber schon an einem der nächsten Tage wiederholte sich Ähnliches, und da gab meine Eva ganz ruhig zu verstehen, wieso ich ihr die liebe Gesellschaft verbieten könne, da doch auch sie mir völlig freigebe, umzugehen mit wem ich wolle. Sie hatte freilich leicht reden in jenen Jahren. Aber selbst, als es später besser wurde mit mir und jene Cousins längst in weiter Ferne weilten, ging sie täglich ein paar Stunden nahezu eigensinnig ihrer Wege und ließ mich die meinen gehen. Ich aber glaubte nicht an Liebe, die ohne Eifersucht ist. Ich selbst hatte ja meine Eifersucht, die immer noch heftiger wurde, mit der Liebe begründet. Ich empfand wirklich auch gar keine Neigung, meiner schönen Eva untreu zu sein, obschon sich vielfach gar bequeme Gelegenheit dazu geboten hätte. Und hätte ich mir freilich sagen können: Sie kennt dich eben zu gut, um eifersüchtig zu sein, sie hat eben das Vertrauen zu dir, das mit jeder wahren Liebe verbunden ist. Aber das sagte ich mir nicht, erklärte mir ihr Benehmen vielmehr als ein sicheres Zeichen gänzlicher Gleichgiltigkeit gegen mich. Ich fühlte mich todeselend. Und eines Tages klagte ich mein Unglück einem Freund. Es war ein Musiker, der nach meinem Bekenntnisse sachte zu pfeifen anhub. O Mensch! rief er dann aus, Mensch! Dann war er wieder ein Weilchen still, bis er anhub, gemütlich also zu reden: Thomi! Knie' nieder. Da, wo du stehst, knie just einmal nieder, und als ob du ein Katholik wärest, rutsche auf den Knien bis zur Kirche unserer lieben Frau und danke der Muttergottes unter heißen Freudenzähren, daß deine Frau nicht eifersüchtig ist! Du weißt es nicht, du glückseliges Kind. Eine eifersüchtige Frau ist ärger als ein siebendoppeltes Fegfeuer!«

Das half nichts. Ich wollte eine eifersüchtige Frau haben. Erstens sollte nur auch sie die Qual kennen lernen, die ich um sie ausgestanden. Zweitens sollte sie die Möglichkeit des Verlustes veranlassen, ihren Schatz mit größerer Sorgfalt zu wahren. Und wenn die Eifersucht auch ihre Liebe zu einer etwas temperamentvolleren Leidenschaftlichkeit entzündete, so konnte das nicht schaden. Erst mit der Eifersucht kommt's. O warte, Evchen, dachte ich, da nur meine Gesundheit wieder hergestellt ist und die Nervosität geschwunden, so daß sich alles mit ruhiger Überlegung ausführen läßt, du sollst mir noch ganz erträglich eifersüchtig werden.

Zur Zeit hatte die Nachbarin ein hübsches Küchenmädchen, das ich Tag für Tag auf der Stiege, im gemeinsamen Vorhause und an anderen Orten begegnete. Aber, dachte ich mir, mit diesem Feuer wäre doch nicht gut spielen. Lieber eine Häßliche. Erst wenn sie sieht, daß ich gar eine Häßliche ihr vorziehe, müßte sie mit Schrecken gewahr werden, wie viele Schöne ich ihr schon vorgezogen haben könnte. So begann ich mein Auge auf unser Stubenmädchen zu werfen. Das war soweit ganz nett an Gestalt und Benehmen, hatte aber schielende Augen und ihren schwarzen Chignon nicht immer so an den Kopf geheftet, daß alles fuchsrote Haar verdeckt gewesen wäre. Mir graute vor ihr. Auch stahl sie in der Küche Zucker, weil sie gerne naschte. Meine Frau kündete ihr den Dienst, in vierzehn Tagen habe sie das Haus zu verlassen. Das war nicht ungünstig und hier setzte ich ein. Eines stillen Nachmittags, als meine Frau wieder ihrer Wege ging und ich mit dem Stubenmädchen allein zu Hause war, ging ich auf sie zu und fing an, zärtlich zu sein. Es war erschreckend, wie morsch sie stand. Mit beiden Armen mußte ich sie fassen und festhalten, daß sie nicht umfalle. Dann drückte ich rasch zwei oder drei Küsse auf ihre gestickte aber etwas ungewaschene Halskrause, ließ sie los und unter dem Vorwand mich zu schneuzen wischte ich mir mit dem Sacktuch den Mund ab. Dann griff ich in die Tasche und sagte: So, Mina, da haben Sie zwanzig Mark. Aber Sie müssen mir einen Gefallen tun. – Ach gern, gnädiger Herr! lispelte sie. – Sagen Sie meiner Frau, daß ich mit Ihnen etwas gehabt hätte. Am besten, Sie tun es im Augenblick, wenn Sie fortgehen. Verraten Sie mich, daß ich Sie umarmt, Sie geküßt hätte, sagen Sie, was Sie wollen. – Aber mein Gott, Herr Ingenieur, was glauben Sie denn von mir? – Machen Sie, daß Sie fortkommen!

Ich glaube nicht, daß sie mich ohne weiteren Anlaß verraten hätte, denn Solche sollen zumeist sehr gutmütig sein. Doch als meine Frau ihr das Dienstbotenbuch hinwarf und ihr bei dieser Gelegenheit noch einmal all ihre Schlampereien, Unverläßlichkeiten und Unsauberkeiten vorhielt, war es dem Stubenmädchen bequem, ihr einen empfindlichen Stoß zu versetzen. Unsauberkeiten?! entgegnete sie giftig. Dem gnädigen Herrn bin ich sauber genug gewesen. – Die Frau: Was soll das heißen? – Das soll heißen, daß er mich, das arme Mädchen, lieber gehabt hat, wie Sie! – Na, meine Herren, das Weitere können Sie sich denken.

Ich hatte mir's zwar nicht so gedacht. Nein, so hatte ich mir die Folge meiner Pädagogik nicht gedacht. Eva trat in mein Zimmer, gemessen und schweigend – ruhig auf mich zu, ganz instinktiv duckte ich mich. Sie rief mit ihrer gewöhnlichen Stimme – nur etwas weicher schien sie noch – ins Vorzimmer: Kommen Sie noch ein wenig herein, Mina! – Wiederholen Sie mir jetzt, was Sie früher gesagt haben! Und Mina wiederholte es, kam dabei in neue Erregung, die Eitelkeit und Phantasie ging mit der Wahrheit durch, sie sagte das Äußerste. Das schien sie wohl ihrer Ehre schuldig zu sein. Und meine Frau? Eine Minute blieb sie wie versteinert, als wäre es unfaßbar. Dann aber begann sie zu rasen und raste den ganzen Abend und die halbe Nacht. Es war gräßlich. Die erträglichsten Momente waren mir noch, wenn sie sich auf mich stürzte, mit Faustschlägen auf meinen Kopf, auf meine Wangen her. Im übrigen war ich keinen Augenblick sicher, daß sie sich selbst ein Leid antue. Noch um Mitternacht schritt sie, während ich im Bette lag, heftig das Zimmer auf und ab und hielt mir in leidenschaftlichsten Ausdrücken meine Niedertracht vor. Sie hätte so an mich geglaubt, auf mich vertraut. Sie hätte gemeint, so wenig in unserer Ehe bei ihr ein Selbstvergessen, ja auch nur ein leiser Gedanke an Untreue möglich gewesen, so wenig könne das auch bei mir sein. An so etwas habe sie gar nie gedacht. Und nun das! Das! Um vor Haß und Verachtung nicht zugrunde zu gehen, müsse sie annehmen, ich sei wahnsinnig geworden. Leider auch das könne sie nicht. Meine Handlungsweise zeige die größte teuflische Schlauheit, sie so aus Absicht mit dieser Person in ihrem eigenen Hause tödlich zu beschimpfen. Ich, der ihr Einziges, ihre ganze Zuversicht gewesen! Und dann hub sie an zu weinen, wie ich in meinem Leben noch nie weinen gehört habe. Ich mag nicht dran denken. In mir aber schrie es auf: Mensch, was hast du da angestellt?! Ich war ja freilich nicht so schuldig, als sie glaubte und glauben mußte, aber ihr das zu beweisen, das war einfach undenkbar, unmöglich. Dazu jagte das Stubenmädchen der Teufel in der Nachbarschaft umher. Das Beest prahlte überall, der Herr Ingenieur Thomi habe sie seiner hochmütigen Frau vorgezogen und deshalb hätte sie natürlich aus dem Hause müssen. Das war doppelte Rache, auch gegen mich. Und ich wehrlos, wehrlos.

Jetzt, meine Herren, ist mir ein Licht aufgegangen, ein schreckliches. Was ich da in unbegrenzter Dummheit getan, das war nie wieder gut zu machen, nie wieder. Ich verübelte es meiner armen Frau nicht, daß sie es nicht glauben konnte, wie ich die Komödie in Szene gesetzt, nur um sie eifersüchtig zu machen. Das glaubte mir selbst von meinen Freunden keiner, war er nun durchtrieben oder naiv, das glaubte kein einziger.

Das Elend der darauffolgenden Zeit erzähle ich nicht. Meine Frau und ich waren zwar beisammengeblieben, aber so wie zwei aneinandergekettete Galeerensträflinge. Sie ging nicht mehr einen gesonderten Weg, sie blieb um mich; selbst zu meinen Berufsarbeiten und auf allen Reisen begleitete sie mich. Aber in sich gekehrt und kühl. Als jene ersten Stürme vorübergewesen, hat sie den Fall nicht mehr berührt, nicht mit einem einzigen Worte. Doch ich wußte, daß sie immer daran denken mußte, daß sie bei mir an gar nichts anderes denken konnte, als an meine Untreue. Es ist unsagbar, wie sehr sie mich erbarmte. Aber ich wagte es nicht, ihr Liebes zu erweisen; nur was heimlich geschehen konnte, um ihr ein Gutes zu tun, das geschah. So lebten wir nebeneinander hin. Manchmal lauerte ich, ob in ihrem Wesen nicht doch etwas zu entdecken wäre, was sie ein wenig ins Unrecht setzen und mich rechtfertigen könnte. Aber statt dessen fand ich, daß nicht ein Zug in ihr war, der meine frühere Eifersucht auch nur zum Teile entschuldigt hätte. Das kann ich wohl sagen, auch mein Leben war ziemlich korrekt, aber viele Jahre hat es gedauert, traurige, endlose Jahre, bis alles vergeben und vergessen. Als erst in späteren Jahren Kinder erschienen, war die letzte Spur verwischt und meine Eva ist wieder herzlieb zu mir geworden und froh. Nichts ist zurückgeblieben bei ihr, als ein klein wenig Eifersucht, die sie zwar sorgfältig zu verdecken sucht, die ich aber merke an ihrem manchmal wehmütig bittenden Blicke. Ich habe mir zur Aufgabe gestellt, noch vor meinem Alter auch diesen letzten trüben Hauch von ihrer reinen Seele zu verscheuchen.«

Als Ingenieur Thomi seine Erzählung geendet hatte, fragte ihn einer von der Tischgesellschaft: »Und ist Ihnen oder Ihrer Frau in jenen Tagen nicht der Gedanke an die Ehescheidung gekommen?«

»Zum Glücke, nein. Das erst wäre die Untreue gewesen. Denn wir können ohne einander nicht leben.«

 


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