Peter Rosegger
Nixnutzig Volk
Peter Rosegger

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Der reiche Freisinger.

Es wird nicht gehen, es wird umsonst sein,« sagte zu sich der Präckel-Bub, der den steinigen Waldweg herabstieg in das Tal, wo das Freisinggehöfte breit, behaglich und schützend dalag, wie eine alte Bruthenne auf ihrem Nest. »Es wird nicht gehen. Es wird umsonst sein. Wir sind ein notiger Bergbauernsohn, sie ist die einzige Haustochter des großen weitberufenen Freisinghofes. Probieren kann man's ja, 's Probieren kostet nichts.«

Im Hausgarten arbeitete sie und duckte sich dabei so tief, daß es schien, sie stehe mit vier Füßen auf dem Salatbeet. Der Präckel-Bub hatte eine hübsch breite Hand und hätte nicht übel Lust gehabt, dieselbe scherzeshalber auf die schöne Rundung zu klatschen, die von der Freisingdirn zur Zeit am auffallendsten hervorstand. Wenigstens fiel es ihm ein, aber der Mensch tut nicht alles, was ihm einfällt. Er blieb vielmehr ganz bescheiden am Zaune stehen und betrachtete sie. So schauen sie aus, die reichen Bauerntöchter. Hm, hm! – Und sprach sie an: »Bist halt schon wieder fleißig, Gina!«

Sie richtete sich halb auf, dieweilen sie den Finger noch in der Erde stecken ließ, in die junge Salatpflanzen zu setzen sie eben im Begriffe war.

»Na freilich,« antwortete sie. »'s tut not. Zu Peter und Pauli wollen wir schon Salat essen.«

»Der Salat ist eh gut,« sagte er, »ich ess' ihn auch gern.«

»Na freilich ist der Salat gut,« darauf sie, und arbeitete.

»Rote Rüben hast auch da,« sagte er.

»Rote Rüben hab' ich auch da.«

Er schwieg ein Weilchen, um nachzudenken, was jetzt Kluges zu sagen wäre. Es muß recht klug sein und ein wenig anzüglich, daß sie es merkt, weshalb er da ist.

»Einen schönen Nelkenstock hast auch da!« sagte er.

»Ja,« antwortete sie.

»Mit was wird denn so ein Nelkenstock gedüngt?« fragte er, um ein rechtes Interesse für ihre Sache zu zeigen.

»Mit Roßmist,« antwortete sie und tauchte mit den Fingern die Wurzel eines schlanken Pflänzleins in den Boden.

»Ah so,« sagte er. Da waren sie wieder fertig.

Nun faßte der Präckel-Bub am Holzzaun ein Brett an und rüttelte stark, damit sie sehe, er verstehe anzugreifen.

»Der Zaun wackelt ja!« sagte er.

»Wenn du ihn schüttelst, wird er freilich wackeln,« antwortete sie.

Er schwieg und zermarterte seinen Kopf. Auf diese Art kommt man ja nicht weiter. Er muß sich ihr nähern. Aber er hatte den Mut schier gänzlich verloren. Das ist nicht so leicht, als man glaubt. Sie wird ihn abschnalzen. Er muß sie ihm verbindlich machen.

»Wart', Gina,« sagte er, »ich will dir die Salatpflanzen zureichen, daß du nicht so weit hinundhergreifen mußt.«

»Das kannst auch tun, wenn's dich freut,« war ihre Antwort.

»O, bei dir freut mich alles!« platzte er heraus, ganz glücklich darüber, endlich in der richtigen Ecke zu sein. »Wir zwei sollten halt zusammenheiraten. Magst, Dirndl?«

Jetzt richtete sie sich auf, fuhr sich mit dem Ärmel über das gerötete Rundgesichtlein, lachte ihn an und sagte: »Das Heiraten ist mir nicht zuwider.«

»In Spaß und Ernst, Gina. Ich möcht' dich haben. Bin deswegen da. Ganz im Ernst, Gina! Ich hab' mir's schon überlegt. Überleg' dir's halt auch du.«

»Narrl, dummes!« lachte sie. »Was braucht es da viel Überlegen, wenn man heiraten will! Schau, dort unter dem Birnbaum geht just mein Vater. Er geht nach Hansbach auf den Viehhandel. Den kannst gleich fragen. Holst ihn leicht ein.«

Wenn sie ihn zum Vater schickt, so muß er doch gleich gehen. Vielleicht sagt er: Nein. Ihm war nämlich bange geworden.

Dieweilen der Präckel-Bub eilig über den Hof geht, dem Feldtor zu, wo der alte Freisinghofer vierschrötig hinausschreitet und seinen Stock fest in den Boden setzt, schaut die Gina ihm nach und denkt: Schön ist er gerade nicht. Aber gesund. Gesund und stark schaut er aus. Gesund ist eh das beste. Wenn man heiraten will, ist einer wie der andere. Wie es bei uns jetzt ausschaut und was ich vom Vater weiß, kommt kein besserer. Viel zu jung, heißt's, wär' man auch nicht mehr, mit fünfundzwanzig. Freilich, aber doch nicht so. Bei mir waren halt die Jahre kürzer, wenigstens kurzweiliger. Über zwanzig bin ich nicht. Was weiß der Kalender! Der dumme Kalender! Mir graust schon. Einen Ehrentag will man doch auch haben. – Na, wenn er so langweilig vorantrottelt, wird er ihn nicht einholen! Stader Tepp! Den werd' ich mir herrichten, wenn er erst mein ist! Das ödweilige Umfrötten bei Allem! Entweder geschwind, oder gar nicht, so bin ich. Na endlich! Jetzt stehen sie beieinander. Wird wieder der Vater Geschichten machen. Gott, diese Mannerleut'! –

»Stad, Freisinghofer, stad!« rief ihm der Präckel-Bub nach. »Ich geh' auch ein wenig mit.«

Der Bauer stand still: »Ist eh recht.«

»Gut steht's heuer, das Roggenkorn!« sagte der Bursch', auf das wogende Feld deutend, wo aus den Halmen schon die jungen Ähren zu gucken begannen.

»Gehst auch mit auf den Markt, oder hast so was mit mir zu reden?« fragte ihn der Bauer kurz. – Er ist herrisch! denkt sich der Bub, es wird ja so umsonst sein. Nun, eine Frag' ist frei, die kann ihn nicht verdrießen und die Nachbarschaft nicht verschlechtern, eher verbessern, auf jeden Fall.

»Na, freilich hätt' ich was zu reden mit Euch, Freisinghofer,« sagte er, und zwar frischer und dreister, als er es sich selbst zugetraut hatte. Ist nichts zu verlieren, dann kommt erst manchmal die richtige Kurasch.

»Nachbar Freisinghofer,« sagte er und bohrte, wie sie jetzt so nebeneinanderstanden, den einen Stiefelabsatz in den Boden, um sich auf solcher Axe ein wenig hin- und herzuwiegen. »Wenn ich einmal wem nachlauf!«

»Und wenn ich einmal stehen bleib'!« sagte der Bauer.

»So muß es schon was Wichtiges sein. Daß ich's geradeweg sage, Freisinghofer, wenn Ihr mir Eure Tochter Regina geben wollet, eine Frage wird ja frei sein.«

»Hast du mit dem Mädel schon gesprochen?«

»Das ist gewiß. Sie schickt mich her, daß ich mit dem Vater reden soll.«

»Ja, ja, ihr jungen Leut'! Das geht nicht so schnell, wie ihr glaubt!« sprach der Bauer in derbem Tone. »Vor vierzehn Tagen kann keine Red' sein!«

»Wir können es ja noch überlegen,« meinte der Präckel-Bub.

»Nichts da, überlegen!« rief der Freisinghofer. »Vor vierzehn Tagen kann die Hochzeit nicht sein. Was wisset ihr, was das für Vorbereitungen braucht!«

»Ich meine, es eilt auch nicht so,« sagte der Bursch' bescheidentlich, fast kleinlaut.

Und der Alte: »Dann ist's am besten, ich laß' heut' den Markt Markt sein. Gekauft hätt' ich eh nichts. Und gehen miteinander nach Kiendorf zum Notar. Ihr junges Volk gebt ja doch keine Ruh, bevor ihr nicht beisammen seid.«

»So muß ich gleich zu meinem Haus hinauf und ein besseres Gewand anlegen,« sagte der Bub.

»Daß du dich nicht verweilst, Josel. Kannst nachher gleich zu Mittag essen bei uns.«

Der Präckel-Bub stieg seinen Berg hinan. Der Freisinghofer blickte ihm nach: Haben tut zwar auch der nicht viel. Ist aber zur Arbeit stark und greift fest an. Man merkt's auch an seinem Weibsuchen, daß er nicht blöde ist. Der soll nachher halt selber schauen, wie er fertig wird mit der G'schicht!

Und der Bub unterwegs, der wußte gar nicht, wie ihm geschah. – Er ist ja so viel als Freisinghofer! Reicher Freisinghofer! Soll das geträumt sein? – Wenn der Mensch schon zum Frühstück Griesknödel ißt, da wird der Magen schwer. Träume sollen ja vom Magen kommen, sagt der Schulmeister, auch wenn man wacht, bisweilen. Reicher Freisinghofer auf einmal! Es ist zu dumm!

Im Gegenteile, es war eigentlich sehr gescheit! Und wie der Alte mit sich reden ließ! Als sie hernach alle drei gegen Kiendorf hinausgingen und der Präckel-Bub unter umständlichem Stottern eingestehen mußte, daß der Präckelhof auch seine Sorgen habe, sagte der Freisinghofer freundlich: »Wie's halt schon geht. Tuet halt miteinander auf Gütergemeinschaft. Ein bissel was wird doch da sein. Was dein, das ist ihr; was sie hat, ist dein.«

Das war dem Burschen überaus angenehm. Er packte vor Vergnügen darüber das Dirndl plötzlich an der Hand und drückte sie keck.

»Auweh!« rief sie. »Du bist aber schon auch ein bissel ein Grobian, Josel!«

»Beim Gernhaben kann einer nicht leicht zu grob sein,« meinte der Alte. Darauf blieb er stehen, es gabelten sich zwei Wege.

»'s ist wahr,« sagte er. »Wir könnten gleich nach Hansdorf zum Pastor. Mit dem Notar hat's immer noch Zeit. Hauptsache ist jetzt das heilige Versprechen. Und die Hochzeit vorbereiten. Wir wollen uns nicht lumpen lassen.«

Einen wahren Heiligenschein bekam das Gesicht der Gina, als sie von einer festlichen Hochzeit hörte. Ihre Schulgenossinnen hatten größtenteils schon angeheiratet und sogar Schadenfreude geoffenbart. Nun sollen sie sehen!

Und von heute am fünfzehnten Tage, als das öffentliche Aufbieten, das Einladen und Brautpoltern vorüber war, kam der Ehrentag. Der Regina war's, sie wäre Königin! Sie trug ein weißes Schleppgewand und eine Blumenkrone, was weiß ich, es ließe sich wunderbar beschreiben. Aber, offen gestanden, der Erzähler hat an dieser Hochzeit keine besondere Freude. Er erinnert nur, daß es unermeßlich viele Pracht gab, das ganze Dorf war bei der Hochzeit, sogar Leute von den katholischen Nachbarsgemeinden. Und alles schwamm in Blumen und Grünzeug, in Sträußen und Bändern, deren bunte Farben grell hinausschrien in alle Weiten: »Salve Regina!« Eine nachgerade schreckliche Majestät bekundeten die Blechinstrumente der lungenfesten Musikanten und die krachenden Pulvermörser. Der Wein wurde nicht aus Gläsern getrunken, das waren zu engherzige Verhältnisse, er floß aus Tonkrügen, einer zu drei Litern! Aus Tonkrugschnäbeln schnurgerade in den Mund! Das tut's. Die Brautgaben, die Gesundheitstränke, die Hochzeitsreden, die Kranzeljungfern, das Kranzelabtanzen und all die deutsamen Hochzeitsgebräuche, aus der ganzen Gegend und vielen Generationen zusammengesucht – es war großartig! Und die Leute flüsterten, schrien, sangen es hinaus, eine so lustige Hochzeit hätten sie noch nicht erlebt. Diese Ehe beginne glückselig, wie das ewige Leben! – Die Königin saß natürlich mitten an der hufeisenförmigen Festtafel und nahm die Huldigungen gnädig und wonnig entgegen. Was sah sie nicht alles zu ihren Füßen! Was ward ihr nicht alles dargebracht! Die aufgedonnerten Gewand- und Eßspenden, die süßsäuerlichen Ansäuselungen der Weiber, die ernster gemeinten Glutblicke junger Burschen, die ihr besonderen Spaß bereiteten. Sehr saubere Mannsbilder gab's dabei! Und – verlaub zu fragen, wo war denn der Bräutigam? Aber! Der saß doch immer neben ihr, an der rechten Seite, etwas tiefer, etwas im Hintergrunde. Mit größter Gelassenheit ließ er die Braut Königin sein. Er begnügte sich, nun bald der reiche Freisinghofer zu sein. Das würde nicht einen einzigen Tag währen, sondern vierzig, fünfzig Jahre oder länger; mein Gott, manche Leute, die sich leicht geschehen lassen können, werden achtzig, neunzig Jahre alt. Das Weib nimmt er halt nebenbei mit, so gut es geht. Das gehört eben zu seinen Aufgaben, zu einer stattlichen Existenz. – Na, jetzt kommt eine mit den Honigkrapfen. Die hätte auch die andere Tischreihe nehmen können! – Das war nämlich im Wirtshause die Küchenmagd. Weil Not an Aufträgerinnen war, so mußte auch sie dran. Und so kam sie mit ihrer Riesenschüssel, in welcher die frischgebackenen Krapfen dampften. Die Magd wendete ihr blasses Gesichtlein abseits, als sie dem Bräutigam die hochgeschichtete Schüssel hinhielt. Als er sich mit der zweispießigen Gabel ein schönes Stück herausgestochen hatte, gab sie ihm die Schüssel in die Hand: »Deiner Braut kannst du sie reichen!« Ihm schien, als zitterten ihre Arme, er vermied es, sie anzublicken, dachte aber bei sich: Um dieses Mädel tut's mir leid! – Sie war schon wieder fort, er sah sie nicht mehr, den ganzen Abend nicht.

In den Stuben dampfte und dunstete es schrecklich, roch nach Speisen, Wein, Kerzen, Tabak und Leuten. Es war der Hochzeitsgeruch, der berauschende, betäubende. Das Brautpaar hielt aus bis nach Mitternacht. Dann ging ein Schwarm davon. Das junge Ehepaar hatte eine halbe Stunde bis zum Freisinghofe. Ihretwegen hätte der Weg weiter sein dürfen. Auch seinetwegen. Gott, was war diese Luft köstlich, diese stille träumende Nacht! Der Josel hätte immer so fortgehen mögen. Er legte seinen Arm um den Nacken eines Jugendkameraden und sie sangen mitsammen einen Jodler. Die Gina wurde vom Brautführer begleitet und mehreren Hochzeitsburschen. Auch sie waren lustig und vor dem Freisinghofe wurde zum Schlußpunkt noch ein schallendes Ständchen gebracht, das letzte Salve Regina.

Bald hernach fanden sie sich allein in der dumpfen Ruhe des Hauses. Sie sagte ihm: »gute Nacht!« und eilte in ihr Kämmerlein. Er ging in seiner ihm angewiesenen Stube noch ein Weilchen auf und ab und betrachtete die alten Schränke und Kästen; sie waren aber zugesperrt. Er löschte das Licht aus, legte sich ins Bett, aber die Hochzeit brodelte ihm noch im Kopfe herum, er konnte nicht schlafen. Er hätt am liebsten schon den Morgen gehabt, um alles in Augenschein zu nehmen, was jetzt sein war oder sein werden sollte. Da er doch nicht schlafen konnte, so stand er wieder auf, machte Licht und ging an einige Kammertüren, um etwa schon jetzt die Vorräte in Augenschein zu nehmen. Es war aber alles zu, ganz fest zu – auch die Kammertür zur Gina.

Am nächsten Morgen schlief er lang und als er aufwachte, streckte er sich mit großem Behagen auf seinem Bette. Wenn man als Freisinghofer aufwacht! Der Hof war übrigens in großer Unordnung, das Gesinde verschlafen, mürrisch; das Vieh plärrte hungrig in den Ställen. Nach so einem Tage ist das aber kein Wunder. Das Wetter regnete, die Gasse war lehmig, so daß der Karren eines Holzfuhrwerkes bis an die Räderachsen einsank. Beim Frühstück kamen sie zusammen in der dumperen, ungelüfteten Stube. Die Gina und er. Sie schauten sich fast betroffen an. Die Gebräuche und Lustbarkeiten waren vorüber, aber es sind nicht bloß Gebräuche und Lustbarkeiten allein gewesen, sie waren unter all diesen heiteren Vorgängen Mann und Weib geworden. War das wirklich so? Die Gina lachte, sie fand es komisch.

An diesem Tage wollten sie zum Notar gehen, da kam der Amtsbote mit Briefschaften. Der alte Freisinghofer schob gähnend – er hatte auch nicht ausgeschlafen – die Papiere dem Josel zu. Aha! dachte dieser, daß ist gewiß schon der Steuerbogen. Wenn sich alle Sachen so pünktlich einfänden, wie der Steuerbogen! Nun, wer was hat, der muß sich auch die Abgaben gefallen lassen. – Es war aber etwas anderes. Es war etwas Unangenehmeres. Es war ein ganz abscheulicher Katzenjammer nach dem Festtage. Das erste der Papiere war eine notarielle Zuschrift mit der Drohung, daß der Stiftmüller zu Hansbach sein Guthaben von zweitausend fünfhundert Gulden gerichtlich einklagen müsse, wenn es der Freisinghofer nicht innerhalb acht Tagen zahlen würde. Das zweite Papier war eine gerichtliche Zustellung von der Sparkasse. Die Sparkasse hatte schon eingeklagt, sie wollte vom Freisinghof ihre dreitausend Gulden haben.

»Was bedeutet das?« fragte der Josel den Alten. Dieser zuckte mißmutig die Achseln: »Was kannst machen! Heißt's halt zahlen, oder wenn du das nicht kannst, den Hof verganten!« –

Was soll ich die peinlichen Auftritte weiter schildern? Wo wir lieber dem Herrgott danken möchten, nicht dabei gewesen zu sein. Schon am zweitnächsten Tage war's, daß der Josel wieder oben in seinem Präckelhause hinundherging und hinter sich alle Türen zuschlug unter den ächzenden Wänden. Er blieb oben. Die Gina schickte nicht zu ihm hinauf, aber der Hansdorfer Pastor kam nach acht Tagen, ihn mahnend an seine Pflichten.

An welche Pflichten?

Die er am Altare eingegangen mit seiner Eheliebsten.

Mit seiner Eheliebsten! Von Liebe und Treue bis in den Tod soll am Altare die Rede gewesen sein? Das mußte der Präckel-Bub ganz überhört haben. Der Mensch hat an anderes zu denken, wenn er eine so große Wirtschaft übernimmt.

Der Josel ging nun notgedrungen zwar wieder hinab, aber nicht, um den Freisinghof zu übernehmen, den ließ er großmütig dem Alten, als vielmehr, um sein Weib auf das Präckelhaus heimzuführen. Sie ging jedoch nicht mit ihm, sie blieb in ihrem Vaterhause, und wenn der Josel nicht Mannes genug sei, um dasselbe aus den Schulden zu reißen und wieder wohlhabend und angesehen zu machen, wie es ehemals gewesen, so pfeife sie auf ihn. So ging er allein wieder hinauf und war verzagt bis zur Verzweiflung. Wenn er die arme Magd genommen hätte, die Rosel, die ihn so gerne gehabt hat! Gott, was ist das für ein liebes, fleißiges, anspruchsloses Mädel im Vergleich mit dieser Gina! – Jetzt ist das Leben verspielt, Höllverdammter Freisinghof du!

Die Gina war freilich auch nachdenklich geworden darüber, daß sie so ohne alle Neigung zu diesem Manne blind dreingeheiratet hatte, aus dummer Freude an einem »Ehrentag« und wohl auch in der Hoffnung, der sonst tüchtige Präcker-Bub würde den Hof allmählich aus der Verlegenheit ziehen. Als sie nun vernahm, daß der Josel so todestraurig sei, da empfand sie für ihn das erstemal etwas. Es wäre dann ja auch für sie besser, wenn sie wieder frei sein und vielleicht doch gelegentlich eine glücklichere Wahl treffen könnte. Auch nahegelegt wurde es ihr, und so bat sie den Josel um eine Unterredung. Ich weiß nicht, wer zuerst das Wort ausgesprochen, aber recht war es beiden. Es war kein Trotz da und keine Eifersucht, und sie wollten anständig wieder auseinandergehen, damit jedes nach seiner Art und nun gewitzigt sich bestreben könnte, glücklich zu werden.

Sie gingen zum Amte, ließen sich willig scheiden, und das war die erste und wohl auch die letzte Liebestat, die sie sich einander geleistet haben.

 


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