Peter Rosegger
Nixnutzig Volk
Peter Rosegger

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Der Geistbrenner.

Wer einmal so fünfzig Jahre lang Zeuge des Weltlaufes gewesen, bei dem müßte sich, so sollte man meinen, der ganze innere Mensch geändert haben. Alles ist ja so unerhört anders, als man's in der Jugend gesehen, geträumt hat. Die lange Reihe von Hoffnungen, Überraschungen und Enttäuschungen, von Freuden und Qualen, von Entwickelungen und Verwickelungen und Lösungen, bei denen immer wieder alles erwartet wird und immer wieder nichts herauskommt: diese Reihe von großartig aufgedonnerten Nichtigkeiten müßte ein denkendes Wesen doch endlich gleichgültig machen, in den Zustand jenes Träumenden versetzen, der bei keiner Feuersbrunst mehr aufschreit, bei keinem Sturz mehr zusammenzuckt, weil er in seinem Halbschlummer weiß: es ist doch nur ein Traum.

Jawohl, wer fünfzig Jahre lang am sausenden Webstuhl der Zeit steht, der müßte es endlich doch weghaben, wie die Fäden geknüpft, verschlungen und die Knoten wieder gelöst oder zerhauen werden. Er müßte sehen, daß jeder, der da mit hineingewoben wird, eigentlich gleich gut daran ist, ob sein Faden nun geradeaus oder querüberläuft. Ein Kreuz bildets immer. Der Sehende kommt ruhig darüber hinweg; der mit den übrigen Fäden ringende und sich verklemmende, auf andere Fäden sich stützende, in andere Fäden sich bergende und doch für sich ein freier selbstsüchtiger Ichfaden sein wollende Hascher und Haber leidet ganz verzweifelt. Der ruhig Schauende ändert sich im Lauf seines Lebens. Der Haschende und Habende ändert sich nicht. Dieser ist lediglich Stoff, der nach gemeinen Naturgesetzen steigt und fällt, sich physisch ausdehnt, chemisch verbindet und nicht anders als ein Klumpen Erde mittun muß in dem Kessel, aus dem ewig die Blasen steigen und in dem der Bodensatz in die Tiefe sinkt. Die Haschenden und Habenden, sie sind es, die den Kampf ums Dasein mit demselben trostlosen Stumpfsinn ringen wie der Wurm und die Milbe und die Eintagsfliege. Die Haschenden und Habenden, sie sind für sich nichts; erst wenn sie sich mit Gleichwertigem, mit der Stoffmasse verbinden, scheinen sie Etwas zu sein, wenigstens so viel, daß sie sich selbst und Gleichgearteten genügen. Sie schauen nicht, sie denken nicht, sie sind bloß, wie ein Schwammtier oder ein Weichtier ist. Diese rein materiellen Menschen sind eigentlich das Unschuldigste, was es geben kann; sie sind ja halb unbewußte Wesen; sie dämmern so hin im Verdauungsschlummer, als ob sie zu viel gefressen hätten, oder sie greifen instinktiv immer und immer mit ihren Fängern aus wie Seetiere, die alles, was sie erhaschen können, einmal an sich ziehen, wenn sie auch, längst übersättigt, alles wieder fallen lassen müssen. Die Hascher und Haber, diese Ärmsten! Und doch: diese Glücklichen! Weil sie ja so kurzsichtig sind und so tief in ihren Tag hineingebettet, daß sie keine Ahnung haben von den ewigen, glühenden, göttlichen Dingen, die den Schauenden nimmer zur Ruhe kommen lassen.

Der reine Stoffmensch ändert sich nicht durch ein Erleben; er ist als Greis innerlich derselbe, der er als Kind gewesen, wenn auch nicht immer ein Habender, wohl aber immer ein Haschender. Er denkt nicht weit genug, um sich zu fragen, wie er die erhaschte Beute nutzen werde; er denkt kaum daran, welchen Wert sie für ihn hat; er lebt in der dämmernden Vorstellung dahin: Das gehört mir! Es ist ein Versunkensein in die Stoffwelt, ein fast friedlicher Schlaf. Aber der Schauende ändert sich in seinen späteren Tagen. Er mag in der Jugend von den Sinnen zum Stoff hingezogen worden sein; aber als ihm das Auge aufging, trat er ein wenig zurück von dem sausenden Webstuhl, um nicht in das grobe Tuch der Menge mitverwoben zu werden. Er beobachtete, wie da alles vor sich ging, betrachtete seinen Standpunkt gegenüber dem Tuch und dessen Weber, – war ein Schauender geworden.

Was da aufsteht, das wird von der Menge mit Jubel begrüßt, was hinfällt, mit Schreck und Klage bestattet. Der Schauende jubelt nicht, erschrickt nicht und klagt nicht. Er weiß: diese Schürzungen und Lösungen sind selbstverständliche Vorgänge am Webstuhl. Er sieht den Wandel und Wechsel im Kleinen, er empfindet mit, wie die einzelne Kreatur vergehend aufschreit: Ich sterbe, jetzt ist alles aus! Und doch ist nichts aus; alles flutet im gleichen mächtigen Lebensstrom weiter dahin und der Lebensstrom ist und bleibt so urfrisch wie am ersten Schöpfungstage. – Dieses Sehen hat den Schauenden verwandelt. Er war Stoffwesen und ist ein vergeistigter Mensch geworden; er steht gleichsam außerhalb des Schlagbalkens, der die Fäden aneinanderstößt; er schaut vergnüglich dem Weber zu. Aber wenn er ihn fragt: »Meister, wozu das viele Tuch, das du webest und auf die Rolle windest?«, so bekommt er keine Antwort.


Vor etlichen Jahren war ich eines Tages an der Reichsstraße in eine Hütte eingekehrt. Eine ziemlich armselige Hütte, in deren Mauerspalten Gras keimte. An der schiefwinkligen Tür, deren Fugen mit Moos verstopft waren, klebte ein Blatt Papier, auf dem in ungefüger Handschrift die Worte standen: »Hotel zum Napoleon«. In der Hütte saß ein alter Mann in einem Zwilchkittel, aber barfuß. Er hatte einen schönen weißen Bart, einen Holzblock zwischen den Händen und stampfte im Bottich Vogelbeeren ein. Meine Anfrage, ob ich während des Gewitterregens in seinem Haus Unterstand halten dürfe, wurde damit beantwortet, daß der Alte Körbe und Stiefel von der Wandbank wegräumte, auf daß der Gast sich behaglich niederlassen könne. Sogar einen Lodenmantel rollte er zusammen zu einem Hauptkissen, falls ich mich ein Bißchen hinlegen wolle. Ich sei, meinte er, gewiß schon weit gegangen und hingestreckt ruhe sich der Wandersmann am besten aus. Auch in der ewigen Ruhe verlege sich der Mensch aufs Liegen.

»Hab' mir's gleich gedacht, daß das ein vornehmes Hotel ist, das Hotel Napoleon«, sagte ich spaßend.

»Das wohl; nobel sind wir schon!« Der Alte lachte und goß aus einer großen Flasche eine wasserklare Flüssigkeit ins kleine Kelchgläschen, das er vor mich auf die Tischecke stellte.

Auf meine nähere Erkundigung nach der Geschichte dieser Firma antwortete er: »Will der Herr die zwei Dukaten sehen, die der Napoleon meinem Vater (Gott tröste seine Seele!) hat auszahlen lassen?« Und mit dem dürren Finger durchs Fensterchen zeigend: »Dort, wo jetzt der Brennofen steht, beim Hollerbuschen, ist die Schmiede gestanden. Von gestern und vorgestern rede ich nit. Ist ja mein Vater noch ein junger Bursch gewest. Hufschmied an der Straßen. Ein gutes Geschäft dazumal. Wenn auch nit gerade jeder fürs Pferdebeschlagen drei Dukaten hat gegeben wie der Franzosenkaiser, als er vorbei ist geritten gen Graz. Später, als es mein Vater erfahren, wer der kleine Reiter ist gewesen, hat er freilich die Dukaten auf den Steinhaufen geschleudert. Und noch später, viel später, wie es geheißen hat, der große Napoleon sei auf eine Insel im Weltmeer verstoßen worden, hat's die Leut' umgewendet und mein Vater hat den Steinhaufen abgetragen. Zwei hat er richtig wieder gefunden von den Goldstücken; und die sind in der Familie verblieben zum ewigen Andenken.«

Es wollte mir nicht übel gefallen, daß dieser Hufschmied, entgegen dem Weltbrauch, den Mächtigen gehaßt und den Unglücklichen geehrt hat. Ich nahm einen Schluck von der klaren Flüssigkeit. Das war Feuer, eines Hotels Napoleon würdig. Es regnete Stunden lang, der Weg bis zum nächsten Bahnhof war nachher immer noch leicht zu machen und so verlor ich mich mit dem frohen alten Mann in ein anmutiges Gespräch, während er mit dem Kolben im Bottich seine Vogelbeeren stampfte. Dort, wo angeknüpft war, erzählte er weiter. Sein Vater habe neben der Schmiede eine Schänke aufgetan, damit den Fuhrleuten, die etwa in der Reihe auf das Pferdebeschlagen zu warten hatten, die Zeit nicht lang werde. Aus der Schänke sei allmählich ein Wirtshaus geworden und aus diesem ein großer Gasthof, wo alle Fuhrwerke und Herrschaftkutschen Einkehr gehalten. Um diese Zeit sei er, mein jetzt so weißbärtiger Mann, ans Licht gekommen, gehegt und erzogen und »von den Leuten verhunzt wie ein Prinz«. Der einzige Sohn des reichen Napoleonwirtes! Denn so hat der Gasthof geheißen und die Deutschen sind lieber beim »Napoleon« eingekehrt als beim »Kaiser Rotbart« auf der nächsten Poststation, weil beim Napoleon eben der Wein besser gewesen. Dann kamen die Eisenbahner ins Land. Da gab es Fuhrwerk über die Maßen und ungeheuer viel Geld. Die Leute hatten nur so gelacht dazu, obwohl ihnen der Strick schon um dem Halse lag. Aber er war noch locker. Der Napoleonwirt selbst hatte Tag für Tag vierundzwanzig schwere Pferde auf der Straße und am Tag der Eisenbahneröffnung saß er an der Ehrentafel fast ganz oben in der Nähe der hohen Herren und einer von ihnen feierte ihn durch einen Trinkspruch als den König der Straße. Das war vielleicht ein unbeabsichtigter Spott; aber ein großer. König der Straße hieß in diesem Fall König ohne Reich, denn wenige Jahre später: und auf der Straße konnten sich Schafe satt weiden. Der alte Napoleonwirt kränkte sich sehr darüber, daß die Eisenbahn, die er so emsig miterbauen half, so treulos war. Kein Mensch, sagte er, sei noch so grob betrogen worden wie er, der Napoleonwirt. Der Eisenbahnzug, der oben am Berghang hinrollte, pfiff auf ihn herab und kein Gesetz kümmerte sich um die Straße. Ohne gewöhnlich andere Gäste zu haben als manchmal einen durstigen Nachbar, wirtschaftete er in seiner Weise noch eine Weile fort; und als er endlich Haus und Hof verkaufte, geschah es gerade so, daß die Gläubiger keinen Schaden hatten. Da meinte der alte Napoleonwirt, für ihn sei es nun die höchste Zeit, zu sterben, denn ein paar Jahr später hätte es nicht einmal mehr für einen Grabstein gereicht. Ein Leben ohne Nachlaß und ohne Grabstein hätte er für die überflüssigste Arbeit von der Welt gehalten.

Und der junge Mensch, der Sohn, stand nun allein auf der Straße. Manchmal saß er auf der Bank vor der verfallenden Schmiede und beobachtete die Leute, wie deren doch von Zeit zu Zeit wieder vorüberkamen. Und wenn er sich so ins Schauen verlor, da war ihm anfangs, als vermöge er den Insassen des Viergespannes und den hinkenden Handwerksburschen nicht zu unterscheiden. Es sei denn, daß dieser einen munteren Marsch pfiff und jener ein gelangweiltes Gesicht machte. Und dann wieder zu sich kommend, fragte er: »Was tue ich jetzt? Am vollen Trog habe ich schon gesessen.« Nichts war davon übrig geblieben als der Nachteil, daß ihn nun der leere doppelt verdrießen konnte. Doch er verdroß ihn nicht eigentlich. Er war gegen alle weiteren Unfälle gut versichert bei der Assekuranzgesellschaft Habenichts & Co. Der Pfarrer seines Ortes hatte einmal gepredigt, der Christ solle dem Geist leben. Und weil er das nicht weiter erklärte, so legte der Zuhörer es sich selber zurecht. Es wird auch am Besten sein. Das braucht kein großes Betriebskapital. Ich will dem Geist leben. Und gründete eine kleine Branntweinbrennerei. Die Wurzeln, Beeren und Abfälle, aus denen er den Geist zog, hatte er umsonst; er brauchte sie nur zu sammeln, manchmal dafür ein »Vergelts Gott!« zu sagen und ein »Stamperl Branntwein« zu versprechen. Wenn dann der Nachbar kam, um ihn zu trinken, griff er doch in den Sack; denn man hatte den fröhlichen Burschen nicht ungern und vermutete, daß er auch ein Bißchen leben wolle. Er scheint auch in seiner Unterhaltung Geist geschenkt zu haben und nicht etwa Fusel, wie mancher zünftiger Ritter vom Geist zu destillieren pflegt. Da das große Einkehrhaus an der grünen Straße keine rechte Verwendung mehr finden konnte, so wurde es abgetragen und aus seinen Ziegeln am Bahnhof eine Waggonhalle erbaut. Nur die alte kleine Schmiede blieb stehen, um dem einzigen Übriggebliebenen zur Brennerei zu dienen. Das Wohnhaus dazu hatte er sich aus dem Fachgebälk des abgetragenen Gasthofes selbst gezimmert. Und hier lebte der Mann nun gelassen dahin, länger als fünfzig Jahre.

Er war Zeuge, wie sich in dieser Zeit alles mehrmals umstürzte. Die Menschheit machte Purzelbäume. Stand sie auf den Füßen, so behauptete sie, die einzig richtige Grundlage für den Fortschritt sei der Kopf; und stand sie auf dem Kopf, so klagte sie, daß alles in der Welt verkehrt sei. Der Schauende stand abseits und war ein wenig verblüfft. Nicht der Wandel befremdete ihn, sondern die Stetigkeit der Kreatur. Trotz allem unbegreiflichen Wandel blieben die Leute sich gleich. Bauten die Leute Häuser, so tranken sie Branntwein, um Kraft zu gewinnen. Brannten die Häuser nieder, so tranken sie Branntwein, um sich zu trösten. Die Felder wurden zu Wald: die Leute tranken Branntwein und wanderten aus. In den Wildnissen streiften Jäger und tranken Branntwein. Und der Alte machte seinen Branntwein gerade so, wie man ihn vor so viel hundert Jahren gemacht haben mag. Und auch wo sie es anders machen, ist's im Grunde dasselbe. Alles kreist um den Punkt; und dieser Punkt rührt sich nicht vom Fleck. Zur Zeit der Ritter war es Mode geworden, in Kutschen zu fahren; zur Kutschenzeit ist es Sitte geworden, auf der Eisenbahn zu reisen; in der Eisenbahnzeit wurde es nobel, den Motorwagen zu hetzen; zur Zeit des Motorwagens wird es vornehm sein, im Luftballon zu fliegen; und zur Zeit des Luftballons werden die Herren plötzlich finden, das Vornehmste, das Stolzeste, das Ritterlichste sei das Reiten auf dem Pferd. Ein Ringelspiel wie auf Jahrmärkten. An einzelnen Stellen wurde wieder gerodet, wurde wieder gebaut: und immer tranken sie Branntwein und haschten nach Habe, nach grobem Genuß und waren stumpfsinnig für alles andere. So war die Masse immer gewesen und das Erdbeben der jungen Welt hatte wenig geändert. Die Masse ist Rohstoff, an dem die Wetter der Zeiten immerwährend formen und zerstören. So streute die Natur ihren Menschenstaub auch wieder einmal auf die Straße. Eines Tages kam der närrisch gewordene Scheerenschleifer und der sausende Teufel. Der erste ein Reiter ohne Roß, der zweite ein Roß ohne Reiter. So der wörtliche Ausdruck des Alten; ich kann mir nur denken, daß damit die Radfahrer und Automobilisten gemeint sein sollten. – Und so, fuhr er fort zu sagen, habe sich seit fünfzig Jahren allerlei hingeändert und zurückgeändert, im Weltkasten sei alles ganz toll durcheinandergerüttelt. Aber die Zwetschken, seien sie braun oder blau, süß oder herb, frisch oder faul: der Kern sei gleich geblieben. Es sei derselbe harte Kern mit etwas Gift im Innern. Der Mensch turne und bade, »doktere« und schneide an sich grausam herum, sei aber inwendig ganz der Alte geblieben. Vor Zeiten habe eines Tages ein armes Weib verschmachtend an der Straße gelegen und ein vornehmer Vierspänner sei lustig vorübergefahren. Vor einigen Wochen habe da unten bei der Telephonstange Nummer 321 der Blitzschlag einen alten Hausierer betäubt und ein Automobiler sei lustig an ihm vorübergefahren. Einen Menschen aufheben und laben: Das kann man von so einem nicht verlangen. Muß noch froh sein, wenn er selber keinen niederrennt. Ja, der Kern ist hart und ein wenig giftig. Aber abgewöhnen mag man sich's doch nicht, das Zwetschkenessen. Das Auswendige nascht man und auf den Kern läßt man sich nicht ein. Dann bleibt man halt abseits stehen und schaut zu. Und brennt Geist.

Während solcher Reden hatte der alte Schnapsbrenner mir einen angeschnittenen Laib Weißbrot vorgelegt und mich eingeladen, die Stiefel auszuziehen, damit sich die Füße besser ausrasten könnten. Ja, er stellte sich ausgespreitet hin und wollte sie mir von den Beinen reißen.

Ich lachte und sagte ihm offen, was mich wunderte. Daß er bei seiner Weltverachtung noch so gut sein könne. Ich sei in seinen Augen ja auch nichts anderes als ein Körnchen des Menschenstaubes auf der Straße. Da fuhr er munter in die Höhe: »Ja, glaubt Ihr denn, Ihr bekommt das alles geschenkt? O, das Hotel Napoleon ist ein gar teures Hotel!«

»Ich hoffe, daß Ihr Euch die Sachen bezahlen lassen werdet.«

»Bezahlen! Geht mir weg mit dem Wort Bezahlen! Allerlei Geist habe ich Euch vorgesetzt. Guten Geist!« fügte er mit gar ernsthafter Miene hinzu. »Und seit wann tut man den Geist mit Ziffern und Zahlen ab, seit wann? Ich denk', Ihr werdet Euch selber dalassen müssen. Ich denk' wohl.«

Der Gewitterregen war vorüber, die Straße hatte kalkgraue Tümpel und die Sonne schien wieder drein. Als ich zu Dank und Abschied dem Alten die Hand reichen wollte, nahm er sie nicht an. »Bleiben wir nit beisammen?« sagte er. »Wir bleiben ja beisammen!«


Damals dachte ich, er spreche doch Unsinn, manchmal. Heute denke ich das nicht. Über zwei Jahre sind seitdem dahingegangen, in jene Gegend kam ich nicht mehr, den Alten habe ich nicht mehr gesehen: und doch muß ich oft, sehr oft an ihn denken. Ja, so oft ich selbst mich als Weltbeschauer empfinde, muß ich an jenen Schauenden denken. »Wir bleiben beisammen!« hatte er gesagt. Es dürfte stimmen. Ich war an seiner Weisheit hängen geblieben.

Aber, mein lieber alter Geistbrenner, es wird uns nicht viel helfen. Wenn wir zwei uns auch außerhalb des sausenden Webstuhles stellen, einer links und der andere rechts, und dem Weber mit Fadenknüpfen Handlangerdienste zu leisten vermeinen: wir sind doch mitten im Gewebe; nur sind wir als Fäden vielleicht widerhaariger als andere und bilden häßliche Knoten. Alle miteinander machen wir das lüderliche Tuch aus.

 


 << zurück weiter >>