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Dückdalben im Hamburger Hafen
Während nun die Verschlimmerung der Verhältnisse bei Eiskuhl eine recht heilsame Wirkung hervorbrachte, geschah bei Trick und bei Stubborn das Gegenteil.
Dieser war in einen grimmigen Trotz verfallen und setzte seinen Verfolgern passiven Widerstand entgegen. Er gab weder Schwarz noch Trick irgendeine Antwort, wenn sie ihn wegen seines Geldes angingen, und lauerte auf eine Gelegenheit, damit zu entkommen.
So war der April vergangen. – Trick befand sich in einer Hyänenlaune, denn er mußte mit seinen Zimmerleuten mehrere sehr gefährliche Einbrüche und Diebstähle ausführen, um sie zu beschäftigen, da sie eine drohende Haltung gegen ihn annahmen. – Er war bereits zum ganz gemeinen Dieb herabgesunken und sah Gefahr von allen Seiten, deshalb wollte er fort und beschloß, um jeden Preis sich Stubborns Geldes zu bemächtigen. Er hätte ihn ermorden lassen, wenn er nicht gewußt, daß der hartnäckige Geizhals dann erst recht geschwiegen und die Summen ganz verloren gewesen wären.
Die unausgesetzte Bewachung, die er nebst der Bande im Gange hielt, mußte ihm den Ort verraten, wo das Geld lag, sobald sich Stubborn dorthin begab. – Trick sann auf ein Mittel, ihn zu zwingen, es von dort zu entfernen, und glaubte endlich, dies müsse gelingen, wenn er ihm eine Gefahr auf den Hals hetze. – Er war auf dem Punkte angekommen, wo alles riskiert, alles gewonnen oder verloren werden mußte.
Eine Unterredung, die Schwarz am dritten Mai mit Stubborn führte und die von Trick belauscht wurde, gab den Ausschlag.
Schwarz erschien mit Kern an diesem Tage bei Stubborn und verlangte seinen definitiven Entschluß. Es war einer der Maitage, an dem die Hamburger so gern auf ihre Landsitze gehen. Der Verbrecher saß jedoch im dumpfen Zimmer und wartete auf den Augenblick zum Entwischen.
»Wir kommen heute zum letzten Male zu Ihnen, um die Herausgabe meines Eigentums zu verlangen,« sprach Schwarz. »Weigern Sie sich nicht – es hilft Ihnen nichts. Sobald Sie das Geld in meine Hände legen, ist Ihr Weg frei, und Trick verschwindet mit seiner Bande in einem Ewer, den wir schon zu diesem Zwecke in einem Elbarm liegen haben. Wenn Sie sich auf See befinden, wird die Polizei die Gesellschaft in dem Fahrzeuge entdecken und festnehmen, dafür werde ich sorgen.«
»Ah – recht freundlich von dir, mein Junge,« flüsterte der horchende Trick.
Schwarz fuhr fort: »Wollen Sie jedoch in Ihrem Trotz verharren, nun, so zeige ich Ihnen an, daß meine Geduld zu Ende ist. Ich rufe dann das Gericht zu Hilfe. – Denken Sie nicht etwa, damit wegzukommen, daß Sie mir mein Recht ableugnen, weil Sie die Beweise vernichtet haben. Ihr schändlicher Handel mit den Seeräubern in der Sundastraße wird von uns bewiesen, denn wir haben Ihren Kompagnon von dort, Ihren malaiischen Agenten, der gestern hier ankam, gefangen. Er ist in unserem Gewahrsam in demselben Ewer, in den Trick kommen wird, damit die Polizei die ganze Gesellschaft beisammenfindet. Er wird von vier Leuten bewacht, die ihn bei einem Fluchtversuch niederschießen.«
»Leere Drohung,« murmelte Stubborn. – »Wie sollten Sie zu dem kommen?«
»Auch das sollen Sie erfahren. – Der Lotse Nielsen kam gestern mit dem Londondampfer herüber. – Als er während der Fahrt auf dem Schiffe hin und her ging, sah er auf der Kajütklappe ein Fernrohr liegen, dessen Anblick ihn in Erstaunen setzte, denn er erkannte in ihm sein Schiffsfernrohr von den ›Gebrüdern‹, dasselbe, das er mit dem Schiff untergegangen glaubte. – Er vermutete erst eine Täuschung, und nahm es deshalb in die Hand, um nach zwei Strichen zu sehen, die er am Auszuge für Tag- und Nachtglas eingekratzt hatte, worunter sein Name gekritzelt war. Er fand dies alles und hielt das Rohr noch in der Hand, als ein gebräunter, schwarzhaariger Mann kam und es an sich nahm, um nach einem Schiff zu sehen.
Nielsen erkannte sofort einen Malaien in ihm, und da dieser das Fernrohr als das seinige bezeichnete, so vermutete er, einen Verbündeten der Piraten oder ihren Chef selbst vor sich zu haben. – Je länger er den Mann beobachtete, desto mehr kam er zu der Überzeugung, den Führer des kleinen Schoners vor sich zu haben, den er in der Sundastraße vor der Unglücksnacht durch dasselbe Fernrohr betrachtete, das der Seeräuber vom Schiffe an sich genommen.
Der Lotse ließ ihn nicht mehr aus den Augen und folgte ihm hier in ein Hotel, worauf er uns holte. Kern erkannte in dem Malaien augenblicklich jenen Agenten in Batavia, den er als den Ihrigen aufsuchte. Unsere Ahnung wurde zur Gewißheit, als der Pirat Erkundigungen nach Ihnen einzog und von uns nach Neumühlen in Ihr Landhaus gewiesen wurde, wo wir ihn unvermutet am Strand überfielen und festnahmen. – Sie sind also auch gegen den gesichert, wenn Sie das Meinige herausgeben.«
Stubborn fühlte kalten Schweiß von seiner Stirn rinnen, schwieg aber in seinem verzweifelten Sinnen nach einem Ausweg.
»Ich sage Ihnen jetzt das letzte Wort, das Sie im guten von mir hören,« sprach Schwarz ungeduldig. »Morgen berufe ich eine Versammlung von glaubwürdigen, ehrlichen Männern nach St. Pauli. Der Lotse wird dort erscheinen, seine Aussagen in meiner und der Seeräubersache vor diesen Zeugen niederlegen und das Protokoll unterschreiben, da er sich wegen der Zollwächtergeschichte nicht hier sehen lassen darf. – Übermorgen, Donnerstag, ist der fünfte Mai, der Tag Eurer Schurkereien. – Es ist diesmal der Himmelfahrtstag! – Habe ich aber bis morgen abend nicht das Meinige in Händen, so soll es für Euch der Höllenfahrtstag werden, denn dann holt Euch das Gericht zur selben Zeit, wenn andere in die Kirche gehen. – Mag dann mein Vermögen vom Gericht mit verschlungen werden! – Ihr habt bisher den fünften Mai zu einem Tage des Unheils für mich gemacht. – Jetzt soll er es für Euch werden! – Sie haben zu wählen. – Zwischen morgen oder übermorgen. – Tun Sie es!«
Mit diesen Worten verließen Schwarz und Kern das Zimmer, in dem Stubborn wie ein gefangenes Raubtier umherrannte und endlich nach Trick rief.
Herr Trick hatte sich aber schon fortgeschlichen, ehe Schwarz ging, und saß jetzt auf der Wassertreppe zum Flet, wo er, einem Tiger nicht unähnlich, kauerte, der sich zum Sprunge rüstet. Er griff in das Wasser und strich sich mit der nassen Hand über die Stirn.
»So steht die Partie«, knurrte er. – »Nun, Geduld, guter Junge. Laß uns einmal überlegen, was wir machen. Es ist also noch ein Kompagnon da, den du indes aufgehoben hast, bis du mich dazu kriegst und dem dritten forthilfst. – I, sieh mal an. – Du sollst aber weder mich kriegen noch den Malaien behalten, sondern nur deinen lieben Stubborn und den guten Lotsen soll die Polizei erwischen. Ist der Malaie dann nicht als Zeuge vorhanden, so wird der Lotse nicht gleich mit der Geschichte herausrücken, denn du fürchtest, dein Vermögen beim Gericht verschwinden zu sehen. – Hm. – Du wirst uns wohl bis morgen abend Zeit lassen, den alten Fuchs aus seinem Bau zu räuchern, um ihm das versteckte Huhn abzunehmen. – Hm – hm – ausräuchern! – Die Idee ist gar nicht übel. – Sehen wir erst mal, ob er morgen nach seinem Gelde geht, wenn er erfährt, dass man den Lotsen hat. Ha, ha, ich denke, er wird laufen, daß er fortkommt, und wir haben es ohne Mühe. – So wird's gehen, mein Junge, und nun wollen wir uns den neuen Kompagnon holen. – Wo wirst du ihn haben? – In einem Ewer in einem Flußarm versteckt. – Kann bloß drüben bei Neumühlen sein, wo ich Stubborn zu den Finkenwärdern schickte, oder bei Steinwärder, bei Wilhelmsburg. – Nun, wir wollen ihn bald finden.«
Trick empfahl den Wächtern die größte Aufmerksamkeit und ging, um ein Dutzend von seinen Kellerfreunden zu holen. Mit diesen bestieg er drei Boote, die er am Hafen mietete und wovon er eins nach dem Reiherstieg, das andere nach den Kanälen zwischen dem Steinwärder Schilf auf Kundschaft schickte, während er mit dem dritten das Schilfdickicht gegenüber Neumühlen vorsichtig absuchte. – Seine Vermutung war richtig, denn er fand hier den Ewer Nielsens, der ihm bekannt war, vor Anker und beobachtete ihn unbemerkt eine lange Zeit, bis er an einem der kleinen Fenster im Stern ein braunes Gesicht mit schwarzen Augen erscheinen sah.
Er schlich durch das Schilf nach seinem Boot zurück und fuhr wieder elbaufwärts, wo er die andern Boote traf und bis zur Dunkelheit liegenblieb. Als die Nacht eingetreten war, trieb die kleine Flotte mit der Ebbe vom Köhlbrand aus in den Flußarm, wo der Ewer lag. Das erste Boot ging ein Stück voraus und erregte natürlich die Aufmerksamkeit der vier Männer, die den Ewer bewachten. Sobald das Boot herankam, riefen sie es an. »Fischer,« war die Antwort, die einer der Bootsleute gab. Er drehte sich dabei so schnell nach dem Ewer um, daß er das Gleichgewicht verlor und über Bord fiel. Er schien nach Art dieser Wasserleute sofort unterzusinken, denn seine Kameraden konnten ihn nicht gleich finden und zogen ihn erst nach einer Weile unter Wehklagen leblos aus dem Wasser. – Sie kamen dabei dem Ewer ganz zur Seite und baten die Besatzung, ihnen zu helfen, den »Ersopenen« wieder ins Leben zu bringen.
Man hob den wassertriefenden Mann auf das Deck, wo er bewegungslos liegenblieb, und beschäftigte sich mit ihm, ohne die drei andern Boote zu bemerken, die jetzt herbeikamen. Der eine Schmuggler war daher sehr erstaunt, als ihn der Ertrunkene plötzlich bei den Handgelenken packte und festhielt, so daß es ihm unmöglich war, nach den Pistolen zu greifen, die er im Gürtel trug, während sich die andern drei von einer Schar Männer umringt sah, die auf das Verdeck sprangen, sie in wenigen Augenblicken überwältigten und mit Tauen banden.
Herr Trick zündete nun eine Laterne an und zog den Pflock von der Lukenklappe der Kajüte, die er öffnete. Er leuchtete hinunter, wo er des Gefangenen Augen aus einer dunkeln Ecke blitzen sah und rief:
»Ah, Mister Djal, Kerr Kompagnon! Sie sind da in einem unrechten Quartier abgestiegen. Bitte, kommen Sie herauf. Ihre Freunde sind da, um Sie abzuholen und zu Stubborn und Kompagnie zu bringen.«
Der Malaie kam vorsichtig näher und schwang sich dann mit der Gewandtheit einer Katze aus der Luke. Er stand bei dem Steuer und übersah das Deck mit glühenden Augen, die auch die Umgebung betrachteten und etwas suchten, was zur Waffe dienen konnte. Dabei war sein rechtes Bein auf der Steuerpinne zum Sprung zusammengezogen und er offenbar bereit, mit einem Satze über Bord zu verschwinden. Sobald er jedoch die gebundenen Wächter erblickte, zeigte er zwei Reihen weißer Zähne und zog den Fuß vom Ruder. Er blickte Trick mißtrauisch an und fragte:
»Sind Sie Mr. Stubborn?«
»Nein, ich bin der Kompagnon,« erwiderte dieser.
»Wer ließ mich hier gefangen halten?« fragte der Pirat weiter.
»Ah, den Spaß erlaubte sich ein junger Mann aus unserm Geschäft, der damit einen guten Handel zu machen gedachte,« lachte Trick.
»Wie kommt das?« fragte der Malaie verwundert.
Trick sprach leise: »Das kommt daher, wenn man Fernrohre bei sich führt, die Leuten gehören, die nicht untergegangen sind.«
Der Malaie riß die Augen auf und stieß einen Fluch in seiner Sprache aus.
»Ah!« murmelte er, »der Seemann, der es in der Hand hatte und besah. – Oh, ich mußte auch gerade dieses mitnehmen! – Wer war der Mann?«
»Es ist der Kapitän von den ›Gebrüdern‹, der auf eine unbegreifliche Weise zurückkam. Ihr waret sehr leichtsinnig, daß Ihr ihn entkommen ließet!« knurrte Trick.
» Damn! Es war der Kerl, der meinen besten Kapitän, der zwanzig Männer wert war, in die See warf und ihn dort umgebracht hat. Wie muß er selbst entkommen sein? – Ha, wenn ich ihn treffen könnte!« – zischte der Malaie.
»Nehmt Euch in acht, Mister Djal. – Nehmt Euch vor dem in acht. Es ist gefährlich, mit ihm anzubinden. Gefährlich auf dem Lande, wo er es mit vier Männern aufnimmt, und gefährlicher im Wasser, wo er zwanzig umbringen würde, denn er schwimmt und taucht wie ein Seehund. – Er hat hier auf dieser Stelle voriges Jahr den schlimmsten Zollwächter von drüben angebunden und von der Flut ersäufen lassen; deshalb kann er in Hamburg nicht offen gegen Sie auftreten, aber nehmen Sie sich in acht, daß er Sie nicht an einem abgelegenen Orte erwischt. Er hat Ihnen den Tod geschworen,« warnte Trick.
Der Malaie stieß ein kurzes Lachen aus und sprach: »Es hat mir mancher den Tod geschworen, aber ich gebe nicht so viel darauf« – er blies hier über die Hand –. »Wenn mir die Hunde nur meinen vergifteten Dolch nicht weggenommen hätten, ich wollte ihn bald steif machen. Was fangen wir jetzt an?« fragte er, sich umsehend.
»Vor der Hand werde ich Sie sicher und komfortabel unterbringen. Kommen Sie,« sprach Trick, nach dem Boot zeigend.
Der Pirat stieg hinein. Als man abfahren wollte, sah er die gebundenen Schiffsleute auf dem Ewer sitzen und rief:
»Halt! Hat einer von euch ein Messer? Gebt her, ich will den Kerlen die Kehlen durchschneiden!«
Zum Glück verstanden die Kellerfreunde Tricks wenig Englisch und beeilten sich deshalb nicht, den in dieser Sprache ausgesprochenen Wunsch zu erfüllen. Herr Trick packte den Piraten am Arm und sprach:
»Es wäre den Kerlen ganz recht, aber, Mister Djal, das geht hier nicht so, wie in der Sundastraße. – Wenn die Kerle morgen früh hier abgekehlt gefunden werden, so haben wir morgen mittag die ganze Polizei der Umgegend auf dem Hals, und die ist ein bißchen besser als in der Sundastraße. – Ich brauche sie auch zufällig, um den Lotsen fangen zu lassen.«
»Ich habe doch die größte Lust, die Kerle umzubringen,« entgegnete der Pirat. »Man macht den Anker mit der Kette los und wickelt sie um die Hunde, dann nimmt man sie mit hinaus in den Fluß und legt sie auf dem Grund vor Anker, da soll sie die Polizei suchen.«
»Tut mir leid, daß ich Ihnen den Spaß nicht machen kann. Es ist zu gefährlich, denn es kann jeden Augenblick ein Boot kommen, und wir brauchen unsere Zeit jetzt auch nötiger. Wir wollen den Kerlen jedoch wenigstens ihr Quartier anweisen. Steckt sie mal in die Kajüte!«
Nach Tricks Wunsch stiegen einige Zimmerleute auf den Ewer und warfen die schimpfenden Schiffer in die Kajütluke, die sie schlossen.
Dann ruderte man zurück, denn man hatte die Vorsicht gebraucht, die Jollenführer, denen die Boote gehörten, trotz ihres Protestes auf einer kleinen Insel auszusetzen, damit sie keine Zeugen abgeben konnten. Hier holte man sie wieder ab, ließ am Ufer bei Altona landen, wo man den Leuten ein gutes Trinkgeld gab, und ging zu Fuß nach der Stadt.
Der Malaie machte Trick unterwegs Vorwürfe über die Handlungsweise des Hauses Stubborn.
»Ihr seid Schurken!« sprach er, »Ihr müßt euch aber nicht einbilden, gegen mich Schurken sein zu können und mich betrügen zu wollen. – Glaubt ihr fischblütigen Nordländer etwa, ich soll in Java für euch umsonst arbeiten, damit ihr hier ruhig den Profit in die Tasche stecken könnt? – Ihr habt von mir drei Schiffe versenken lassen, wovon ich die letzten zwei noch nicht bezahlt erhielt. Die Ladungen, womit ihr die Schiffe in See schicktet, waren gänzlich wertlos, und unser ganzer Profit bei der Arbeit bestand in ein paar Instrumenten und einigem Proviant. Beim letzten Schiff verloren wir jedoch sieben Leute, weil die Mannschaft sich verzweifelt wehrte. – Ich komme deshalb, mit euch abzurechnen, wobei ihr mir, beim Herrn der Hölle, meine Her- und Hinreise bezahlen sollt, oder ich schneide euch allen die Kehle ab.«
»Sehr gütig von Euch,« bemerkte Herr Trick, »nur bitte ich, mich jetzt nicht mehr als Kompagnon des Hauses Stubborn, sondern als den Euren zu betrachten, denn Ihr müßt mir helfen, dem alten Geizhals Stubborn nicht nur Eure Provision, sondern sein ganzes Geld zu entreißen, das er versteckt hat. Wir teilen dann. Halb und halb, Kamerad, wenn Sie wollen!« sprach Trick, dem Piraten die Hand hinhaltend, worauf er ihm die Sachlage vollends erklärte.
»Wieviel wird die Hälfte sein?« fragte dieser vorsichtig.
»Das Ganze wenigstens nahe um eine Million«, flüsterte Trick.
»Angenommen!« sprach der Malaie und legte seine Mordhand in die ebenso schlimme Tricks.
»Wo liegt das Geld? Können wir es leicht holen?« fragte der Pirat.
»Oh! Holen wollten wir es wohl, es möchte liegen wo es auch sei. Aber die Kunst ist eben, herauszukriegen, wo es steckt. Der alte Geizhals hat es in einem Versteck, das ich schon seit einem halben Jahre suche. Ich gestehe Euch ganz ehrlich, daß Ihr nicht einen Groschen mehr erhalten hättet, wenn ich den Platz finden konnte. Stubborn muß deshalb gehetzt werden, und zwar ernstlich. Die Gefahr der Entdeckung seiner Geschäfte mit Euch muß ihm auf den Hals gehetzt werden, damit er zur Flucht genötigt wird. Er wird nicht ohne sein Geld fliehen, und sobald er es holt, werden wir es haben. Das beste«, fuhr Trick fort, »ist nun, wir bringen den Lotsen in die Hände der Polizei, und zwar muß dies morgen geschehen. Erstens jagen wir dadurch Stubborn aus dem Lager, und zweitens rächen wir uns an dem Lotsen. Es lag mir früher alles daran, ihn nicht in die Hände der Polizei kommen zu lassen. Jetzt ist das Gegenteil der Fall. Morgen will er in St. Pauli sein. Er kommt jedenfalls zu Wasser dorthin. Ich werde die Landpolizei und die Hafenrunde davon in Kenntnis setzen und dafür sorgen, daß es Stubborn sofort erfährt, wenn wir ihn haben. Wir lassen uns indessen gar nicht sehen, damit er um so sicherer nach seinem Gelde geht. Sie, verehrtester Herr Kompagnon, dürfen sich auch nicht besonders breit machen. Ich rate Ihnen, in einem Wirtshaus auf dem Berge Auf dem Berge. Gemeint ist St. Pauli (Hamburger Berg). Quartier zu nehmen, und sich für einen Seemann auszugeben. Haben Sie Geld?«
»Bei mir? Keinen Penny. Die Kerle haben mir alles genommen. Aber im Hotel habe ich noch Geld genug«, sagte der Malaie.
»Holen Sie es, jetzt geht es noch«, drängte Trick. »Aber was fangen wir mit Ihrem Gepäck an?«
»Gepäck?« erwiderte lachend der Malaie. »Ha, ha, wer wird denn so ein Narr sein und sich auf einer Unternehmung wie die meinige ist, mit Gepäck belasten? Das ist auch so eine europäische Narrheit. Eine kleine Tasche und ein guter Dolch, das ist alles, was ein Mann braucht, um rund um die Erde zu kommen.«
»Nun, so holen Sie Ihr Geld, ich will hier warten und Sie dann aus der Stadt in ein Quartier bringen, wo die Polizei die Seeleute ungeschoren läßt.«
Man war am Gänsemarkt angekommen, wo Trick nun mit den anderen stehenblieb, während der Malaie den Jungfernstieg hinabging, um sein Geld aus dem Hotel an sich zu nehmen, in dem er eingekehrt war.
Herr Trick schlug dreimal an seine Nase, wie ein Femebote an das Tor des Geladenen und sah tiefsinnig vor sich hin. Dann trat er zu seiner Bande.
»Ihr habt euch doch den Inder gut besehen und gemerkt, der eben wegging?« fragte er leise.
»Wir merken uns jeden, der mit uns anbindet«, war die Antwort.
»Gut«, sprach Trick flüsternd und sich umschauend. »Er ist ein Pirat, der uns den Ort ausfindig machen will, wo Stubborn das Geld versteckt hat. Aber merkt euch das – er will dann auch mit uns teilen!«
Unter der Bande entstand auf diese Nachricht hin ein unwilliges Murren.
»Er will die große Hälfte von allem haben, was wir erwischen, und vorher noch zwanzigtausend Taler abziehen, die er von Stubborn kriegt«, sprach Trick.
Der belebte Platz hielt die Bande ab, in ein Wutgeschrei auszubrechen. Sie brummten jedoch: »Wir brauchen keinen Gehilfen mehr dazu.«
»Habt ganz recht – ganz recht«, kicherte Trick, an seine Nase klopfend. »Wir brauchen keinen mehr dazu, deshalb schafft ihn morgen aus dem Wege, sobald wir das Geld haben und zum Teilen in unseren Schlupfwinkel in den Gängen kommen.«
Die Strolche sahen Trick erschrocken an, denn einen Mord hatte noch keiner von ihnen begangen. Sie nahmen die Aufforderung dafür an.
»Ihr sollt ihn ja nicht umbringen, Ihr Dösköppe!« sagte Trick, den Eindruck gewahrend. »Ihr sollt ihn beiseite schaffen. In irgendeinen gut verwahrten Keller stecken, bis wir in Sicherheit sind. Macht ihm weis, im Keller sei unser Versammlungsort. Will er nicht gutwillig drinbleiben, so gebt ihm eins auf den Magen.«
»Ah so!« brummte der große Zimmermann. »Nun, das soll geschehen.«
»Gut! Dann schert euch zum Teufel in den Tiefen Keller hinab, aber besauft euch nicht, denn morgen braucht ihr eure fünf Sinne. Es wird ein Hauptschlag ausgeführt. Macht fort! Ich sehe da den Polizeimann Stork kommen.«
Die Strolche stoben bei diesen Worten auseinander. Herr Stork kam wirklich des Weges und ging auf Trick zu.
»Was waren doch das für Leute, mit denen Sie eben sprachen?« fragte er aufmerksam.
»Ein paar Schiffszimmerleute von St. Pauli«, antwortete Trick. »Sie haben mir eben eine Nachricht gebracht, die für Sie von großer Wichtigkeit sein würde, wenn ich sie Ihnen mitteilte. Es ließe sich ein famoser Fang machen. Aber ich will es meinem Prinzipal nicht zuleide tun, der den Mann in Schutz nimmt, obgleich ich ihm nicht grün bin.«
»Hm!« machte der Polizeimann. »Ein –« Hier griff er mit der Hand in die Luft und steckte dann einen imaginären Gegenstand ein.
»Zu wenig«, sprach Trick. »Was sagen Sie zu einem Mörder?«
»Ein Mör–der?« murmelte der Polizeimann, sich besinnend. »Ist nicht möglich. Müßte eben erst jemand umgebracht haben, denn die von den letzten Morden seit drei Jahren haben wir alle.«
»Aber der Zollwächter aus Neumühlen, vom vorigen Jahre?« half Trick nach.
»Alle Donner, der Kapitän? Ist der hier? Das ist unvorsichtig von dem Mann. Wissen Sie, die Geschichte geht uns eigentlich gar nichts an. Das ist Sache der Hannoveraner drüben, oder der Dänen nebenan. Wir haben da bloß die Schererei. Ich wollte, Sie hätten mir gar nichts davon gesagt, Herr Trick. Jetzt muß ich Anzeige davon machen. Der Teufel mag's Ihnen danken.«
Damit kehrte der ehrliche Polizeimann Trick den Rücken und ging nach der Polizei, indem er brummte:
»Dieser Herr Trick gefällt mir seit einiger Zeit nicht, aber von heute an gar nicht. Das ist ein boshafter Kerl, der seine Nebenmenschen ins Unglück bringt, denn er will dem armen Kapitän etwas auswischen, sonst hätte er mir nichts von seiner Anwesenheit gesagt. Ich muß es jetzt anzeigen, sonst riskiere ich, der Buchhalter sagt jemand, daß er es mir mitgeteilt hat.«
Trick rieb sich die Hände und ließ seine Finger knacken. Er wartete, bis der Malaie zurückkam und führte diesen dann nach St. Pauli.
»Sie haben sich hoffentlich die Kerle betrachtet, die Ihnen mit aus der Kajüte halfen?« fragte er lauernd.
»O ja«, nickte der Pirat lachend. »Nette Jungen, aber ein wenig zu gewissenhaft, scheint mir.«
»Hm!« knurrte Trick. »Ich glaube, mehr unverschämt als gewissenhaft. Sie haben den großen Kerl mit dem hohen Hute bemerkt?«
»Allerdings«, war die Antwort.
»Das ist der Unverschämteste. Er hält alle anderen in Furcht und will allein die Hälfte haben. Dann kommen erst die übrigen. Da Sie eine besondere Liebhaberei fürs Kehlabschneiden haben, so empfehle ich Ihnen diese Herren. Je mehr Sie davon abkehlen, desto besser für uns. In dem Keller, wo wir unsere Zusammenkünfte halten, haben Sie die schönste Gelegenheit dazu. Es kommt dort auch nicht auf ein wenig Spektakel an.«
»Ihr seid ein herrlicher Kerl, Kompagnon!« rief der Malaie lachend. »Der Vorschlag gefällt mir außerordentlich, und wenn Ihr wollt, so stoße ich die ganzen Kerle nieder, ohne daß einer einen Laut von sich gibt oder daß es der Nebenmann merkt. Dies soll der Teil sein, den sie kriegen, wenn wir das Geld haben. Ich werde mir morgen einen handlichen Dolch dazu kaufen. Oh, die Sache wird spaßhaft!« Dabei warf er einen so diabolischen Seitenblick nach Trick, daß dieser sehr deutlich daraus hätte lesen können, was sein Teil sein sollte. Die Dunkelheit verbarg ihm jedoch diesen Blick.
Herr Trick lachte laut, weil es ihm so gut gelang, seine Konkurrenten aneinander zu bringen. Jeder Teil dachte übrigens dasselbe und hatte im stillen beschlossen, den Raub für sich allein zu behalten und die übrigen darum zu bringen.
Trick brachte den Malaien in einem Hause unter, in dem Steuerleute und Kapitäne verkehrten. Die Polizei hielt dort fast niemals Nachsuchung, weshalb er vorderhand gesichert war. Trick lief nach der Stadt zurück und sah nach den Wächtern Stubborns. Dann ging er zu diesem selbst hinauf und traf ihn im Zimmer hin und her wandelnd und von seinen Anreden keine Notiz nehmend. Die Falkenaugen Tricks entdeckten bald, das Stubborn Vorbereitungen zur Flucht getroffen habe und einen günstigen Augenblick dazu abwarte. Er setzte sich und sah ihm zu. Nach einer Weile sprach er mit höhnischem Lächeln:
»Ich will Ihnen was sagen, halb und halb! Hören Sie mal ein wenig mit Ihrem Umherlaufen auf, Sie werden Ihre Beine nötiger brauchen, wenn Sie meine Neuigkeiten erfahren. Unser neuer Kompagnon aus Batavia läßt Sie grüßen und wird morgen früh zur Abrechnung kommen. Wollen Sie nicht die Uhrgewichte zurecht machen?«
Stubborn blieb stehen und sah Trick überrascht, aber ungläubig an.
»Die Zeit im Ewer in dem versteckten Flußarme wurde ihm zu lang, weshalb er nach der Stadt kam, ehe ich sein Sommerlogis teilte«, fuhr Trick mit Hohn fort. »Er ist hier! Wollen Sie ihn erwarten?«
Stubborn glaubte ihm kein Wort und schwieg.
»Ich sage Ihnen jetzt das letzte Wort, das Sie im guten von mir hören«, sagte Trick, Schwarz parodierend. »Morgen wird der Lotse seine Aussagen machen. Ha, ha, ha! Laufen Sie, Kompagnon. Übermorgen ist der fünfte Mai. Himmelfahrtstag! Haben Sie Lust, in den Himmel zu fahren? oder ist Ihnen die Hölle lieber? Wenn ich bis morgen mittag nicht das Meinige in den Händen habe, so sind Sie auf dem Weg nach dem einen oder dem andern Punkt. Laufen Sie, ›halb und halb‹, wie ich laufen werde.«
Stubborn gab keine Antwort. Er glaubte nichts und wanderte wortlos auf und ab. Trick verließ das Zimmer und ging in den Hof, wo er einige seiner Leute zusammenrief. Von einem ließ er sich zwei Flaschen Portwein holen, während er ein paar Männer nach der Hafenrunde und Polizei schickte und nochmals die Anzeige machte, daß morgen früh der Lotse Nielsen, der voriges Jahr den Zollwächter umbrachte, nach St. Pauli kommen werde, wo man ihn fangen könne. Hierauf setzte er sich hinter zwei Fässer, von wo aus er die Treppe beobachten konnte und gab den Wächtern Befehl, sich versteckt zu halten, damit sein Prinzipal denke, man passe nicht genau auf.
Stubborn ging indes oben unausgesetzt auf und ab. Sein Geiz kämpfte mit seiner Furcht vor Schwarz. Er hoffte noch bis zum letzten Augenblick, mit allem Geld entkommen zu können. War dies nicht der Fall, so blieb ihm bis morgen abend immer noch der Ausweg, auf die Bedingungen von Schwarz einzugehen. Aber auch nur im letzten Augenblick. Solange sich noch eine Chance zum Entkommen, ein Grund zum Aufschub zeigte, so lange wollte er das Geld noch festhalten. Das war sein Entschluß, den er endlich faßte, als der Tag zu den Fenstern hereindämmerte.
Der Polizeimann Stork ging indes am Abend sehr widerwillig nach dem Stadthaus und machte Anzeige vom Dasein des Lotsen, die sofort allen Beamten der Hafenrunde mitgeteilt wurde, weshalb man den Boten Tricks sagte, daß die Sache schon bekannt sei. Herr Stork ging sehr ärgerlich fort und nahm sich vor, keinen Lotsen zu sehen, ob er auch mit Südwester und Öljacke daherkäme. Ein Gedanke fuhr ihm plötzlich durch den Kopf. Er ging nach den Vorsetzen und besuchte seinen Gevatter, den Bootsführer, bei dem Berta wohnte.
»Was macht das liebe Fräulein, das bei euch wohnt?« fragte Stork.
»Immer fleißig,« entgegnete der Bootsmann, mit dem Daumen über seine Achsel nach der Tür von Bertas Zimmer zeigend, die offen stand.
»Ja, das Fräulein scheint mir ein gutes Mädchen zu sein. – Ihr Vater hat viel Malheur gehabt. – Kennst du vielleicht den Lotsen aus Neumühlen, der Kapitän auf einem Schiffe Stubborns war und den Akzisemann dort umbrachte?« fragte Stork so laut, daß es Berta hören mußte, die jetzt aufmerksam lauschte.
»Jawohl, ich weiß davon«, nickte der Bootsmann.
»Nun, dann ist das Neueste, daß er wieder hier ist und daß ihn die Hafenrunde morgen früh fangen wird, wenn er sich auf dem Wasser sehen läßt, während wir ihm auf dem Land nachstellen. – Der Buchhalter Trick von Stubborns hat uns die Anzeige davon gemacht. – Ich bitte dich aber, keinem Menschen zu sagen, daß ich gegen dich davon geschwatzt habe. Der arme Lotse tut mir leid.«
Herr Stork hatte diese Worte sehr laut gesprochen und ging dann zu einigen gleichgültigen Dingen über, worauf er sich bald empfahl. – Er war kaum aus dem Hause, so trat Berta in das Zimmer. Sie schlug ihr Plaid um sich und sagte den Wirtsleuten, daß sie noch einen notwendigen Weg zu machen habe. Sie ging nach den Kajen an Wolfs Keller und lauschte hinunter, weil sie mehrere Stimmen hörte.
Berta war hinter den Stamm einer Linde getreten, die neben dem Keller stand. Schwarz bemerkte sie deshalb nicht, als er heraufstieg. Er fühlte plötzlich eine leichte Hand auf seinem Arm und zuckte zusammen, als er Bertas Gesicht neben sich sah. Ein tiefer Seufzer entwand sich seiner Brust, als er einige Sekunden in dies schöne Antlitz blickte, aus dem ihm zwei dunkle Augen mit unendlicher Liebe entgegenleuchteten. Er wollte sich abwenden. Die kleine Hand legte sich fest um seinen Arm und die Stimme des Mädchens flüsterte an seinem Ohr: »Trick hat der Polizei angezeigt, daß morgen der Lotse in St. Pauli sein wird. Man will ihm zu Land und zu Wasser auflauern und fangen.«
»Was ist das?« rief Schwarz erschrocken. – »Was hat der Schurke vor? Eben waren die Schiffsleute hier und meldeten mir, daß Trick sie überfallen und den Malaien befreit habe, und zwar kaum zehn Minuten, bevor sie von ihren Kameraden abgelöst und aus der Kajüte geholt worden. – Woher hast du –«
Er wollte sich an Berta wenden. Diese war verschwunden. Er rief Jakob.
»Schließ den Keller!« gebot er ihm. – »Dann lauf und bringe mir Wilm, Takel-Jan und einige andere in meine Wohnung. Dann hinaus nach der Werft und gesagt, sie sollen Mützen zur Warnung am Strande aushängen und jeder soll Nielsen zu treffen suchen und ihn warnen, daß er sich verborgen hält. Man fahndet auf ihn. – Laufe an den englischen Dampfer und frage nach ihm, und wenn er nicht da ist, so laß ihm sagen, das Boot sei leck, er weiß schon, daß er sich dann verkriechen muß. Vorwärts! Hast du Geld?«
Jakob schlug an seine Tasche und verschwand in einem so schnellen Trabe, wie ihn nur ein junger Stutzer ohne Verletzung des Anstandes ausführen kann.
Schwarz schloß den Keller selbst zu und ging nach Hause, wo er seine Leute in höchster Ungeduld erwartete. Sie kamen endlich an und wurden nach allen Seiten geschickt, um den Lotsen zu suchen. Dieser war unglücklicherweise mit einem Bekannten in seinem Boote nach Wilhelmsburg gefahren und blieb die Nacht dort, weshalb ihn niemand von den Schmugglern fand. Schwarz erwartete den Morgen mit fieberhafter Ungeduld.
Mit demselben Gefühl sah Trick den Tag anbrechen. Er stieß schreckliche Verwünschungen über Stubborns Hartnäckigkeit aus, denn er hatte sicher auf sein Entweichen und den Gang nach seinem Gelde gehofft. Geschah dies in der Nacht, so kam der Malaie am Tage zu spät. Dann war Trick sicher mit dem Geld verschwunden. Jetzt blieb ihm nichts übrig, als den letzten Trumpf, die Gefangennahme Nielsens auszuspielen, darauf mußte Stubborn die Flucht ergreifen. – Trick beschloß deshalb, nicht ohne ihn vom Platz zu weichen und die Wirkung der Nachricht von der Ergreifung des Lotsen zu beobachten. Dabei hoffte er immer noch, der Malaie werde zu spät kommen und ihn in der entscheidenden Zeit nicht finden. – Er hatte jedoch seinen Mann falsch genommen, denn der Pirat fand den Weg zu ihm mit dem Instinkt eines Wilden und klopfte ihm plötzlich ungesehen von hinten auf die Achsel, daß er heftig zusammenschrak.
»Liegt unser altes Schiff noch vor Anker oder hat es schon seine Luken vernagelt und wartet nur auf den Lotsen?« sprach der Malaie lachend.
Trick nickte grinsend und antwortete: »Wir müssen die Ankunft des Lotsen, oder vielmehr die Nachricht, daß er da ist, abwarten; ich denke, der alte Stubborn wird dann sofort seinen Anker lichten. – Seid aber so gut und macht Euch ein wenig beiseite, im Fall der Buchhalter Kern kommt. Er kennt Euch von Batavia her. Sie werden Eure Flucht aus dem Ewer bald merken. Laßt Euch nicht wieder erwischen.«
Der Pirat zeigte einen Dolch, zum Stechen und Schneiden gleich gut zu gebrauchen.
»Macht keinen Unsinn, Mister Djal!« sprach Trick ärgerlich. »Wir sind nicht in der Sundastraße, ich habe Euch das schon einmal gesagt. Sobald Ihr das Ding da gegen jemand zieht, habt Ihr die ganze Stadt auf dem Hals. Steckt es also ein, bis Zeit und Ort günstig dazu ist. – Nieder mit Euch!«
Er zog ihn bei diesen Worten hinter die Fässer, wo er saß. – Das Haus war längst geöffnet, und in der Tür erschienen Schwarz und Kern, von Wilm nebst einigen Wasserleuten begleitet, die sich nach kurzer Besprechung auf der Brücke postierten, um nach Stubborns Fenstern sehen zu können. Beide stiegen eilig die Treppe hinauf.
»Kommt!« sprach Trick. – »Wir wollen hören, was es oben gibt.« – Er schlich mit dem Malaien gleichfalls nach und trat im Vorzimmer hinter den Bettschirm, wo er jedes Wort durch ein Loch hören konnte, welches er in die dünne Wand gebohrt hatte.
Schwarz sprach drinnen mit großer Aufregung. – »Sagen Sie nicht, daß Sie von der Befreiung des Seeräubers nichts wissen!« rief er entrüstet. – »Glauben Sie denn, es wird Ihnen etwas helfen, daß dieser Schurke nicht mehr in unsern Händen ist? Oh! Sie werden sich da fürchterlich irren, nun wird es erst gefährlich für Sie sein, mögen Sie sich in unsere Bedingungen fügen oder nicht. Dazu wollt Ihr auch noch den Lotsen fangen lassen, den Trick gestern abend der Polizei verraten hat. – Was wollt Ihr damit bezwecken? – Doch nichts als Euer eigenes Unheil!«
Stubborn stieß einen Schreckensruf aus und schrie: »Trick hat ihn also der Polizei verraten? Ha, ich sehe, was er damit bezweckt! Ich sehe es!«
»Wie? Sie wußten davon nichts?« fragte Schwarz ungläubig.
»Nicht ein Wort bis diesen Augenblick!« schrie Stubborn. »Er will mich damit zur schleunigen Flucht zwingen. – Oh, ich sehe es jetzt deutlich! – Er lauert mit seiner Bande darauf, daß ich mein verborgenes Geld holen soll, um es mir abzunehmen, denn ich habe etwas versteckt, ich gestehe es. – Wenn der Lotse gefangen wird, bin ich verloren. Er wird gegen mich aussagen. Ich werde dann nicht mehr fortkommen. – Ha! Sie können ihn jeden Augenblick haben. – Helft mir fort! Ich will Ihnen fünfzigtausend Mark geben, Schwarz. – Aber helfen Sie mir fort und halten Sie mir diesen Teufel Trick vom Leibe!«
»Ich will Ihnen unter der Bedingung forthelfen, daß Sie mir Ihr ganzes Geld geben, wovon Sie ein Viertel wiedererhalten sollen. – Ich bleibe jetzt bei Ihnen, bis ich Nachricht von Nielsen bekomme. – Hat ihn die Polizei, so gebe ich Ihnen noch eine Viertelstunde Zeit und bringe Sie dann entweder in Sicherheit oder ins Gefängnis. – Kern, rufen Sie Wilm mit den Leuten,« sprach Schwarz, worauf man ein Fenster öffnen hörte.
Trick stieß einen Fluch aus.
»Was sagen sie drin?« fragte der Malaie leise, weil er die deutschen Worte nicht verstand.
»Es ist Gefahr da. Kommt!« flüsterte Trick und zog den Piraten aus dem Zimmer und nach der höheren Etage, weil Wilm bereits mit seiner Schar heraufgepoltert kam, die Schwarz im Zimmer bei Stubborn postierte.
»Es sind sechs,« brummte Trick, über das Geländer sehend. – »Wir können fünfzehn dagegen stellen. – Oh, Geduld, wir kriegen es doch noch und wenn es auch von euch ist. Desto ärgerlicher für euch. – Warten wir es ab!«
Der obere Teil des Hauses war unbewohnt, deshalb beschloß Trick, hier zu warten, bis Nachricht über den Lotsen kam und dann seine Maßregeln zu ergreifen. Er setzte sich mit dem Malaien auf die Treppe nieder und horchte.
Werfen wir indes einen Blick auf die Elbe, wo man den Lotsen erwartete.
Hinter den Kohlenschiffen, die im Hamburger Hafen bei St. Pauli durch rostige Ketten an den Pfählen festgehalten werden, lag ein Boot, das der Strom so weit zwischen zwei Schiffe drückte, daß nur der Vordersteven bei einem großen Anker sichtbar war, der von dem einen englischen Collier bis zum Wasserspiegel herabhing. Die Bemannung des Bootes bestand aus zwei Leuten, deren blaue Röcke und Tuchmützen sie als zur Hafenrunde gehörig kennzeichneten.
Während der eine auf dem Boden des Bootes im Hinterteil saß und gespannt durch eine Lücke, die die Schiffe frei ließen, nach der Elbe hinauslugte, hatte der andere seine Arme bequem auf den Anker gelegt und beobachtete den Raum zwischen den Schiffen und dem Ufer. Sein rotes Gesicht war kaum von dem rostigen Eisen des Ankers zu unterscheiden und lag regungslos an ihm, nur die scharfen grauen Augen bewegten sich und ließen nichts außer acht, was sich am Ufer und auf dem Wasser rührte.
Die Männer waren jedenfalls auf der Spur von irgend etwas und hatten Zeit und Geduld, denn sie blieben einige Stunden regungslos in ihrem Versteck, wo sie, wie es schien, niemand vermutete.
Nächst dem Fahrwasser hatte der Beobachter im Vorderteil besonders den Platz im Auge, auf dem sich früher die Schiffswerft befand und wo sich jetzt die Gentlemen sonnten.
Von Altona herauf kam ein Bootsführer, der ohne besondere Eile sein sehr kleines Boot durch das Getümmel ruderte. In seinen höchst respektablen, von der Sonne braungebrannten Fäusten führte er die langen, eschenen Ruder, durch die er das Boot mit Gedankenschnelle lenkte und in seiner Gewalt hatte.
Es war Nielsen, der, eben von Wilhelmsburg kommend, Schwarz an der Werft erwarten wollte. Er ließ, indem er sein Boot nur gerade treibend erhielt, seine Augen überall umherschweifen. Kein Punkt des Ufers, kein Boot, kein Schiff blieb von ihm unbemerkt. Er schwamm jetzt etwas näher zu den Schiffen hinüber und bekam so die leere Werft in Sicht. Kaum hatte er jedoch den Anker mit den Wachstuchmützen entdeckt, als auch die hellgrauen Augäpfel blitzschnell rundum liefen und er, das eine Ruder fest ins Wasser haltend, das Boot mit dem andern wie einen Kreisel umdrehte und zwischen zwei Schiffen durch in den freien Strom wie ein Fisch davonschoß.
Zu derselben Zeit hatte der Hafenwächter am Anker seinem Kameraden einen Wink gegeben, worauf dieser die Riemen handrecht legte und sich bereit machte, das Boot mit einem Ruck unter den Ketten durchzuschieben, die an den Schiffen gerade Raum genug dazu ließen, während sie einige Fuß weiter, durch ihre eigene Schwere nach dem Wasser herabgezogen, dies unmöglich machten. – Der Vordere ließ den Ton einer kleinen Pfeife schrillend über das Wasser schallen und schob dann das Boot aus seinem Versteck, wobei er etwas fluchte, weil es an den Ketten hängenblieb. Durch diese Verzögerung gewann Nielsen einen Vorsprung von wenigstens drei Schiffslängen.
Die Gentlemen auf der Werft waren nach dem Pfiff der Hafenrunde teils auf ein nebenliegendes Schiff geklettert, um den Gang der Dinge von dort aus zu beobachten, teils verließen sie in ihren alten Booten das Ufer und ruderten in die Elbe hinaus, um zu sehen, wie die Sache ablief, oder der Polizei Hindernisse bei der Verfolgung des Lotsen in den Weg zu legen.
Nielsen fuhr in seinem leichten Boote wie eine Forelle durch das Wasser und es hätte keiner Anstrengung bedurft, um den Beamten zu entkommen, die sich mit ihrem großen Fahrzeuge zwischen die Schiffe durchzwängten. – Man lauerte ihm jedoch von mehreren Seiten auf, denn plötzlich kamen zwei Polizeiboote von Altona her und eins von Steinwärder, die ihm den Weg verlegten, während ein leichtes Boot, von zwei Beamten gerudert, hinter einem ankernden Schiffe hervorschoß und ihm so plötzlich über den Hals kam, daß es an seiner Seite war, als er es kaum gewahrte. – Nielsen befand sich in einer schlimmen Klemme und war, wie es schien, unrettbar in den Händen der Hafenrunde, denn einer aus dem leichten Boote ließ seinen Riemen fallen und faßte Nielsens Fahrzeug mit dem Haken. – Der Lotse warf einen schnellen Blick um sich und sah zu seinem Schrecken, daß es ihm unmöglich sei, zu entkommen. Die Boote hatten ihn von allen Seiten umstellt und von oben kamen noch zwei mit Beamten. – Nielsen ließ seine Ruder in das Boot fallen und schien sich ergeben zu wollen. Plötzlich aber ergriff er den Haken, der sein Fahrzeug festhielt und riß ihn los, indem er das Polizeiboot von sich stieß. Er verlor dabei jedoch das Gleichgewicht und stürzte ins Wasser, wobei sein Boot weit von ihm weggeschleudert wurde und mit dem Strome abwärtstrieb, während er sich an den Rand des Polizeibootes klammerte und von den Beamten bei der Jacke gefaßt wurde.
»Helft mir hinein!« rief er, indem er Wasser aussprudelte. Die zwei Beamten wollten ihn an Bord ziehen und bogen sich über den Rand des Bootes, das infolgedessen ganz auf die Seite gelegt wurde. Nielsen stemmte seine Hände auf den Bord und brachte es durch einen gewaltigen Schwung zum Umstürzen, so daß die beiden Polizeimänner kopfüber in das Wasser fielen und das Boot seinen Kiel aufwärtskehrte.
Ein Geschrei erklang aus allen Booten. Die von der Hafenrunde kamen eilig herbei und ließen Nielsens Fahrzeug ruhig schwimmen, das nun unbeachtet den Fluß hinabtrieb. Die Gruppe aus dem umgeworfenen Boote blieb einen Augenblick unter ihm verborgen, dann tauchten zwei Köpfe daneben auf, und die dazu gehörigen Arme griffen krampfhaft nach dem Kiel und hielten sich daran fest. Es waren die Polizeimänner, die nicht schwimmen konnten. Ihre Ruder und Mützen trieben mit dem Strome fort. – Der Lotse kam nicht wieder an die Oberfläche des Wassers. Er war untergegangen. Man zog die beiden Männer aus dem Flusse und kehrte das Boot um, um zu sehen, ob er darunterstecke. – Vergeblich. Er blieb verschwunden. – Die Gentlemen von der Werft erhoben ein Klagegeschrei über den Verlorenen und machten den Beamten Vorwürfe über ihre Unachtsamkeit, durch die das Boot umgeschlagen sei, während die beiden durchnäßten Polizeimänner behaupteten, der Lotse habe es mit Absicht umgestürzt, worüber man hin und her stritt.
Nur Takel-Jan, der sich auch einfand, sagte nichts, sondern lächelte, pfiff und blickte verstohlen über das Wasser. Als der Streit am ärgsten war, wandte er seine ganze Aufmerksamkeit stromabwärts und fing an, laut zu lachen. – Ein paar Beamte folgten seinen Blicken und begannen schrecklich zu fluchen.
Nielsens Boot war bis an die unterste Spitze von Steinwärder getrieben, wo der Köhlbrand nach Harburg abzweigt. Hier tauchte plötzlich eine triefende Gestalt auf und zog das Boot so weit nach dem Ufer hin, bis ihr das Wasser nur an die Knie ging, worauf sie Hineinstieg. Es war Nielsen, der die Ruder ergriff und, vom Rachegeschrei der Hafenrunde und Triumphgeschrei der Werftgentlemen begleitet, stromabwärts schoß. Die Polizeiboote nahmen zwar seine Verfolgung wieder auf, kehrten aber nach der ersten Minute um, da sie sahen, daß es ihnen unmöglich war, das leichte Fahrzeug in gerader Richtung einzuholen.
Nielsen verschwand in der Ferne. – Tricks letzter Trumpf war umsonst ausgespielt.