Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

siehe Bildunterschrift

Auf dem Finkenwärder Kirchhof

Neunundvierzigstes Kapitel
Die Verschollenen

Wenn in Finkenwärder große Trauer um Peter Wübbe war, der, auf dem Wasser umgekommen, jetzt doch wenigstens in einem Sarge lag und von den Leidtragenden zur Gruft gebracht werden konnte, so war der Jammer und die Trauer im Hause des Meisters Wöllers noch größer, denn man wußte nicht einmal, wo er samt Krischaan und dem »Seehund« ein Ende genommen hatte.

Die Meisterin wurde von Gewissensbissen gemartert und weinte Tag und Nacht, weil sie sich für die Ursache von Wöllers' und Krischaans Untergang hielt. Sie war es, die ihn hinaustrieb, die ihm sein Vergnügen auf dem Wasser stets verbitterte und ihn hetzte, bis er den verzweifelten Entschluß faßte, davonzugehen und dabei den Tod fand. Madame Wöllers merkte erst, was sie an ihrem Manne verlor, und wie sehr sie ihn liebte, als er fort und vielleicht auf ewig geschieden war. Sie grämte sich so sehr, daß ihr Essen und Trinken nicht mehr schmecken wollte und sie bedeutend abmagerte.

War die Meisterin nun infolge von Wöllers' Verschwinden mager geworden, so war Gevatter Schünnemann zu einem Schatten zusammengeschwunden, denn auch er glaubte an des Gevatters Unglück schuldig zu sein, da er auf seine Nachricht hin in See ging. Für Madame Wöllers fiel diese Magerkeit indes zum Vorteil aus, weil sie einige Taille dadurch erhielt. Bei Schünnemann war dies jedoch kein Spaß, denn er war schon in guten, lustigen Tagen nicht überflüssig mit Fleisch versehen und schrumpfte jetzt so zusammen, daß er nur einen halben, unbestimmten Schatten warf. Er war stets auf der Jagd nach Erkundigungen über Wöllers und packte alle Lotsen und einlaufenden Schiffskapitäne an, denn er glaubte nicht an des Gevatters Untergang, sondern vermutete, daß dieser mit dem »Seehund« in die Nordsee oder gar in das Atlantische Meer verschlagen und vielleicht von einem Schiff gesehen und aufgenommen worden sei, mit dem er nun eine unfreiwillige Reise nach Australien oder China machen müsse.

Indem Schünnemann alles dies bedachte und sich im Geiste ausmalte, wie Wöllers die Elbe hinabsegelte und dann in See stach oder an der Küste hinsegelte, fiel es ihm ein, daß sich bei genauer Nachforschung, die man elbabwärts und dann am Strand hin anstellte, doch wenigstens eine Spur von Schiff und Mannschaft oder eine Nachricht vom Untergang finden lassen müsse. Er glaubte ein schwaches Licht in dem Dunkel zu sehen, welches die Sache bedeckte, und faßte den großen Entschluß, sich aufzumachen, um persönlich der Fährte des Gevatters zu folgen.

Er lief sogleich zur Meisterin. Als diese hörte, was er vorhabe, erwachte auch bei ihr ein neuer Funke der Hoffnung. Sie faßte die Idee begierig auf und erklärte dem Gevatter, daß sie mitreisen wolle.

»Besorgen Sie alles zur Abreise«, bat sie Schünnemann. »Sparen Sie keine Kosten. Ich gehe selbst mit. Finden wir Wöllers nicht, so finden wir doch vielleicht sein Grab, auf dem ich ihn um Verzeihung aller bösen Stunden bitten will, durch die ich ihn hinausgejagt habe. Morgen wollen wir fort.«

Da sowohl Schünnemann wie Wöllers wohlhabende Leute waren, so kam der Kostenpunkt nicht in Betracht. Schünnemann kaufte vor allen Dingen eine Karte der Elbe und Weser mit den Küstenstrecken, die er durchsuchen wollte. Dann wandte er sich an die Hafenrunde, die er um Rat bat, wie und wo er nach Wöllers suchen solle. Man riet ihm, vor allen Dingen bei den Finkenwärder Fischern und bei den Blankenesern nachzufragen, von denen einige stets in und außer der Elbe lägen, wobei sie aus Instinkt jeden Schiffbruch witterten wie die Raben eine Beute.

»Es gibt in Finkenwärder besonders einen alten Spitzbuben,« sprach einer von der Wasserpolizei, »der uns sogar vor einiger Zeit von der Kette entwischt ist, an die wir ihn gelegt hatten. Er heißt Peter Wübbe, und ich glaube, wenn einer imstande ist, etwas auszuspionieren, so ist es der. Wenden Sie sich vor allen Dingen an ihn, aber sagen Sie ja nicht, daß wir Sie schicken.«

Schünnemann beschloß nun, die Nachforschungen in Finkenwärder zu beginnen und sie längs der Elbe fortzusetzen. Welche Reisegelegenheit sollte er aber benutzen? Es blieb ihm nach allem Überlegen nichts übrig, als den Wasserweg zu wählen, und es war kein kleines Stück Arbeit, die Meisterin dazu zu überreden. Weil man jedoch an beiden Flußufern suchen wollte, und es fast eine Unmöglichkeit war, dies zu Lande auszuführen, mußte man in den sauren Apfel beißen. Schünnemann lief deshalb am Wasser umher und suchte einen Ewer, der elbabwärts ging und dessen Kajüte in so gutem Zustande war, um eine Dame zu beherbergen. Er fand einen Torfewer von der Oste, der diesem Zweck ganz entsprach, verhandelte mit dem Besitzer um den Preis und verproviantierte sich dann, worauf er die Meisterin an Bord brachte.

Das Wetter war stürmisch, als das Fahrzeug den Strom hinabsegelte. Die Meisterin saß auf dem Verdeck und dachte über die sonderbare Fügung des Schicksals nach, das sie jetzt unter Segel brachte, um ihren Mann zu suchen, dem sie das Segeln stets verleiden wollte.

Bei Finkenwärder angekommen, stiegen die Reisenden aus und fragten einen Mann, ob sie Peter Wübbe antreffen würden.

»O ja. Ganz gewiß.« war die Antwort, worauf sie nach seinem Haus gewiesen wurden. Ein Junge lief auf dem Deich voraus und zeigte auf eine Gruppe Männer und Frauen, die alle im Sonntagsstaat vor der Kate versammelt waren.

»Hier ist Peter Wübbe«, sprach der Junge, auf einen Sarg zeigend, der in der Mitte der Leute stand.

Gevatter Schünnemann war über den Anblick erschrocken und wollte es für ein böses Anzeichen halten. Er erkundigte sich bei den Fischern nach dem »Seehund« und erzählte sein Verschwinden, worauf man ihm sagte, daß dieses wohlbekannte Fahrzeug, der Spaß aller Elbleute, zuletzt in der Gegend der Weser gesehen worden sei. Zwei anwesende Finkenwärder hatten damals in den Watten auf der Fischerei gelegen und waren gerade auf der Weserseite, als der »Seehund« mit vollen Segeln ankam und durch die Fischerflotte hin auf die Weser hinauslief.

»Wenn Ihr ihn also suchen wollt, so müßt Ihr den Strand jenseit der Weser absuchen. Vielleicht erfahrt Ihr etwas an der Jade oder weiter hinein«, schloß der Erzähler, denn der Küster kam, um den Sarg anzuführen.

Die Männer hoben den Sarg auf die Schultern und wankten damit den Deich entlang nach dem entfernten Kirchhof. Wübbe jun. und der alte Stiefelmann gingen als Leidtragende hinterher. Ihnen schlossen sich die übrigen Nachbarn sowie Gevatter Schünnemann nebst der Meisterin an.

Die Leidtragenden gingen heim. Der Sturm jagte auf die Elbe hinaus, wohin die Meisterin nun um keinen Preis zurück wollte, da sie schon die Fahrt bis Finkenwärder beinahe seekrank machte und Sturm wie Wellen zunahmen.

Gevatter Schünnemann besorgte deshalb einen Wagen, in dem man auf der Straße längs der Elbe hinzufahren dachte, während der Ewer auf dem Fluß zur Disposition der Reisenden blieb, damit Schünnemann nach dem gegenüberliegenden Ufer fahren und dort Erkundigungen einziehen konnte. Die Reise ging auf diese Art nur sehr langsam vonstatten, da die Meisterin in jedem Fischerdorf und bei jedem Fischer nach ihrem Mann und seinem Fahrzeug fragte. Man kam erst am dritten Tag nach Cuxhaven. Unterwegs fanden sich noch zwei Fischer, die den »Seehund« in der Weser gesehen hatten, und zwar unter denselben Umständen wie die Finkenwärder. Auch sie waren der Meinung, daß man jenseit der Weser fragen solle, denn das Fahrzeug sei offenbar seit der Zeit nicht mehr zurückgekommen.

Schünnemann bestand hartnäckig darauf, jeden Winkel der Küste abzusuchen, weil man sonst gerade den Punkt verfehlen könne, wo sich eine Spur von Wöllers finde. So ging denn die Fahrt weiter hinunter nach Duhnen, der äußersten Spitze des deutschen Festlandes links der Elbe, dann herum an den Weserstrand nach Ahrensch, Nordholz und Bremerhaven, hierauf mühsam an der Weser fort bis nach Vegesack und endlich nach Bremen.

Gevatter Schünnemann hätte die genaueste Karte des Ufers liefern können, so gewissenhaft folgte er allen seinen Krümmungen. Er hätte auch zu gleicher Zeit Gelegenheit gehabt, das Material zu einem Adreßbuch aller Fischer, Schiffer und Lotsen links der Elbe und rechts der Weser zu sammeln, aber er zog aus allen seinen Uferstudien weiter keinen Nutzen, als daß er in Vegesack einen Schiffer aus Norderney auftrieb, der ihm bestimmt versicherte, den Kutter vor allen Segeln zwischen Norderney und Norden gesehen zu haben und riet ihm, nach dieser Stadt zu gehen und an der Küste herum nach Emden hin zu suchen, weil das Fahrzeug aller Wahrscheinlichkeit nach vor dem Sturm in den Dollart am Ausfluß der Ems gelaufen sei, um dort Schutz zu suchen.

Schünnemann folgte diesem Rat und bestellte einen Wagen nach Oldenburg, wo man wiederum ein Gefährt nach Norden mietete, und zwar einen jener offenen Wagen, von denen aus man eine freie Umschau genießen kann, was bei dem schönen Wetter, das dem Sturm folgte, sehr angenehm war. Die Gegend, durch die man fuhr, eignete sich allerdings zu einer freien Umschau, denn sie lag als Heide und Moorland weit ausgebreitet rundum, bot aber dem Auge wenig Abwechslung und nahm einen traurigen, einsamen Charakter an, als man sich der niederländischen Grenze näherte, wo die Straße durch das Apermoor führte, das sich bei Moorburg in das Hochmoor zieht und mit diesem bis an den Jadebusen erstreckt.

Nach einer Weile erhob sich das Terrain etwas, und die Moorgegend ging in dürres Heideland über. Die Meisterin sah trübsinnig auf die braunen, unwirtlichen Landstrecken, die sich ausdehnten, so weit das Auge reichte, und nur hier und da von Sandwegen durchschnitten und von zottigen Schafen belebt waren. Man sah oft stundenlang keinen Menschen und kein Tier und heftete das Auge auf jedes Wesen, das sich bewegte.

Endlich erblickte man auch Menschen auf der Straße, obgleich nur in der Ferne als drei Punkte erscheinend, die langsam näher kamen. Als man die Gestalten unterscheiden konnte, sah man etwas in der Sonne blinken und bemerkte dann, daß es das Gewehr eines Gendarmen, und daß die beiden Nebenfiguren, in Hemdärmeln und barhäuptig, jedenfalls ein paar Vagabunden waren, die nach Oldenburg transportiert wurden.

Als die Gestalten näher kamen, bemerkte man, daß der größere Vagant sich aus seinem Taschentuch eine Mütze gemacht hatte, indem er, die vier Zipfel in Knoten gebunden, es auf dem Kopfe trug. An den Füßen sah man alte Schuhe, die vorn ihre Schnäbel in die Höhe bogen wie Adler und offenbar von einem Landschuster herstammten, der noch an der Mode der dreißiger Jahre festhielt. Außerdem trug er ein blaues wollenes Hemd und leinene Losen, in deren Taschen seine Hände staken. Der jüngere Malefiziant lief barfüßig einher, war ebenfalls mit einem baumwollenen Hemd bekleidet und pfiff sich einen Marsch. Der Gendarm ging etwa zwanzig Schritte voraus und las in einer Zeitung.

Sobald der Wagen herankam, blieb der Gendarm stehen. Der junge Verbrecher erblickte jedoch kaum Madame Wöllers, als ihm sofort das Pfeifen zwischen den Lippen erstarb und er einen Seitensprung von zwei Klaftern machte, worauf er quer durch die Heide davonrannte. Der Gendarm war wie aus den Wolken gefallen und schrie: »Gottverdamm! Is de Jung verrückt! Halt, oder ich schieße!« wonach sich der Flüchtling auf den Boden setzte, da er ungefähr dreihundert Schritte entfernt war. Der ältere Reisende hatte mit Verwunderung seinem Kollegen nachgesehen. Sein Blick fiel jedoch kaum auf die Dame im Wagen, als er die Hände aus den Hosentaschen zog und einen Ansatz nahm, um gleichfalls über den Graben zu springen und seinem Kollegen zu folgen.

Er blieb aber plötzlich stehen, breitete seine Arme gegen den Wagen aus und fing die Dame darin auf, die bei seinem Anblick mit einem Satz heruntersprang und nun weinend an seinem Halse hing, während Gevatter Schünnemann, im Wagen stehend, drei Hurras zum besten gab, wie man sie in dieser Gegend wohl schwerlich gehört hatte, und dazu seinen Hut in die Luft warf. Der Kutscher und der Gendarm standen mit offenen Mäulern dabei und wußten nicht, was das zu bedeuten habe.

Daß die beiden Vagabunden Meister Wöllers und Krischaan waren, die man so nach Hause führte, braucht wohl weniger dem Leser als dem Gendarmen erklärt zu werden. Dieser hatte sie nach Oldenburg zum Weitertransport abzuliefern und konnte sie natürlich nicht freilassen; deshalb bestiegen alle drei, nachdem der Kutscher auf der Stelle ein Extratrinkgeld von zwei Talern und Krischaan von der Meisterin Generalpardon erhalten hatte, den Wagen und fuhren nach Oldenburg zurück, wo es Schünnemann gelang, Wöllers in Freiheit zu setzen, da weiter nichts gegen ihn vorlag, als daß er erst in Hamburg Auskunft über sich geben wollte, was hier genügend geschah.

Wöllers nahm eine bedeutende Veränderung im Wesen seiner Frau wahr und söhnte sich, gerührt durch ihre Tränen und ihr Unternehmen, ihn aufzusuchen, vollständig mir ihr aus, während sie Gott dankte, daß sie ihn wiederhatte. Als sie jedoch fragte, wo er so lange geblieben, weshalb er in einem solchen Zustande sei und wo der »Seehund« wäre, entgegnete er kleinlaut: »Der Seehund ist in seinem Elemente, und wo wir waren, erzähle ich euch zu Hause, von wo du mich hoffentlich nicht wieder fortjagst.« Die Meisterin gab ihm einen Kuß, und die ganze Gesellschaft fuhr mit der nächsten Post nach Harburg zurück, was bei Wöllers' und Krischaans Kostüm nicht wenig Aufsehen und der Gesellschaft den größten Spaß machte. In Hamburg angekommen, setzte man sich in eine Droschke und fuhr nach Haus.

Es wurde kaum bekannt, daß Wöllers wieder erschienen war, so kamen alle Freunde und Verwandte, um seine Schicksale und den Ausgang der abenteuerlichen Seereise zu erfahren.

Es war gekommen, wie es kommen mußte. Krischaan wurde noch in der Weser seekrank und war durch nichts aus der Kajüte zu bringen, wo er alle viere von sich streckte. Da nach kurzer Zeit ein Gewittersturm losbrach, so konnte der Meister nicht vom Steuer gehen und wußte auch in der Angst nicht, was er mit den Segeln anfangen sollte, die, zum Platzen gespannt, den »Seehund« pfeilschnell durch die Wellen rissen. Endlich packte auch ihn die Seekrankheit, und nun war das Unheil da. Er hatte zwar noch so viel Besinnung, das Steuer festzubinden, um den Kutter nicht auf das Land laufen zu lassen; denn er jagte zwischen der Küste und den Inseln Wangeroog und Norderney dahin. Nach zwei Stunden war er jedoch durch die kurzen Wattenwellen in eine Verfassung gekommen, in der ihm alles egal war und er Steuer Steuer sein ließ, indem er, sein Ende erwartend, in die Kajüte kroch und nur noch so viel Besinnung hatte, die Luke zuzumachen.

Da der »Seehund« sich nun selbst, obgleich mit festgebundenem Ruder, überlassen war, so benutzte er die Gelegenheit und lief bald aus dem Steuer, was in dem hohlen Wasser besonders leicht anging. Dadurch drehte er an den Wind und rannte endlich wie ein tolles Pferd mit Hochwasser in der Gegend von Delfzyl auf den Strand, wo er liegenblieb und von den Wellen überspült und zerstampft wurde, während Wöllers und Krischaan in der Kajüte wie die Steine in einer Kinderklapper hin und her flogen und ihr Ende nahe glaubten. Endlich lag der »Seehund« wieder ruhig, und das Wasser verlief sich aus der Kajüte. Durch die Ruhe ließ die Seekrankheit nach, die Liebe zum Leben kehrte wieder. Wöllers steckte den Kopf aus der Luke und sah, daß die Ebbe eingetreten war und das trockene Land nur noch etwa zweihundert Schritt entfernt lag. Er bekam eine solche Angst vor der Wiederkehr der Flut, daß er Krischaan, der sich für tot hielt, mit Gewalt aus der Luke zerrte, seine Brieftasche mit dem Geld in die Hosentasche steckte und ohne Schuhe und Rock, Krischaan ebenso nachschleppend, durch das knietiefe Wasser dem Strande zueilte, wo er sich auf eine Erhöhung setzte, um den »Seehund« zu betrachten, der ein vollständiges Wrack geworden war.

Der Schiffbruch war zwar in einer einsamen Gegend geschehen, jedoch bald von den Strandleuten bemerkt worden, die mit Ablauf der Ebbe herbeikamen. Diese guten Leute sind nun sehr ordnungsliebend und können es nicht leiden, wenn auf dem Strand allerlei liederlich umherliegt. Deshalb begannen sie auch jetzt vor den Augen des erstaunten Meisters aufzuräumen, und zwar mit einer Schnelligkeit, die von großer Übung zeugte. Es war wunderbar, wie der »Seehund« Stück für Stück verschwand, als wäre er eigens zum Auseinanderschrauben und in eine Kiste zu packen angefertigt.

Um Wöllers hatte sich bisher niemand bekümmert. Da jedoch nun aufgeräumt war, so kamen einige Personen auf ihn zu und fragten in einem fürchterlichen Plattdeutsch, ob er der Schiffer sei und woher, was der Kutter für Ladung geführt und an der Küste gewollt habe. Kurz, man stellte eine Art Verhör an und lud dann Wöllers ein, nach einer Art Zollwache zu kommen, wo man ihn nochmals verhörte und am Ende für einen Schmuggler erklärte. Daß er angab, er sei der Schneidermeister Wöllers aus Hamburg und Krischaan sein Lehrjunge, diente nur dazu, ihn verdächtiger zu machen und am Ende gar für verrückt oder einen schlimmen Verbrecher zu halten, wozu noch die Summe von über vierhundert Talern kam, die man bei ihm fand. Er wurde deshalb nach Delfzyl geschafft und dort mit Krischaan vor der Hand eingesteckt. Als er sah, daß man ihn für etwas anderes als den Hamburger Schneidermeister hielt und es ihm dabei einfiel, welchen Triumph seine Frau feiern würde, wenn man um Auskunft an sie schrieb, so erlegte er Krischaan Schweigen auf und erklärte, er werde nur in Hamburg Auskunft über sich geben, worauf er sein Geld verlangte, um nötigenfalls mit einem Beamten nach dort abzureisen. Da er Hartnäckigkeit genug besaß, bei dieser Forderung stehen zu bleiben, das Amt aber, wie alle Ämter, das Geld gern zu Akten machen wollte, so ließ man endlich Wöllers und Krischaan per Schub über die Grenze ins Hannoversche und dort weiter transportieren, bis sie die Meisterin fand.

Wöllers klagte beim holländischen Konsul wegen Strandraubes und gewaltsamer Zurückhaltung seines Geldes, worauf er es wieder erhielt. Der »Seehund« war jedoch spurlos verschwunden, worüber Madame Wöllers eine geheime Freude nicht ganz unterdrücken konnte.


 << zurück weiter >>