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Vor den deutschen Küsten liegen Inseln, die in der Nordsee klein und zahlreich, in der Ostsee an Zahl gering und groß sind. Es sind aber alles Küsteninseln. Die weiter draußen liegenden Inseln gehören nicht zu Deutschland, und die von der Küste entfernteste deutsche Insel, Helgoland, ist erst 1890 für Deutschland gewonnen worden. Es prägt sich darin der Verfall der deutschen Seemacht aus. Als die deutschen Flotten von den Meeren verschwunden waren, sind die deutschen Länder ihres Besitzes jenseits der Küsten verlustig gegangen. Lange ist die Zeit vorbei, wo Bornholm und Gotland im Besitz der Hanse waren. Jenes ist heute dänisch, dieses schwedisch. Auf die große moralische Bedeutung der Erwerbung Helgolands in diesem Zusammenhange haben wir oben (S. 17) hingewiesen. Es ist darum auch vollkommen sachgemäß, daß die Rückerwerbung dieses Inselchens eine Folge unsrer jungen kolonialen überseeischen Ausbreitung war.
Der Flächenraum sämtlicher deutschen Inseln der Nord- und Ostsee wird auf 2694 Quadratkilometer angegeben. Davon entfallen 109 auf die ostfriesischen, 367 auf die nordfriesischen und 2217 auf die Ostseeinseln. Es ist aber klar, daß diese Zahlen nur annähernd richtig sein können. Einige Inseln wachsen, andre gehen zurück. Eine scharfe Grenze zwischen Land und Wasser gibt es im Wattenmeer nicht. Jede von den größern Nordseeinseln ist wie von einem Hof amphibischen Landes umgeben, das nirgends das offne Meer mit seiner freien Brandung erblicken läßt. Der Flächenraum von Föhr ist 72 Quadratkilometer, aber mit dem Außendeichsland sind es 82 Quadratkilometer. Bei Rügen machen die Buchten, Bänke, Seen Schwierigkeiten, weshalb der Flächenraum bald zu 1365, bald zu 815 Quadratkilometern angegeben wird. Helgoland mit 0,6 Quadratkilometer ist die kleinste unter den namhaften deutschen Inseln; Rügen mit 967 Quadratkilometern ist im Vergleich damit ein ganzes Land für sich.
Die ostfriesischen Inseln beginnen mit Borkum vor der Ems; diesen folgen Juist, Norderney, Langeoog, Wangeroog der Jahde gegenüber, und nach breiter Lücke macht den Beschluß das kleine Neuwerk vor der Elbe. Diese Kette schmiegt sich den Umrissen des Landes an. Das deutet auf ihre Entstehung. Ursprünglich hingen diese langgestreckten Inseln, die sich wie Glieder einer langen Kette vor die deutsche und holländische Küste legen, mit dem Festlande zusammen. Sie sind keineswegs nur angeschwemmte und angewehte Dünen, sondern haben diluviale Kerne; der Glimmerton von Sylt ist sogar miozänen Alters. An diese Kerne schwemmten die Küstenströmungen feste Stoffe an, und es entstanden mit gewaltigen Dünen gekrönte Nehrungen. Später wurden diese Nehrungen zerrissen, und nun wurde durch Überschwemmung aus den dahinter gelegnen Haffen und Marschen das Wattenmeer, und das Wasser drang tief in das Land hinein und schuf die Kanäle, die als »Balgen« bezeichnet werden. Nach der Elbmündung zu wird das Wattenmeer schmäler vor der mit Ausnahme der kleinen Insel Neuwerk insellosen Küste von Hadeln, Dithmarschen und der Halbinsel Eiderstedt.
Wenn man Eiderstedt mit Blavands Huk durch eine Linie verbindet, so umfaßt diese alle nordfriesischen Inseln, die demgemäß losgelöste Teile eines einstigen Festlandstückes von Schleswig-Holstein sind, dessen Südende die Halbinsel Tönning bildete. Ihre Umrisse und ihre Größenverhältnisse sind höchst mannigfaltig. Einige bezeugen eine ungemein bewegte Geschichte voll Zerstörung und Verfall. Das sind besonders die südlichen, die in geschichtlicher Zeit auseinandergerissenen Nordstrand und Pellworm, samt Föhr und Amrum. Sylt ist die größte und an Gestalt eigentümlichste, die sowohl in dem glatten Umriß als in dem Rest auf tertiärer Grundlage ruhenden Marschlandes an ihrer Ostseite die ausgesprochenere Individualität und Widerstandskraft bezeugt. Zwischen den noch erhaltnen Inseln liegen die Trümmer der untergegangnen. Man kann sich eine schönere Zukunft der nordfriesischen Inseln vorstellen, wenn Föhr und Amrum durch einen zum Teil auf jene Reste sich stützenden Damm verbunden sein werden, und das dahinter zur Ruhe kommende Meer fruchtbaren Schlamm nicht mehr bloß am Festlandrand ablagern wird.
Die Halligen sind Reste des durch Sturmfluten und Eisgang zerrissenen Marschlandes, die durch Gezeitenströmungen auseinandergehalten werden. Ohne Dünen und Dämme schutzlos den Wellen preisgegeben, verkleinern sie sich seit Jahren, und nur wenige, die durch Dämme an andre Inseln oder an das Festland angeschlossen werden konnten – Pohnshallig mit Nordstrand, Hamburger Hallig mit dem Festland –, wachsen durch den Schlick, der sich hinter den Dämmen sammelt. Eine Hallig steigt mit ½ bis 1½ Meter hohen, meist steilen Wänden aus dem Wattenmeer und trägt, solange sie den Überflutungen ausgesetzt ist, einen feinen, gleichmäßigen Graswuchs, der stärker, aber auch rauher wird, sobald sie trocken liegt. Wie eine lachende Oase liegt eine solche grüne Hallig in dem grauen Wattenmeer. Den Boden bildet der feine, sandfreie Ton und Lehm der Marsch. Diese kleinen Inseln durchziehen und durchschneiden oft von Rand zu Rand Rinnen, in denen sich das Flutwasser bewegt, und in Vertiefungen stehen kleine Tümpel. Jede Sturmflut reißt Stücke von den Halligen ein, und nur wenig vermag hier der Dammbau. Manche, die einst bewohnt waren, sind jetzt unbewohnt, Vogelinseln. An der deutschen Küste liegen acht bewohnte Halligen mit 600 Einwohnern, die größte ist Hooge mit 163 Einwohnern.
Zwischen diesen natürlichen Familien von Inseln ist die Felseninsel Helgoland eine Welt für sich, wiewohl eine sehr kleine. Helgoland ist eine isolierte Erhebung auf einem allmählich ansteigenden untermeerischen Rücken von nordöstlich-südwestlicher Richtung; es ist dieselbe Richtung, die auch bei den Felsen und Riffen Helgolands wiederkehrt. Im Süden findet man als größte Tiefe in der Nähe von Helgoland 55 Meter, und auch von dem östlich liegenden Festland trennt eine 22 bis 31 Meter tiefe Rinne, und nur nach Westen besteht eine Art Zusammenhang durch eine 17 bis 19 Meter tiefe Verlängerung des Inselrückens. Das sogenannte »Helgoländer Tief«, wo 40 Meter gemessen sind, liegt westlich von der Insel. Östlich von dem Felseneiland liegt die Düneninsel, die sich auf einem gewaltigen Unterbau von Felsrücken und Klippenfeldern lang gebogen von Südosten nach Nordwesten zieht.
Helgolands Felsen gehören der Trias, dem Jura und der Kreide an. Braunrote Sandsteine und Tone wechseln mit weißlichen und gelblichen Sand- und Tonbänken ab, sodaß man helle Bänder sich von der Klippe zur Felswand ziehen sieht. Dem Sandstein und Ton gehört der blockartige Rote Fels an, auf dessen abschüssiger Fläche erratische Blöcke liegen geblieben sind. Auch die Klippenfelder, die den roten Felsen umgeben, sind Buntsandsteinriffe. Die Kreideklippen »Stein« und »Danskermanshorn« erheben sich vor dem Eingang des Südhafens. Das niedere Land und die Düne bestehen aus tertiären und jungen Gebilden, die wenig verschieden sind von dem Boden des norddeutschen Tieflandes. Hier liegen in braunen Tonen Reste von Land- und Süßwasserbewohnern, die keinen Zweifel übrig lassen, daß auch Helgoland einst breit mit dem Festland zusammenhing. Ebendarauf deuten auch die Ablagerungen aus der Eiszeit hin. Der Boden der Nordsee zeigt südlich von Helgoland Spuren von einer alten Fortsetzung des Elbstroms. Es ist wahrscheinlich, daß erst nach der Eiszeit die Ablösung Helgolands eintrat, und damit muß man auch annehmen, daß wenigstens die südöstliche Nordsee eine sehr junge Bildung sei.
Helgoland ist in geschichtlicher Zeit immer nur eine kleine Insel gewesen, immer nur ein Kirchspiel mit Einer Kirche. Wohl aber hat die Düne mit der Felseninsel zusammengehangen, und die Höhe der Düne hat seit der Zerreißung im Jahre 1720 abgenommen. Ebenso hat die Felseninsel durch Einstürze und Unterwaschungen, besonders des sehr weichen, tonhaltigen Buntsandsteins, an Land verloren. Äcker und Gärten sind kleiner geworden. Man kennt aus den letzten zwei Jahrhunderten gegen zwanzig beträchtliche Abstürze.
Unsre Ostseeinseln sind losgelöste Stücke von einst weiter vorragenden Teilen des Festlandes. Das spricht sich noch heute in ihrer Lage vor den halbinselartigen Vorsprüngen des Sundewitt, Wagriens und Vorpommerns aus. Sie sind demgemäß wie das feste Land der Küste aus Fels, Eisschutt oder Dünensand aufgebaut.
Alle unsre Ostseeinseln sind nur durch schmale Meeresarme vom festen Lande getrennt. Der Strelasund ist kaum einen Kilometer breit. Usedom und Wollin liegen dem Festlande noch näher. Man versteht sehr wohl, daß Zingst und Darß, jetzt landfest, als alte Inseln betrachtet werden. Rügen ist eigentlich keine Insel, es ist ein Archipel. Wer sich Rügen von der Ostsee nähert, der sieht eine Inselgruppe vor sich, deren tiefliegende Verbindungen die Wölbung des Meeres verdeckt. Wenn sich das Meer um fünf Meter höbe, würde sich Rügen in eine Inselgruppe auflösen. Daher auch der vielgliedrige Umriß des durch Wieke und Bodden zerspaltnen und zerlappten Landes.