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Die deutschen Meere sind zurückgelegen und halb abgeschlossen. Im Verhältnis zum Weltmeer sind sie klein an Raum; die Nordsee, 547 000 Quadratkilometer, ist ungefähr so groß wie Deutschland, die Ostsee mißt 415 000 Quadratkilometer. Beide zusammen nehmen nur den neunzigsten Teil des Flächenraums des Atlantischen Ozeans ein.
Die Nordsee, die nur im Ärmelkanal und in dem breiten Nordtor zwischen Schottland und Norwegen dem Weltmeer offen steht, ist doch in manchen Beziehungen noch ein echtes Stück Atlantischer Ozean: salzreich, von starken Gezeiten bewegt und von Sturmfluten aufgewühlt. Nur die Tiefe des Ozeans erstreckt sich nicht in diesen Winkel, wo wir vor den deutschen Küsten überall nur seichtes Wasser finden. Die mittlere Tiefe der Nordsee beträgt 89 Meter. Zwischen dem deutschen Festland und den Nordseeinseln sinkt die Tiefe nirgends unter 20 Meter, auch Helgoland erhebt sich aus keiner andern Tiefe. Daher der breite Gürtel von Seichtmeerbildungen vor unsern Küsten, die eine Gefahr im Frieden, ein Schutz im Kriege sind. Die Bahnen der großen Meeresströmungen berühren die Nordsee nicht; nur dauernde Westwinde tragen ihr von den Shetlandinseln her das wärmere und salzreiche Wasser des Golfstroms zu. Die starken Gezeiten der Nordsee, die 2,8 Meter bei Kuxhaven erreichen, sind von entscheidender Wichtigkeit für den Verkehr in unsern tief im Lande liegenden Nordseehäfen. Die Flut, an der Börsenbrücke in Bremen noch 0,5 Meter hoch, ein Sechstel von ihrem Betrag in Bremerhaven, trägt die Schiffe die Elbe und Weser hinauf, die Ebbe trägt sie wieder hinab. Das Meer wird durch diese Bewegungen in die Flüsse geführt, und die Elbe und Weser sind beide bis Hamburg und Bremen Meer. Ganz langsam gehen Meer und Süßwasser ineinander über. In der Unterelbe wächst der Salzgehalt flußabwärts an, erreicht aber den normalen Gehalt des Nordseewassers erst bei Helgoland. In der Tiefe dieser Ströme dringt das schwerere Nordseewasser höher stromaufwärts als an der Oberfläche, und natürlich steigt der Salzgehalt bei der Flut und sinkt bei der Ebbe.
Die Ostsee empfängt durch ein Zuflußgebiet, das den größten Teil der skandinavischen Halbinsel, Finnland, Lappland, Westrußland, Ostdeutschland und einen kleinen Teil von Österreich umfaßt, von mehr als zweihundert Strömen und Flüssen eine gewaltige Süßwassermenge. Mit dem Ozean steht sie aber nur durch das Kattegatt in Verbindung, eine Art von Vorhof, in den die Belte und der Sund münden. Daher ist der Salzgehalt der Ostsee gering und beträgt bei Kap Hela nur 0,7 Prozent, das ist fast nur ein Fünftel des Salzgehalts der Nordsee. Auch in der Eisbildung steht die Ostsee einem großen Binnensee näher als dem Meere. Alle deutschen Ostseehäfen frieren gelegentlich zu, am leichtesten die am weitesten landeinwärts und daher geschütztest liegenden wie Flensburg, Kiel, Wismar. Am günstigsten liegt Warnemündes breit zum Meer geöffneter Hafen, der in einundzwanzig Wintern nur achtmal durch Eis geschlossen war. Dieses Eis, verstärkt durch Treibeis und in überkältetem Tiefenwasser gebildetes Grundeis, verzögert durch die Wärme, die es braucht, um zu schmelzen, alljährlich die Ankunft des Frühlings im Ostseegebiet. In die Ostsee dringen die Gezeiten durch das Kattegatt ein, erreichen aber nur den siebenten bis achtzehnten Teil der Höhe der Nordseeflut. Das Becken der Ostsee ist im Durchschnitt 67 Meter tief, und die Tiefe nimmt von Süden nach Norden zu; an der deutschen Küste findet man über 20 Meter hinausgehende Tiefen nur in der Lübecker Bucht, in den Föhrden und vor West- und Ostpreußen.