Georg Queri
Bauernerotik und Bauernfehme in Oberbayern
Georg Queri

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Hirtenbriefe des Episkopats München-Freising gegen das Haberfeldtreiben

Nachdem Erzbischof Lothar Anselm in den Jahren 1828 und 1834 die Angehörigen seiner Diözese vor dem Haberfeldtreiben verwarnt hatte, richtete Gregorius unterm 18. November 1863 einen ernstlichen Hirtenbrief an die Dekanate zu Aibling, Miesbacb, Oberföhring, Rosenheim, Sölhuben, Steinhöring, Tegernsee, Tölz, Wolfrathshausen, in deren Bezirken der Brauch ausgeübt worden war. Der Hirtenbrief hatte

»einen Unfug zu rügen, der den Ruhm, dessen Ihr Bewohner des Bayrischen Hochlandes durch entschiedenes Festhalten an unserem heiligen Glauben und durch treue Anhänglichkeit an Fürst und Vaterland Euch von jeher erfreutet, nicht wenig verdunkelt. Dieser Unfug, Ihr wißt es alle, ist das sogenannte Haberfeldtreiben.«

»– – es ist unnötig, geliebteste Bewohner des Hochlandes, Euch alle jene Vorfälle der Reihe nach aufzuzählen, welche besonders in der jüngsten Zeit in Eurer Mitte zu beklagen waren, und deren Kunde zum Nachteil Eures guten Rufes selbst weit über die Grenze unseres Vaterlandes gedrungen ist. Wir halten es daher für unsere heilige Pflicht, einige väterliche, aber ernste oberhirtliche Worte an Euch zu richten, und Euch nachdrücklich zu vermahnen, von dem Tun und Treiben abzulassen, das gegen die Grundsätze der Religion, der bürgerlichen Ordnung und der Sittlichkeit verstößt.«

»– – rücksichtslos und unbekümmert um die Folgen stören sie die nächtliche Ruhe ihrer Umgebung, den stillen Frieden ihrer Täler durch wildes Toben und Lärmen, verletzen sie das Rechts- und Sittlichkeitsgefühl von Alt und Jung, ärgern und verführen sie die Unschuld durch Ablesung unflätiger Lieder und Sprüche, geben sie Anlaß zu jahrelangen Feindschaften und bringen manchen in die schreckliche Gefahr, sogar ein Meineidiger und auch ein Mörder zu werden, um sich dadurch der rechtlichen Untersuchung und verdienten Strafe zu entziehen. Die Erfahrung bestätigt dieses in trauriger Weise.«

»Es gibt leider nur zu viele, welche den besprochenen Unfug nicht für so sündhaft und verdammlich halten, als er in der Tat ist. Selbst sonst rechtschaffene Leute sind in diesem Irrtum befangen.«

Gregorius wiederholte seine Verwarnung durch Hirtenbrief vom 25. Nov. 1864 und sah sich bereits am 16. Februar 1866 zu einer Verschärfung seines Spruches genötigt:

»Wenn, wie es fast den Anschein nimmt, die gewöhnlichen Mittel der Seelsorge sich als unzureichend erweisen sollten, sei nicht mehr länger zu säumen, sondern ohne weiteres über alle Anstifter und Teilnehmer dieses als schwer sündhaft nun schon längst genügend bezeichneten Unterfangens der größere Kirchenbann auszusprechen, der die Schuldigen, wenn sie sich auch verborgen zu halten verstehen, im Gewissen treffen, und dieselben auf so lange von der Gemeinschaft der kirchlichen Gnaden, insbesondere der heiligen Sakramente und ihrem würdigen Gebrauch auszuschließen, als sie nicht nach gehöriger Genugtuung die Lossprechung von ihrem Oberhirten empfangen haben.«

Aber als in diesem Jahre die Felder abgeerntet waren, erinnerten sich die Bauern gleichwohl wieder ihres alten Brauches und trieben die Sünder ins Haberfeld.

Und Gregorius machte unterm 30. Oktober 1866 von seinem äußersten Machtmittel Gebrauch:

»Nachdem die oberhirtlichen Worte hartnäckig überhört oder geradezu verachtet worden, und nachdem wir den größeren Kirchenbann allen Anstiftern und Teilnehmern genannten Frevels angedroht hatten, so dürfen wir nicht länger mehr säumen, von der uns von Gott verliehenen geistlichen Strafgewalt den notgedrungenen Gebrauch zu machen.«

»Im Namen des dreieinigen Gottes, des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes und Kraft der uns von Gott gegebenen Gewalt, in unserer Diözese zu binden und zu lösen, verhängen wir darum hiermit für die Zukunft über alle Anstifter und Teilnehmer des sog. Haberfeldtreibens die größere Exkommunikation oder den größeren Kirchenbann mit folgenden näheren Bestimmungen:

Diese kirchliche Strafe soll alle jene treffen, welche den bezeichneten Frevel durch Wort oder Tat einleiten, zu den Vorbereitungen durch irgend eine Tat mithelfen, bei der Ausführung sich irgendwie beteiligen; sie tritt mit der sündhaften Tat selbst in Kraft und dies auch dann, wenn das frevelhafte Unternehmen bloß versucht, seine Durchführung aber teilweise oder ganz verhindert wurde.

Der größere Kirchenbann beraubt alle von ihm Getroffenen des Anrechtes auf den Gebrauch der heiligen Sakramente.

Wer denselben durch eine offenkundig gewordene Tat verwirkt hat, darf, wenn er nicht vor seinem Tode noch wenigstens deutliche Zeichen von der Reue gegeben hat, weder nach kirchlichem Gebrauch beerdigt, noch durch einen Seelengottesdienst getröstet werden.

Von dieser größeren Exkommunikation kann endlich kein Priester unserer Diözese, den Fall der Todesgefahr allein ausgenommen, ohne unsere besonders zu erbittende Vollmacht lossprechen.«

Der vernichtende Kraftspruch des Erzbischofs verfehlte natürlich seine Wirkung nicht; dem Bauern von damals war es unmöglich, kirchliche Einrichtungen gering zu schätzen, und in der gruseligen Angst, die ihm aus dem volltönenden Anathema erwuchs, wagte er zunächst wenig neue Streiche.Als indessen Haberer, die ihre Lust an dem Brauche nicht niederzwingen konnten, in vereinzelten Fällen ins Feld gezogen waren und nach langem Umherirren um den von dieser Sünde lossprechenden Priester in Tölz einen Pater fanden, der – von unverfälschtem Bauernblut – den Bannstrahl mißachtete, da war augenblicklich dem Treiben wieder Tür und Tor geöffnet. Die Mär von dem Tölzer Pater verbreitete sich rasch: man haberte und wallfahrtete dann nach Tölz auf den Calvarienberg. Auch ergriffen die Frauen augenblicklich die Partei der Kirche und erschütterten das Gewissen der Männer um ein erkleckliches mehr. Die Kirche hatte also bei ihrem Versuch einer Machtprobe einen ziemlichen Erfolg zu verzeichnen.

Aber dieser Erfolg hätte nur anhalten können, wenn ein uralter Volksbrauch eben in der Zeit einer Generation hätte ersterben können. So aber mußte der Fall eintreten, daß eher die unerhörte Macht der erzbischöflichen Worte verklang und verhallte und daß die kommende Generation, die nicht mehr direkt unter dem Eindruck stand, den der von den Kanzeln verlesene Hirtenspruch hervorgerufen hatte, die Lockungen alter Sitten intensiver verspürte als einen halb vergessenen Hirtenspruch.

Die Kirche begnügte sich auch mit der Tatsache, daß das Haberfeldtreiben wesentlich seltener wurde und fand lange Zeit ein kräftiges Einschreiten nicht mehr notwendig; vielleicht wollte man auch aus prinzipiellen Gründen eine unnötige Schärfe vermeiden und hatte vielleicht damals auch die Überzeugung (die ja schließlich die allgemeine war): daß ein Aufheben dieses alten Brauches überhaupt unmöglich sei.

Als am 17. Oktober 1893 Erzbischof Antonius infolge der zahlreichen Treiben in dreien Bezirksämtern sich neuerdings veranlaßt sah, auf den Hirtenbrief des Gregorius zurückzukommen, überging er die Tatsache, daß eine Stockung des Brauches überhaupt nicht eingetreten war; diese Vorfälle mußten ihm wohl bekannt sein, da seit dem Jahre 1866 die Geistlichen verpflichtet waren (die Pfarrvorstände), von solchen Vorkommnissen dem Ordinariate Anzeige zu erstatten.

Ich schicke das voraus, um die Irrtümer der Einleitung des neuen Hirtenbriefes zu widerlegen.

»Nach einer Pause von fast 30 Jahren«, schrieb Antonius, »haben es in unseren Tagen einige religiös und sittlich tief gesunkene Menschen verstanden, das alte Unwesen wieder zu erneuern. Durch den Reiz des Geheimnisvollen haben sich zahlreiche, zumeist jugendliche, unerfahrene Leute betören lassen, und sich den schändlichen Zwecken jener sittenlosen Sittenrichter willenlos dienstbar gemacht. Unter dem heuchlerischen Vorwande, große sittliche Verirrungen zu rügen und in einem unbestechlichen Volksgerichte zu verurteilen, wurden in der letzten Zeit mit immer wachsender Dreistigkeit und immer roherer Schamlosigkeit dieses nächtliche Treiben dazu benützt, durch Ehrabschneidung und Verleumdung den guten Namen mißliebiger Personen zu untergraben und dem Gespött schadenfroher Menschen preiszugeben, besonders aber durch unsagbar gemeine und schmutzige Zoten die heranwachsende Jugend in dem Laster der Unkeuschheit zu unterrichten; und bereits ist es so weit gekommen, daß die Teilnehmer an einem Haberfeldtreiben in der Auflehnung gegen Gott und gegen die gottgesetzte Obrigkeit vor Mord und Totschlag nicht mehr zurückschreckten.«

In der Folge bestätigt dann Antonius die Strafsentenz seines Vorfahren.

Was die Haberer offiziell zu den Hirtenbriefen sagten, mag man aus den später folgenden Rugsprüchen entnehmen. Der Hirtenbrief von 1893 fand überhaupt nur Spott und Hohn; die Rädelsführer dieser Zeit besaßen zu wenig Religiosität, um die Kirchenstrafe zu fürchten, während sie doch den äußerlichen kirchlichen Vorschriften nachkamen, um durch den Mantel der Formalitäten gedeckt, auch dem Pfarrer keine sicheren Anhaltspunkte für ihre Teilnehmerschaft an den Haberfeldtreiben zu geben. Unter diesen Umständen konnte der Pfarrer auch den Ausschluß einzelner aus der Kirche nicht verfügen.


 << zurück weiter >>