Georg Queri
Bauernerotik und Bauernfehme in Oberbayern
Georg Queri

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Strafkompagnien

Die Androhung von Strafkompagnien wurde zum ersten Male im Jahre 1834 in den Gemeinden Kirchdorf (Amtsgericht Miesbach), Götting und Vagen (Amtsgericht Aibling) erfüllt.

Vierzehn Tage lagen in den drei Bezirken 70 Mann einer Strafkompagnie, die Streifen unternahmen und nach Waffen suchten und auf Kosten der Gemeinde zu verpflegen waren.

Die Regierung hatte sich so an den drei Gemeinden bitter gerächt, in denen – selbstverständlich mit Wissen eines Teiles der Einwohner und auf deren Veranlassung – von Haberern anderer Bezirke noch im Jahre des ersten Erlasses, also 1834, getrieben worden war.

Die Bauern sahen die anrückenden Soldaten mit großen Augen an und erkannten, daß hier eine Macht ins Feld geschickt wurde, gegen die man sich aller Exzesse enthalten mußte. So verhielten sich die Burschen im allgemeinen ruhig und lediglich die Dorfvertreter klügelten Wege aus, auf denen man sich der Bezahlung der durch die Einquartierung erwachsenen Kontribution entledigen könne.

Die Bauernpfiffigkeit erkannte schließlich den Beweis der Unschuld als das richtige Argument dem Landgericht gegenüber. Man bat also – und die Ortsobrigkeit gelobte ernstesten Beistand – die Fälle genau nochmals zu untersuchen, um zu finden, daß tatsächlich keiner der Einwohner der drei Orte an den Treiben beteiligt war. Das Landgericht glaubte dem Vorbringen aufs Wort; aber es wußte ebenso genau, daß die Haberer weder nach Kirchdorf, noch nach Götting, noch nach Vagen gekommen wären, wenn sie nicht von diesen Orten gerufen worden wären.

Es blieb also bei der Zahlungspflicht.

Die Wirte stellten ihre Rechnungen; um ein Beispiel anzuführen, der Wirt Franz Seidl zu Götting:

»Verzeichniß der Millitär Manschafts Verpflegung im Districkt Götting 1834, welches der unterzeichnede zu fodern hat nemlich fir 1 Mann täglich 36 Xr, allso täglich 23 Mann, daß ganze vierzehn Tage lang,Daß übrigens die Soldaten fühlen mußten, wie unerwünscht ihr Gastspiel war, geht aus der folgenden Beschwerde des Leutnants hervor:

»– da beinahe täglich Klagen von der Mannschaft kommen, daß einmahl die Kost ganz verdorben oder nicht hinlänglich und immer äußerst unreinlich ist. Die Wirthin ist beynahe täglich betrunken, schimpft sich mit allen Leuten herum und zeigt in allem gegen die im Haus einquartierten Soldaten den größten Unwillen.«

fl Xr
macht ein Tag 13 48
Allso in vierzehn Tagen 193 12
Fir Titl Herr Leittnant zimmer und Peth Täglich 12 Xr 2 48
fir 2 Herrn Korporäls zimmer und Peth 8 Xr 1 52
fir daß groß wachzimmer täglich 24 Xr 5 36
dan 8 Pfund Kerzen a 21 Xr 2 48
dan fir eine frembde magt täglich 18 Xr 4 12
fir Titl. Herr Leittnants Pferd Stalgeld täglich 6 Xr 1 24
fir 19 Mann stroh zu schlaffen täglich 1 Xr 4 26

218 10
Die Gesamtrechnung für Vagen belief sich auf 522 fl 22 Xr
" Kirchdorf auf 576 fl 59 Xr
" Götting auf 450 fl 16 Xr

Diese Beträge konnten für die damalige Zeit als recht respektable Summen gelten; umso selbstverständlicher ist es, daß die Bauern der Bezahlung mit Händen und Füßen entgegenstrebten.

Zunächst also hatten sie sich auf ihre Unschuld berufen; ihre Bauernpfiffigkeit führte sie so weit, daß sie aus der Tatsache, daß Fremde getrieben hatten, sogar die Überzeugung ihres guten Rechts gewann. Infolgedessen enthielten sie sich zunächst der Bezahlung und pochten auf ihre Unschuld; als diese nicht befunden wurde, versuchten sie es mit Eingaben und Bittschriften und erwarteten schließlich ein Machtwort des Königs. Drei Jahre lang verschleppte sich so die Zahlung, bis die Unbeugsamkeit der Regierung die Bauern mürbe machte.

Aus dieser Zeit stammen einige Akten, die ganz interessante Beiträge zur Geschichte des Haberfeldtreibens wie zur Psychologie des altbayrischen Bauern geben.

Ein Beschluß der Gemeinde Kirchdorf vom 14. Januar 1836 besagt:

»Da die unterzeichnete Ruralgemeinde auf öfters wiederholtermaliger untertänigster Bitte von Seite der kgl. Regierung über die wegen vor 2 Jahren stattgehabten Haberfeldtreibens erlaufenen militärischen Exekutionskosten keinen Nachlaß erhielt, und nun mehrmal den strengsten Auftrag zur Bezahlung, so ergeht der einstimmige Beschluß von Seite der Gemeinde, daß sie sich niemals auf freiwillige Bezahlung der Kosten einlassen kann und will, weil dieselbe sich nach ihrem Gewissen nicht selbst beschuldigen kann, geht es wie es geht; und wenn man Gewalt für Recht nehmen kann, so soll man damit verfahren wie es in ihrer Macht und Gewalt steht, indem sie sich ganz ohne weiteren Widerstand den kgl. Behörden ergeben will.«

»Weil denn nun die Gemeinde, die größtenteils aus armen Familien besteht, dann schon einige Jahre hindurch Mißwachs eintrat und ohngeachtet dessen keine Behörden über eine Widerspenstigkeit in allen Rechten und billigen Sachen über Entrichtung der Staatsabgaben und dergleichen sich vorzuweisen vermag, eine solche ungerechte Behandlung entgegennehmen muß, so erklärten sie dagegen, daß von Seite der Gemeinde nichts anders zu hoffen sei, als daß nicht nur allein die Tätigkeit um Erhaltung der Ruhe und Ordnung unter der Gemeinde in Anspruch genommen werde, sondern daß auch mancher rechtschaffene Familienvater sich nicht wünscht, bei einer solchen Rotte von Haberfeldtreibern sich vereinigt zu wissen und daß man durch diese Behandlung überzeugt wird, daß auch der Unschuldige mit dem Schuldigen büßen muß.«

Die Regierung nahm von der Eingabe wenig Notiz und ließ als Antwort durch die Miesbacher Behörde einen Verteilungsplan für die Kontribution ausarbeiten. Dieser Verteilungsplan belastete auch den Pfarrer mit 8 Gulden 50 Kreuzer – der sich sehr dagegen aufhielt und mit Hinblick auf seine allgemeine Steuerfreiheit auch wieder entlastet wurde.

Als das Landgericht den Verteilungsplan ausgearbeitet hatte, stand es vor der Schwierigkeit, die Kontributionen, von 12 Gulden bis zu 9 Kreuzer herab, bei den einzelnen Bauern einzutreiben. So sandte man die Extrasteueranlage zunächst hinaus und forderte die Unterschrift jedes einzelnen ein als Anerkennung der Zahlungspflicht. Die Bauern unterschrieben alle, aber mit der Randbemerkung: »weigert sich, zu zahlen«.

Das Landgericht war in Verlegenheit; die Polizeimacht reichte in anbetracht der zu erwartenden Widerstände zu umfangreichen Exekutionen nicht hin; voraussichtlich aber konnte das Erscheinen der Gendarmen eine allgemeine Rebellion zur Folge haben. Diese Besorgnis wurde auch der Regierung nicht verhehlt: man bat um militärischen Sukkurs für die Dauer der Eintreibung. Aber die Regierung empfahl vom grünen Tisch aus an Stelle dieser Hilfskräfte »die gebotene Umsicht und Ruhe«.

Nun berief das Landgericht die Zahlungspflichtigen zu sich, erklärte ihnen die Sachlage und legte ihnen ein diesbezügliches Protokoll zur Unterschrift vor. Die Bauern weigerten sich aber, zu unterschreiben. Der Landrichter machte kurzen Prozeß, ließ den Gerichtsdiener an ihrer Stelle unterschreiben und verknurrte die Leute wegen Verweigerung der Unterschrift zu 12 Kreuzern Strafe. Als das diesbezügliche Protokoll der Regierung vorlag, erhielt der Landrichter einen Verweis des Inhalts: »Die Erhebung dieser Gebühr wird, als jeder gesetzlichen Begründung entbehrend, hiemit verwiesen und das Amt wegen umbefugeder Verfügung in den Rückersatz verurteilt.«

Und das Landgericht sandte Erlaß um Erlaß über die Abkehrung von Haberfeldtreiben an die Gemeinden. Die Vorsteher unterzeichneten seelenruhig:

»ich bekehne das ich den auftrage erhalten hab wegen die Haberfeldtreiber, und den Gemeinde gliedern erklert hab was für ein Straf drauf beleg is und die untersuechungskösten zu leisten haben –«

Aber sie zahlten nicht.

Sie wandten sich direkt an den König.

Die Gemeinden Kirchdorf und Götting machten ihre Eingabe zusammen. Aus diesem Schriftstück verdient die Begründung wiedergegeben zu werden:

»1. Das sog. Haberfeldtreiben war in den nunmehrigen Bezirken des Landgerichts Miesbach seit unvordenklichen Zeiten Sitte, wie dies alle alten Männer bestätigen können. Solches galt gewöhnlich reichen und stolzen Bauerntöchtern, welche geschwächt wurden, wie auch solchen Untertanstöchtern resp. weiblichen Dienstboten, welche von einem Ehemann geschwängert wurden.«

»An dem Haberfeldtreiben nehmen lediglich junge und ledige Burschen Anteil. Sie versammeln sich zu 50, 60, 70 Köpfen, die einen sind mit Gewehren, Heu- und Mistgabeln, Kuhschellen, die andern mit tüchtigen Stöcken und Ratschen versehen. Von diesen zusammen gerotteten Burschen wurden ordentliche Vorposten ausgestellt und niemand durfte es wagen, sich denselben nur in einiger Entfernung zu nähern, weswegen sich denselben auch in der Regel niemals jemand genähert hat.«

»Deswegen weiß man auch seit Menschengedenken nicht, daß bei diesem sog. Haberfeldtreiben ein Unglück sich ereignet hat.«

»Von dieser Rotte wurde der geschwächten Weibsperson ihr Sündenregister von ihrer Jugend an, und solchen Mannspersonen, die mit im Spiele sind, vorgehalten.«

»Weil das sog. Haberfeldtreiben gleichsam eine sittliche Predigt war, und weil hiebei nie ein Unglück sich ereignete, so trafen, wenigstens noch vor einigen Jahren, die Polizeibehörden dagegen keine Anstalten und uns ist es nicht unbekannt, daß selbst einige Pfarreivorstände dem befragl. Haberfeldtreiben, weil dasselbe gleichsam eine sittliche Predigt enthält, das Wort sprachen.«

»Wenn in einem Dorf oder in einer Einöde getrieben wurde, so darf man ja nicht glauben, daß die Teilnehmer in diesem Distrikt wohnen, vielmehr lehrte es die Erfahrung, daß die Teilnehmer aus anderen drei bis vier Stunden weit entfernten Distrikten daherkommen.«.

»Man geht daher von irriger Meinung aus, wenn man glauben möchte, daß an den Orten, wo neuerlich getrieben wurde und wegen welcher die Militärexekution eintritt, solche Individuen Anteil hatten, welche im Distrikt Kirchdorf wohnen oder wohnten.« (13. IV. 1835.)

Als die Gemeinde Vagen von dem Schritt der Kirchdorfer und Göttinger erfuhr, ging sie in Renitenz über:

»An das Königliche Beyrichse Landgericht Myßbach auf die von köyniglichen Landgerichde erhaltenen Exekuzian auftrag, hat sich die Djdrits Gemeinde Vagn Eßter mal enschlossen Wegen die Haberfeld kösten, ungeachtet den Rechtsweg zuergreyfen.«. (26. VIII. 1835.)

Was die drei Dörfer besonders zur Renitenz verleitete, war der Umstand, daß in Weyarn, in Sollach und in Au bei Aibling, wo ebenfalls im Jahre 1834 gehabert worden war, keine militärische Zwangseinquartierung zu verzeichnen war. Der Bauer aber bekennt sich zu dem Sprichwort: was dem einen recht ist, ist dem andern billig; und überdies pflegten die Nachbargemeinden ihre Witze über die Vagener zu reißen und dieser Spott im Unglück machte die Gemeinde erst recht rebellisch.

Aber alle Eingaben und Bitten hatten keinen Erfolg. Die Regierung wurde im Gegenteil immer hartnäckiger (auch der König lehnte die Begnadigung ab) und drang auf Exekution.

Die Gemeinden riskierten als letztes den Rechtsweg und hofften absolut auf einen Sieg. (Im Vorgefühle dessen Kirchdorf ruhig an die Regierung schrieb:

»Wenn nun die Gemeinde einer solchen ungerechten Behandlung entgegensehen muß, so läßt sich auch von derlei nichts anderes erwarten, als daß ein jeder eine gerechte Rache in sich fasse und nichts anderes zu hoffen sei, als daß ein noch größeres Übel dadurch entstehen könnte.«)

Das Gericht lehnte indessen die Klage der Gemeinden ab und nun war es allen Ernstes an der Zeit zum Zahlen. Die Gemeinden fühlten sich ernüchtert und gingen zum demütigen Bitten über. Das half – man glaubte, die Zähmung erreicht und zukünftigem Unfug vorgebeugt zu haben; die Gemeinden zahlten je 100 Gulden als Abschlagszahlung und erhielten den Rest in Gnaden erlassen.

Auch der Landrichter atmete auf. –


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