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Am ersten Osterfeiertag des Jahres 1766 wurde der Tochter des Sterzlbauern zu Parsberg bei Miesbach, der ledigen Maria Aignmann, ins Haberfeld getrieben, nachdem sie sich mit einem Bauernsohn eingelassen und ein Kind geboren hatte.
Nach den Akten hat es den Anschein, als ob dieses Treiben den ersten Vorstoß des Habererbundes von Aibling nach dem Osten bedeute, wie wir später ersehen werden. Jedenfalls befand sich die weltliche und geistliche Obrigkeit in starker Aufregung und behandelte das Vorkommnis als unerhörte Neuerscheinung. Der Gerichtspfleger von Miesbach stellte sofort eine Untersuchung an, in deren Verlauf ihm neun Parsberger Burschen als der Mitwisserschaft verdächtig erschienen. Diese wurden in Haft genommen und stante pede abgestraft.
Aus einer Beschwerde der Bestraften an die Regierung erfahren wir nun das Folgende:
»Da in abgewichener Fastenzeit des sog. Sterzls zu Parsberg Tochter sich fleischlich vergangen und ein Kind zur Welt geboren, so verfügten wir auf den in hiesiger Gegend altherkömmlichen Brauch nach uns am ersten OsterfeiertagDie herkömmlichen Beschreibungen über den Brauch kennen nur die Zeit nach der Haberernte als die übliche Periode der Haberergerichte. zu gedachtem Sterzl und verrichteten mit Pritschen, Kuhschellen und Ketten, dann Abschießung einiger Terzerolen die gewöhnliche Musik, ohne jedoch dem Sterzl nur den mindesten Schaden in dessen Zaun, Fenstern oder anderem zuzufügen, sondern begnügten uns lediglich mit dieser für junge Burschen ausgesehenen Lustbarkeit, worauf uns aber das löbl. Pfleggericht Miesbach sogleich bei Wasser und Brot, dann mit entblößten Füßen in die tiefste Malefizkeuche warf, sodann öffentlich durch den Amtmann in dem Markt herumführen und einen jeden incl. Kosten um 9 Gulden hat abstrafen lassen.
Wann nun dieses Verfahren wider alle Ordnung läuft, maßen niemals erhört worden ist, daß man wegen solcher geringer Verbrechen, wenn man es nicht anders betiteln will, an Leib und noch über das noch härter an Geld abgestraft werden soll, also gelangt an Ew. usw. unsere untertänigste Bitte, dem Pflegegericht in Miesbach befehlen zu lassen, daß uns diese ganz ungerechten Strafgelder, weil wir am Leib ohnedies schon genügend abgebüßt worden, ganz und nachlässig restituiert werden sollen.«
Folgen 9 Unterschriften.
Die Regierung verlangte vom Miesbacher Gericht eine Erklärung, die in folgender Form erfolgte:
»Am heurig abgewichenen osterfeyhrtag, das ist, den 1ten april abhin in der nacht gegen 12 Uhr geschehen im dasigen Refier etwelche starckhe flinten Schuß nacheinander, durch diese wurden vielle vmbligente sowohl von hiesiger Bürger- als Paurschafft aus dem Schlaff erweckht, da iederman glaubte, es geschechen Lärmmen Schuß, daß eintweeder irgentwo feur auß gekomen: oder ein Rauber Gsindel Blinderen wölle. ich selbsten, der ich gleich die erste Schuß in mein Schloß zimmer gehöret, ware keiner andern Mainung, vnd der amtman, so ebenfahls mit seinem knecht vnd dem Nachtwächter von hier gleich anfangs bey handen warn, vermuthete ein gleiches. Allein man sache nirgents ein feur auffgehen, von niemand von der häuffig zusamen gelauffenen Bürgerschafft kunte errahten werden, was doch dises Schiessen Bedeiten oder was geschechen soll, endlich, hörte man ein geschrey vnd heulen, Bald darauf wieder ainschichtig schüessen, ainige Behaupteten, es seye ein NachtgejaidDas Vorüberziehen der sog. »wilden Jagd«, das ja in alten Chroniken verschiedentlich mit Ernst behauptet wird., andere hielten darfür, es geschechent Noth Schuß, und man müesse den Nothleidenden zu hilf kommen. Auff einmahl brache ein starckhes feur von flinten Schüessen auß, welches einige Zeit continuierte, Vnd nit anderst heraußkamme, alß wan zwey Commando übereinander weren, worauf wider ein entsetzl. geschrey entstundte. Nachdeme dises ausserordentl. getöß gegen 1 Stund lang gedauret, indeme Man alles wegen vorgewester windstille genuegsamb gehöret, obschon nichts Verstanden, warn auff einmahl eine zeit lang nur Stihle vnd ruehe, alßdan geschahen andermahlen ainschichtige Schuß, und mit disen endigte sich diser nie erhört sohin Vngewehnliche nachtliche Lärmmen. Des andern tags tragete ich dem mir Vndergebenen Ghrts. amtman auff, sich zuerkundigen, wo diser lärmmen verüebet worden, vnd selber erfuhre, daß es im Dorf Parsperg, so eine kleine Stunde von hier entlegen ist, seye. Er mußte dahero auf meinen befelch näher daselbst sich dessentwegen erkundigen. Bey seiner nacher hauß kunfft zeigte er mindtlich an, daß er in vielle häußer kundschaft willen gekomen vnd ihme der Schröckh, forcht vnd angst, welche die leith angehörigen von Dorf Parsperg durch dises schüessen, Schreyen, heullen, pritschen, Blaßen mit Khüe horner, schlagen auff Preter vnd schöbbern mit Khüe Glockhen außgestanden, massen Sye nichts anderst, weillen keines dergleichen seiner Lebtag gehöret, als einer durch ein zusammen gerottetes Diebsgesindl Vorhabenter Blinderung besorget, nit genueg habe beschrieben werden können, so, daß einige ihme Bekhenet, Sye hetten ihr geld vnd Beßte sach vnder diesen lärmen Versteckhet, dabey aber erfuehre er, daß der ganze tumult vor des Sterzls Paurns daselbst hauße geschechen, und der Meßner zu Parsperg auff dorthigem freydhoff denen Tumueltanten zuegesehen, auch selbige durch einige Pfiff durch die Finger vertrieben habe. Weillen man nun seither mit andern amts arbeithen Beschäfftiget ware, So kunt man zu abhörung des Parsperger Meßners nit schreitten.«
»– – daß dabey die größte feuersprunst, wan ein Wind gegangen were, hette enstehen können, indeme weith über hundert Schuß, wie iederman, so es gehöret, gleichförmig saget, geschechen seynt. Und da 2 Gezeugen ausgesagt, daß der Schmid Knecht zu Parsperg namens Mathias Schneider von disen tumult vorgängig Wissenschaft gehabt, habe ich selbigen vor mich berueffen lassen und deswegen besprachet, allein er laugnete alles hinweckh und sagt, er habe Selbsten großen schröckh hiebei ausgestanden, weil er nit gewueßt, was er bedeitte. Ich liesse ihm hierauff in den amtshaußarrest sezen, weill er dessen waß er selbst gesagt, genuegsamb überwisen werden kunte und wolte des andern tags die zeugen verhören. Er liesse aber selbigen Tag durch den amtman vmb verzeyhung und dabey bitten, ihne abzuhören, er wolle alles bestehen.«
»– – wobey ihrer bey 23 gewesen – –«
»Ich weiß nit, soll ich mich mehrers ärgern als bewundern, daß dise ausgelassenen muethwillig und zaumloß erfrechte Purschen sich getraut, Ew. usw. höchste Stelle Selbsten mit einem so nichtigen als Vnwahren in Willweeg sich Selbsten widersprechenden anlangen anzugehen. Sye lassen vorschreiben, daß nachdem des sog. Sterzls zu Parsperg Dochter ein Vnehelichs Kind zur welt gebohren, Sye dem in hiesiger gegent alt herstammenen gebrauch nach etc. etc. Diesen setzten Sye bey, daß Sye nit den mindesten schaden zuegefüegt etc. etc.«
»Nun mechte ich fürs erste wissen, woher diese boßhaffte Pursch bey denen vorgeschriebenen Vmbständen ein alt gebrauchliches herkommen in hiesiger Gegend absonderlich im hiesigen Pfleggericht dociren oder probiren könten? Da doch kein dißgerichtlich ältiste Persohn von dergleichen Unzuelässig muethwilligen Verfahren nie etwas gehöret, daß dergleichen nacht schwermerische Excessen in dem Pfleggericht Aybling öffters vorbey gehen, ist wahr, dise Pursch aber haben fremde gerichter mit dergleichen nit zu beschweren. Und wer will oder kan andertens auß den Schnalzen mit Peitschen, schellen mit Khüe glockhen, schebbern mit Ketten, vnd schüessen eine Music erzwingen? Wahrhafftig dieses ist eine harmonie, welche die höllische gspenster spillen, Menschen und Vieh aber schröckhent machet. Die Boßheit diser Purschen hat nit zuegelassen, daß Sye hetten vorschreiben lassen, Sye haben der Sterzl Tochter nach dem im Pfleggericht Aybling villefältig beschehenten iedoch auch vor dortigem Gericht Vnjustificierlich muetwillig ins Haberfeld (wie Sye es nennen) getrieben.«
»Damit Sie aber wissen, worinn dises Haberfeldtreiben besteht, mache ich eine kurze beschreybung hierüber.«
»Anfangs gehet einer von den zusam gerotheten purschen zu dem ienigen Hause, wo ein Leichtferttigs Drits halber abgestrafftes Weibs Bild darin sich befindet, mit Vngestimm klopft er an die fenster lääden oder haus thier, fraget sich mit lauttem geschrey in formalibus an.«
»Paur (disen mit nammen nennent) hast die (sit Venia verbo) Hur zu hauß? ist daß Haaber feld lähr? seye es lähr oder nit, wür treiben dannach darin.«
»Nach disem machen Sye einen vnverträglichen Lärmmen mit vndereinander gemischten jauchzen, schreyen, Bryllen, mit thüer Glockhn, Pritschen, schlagen auf die Preter, Blasen mit Kühe hörn, schüessen aus feur gewöhren, so, daß die ienige, so es das erstemahl hören, nichts anders glauben als es seye die höll ausgelassen worden, villfältig geschieht es, daß einige von diesen Purschen die mit Schindl belegte häußer abdeckhen, die fenster einschlagen vnd die zäun zusammen reissen. iederzeit aber springen sye in einem Creiß herumb, vnd tretten dieweils nit anderst auf, als wan ein hexen tanz daselbst Vorbeygegangen were. Dabey machen Sye sich im angesicht russig vnd theills falsche pärth, damit Sye nit erkhant werden, über das stöllen Sye gemainiglich wachten auf, vnd wan jemand gelling (jählings) darzue komt, oder Vorwiz halber zueschauen will, der mueß aintweeder mithalten oder Sye schlagen ihm die Haut Voll an, vnd jagen ihne davon.«
»Solle nun dieses Verfahren eine für junge Purschen ausgesechene Lustbahrkeit heissen? Wan dem Menschen der nächtliche Schlaf und ruehe gestörrt würd oder an seinen güettern vnd leib schaden widerfahret. Daß Sye aber dergleichen öffters anrichten, ist gewiß, und verrathen Sye sich dießfahls in ihrer Schrifft selbst, worin enthalten, daß Sye dem Sterzl nit den mindisten Schaden zuegefügt.«
»Wan Sye aber wegen der aus hiesigem Gerichts District bei diesem Haaber feld treiben gewesten purschen, daß Selbige in die tiefist malefizische Keichen bey wasser und Brod mit Blossen füessen solten gestöckht worden sein, in ihrem anlangen melden, ist deme nit aso, massen nur der Mathias Schneider, vnd Andres ihres hartneckhigen Laugnen willen in amthaus arrest condemnieret worden. Die übrige haben alle bestanden, hat man ieden nach gethaner aussag nacher freygelassen, ausser den Veith Hörmann, welcher ein Tyroller ist, vnd ob periculum fugae im amthaus angehalten, deme jedoch essen und trinckhen, was ihme beliebte, vmb sein Geld zuegelassen, Biß die abstraffung der sammentl. Delinquenten Vorgenommen wurde. Zu deme seynt im hiesigen amthause nur 2 Keichen in der höche über ain stiegen, wo einer mehrers einem zimmer als Keichen gleichet, die andern hingeegen nur auf ain Persohn gerichtet, in der tieffe aber ist gar keine vorhanden. Wo solte ich demnach bey solchen Vmbständen 10 pursch hinsteckhen gelassen haben? Diesen Schwenckh (Schwank) haben die ayblinger Bößwichter nur erdichtet; wie mir dann niemahlen zu Sün gekommen ist, weniger daß ich mich verlautten gelassen habe, ich gedenckt dieselben an die offentl. Schand saullen mit etlichen Carbätschen Streichen schlagen zu lassen, obwollen Sye als Urheber und Rädlfiehrer dieser ausserordentl. Excessen, vnd Verfiehrer meiner Vnderthonns Kinder ein weith grössere Straff als diese verdinnt hetten. Mich gedunckhet, als spotteten Sye mir in ihrer Schrifft dan Sye nennen dergleichen facta nur ein geringes weisen, aber Darbey stolpern Sye volkommen über ihre richt schnur. Im eingang ihres anlangens sagen Sye, daß das Haber feld treiben ein alt herkomlicher gebrauch seye. hinnach hingegen bekhenen Sye, daß solches Straffbahr seye, vnd abgebießt werde, welchem Richter würde es beyfahlen, daß er ein alt gebrauchliches herkommen, wann dieses Ehrbahr, justifizierlich vnd Niemand nachtheylich were, abstraffete? Allein! Da die Ehrbahrkeit manglet, indem Sye sich wie die Dieb und Rauber im angesicht abgeruessigt, und vermummet, auch dabey selbst bekhennen, daß derley facta straffbar seyen, übrigens aber mit widersprechen, daß Sye distinguiert und Ehrbahre Leith auff eine paßquilante arth mit ablesung ihrer Nammen, vnd Beysezung allerhand spöttischer vnd Ehrenrihrender Reimmen an ihren Ehren angegriffen; So siehe ich nit, wie Sye dises Verfahren vor eine für junge pursch ausgesechene (will nit sagen anständige) Lustbarkeit an- vnd ausgeben mögen.«
»Was mich am meisten wundert ist dises, daß der muethwillig des Gerichts Aybling von den supplicanten gebrauchte Advocat so schlecht denckhen und in seiner abgefassten Schrifft einfliessen lassen mag, daß ich aus der Herunterlesung meines Nammens eine Injuri erzwingen wolle und eo ipso in propria Causa nit judex seyn könne, sondern nach Vorschrifft cod. jur. C. 1 § 20 ganz unwidersprechlich zu perhorrescieren sey. Mein! Wann zu München in einer gassen, wo er wohnet, durch einige vermummte gassen rauppen sein Nam offentl. abgeschryen und ihme zum gespött und gelächter andern leithen reimmen herunder gelesen werden sollen, wie wurde er nit auß den Urhebern solchen ihme angethanen affronts drängen und nach Erforschung satisfaction begehren.«
»– – absonderlich wan man die Reimmen, so Sye bey ablösung meines nammens und amts titls bey gesezt, überleget. So also gelauttet haben sollen:
Buebn, lost enckh nit straffä, wann enckh der Richta losst schopfä, wär woll ihm s machä, Nit än Dreck hat er zschaffä.«
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Die Regierung gewann aus der umfangreichen Rechtfertigungsschrift des Miesbacher Geheimen Gerichtsrates die Überzeugung, daß mit aller Schärfe gegen die Haberer vorgegangen werden müsse und antwortete so:
»– daß die ersagten Purschen nach beschechener Compassierung, welche Unserem Pfleggericht Aybling aufgetragen worden, ieden zu ain Gulden dann 3 täg mit geringer ärztung im ambtshauß abstraffen, sodan mit der Commination, daß man selbe sich nochmahlen in derley Greuel Thätten würden betretten lassen, man selbe ad tempus indeterminatum in das arbeiths haus liefern lassen würde, auch selbe auf offentl. blaz Vorführen, Vnd dort selbst iedem 15 bis 20 leibs constitutionsmässige Carbätschen sträuch Versetzen lassen sollt, wie Du auch genaue Amtsobsicht halten sollst, das derley unzulässige Mißbräuche gänzlich außgerottet, Vnd bey schweren einsechen nicht wider Vndernemmen werden.
München, 16. July ao. 1766.«
Ungefähr im Juli dieses Jahres hatte auch der Kooperator Sebastian Eisen, der in Miesbach die Seelsorge ausübte, ein Schreiben an die Regierung abgehen lassen, in dem er auf die Sitte des Haberfeldtreibens zurückgriff und zugleich von anderen Mißständen sprach, insbesondere von der Lust zum Raufen und anderen ruhestörender Dingen. Auch über das Fluchen der Bauern verbreitete er sich und die Regierung gewann in der Erinnerung an die Schilderung des Aiblinger Richters den Eindruck, daß die ländlichen Untertanen da draußen auf dem Wege der Verrohung begriffen seien und daß dagegen drakonische Maßregeln eingeführt werden müßten. Aus dieser Überzeugung ging der nachstehende Erlaß (vom 20. August 1766) hervor, der in einer Einleitung die völlige Ausrottung des Haberfeldtreibens befahl:
»Es wird bereits allen Bauernburschen bekannt sein, mit was für Strafen sowohl an Geld als Leib diejenigen hergenommen worden sind, welche am heurigen Ostertag zur Nachtszeit in dem Dorf Parsberg in das Haberfeld getrieben haben. Da aber dessenungeachtet jedoch der eine oder der andere diese Strafen ihnen zu keiner Warnung sein lassen, folglich noch ferners solche Greuel unternehmen, und irgendwo noch in das Haberfeld treiben werden, so bleibt solchen hiermit zu verhalten, daß gegen dergleichen boshafte Auftreter mit noch weit schärferen Leibesbußen verfahren oder selbe wohl gar in das Arbeitshaus nach München geliefert werden, wie denn ein churfürstlicher Hofrat in München dergleichen für solche Greuel gesetzt, damit hiedurch der verabscheute und endlich schändliche Brauch, der sich im hiesigen Gericht einzuschleichen scheint, vorher aber dort nie erhörte Mißbrauch, wie das Haberfeldtreiben ist, gänzlich aufgehoben und ausgerottet werde. Und daß sich keiner denke, daß solches Unternehmen ungestraft oder wohl gar verborgen bleiben sollte, gestalten man von Obrigkeitswegen in heimlicher Nachforschung auf dergleichen Verbrecher nichts fehlen lassen werde.«
»Es ist auch beim Gericht allhier vorgekommen, daß die mehrsten Bauernburschen RaufeisenDas Raufeisen ist ein handfestes Stück Eisen mit Löchern zum Fingerdurchstecken. Der mit dem Eisen (das oft an seiner Außenseite noch vier Spitzen zeigt) bewehrte Raufer schlägt mit geballter Faust und vermag einen Menschen mit einem Schlag zu töten. Der Schlagring ist eine weniger gefährliche Waffe; er ist aus Silber oder Blei und wird am kleinen Finger getragen. Er hat einen massiven unverhältnismäßig großen Knopf, der dem Schlag die gewünschte Wirkung gibt. Der Bauer nennt diesen Ring »Fotzring« (von fotzen = in das Gesicht schlagen). Die Schlagringe sind gleich dem Raufeisen verboten. Die ländlichen Silberarbeiter wußten indessen dem Bauern für seinen Schlagring Ersatz zu geben und schufen den sogenannten Antoniusring, der die gleiche wuchtige Knopfkappe hat, nur daß diese teilweise ausgehöhlt ist und am Grunde dieser Höhlung den heiligen Antonius mit dem Jesuskindlein zeigt. Trotz der Wendung ins Religiöse war der Schlagring gefährlicher geworden.
Über die Raufeisen gibt es ein hübsches Schnaderhüpferl:
(im Original ›stächlings Ring‹) bei sich führen, und dieselben bei sich ergebenden Raufereien auf eine so gefährliche als höchst sträfliche Weise gebrauchen, wodurch wo nicht Totschläge, so doch aber schädliche Verwundungen erfolgen können. Daher man von Gerichtswegen derlei Ring mit Ernst abgeschafft und solchen Burschen bedeutet haben will, daß, soferne sich einer oder der andere mit dergleichen Ringen betreten läßt und sonst mehr zum Raufen gebraucht, der Amtmann diesem nicht allein den Ring ohne weiteres abnehmen, sondern auch einen solchen auf das schärfste abstrafen lassen.
Zweng an Raffa, zweng an Schlagn,
zweng an Raffeisn tragn,
zweng an lustign Lebn
ham s mir fünfazwanzg gebn!
Und gleich, wie wir dann noch einige Zeit her hören müssen, daß die ledigen Burschen, auch zum Teil Verheiratete, nachdem sie von den Wirtshäusern nach Hause gehen, in und außer dem Markt bei Nacht zu jodeln, schrein, jauchetzen, auch einer und der andere zu fluchen und zu sacramentieren keine Scheu tragen, so zwar, daß hiesige Persönlichkeiten in der nächtlichen Ruhe gestört werden, sind die Tumultuanten am Geld und Leib zu strafen, die Sacramentierer aber, zumal durch solche Gott selbst beleidigt wird, ohne Unterschied der Person mit den gebührenden Schandsäulenstrafen werden hergenommen werden.«
Es wurde indessen lustig weitergehabert und die angedrohten Strafen konnten nie exekutiert werden, weil es nicht gelang, Teilnehmer an dem Treiben zu ermitteln. Um die Landpolizei war es damals sehr schlecht bestellt und die Verkehrsverhältnisse waren von einer Primitivität, die es von vornherein ausschloß, Polizei rechtzeitig in bedrohte Orte zu senden. Überdies waren die Büttel der Landgerichte keine Persönlichkeiten, die das Vertrauen und die Mitteilsamkeit der Bauern erreichen konnten, um vorzeitig über ein Treiben informiert zu werden oder nachträglich Auskünfte zu erhalten. Was aber die spezielle Dorfpolizei anbelangt, so war diese natürlicherweise aus eingeborenen Elementen zusammengesetzt und infolgedessen dem Volksbrauche nicht abhold. Auch war der Verrat von dieser Seite schon darum ausgeschlossen, daß ein jeder die Rache der Haberer fürchtete, die auf keinen Fall glimpflich ausfallen konnte.
Die Landgerichte konnten also der Regierung jeweils nur mit Referaten über stattgefundene Treiben dienen und Recherchen versprechen. Die Regierung, bzw. das Kgl. Kommissariat des Isarkreises schrieb dann wieder schematisch zurück wie beispielsweise unterm 3. Oktober 1815:
»Auf den Bericht vom 23. September d. J. wird dem Kgl. Landgericht erwidert, es habe nicht nur für den Fall der Bekanntwerdung jener Burschen, welche vor dem Haus der Mayrin zu Elbach mit Haberfeldtreiben den angezeigten Lärm verursachten, zu strafen, sondern auch in Zukunft dafür zu wachen, daß sich nicht Gemeindeglieder erlauben, ganz unbefugte Schandstrafen (Treiben) dortselbst zu vollziehen, wo eine Gesetzgebung sie längst abgeschafft.«
Da aber diese Abschaffung des alten Brauches nur auf dem Papier bestand, ging das Volksleben lustig über sie hinweg und hielt an dem Unfug mit einer Zähigkeit fest, die einer besseren Sache würdig gewesen wäre. Die Bemühungen der Regierung erwirkten gerade das Gegenteil: nie vorher war die Lust am Habern so allgemein gewesen und an Orten, in denen derartige Episoden vorher beispiellos waren, wurde die Sitte mit Eifer aufgenommen und gepflegt. Es mag dabei wohl wieder das für die Psychologie des altbayrischen Bauern interessante Moment eine Rolle gespielt haben, daß Verbote erst Instinkte in ihm vergröberten, oder auch: daß diese Verbote ihn erst auf Dinge hinwiesen, die ihm vorher unbekannt waren.
Kurzum: der Brauch dehnte sich mehr und mehr aus und die Fälle einer rüden Form bäuerlicher Rügegerichte mehrten sich gewaltig, während die Strafverfolgung nach den mannigfachen Mißerfolgen bald gänzlich einschlief.
Gegen das Jahr 1834 sah sich dann die Regierung wieder veranlaßt, mit allen Kraftmitteln gegen die Haberer vorzugehen. Es wurden umfangreiche Vorsichtsmaßregeln erlassen, die in der Hauptsache das Folgende behaupteten und forderten:
»Die zahlreichen Sicherheitsstörungen, insbesondere aber Brandstiftungen und Branddrohungen, welche seit kurzer Zeit in mehreren Gegenden des Isarkreises vorgekommen sind, machen das Ergreifen außerordentlicher Maßregeln gegen die, nach den bisherigen Resultaten der eingeleiteten Untersuchungen noch immer unbekannt gebliebenen Teilnehmer dringend notwendig, die bei Gelegenheit der häufig mißbrauchten und in grobe Exzesse ausgearteten alten Sitte des sogenannten Haberfeldtreibens, dann des am 15. Juli d. J. stattgehabten nächtlichen Angriffes auf das Schloß MaxlrainDieser nächtliche Angriff hat mit den Haberern – obwohl solche dabei waren – offiziell nichts zu tun. Es handelte sich um eine ganz brutale Geschichte: ein gräflicher Jagdgehilfe hatte den als Wilderer berüchtigten Wachtl-Sepp angeschossen und lebendig begraben. Die Freunde des Verschollenen forderten in der für die Sache der Haberer so bedeutungsvollen Nacht wenigstens den Leichnam – binnen vierundzwanzig Stunden. Und man legte ihn auch heimlich auf den offenen Weg; es heißt, die in Fetzen zerarbeiteten Fingernägel des Toten hätten die grausame Todesart verraten. Die Bevölkerung der Grafschaft war durch dieses Gerücht so erbittert und feindselig, daß dem Grafen Lodron die schleunige Abreise aus seinem Schloß notwendig erschien. Man hatte ihm geschworen, das Schloß anzuzünden; an diese Möglichkeit vermochte der Graf nicht zu glauben. Er machte auch den Fehler, seine mißliebigen Forstangestellten nicht zu entlassen – da durchschoß man die Equipage, in der er saß. Seine Dienerschaft wagte es, ihn über diese bitterböse Warnung der Bauern aufzuklären. Aber da er ging, hatten die Wilderer und Haberer ihren Todfeind an den König entsandt – es begann der große Kampf zwischen Regierung und Bauern. Landgerichts Rosenheim, an dasselbe, sowie an die Kgl. Landgerichte Miesbach und Tegernsee und an das Herrschaftsgericht Prien unterm 18. Juli d. J. ergangenen Regierungsanordnungen werden durch anliegende Abschrift auf sämtliche Kgl. Distriktspolizeibehörden des Isarkreises ausgedehnt.«
»Diese Maßregeln, sowie die nachfolgenden, sind, soferne sie sich hiezu eignen, auf angemessene Weise in den Gemeinden bekannt zu geben und für den Fall, daß sich in den Bezirken die bezeichneten Sicherheitsstörungen oder Exzesse ereignen sollen, solche strengstens anzuwenden.«
»1. Sollte in den durch Brandstiftung oder grobe Exzesse überhaupt bedrohten Gegenden die Gendarmerie als Sicherheitswache nicht hinreichend besetzt sein, so wird eine Verstärkung der Stationen, nötigenfalls durch Linienmilitär verfügt werden, wie dieses bereits in den Gendarmeriebrigaden der Landgerichte Rosenheim, Miesbach, Ebersberg und Wasserburg mit Erfolg geschehen ist.«
»2. Die Polizeibehörden werden angewiesen, gleichzeitig mit den strafrechtlichen Untersuchungen von Brandlegungen oder Branddrohungen und von Sicherheitsstörungen, welche auf mehrere Teilnehmer schließen lassen – und selbst nach der definitiven Aufhebung solcher Untersuchungen – die polizeilichen Recherchen auf die Täter oder Teilnehmer fortzusetzen, alle erhaltenen Anzeigen von Spuren zu beachten, häufige Haussuchungen des Nachts nach verdächtigem Gesindel vornehmen zu lassen und die Gendarmeriestationskommandanten zur Nachsicht mittelst Zuziehung eines Ortsnachbars vorzüglich dahin zu ermächtigen, ob sich des Nachts die Dienstboten und ledigen Burschen zu Haus befinden.«
Es ist zu diesem Regierungsbefehl zu bemerken, daß in damaliger Zeit eine Identität zwischen Brandstiftern und Brandandrohern und Angehörigen des Habererbundes absolut nicht nachgewiesen werden kann. (Wie dies aber in späterer Zeit [1893] allerdings der Fall war.) Das Brandstiften ist in damaliger wie in späterer Zeit eine leider recht ausgebreitete Art der Privatrache in ganz Altbayern gewesen. Es gibt eine Anzahl von Dörfern – fernab vom Haberergebiet – die unter systematischen Brandlegungen litten und in denen niemals der oder die Urheber zu erkunden waren. (Ich erinnere mich eines bestimmten Ortes unweit Münchens, in dem innerhalb weniger Jahre zweiundzwanzig Höfe in Flammen aufgingen. Nach dem Tode eines dortigen Bauern munkelte man bereits beim Leichentrunke: Jetzt wird's mit dem Brandlegen wohl auch gar sein. – Und so war's auch.)
Aber um zu den Haberern und dem Kampf der Regierung zurückzukehren: die umfangreichen Reskripte entwickelten sich schließlich zu einem gut durchdachten Feldzugsplan. Der Angriff auf das Schloß Maxlrain des Grafen Lodron hatte die Regierung von den rebellischen Neigungen der Isarwinkler überzeugt. Man suchte also nach Mitteln, diese Rebellen zu entwaffnen und zu bändigen, die Brandstifter sowohl wie die Haberer und Wilderer.
»Auf erhaltene Anzeige, daß auch in Maxlrain auf die in rubro bezeichnete Weise, jedoch ohne Beibehaltung des bisherigen Charakters dieses Unfugs, sondern wie es scheint aus Rachsucht, ein nächtlicher Angriff von mehreren bewaffneten Burschen gegen das Schloß stattgehabt hat, wird von dem Kgl. Landgericht nicht allein die strengste Untersuchung dieses Vorfalles gewärtigt, sondern es wird zur Begegnung solcher auffallender Sicherheits- und Ruhestörungen folgende Anordnung zur pünktlichsten Vollziehung mit Vorbehalt ihrer Modifizierung oder teilweisen Zurücknahme erteilt.
1. Das wiederholte Erscheinen bewaffneter Truppen von Ruhestörern zeigt, daß in dem Landgericht die bestehenden Anordnungen über die Befugnis zur Führung und zum Besitz von Jagdgewehren bisher mangelhaft eingehalten worden sind und provoziert zuerst in der Gegend von Maxlrain und Maxhofen usw. in dem ganzen Landgerichtsbezirk nunmehr die strengste Handhabung in den zur Aufbewahrung der Gewehre der Wildfrevler etc. geeigneten Orten, welche auf alle Arten von Schießgewehren auszudehnen sind.
2. Die sämtlichen Gewehre sind zu sammeln und nur denjenigen zurückzugeben, die Erlaubnisscheine zur Führung von Waffen fernerhin erhalten können.
3. Gegen Gemeindevorsteher, die sich bei der Visitation und Gewehreinsammlung saumselig zeigen, ist unnachsichtlich und mit Ordnungsstrafen einzuschreiten und für jedes Gewehr, welches nach der Visitation noch im Gemeindebezirk entdeckt wird, hat der Gemeindevorsteher salvo regressu gegen die Gemeinde 5 fl Strafe zum Besten des Lokalarmenfonds zu geben.
4. Für diese Vorfälle, welche wegen ihrer Ausartung nicht länger mehr geduldet werden können, werden die Gemeindevorsteher und die Gemeinden dahin verantwortlich gemacht, daß künftig, wenn ein sog. Haberfeldtreiben oder eine Zusammenrottung von Ruhestörern stattfinden sollte, die Gemeinde, in deren Bezirk es geschieht, mit einer Strafe von 50 fl belegt, auch die Gemeinde für die Untersuchungskosten zu haften hat, so lange, bis die Täter oder der eine oder der andere Teilnehmer entdeckt und angezeigt ist.
5. Sollte gegen die Gemeinde begründeter Verdacht auf ein Einverständnis oder Mitwissen in dergleichen Exzessen oder ein vorsätzliches Verschweigen der Teilnehmer selbst nur von Seite einzelner Individuen ihres Bezirkes im Lauf der Untersuchung sich ergeben, so wird auf Verfügung der unterfertigten Stelle exekutive Einlegung von Militär auf Kosten der ganzen Gemeinde eintreten.«