Georg Queri
Bauernerotik und Bauernfehme in Oberbayern
Georg Queri

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Das Treiben zu Vagen 1834

Als die Regierung begann, den Haberern auf die Fersen zu treten, beging das Miesbacher Landgericht in der Verwirrung, in die es durch die ungreifbare Macht des Habererbundes und durch die am grünen Tisch gefaßten Maßregeln getrieben war, einen Justizirrtum: es verhaftete den Kistlerbauern von Großpinzenau und erblickte in ihm die Seele der großen schemenhaften Körperschaft.

Gewiß: der Kistlerbauer, bürgerlichen Namens Simon Bernlochner, war ein Kind des Volkes und höchstwahrscheinlich auch mit der Sitte des Haberfeldtreibens vertraut – aber er war in diesem Falle der unschuldigste von allen.

Ich mache den Versuch einer posthumen Ehrenrettung.

Die Landpolizei hatte sich die sämtlichen wundervoll bemalten Bauernschränke aufsperren lassen, um nach Haberergewehren und Haberermanuskripten zu suchen. Und just in des jungen Kistlerbauern Schrank fand sie zwei Dinge: einen Loderbrief und den vollständigen Text des gegen die Blaumüllerstochter Marie Todt zu Vagen verübten Haberfeldtreibens.

Auch den Loderbrief betrachtete die Gendarmerie als den Text eines ihr unbekannten Treibens – bezüglich der anderen geschriebenen Verse wußte sie ja Bescheid.

Und man stellte dem Kistlerbauern die argen Fragen.

Ein feiner Kerl, der Kistlerbauer. Wenn er klipp und klar gestanden hätte: jawohl, das ist der Text der Leviten, die man meiner Braut, der Blaumüllerstochter, gelesen hat; jawohl, das ist ein Loderbrief wider diese meine Geliebte; und Habererverse und Loderbrief nahm ich zu mir, um die Schmach meiner Geliebten nicht zu allgemein ruchbar werden zu lassen – nein, der Kistlerbauer gestand dem Gendarmen die Schmach der Blaumüllerstochter nicht. Er log dumm. Feinde hätten ihm die Papiere in den Schrank gelegt, um ihn zu verderben . . .

Und der Gendarm schleppte den ersten ertappten Haberer – 50 Gulden Prämie! – triumphierend in den Kotter. Er fühlte sich umsomehr im Bewußtsein seines Rechtes, als der Kistlerbauer ihm einen Karolin geboten hatte, wenn er ihm die beiden Schriftstücke zurückgeben würde. Und das Landgericht erkannte ebenfalls in der Bestechung die Schuld und in den beiden Verszetteln die corpora delicti – der Kistlerbauer blieb in der Keuche.

Der Landrichter las die Verse des Treibens und berichtete der Regierung über den Inhalt. Aber keinen Moment dachte er daran, mit welch blutendem Herzen der betrogene Liebhaber Simon Bernlochner, der in der Keuche saß, diese Verse gelesen hatte, die wider seine Geliebte geschrieben waren:

        Das Haberfeld dreuben das hat jetzt ein End
Darum wern ietzt deini Thitl
auf das Dach hinauf gehengt.
auf den Kirta mießma do aar an Gspaß habn
wen du Duest bein Schuesta
drey Monat tragen
da Schuesta sagt freili das er die oft gehaut
des Laugnt er gar niet
aber balts du grayst
halt j die nit
Da Schuesta sagt er hats nicht ä loj do
uh mait es is ga da Wirthd Franzl
däh hat dirs a scho offt do
da Wirth Franzl sagt
du host in ä recht beschiert
vo Minka an ham farn
hast alle weill gstiert
außer Feldkirchen bein Machtül
da hat ers dir no do
und da hast die bedankt
weil er es gar ä so ko
Herunter haln bergel beim Machtal
is dey Brueda nach glafn
und hat an Wagn einj gschrin
da hat er net gschecha das da Franzl
an Schwaf hat net drin
die selbe Woch hats da Schuesta und da Franzl ghaut
und da Stier vo Pienzenau
und da Hartl hat a nix verschaut
da verstoin Hart höett im im ja recht oft traut
Ein Hart hint im Mai
hams dir 3 mal zue gschaut
Den Verstoinna hartl backts all augnblick oh
a mal habs es auf den Heistack dram do
der Ebersperger Marti
duet a ga viel redn
er sagt er is scho oft bej dir glegn
Kaj Tag werka und a kai Knecht
ko kaina weg kemma
es mais die a jeda zam springä
da Kistla Sima vo Pienzenau
dä kos ah recht guet
es is ihem kains zschlecht
weil ers a jeda Duet
ehr is da Schawascha damal
wo die Waibatn Leut
er is scho lang nahrat
und werth nima gscheid
Mit den Stier hast es scho gnue probiert
Aba du hast do no Efter gestiert
Weira da no zwenni Oft kimmt
und daweil da Schuesta zue springt
Daß die ietzt du vo den Pranzzischüschin Schuesta
nit beßer hiezt
wei de holt koa Richter Buem nima grieggt.Als Verfasser der Verse wurde ein Jäger des Grafen Lodron zu Maxlrain benannt.

Die Übersetzung der Verse:

        Das Haberfeldtreiben hat jetzt ein End:
darum werden jetzt deine (Schand-) Titel
auf das Dach hinaufgehängt!
Am Kirchweihtag müssen wir doch auch einen Spaß haben –
weil du tust beim Schuster
drei Monat tragen (schwanger sein).
Der Schuster sagt freilich, daß er dich oft zusammengehaut hat,
das leugnet er gar nicht,
aber sowie du kreißt (entbindest),
halte ich (der Schuster) dich nicht (aus)!
Der Schuster sagt: er hat's nicht allein getan
und meint, es ist gar der Wirts Franzl,
der hat dir's auch schon oft getan!
Der Wirtsfranzl sagt:
Du hast ihn auch recht beschert,
von München beim Heimfahren,
hast du immer gestiert (nach dem Stier verlangt);
außerhalb Feldkirchen beim Marterl,
da hat er's dir noch getan,
und da hast du dich bedankt,
weil er's gar so gut kann!
Unterhalb des Hügels beim Marterl
ist dein Bruder nachgelaufen
und hat in den Wagen hineingeschrien,
da hat er nicht gesehen, daß der Franzl
den Schweif nicht drinnen gehabt hat.
In derselben Woche hat sie der Schuster und der Franzl zusammengehaut,
und der Stier von Pinzenau
und der Hartl hat auch nichts verschont.
Der verstohlenehat im Altbayrischen eigentlich nur die Bedeutung »diebisch«. Ich glaube nicht, daß es hier, trotz der Situation, die Bedeutung des hochdeutschen verstohlen = heimlich hat. Hartl hätte sich ja recht oft getraut:
im Hart hinten im Mai
haben sie dich dreimal zusammengehaut.
Den verstohlenen Hartl packt's alle Augenblicke an;
einmal habt Ihr's auf dem Heustock droben getan.
Der Ebersperger Marti
tut auch gar viel reden –
er sagt: er ist schon oft bei dir gelegen.
Kein Tagwerker und auch kein Knecht –
kann keiner (von dem Hof) wegkommen:
es muß dich ein jeder zusammenspringen.
Der Kistler Simon von Pinzenau,
der kann's auch recht gut;
es ist ihm keine zu schlecht,
weil er's einer jeden tut;
er ist der Scherenwascher derzeit
von den Weibsleuten.
Er ist schon lang närrisch
und wird nimmer gescheidt.
Mit diesem Stier hast du es schon genug probiert,
aber du hast doch noch öfter gestiert,
weil er dir noch zu wenig oft kommt
und unterdessen der Schuster zuspringt.
Warum du dich jetzt vor dem französischen Schuster
nicht besser hütest?
Weil dich halt kein richtiger Bursch nimmer kriegt!

Das Landgericht hätte aus den Versen über den Kistler Simon leicht entnehmen können, daß dieser unmöglich der Verfasser der Verse sein konnte und daß er unmöglich an einem Haberfeldtreiben hatte teilnehmen können, das seine Person auch anging. Es ist merkwürdig, daß der Bursche in Untersuchung blieb und daß man trotz der vorhin erwähnten Tatsache Proben seiner und seiner Geliebten Handschrift zusammensuchte. Ein rührendes Brieferl dieser Geliebten, der Blaumüllers Tochter in Vagen, fiel als Schriftprobe in die Hände des Gendarmen (denn der Justizirrtum ging so weit, daß man diese als Verfasserin bzw. Abschreiberin der Verse betrachtete):

»Liber Schatz.

Ich mieße dir in einer so kurzer Zeid ein bar Zeillen dir zueschüken das ich auf dem Samßtag mit meinen Vater auf den Birkenstein und nach Vrischaußn ge als dann kannst du mir eine gvelichkeit erweißen wann du nach Mießbach kommst – –«


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