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Zweite Spazierfahrt

Obgleich diese, wie auch die dritte, welche dem Leser noch bevorsteht, ebensoviel Terrain als die vorhergehenden berührt, so kann ich doch im voraus den Trost geben, daß sie, indem sie weniger einzelne Gegenstände umfaßt, auch eine kürzere Beschreibung zuläßt.

Man nimmt zuerst seinen Weg (folge dem blauen Pfeil) in nächster Richtung nach dem herrschaftlichen Gasthofe zu, ein weitläuftiges Etablissement, für die Bequemlichkeit der Fremden bestimmt, das noch nicht vollendet ist. Dieses kurze Stück Weges wurde zwar schon am vorigen Tage zurückgelegt, jedoch von der entgegengesetzten Seite, und die Gegend mit allen ihren Aussichten erscheint daher, wenngleich von demselben Orte gesehen, dennoch, wegen veränderter Direktion, sehr verschieden.

Man betritt indes sehr bald ein neues Gebiet auf den westlichen Hügeln, die sich längs der Stadt hinziehen, während man den hinter ihr liegenden steilen Bergabhang allmählich ersteigt, und dann am Dorfe Berg durch Obstgärten weiterfährt, bis man das wendische Bauernhaus, »Sorgenfrei« genannt (h h) erreicht, welches ganz in dem Geschmack und im Bereich der Mittel eines wohlhabenden bäuerlichen Besitzers im Dorfe erbaut ist. Von diesem Platze sehe ich fast den ganzen Park vor mir ausgebreitet, und unmittelbar zu meinen Füßen kann ich, hoch über die Dächer der Stadt gestellt, im größten Detail ihre Straßen, das Schloß (dessen Türme noch nicht zu mir emporreichen), den Lucie-See, die Blumengärten mit dem pleasureground, alles wie auf einer Karte überblicken, wobei der Himmel durch dichte Laubgewölbe hier völlig verdeckt wird, um nur den Blick in die Tiefe zu gestatten. Ein kleiner Gras- und Obstgarten umgibt das Haus, in dessen Bezirk die Ruine der ältesten Kirche der Oberlausitz steht, für deren Erhaltung noch im vorigen Jahrhundert in Rom gebetet wurde. Sie ist, obgleich klein, doch in architektonischer Hinsicht nicht uninteressant, und sehr malerisch inmitten des alten von hohen Linden beschatteten Kirchhofs gelegen. S. für diese Aussicht tab. XXXII.

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tab. XXXII Blick vom Dorf Berg auf die Stadt, das Schloß und den Park.

Schon zu meiner Großeltern Zeiten stand auf diesem Platz ein alter Baum mit Bänken umgeben, um den angenehmen Punkt zu benutzen, und er dient mir jetzt oft, gern gestehe ich es, als ein zweites Memento zuerst des Dankes gegen Gott, der mir den Sinn schenkte, mich kindlich seiner erhabenen Werke zu erfreuen, und zweitens der Erkenntnis, daß einfache Beschränktheit, selbst künstliche und nur momentan eingebildete, dennoch der Zustand zu sein scheint, dem das friedliche Glück am liebsten lächelt, und dem die bösen Sorgen am fernsten bleiben.

Der Weg auf dieser ganzen Tour war sehr schwierig zu führen, da die vielen Schluchten und tiefen Einbuchten größtenteils nur durch Brücken fahrbar gemacht werden konnten. Glücklicherweise ist das Holz hier wohlfeil und im Überfluß, wie an vielen Orten unseres Vaterlandes. Ohne diese Bequemlichkeit wäre die Ausführung vielleicht zu kostspielig für meine Kräfte geworden. Der größte Teil der geschilderten Anlage ist, mit Ausnahme einiger hoher Waldräume, fast nur mit Obstbäumen bepflanzt, eine Idee, die ich dem Herrn Gartendirektor Lené abgeborgt habe, und deren Ausführung gewiß sehr schöne Effekte gibt, sobald nur der Ort dazu passend gewählt wird. Hier, zwischen Dorf und Stadt und zwischen den Gärten beider sich hinziehend und in weiter Ferne vom Tale aus sichtbar, konnte man offenbar nichts Zweckmäßigeres tun, als den schon terrassierten und am Abhang mit Fruchtbäumen besetzten Berg nun auch oben mit soviel Blütenmassen als möglich im Frühjahr sich bedecken, und im Sommer unter den Baumstämmen das lichte Grün eines feinen Rasens hervorschimmern zu lassen. Da indes die Form der meisten Obstbäume dürftig und häßlich ist, so habe ich diesem Übelstand durch die Mischung mit dem schönen wilden Apfelbaum soviel als möglich abzuhelfen gesucht.

Aus der Obstplantage gelangt man, dicht hinter dem Dorfe, an den obern Saum eines engen Tals, dessen steile Wände mit alten Buchen besetzt sind, und wo man schon hie und da Stollen und Schachte des Alaunwerks zutage kommen sieht. Der Weg wendet sich dann wieder abwärts auf die Feldplaine des Bergvorwerks, und kotoyiert einen kleinen bebuschten See in der Nähe des Dorfs, bis man, neben verschiednen zierlichen Wohnungen der Bergleute vorbeifahrend, nach einer Viertelstunde den Weinberg (i i) erreicht, wo sich über den Traubengärten hin eine sehr weite Aussicht auf die Gegenden von Bautzen und Görlitz eröffnet. In der Mitte derselben teilt den Horizont, seltsam isoliert erscheinend, die 6 Meilen entfernte Landskrone, rund umgeben von dem ebnen Waldmeere, das die ganze Gegend bedeckt. Nachdem man sich im Winzerhause gelegentlich erfrischt, folgt man, in fortwährenden Windungen, dem Bergrücken, welcher das Alaunwerk einschließt; durchschneidet die Bohlenbahn, auf der das Erz herbeigeschafft wird, steigt hier wohl auch gelegentlich einmal aus dem Wagen, um in einige Schächte einzufahren, die während der Badezeit an gewissen Tagen illuminiert und mit gefärbten Alaun kristallen ausgeschmückt werden, und besichtigt endlich die Hütten- und übrigen Bergwerke im Detail, soweit man an dergleichen Interesse findet.

Die Natur ist hier wild, und obgleich der Boden nur sandig und größtenteils mit Föhren bedeckt ist, so gewährt er doch durch die häufige Abwechselung von farbigem Kies, zutage gehenden schwarzen Erz- oder Braunkohlenlagern, und durch seine schroffen, wie von einer Erdrevolution durcheinandergeworfenen Formen, manche sehr malerische Punkte. Man findet an einer Stelle sogar eine Art kleinen Vulkan, jedoch keinen künstlich gemachten, sondern einen Erdbrand, der durch fortwährenden Rauch und zuweilen aufsprühende Flämmchen die unterirdische Glut eines Braunkohlenlagers anzeigt, welche den Bergleuten oft viel Not macht.

In auffallendem Kontrast mit diesen chaotisch zerrissenen Erdschichten überraschen, gleich hinter den Siedehütten, ganz unerwartet die freundlichen und blumenreichen Gärten der Badeanstalt.

Ein bequemer Fahrweg führt vom Kurhause (l l) rings um einen weitläuftigen pleasureground, zu den Mineralbädern (m m), dem Moorbade und den Logierhäusern (n n), viele Fußpromenaden aber mannigfaltig auf den nahen Bergen umher; und es ist sorgsam berücksichtigt worden, diesem in allen seinen Zügen wildern Teil des Parks auch durch verschiedene und schroffere Behandlung die möglichste Abwechselung mit den gestern gesehenen Gegenden zu verschaffen, sowie gleichfalls die fernen Aussichtspunkte auf neue Gegenstände, oder wenigstens in ganz andrer Richtung auf die bekannten zu leiten.

Dem Liebhaber freier, völlig ungebundener Natur wird es daher wohl hier am besten gefallen. Es wird ihm leicht sein, in dichtem Wald und Schluchten die tiefste Einsamkeit aufzufinden, wo seine Gedanken nichts stört, als höchstens das monotone Pochen des nahen Eisenhammers zu Keula, oder ein, etwas sanfter hämmernder, Baumspecht, oder auch der unvermutet aus der Erde hervorsteigende Kopf eines schwarzen Bergmanns, der wie ein Geist erscheint und verschwindet.

Der pleasureground ist hier ebenfalls ganz anders behandelt als in der Nähe des Schlosses. Ein Bad, ein öffentlicher Ort, machen ohnedies andere Ansprüche als solche, die nur für den Privatgebrauch bestimmt sind. Schattige Gänge und eine Menge anmutiger und geräumiger Ruhepunkte werden hier hauptsächlich erfordert, sowie eine Wahl der Pflanzen, deren Blütezeit auf die spätere Jahreszeit des Sommers, als der hauptsächlichsten Badesaison berechnet ist. Ein kleiner Blumengarten, rechts des Kurhauses, welcher von hohen und steilen Abhängen eingefaßt ist, bietet schon von Natur so barocke Formen dar, daß ich den Plan gefaßt habe, ihn fast im Geschmack eines orientalischen Gartens, mit verschiedenen bunten Pavillons auf den steilen und abgerissenen Höhen, zu behandeln. Isoliert wie er ist, und, wie gesagt, durch seine natürliche Beschaffenheit gewissermaßen schon darauf hinweisend, soll die Ausführung dieses Gedankens, wie ich hoffe, hier ganz am rechten Orte sein, um so mehr, da, wie schon angedeutet, in einer für das große Publikum bestimmten Anlage jede Art von verschiednem Geschmack weit eher berücksichtigt werden darf, als in Ziergärten, die eine etwas schärfere Sonderung verlangen. Schon jetzt und ohne viele Beihülfe hat dieser Teil des pleasureground etwas Exotisches. Beendigt stellt ihn das Kupfer auf tab. XXXIII dar; tab: XXXIV gibt eine Ansicht der ganzen Badeanstalt; tab. XXXV zeigt die Aussicht von dem Moos-Salon, und XXXVI den Garten der Trinkgalerie, (o o) ein überall verschloßnes Plätzchen, nur mit Körben voll Centifolien und einer großen antiken Zeltbank im Hintergrunde verziert, die reich mit Hortensien besetzt ist.

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tab. XXXIII Pleasureground am Bad, fast im Geschmack eines orientalischen Gartens.

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tab. XXXIVa: Gegend vor Erbauung des Bades.

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tab. XXXIV b: Ansicht der ganzen Badeanstalt.

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tab. XXXV: Aussicht vom Moos-Salon.

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tab. XXXVI: Garten der Trinkgalerie.

Hat man alle diese Gegenstände besichtigt, welches wohl einige Stunden hinnimmt, so besteigt man von neuem den Wagen, und folgt dem früheren Fahrwege in eine lange und hohe Bergschlucht, wo man zuerst ein Scheibenschießen, und weiterhin in einem weiten Kessel, den die Berge hier bilden, mehrere Spiele und Buden antrifft (p p), nebst einer offnen Reitbahn und Springmaschine, um die Pferde zu üben.

Man steigt dann wieder bergan, passiert eine Kohlenförderung, wo eine Eisenbahn durch das Innere des Berges nach der Alaunhütte führt, und genießt zuletzt auf der Höhe noch eine weite Fernsicht, als deren Hauptpunkt »die Wussina« hervortritt, ein Rehpark in der Entfernung einer kleinen Meile, dessen ich später noch etwas ausführlicher gedenken werde.

Nach dieser ziemlich vollständigen Umfahrung der zum Bade gehörigen Partien nimmt man seine Direktion wieder abwärts und verläßt die Erzregion, um längs der Neiße, bei mehreren sogenannten Logishäusern von verschiedener Form vorüber, die für Badegäste bestimmt sind, nach dem Schlosse zurückzukehren. Auch hier wird, wie man sieht, nur die kurze Strecke eines gestern schon gefahrnen Wegs benutzt, jedoch ebenfalls von der andern Seite herkommend, und daher andere Bilder zeigend.


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