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Zweiter Abschnitt

Größe und Ausdehnung

Es ist nicht unumgänglich nötig, daß ein Park einen sehr großen Umfang habe, um einen großen Effekt zu machen. Oft ist ein unermeßliches Terrain durch Ungeschick dem Auge so verkleinert und so verpfuscht, daß es sehr unscheinbar wird; und so umgekehrt, wie, beiläufig erwähnt, Michelangelo meines Erachtens sehr unrecht hatte, als er vom Pantheon sagte: »Ihr bewundert es auf der Erde, ich werde es in die Luft versetzen« und dadurch eine größere Wirkung hervorzubringen hoffte. Es geschah wie er gesagt, indem er der Kuppel der Peterskirche dieselben Verhältnisse des Pantheons gab; aber wie ungünstig ist der Erfolg! die Kuppel sieht in der Höhe, unter den ungeheuren Massen des Gebäudes verhältnismäßig klein und unbedeutend aus, während das Pantheon, im rechten Gesichtspunkt gestellt, seit Jahrtausenden noch immer erhaben wie die Wölbung des Firmaments erscheint. Die Pyramiden auf die Spitze des Montblanc gestellt, würden dem Auge kaum so groß als Schilderhäuser dünken, und der Montblanc selbst, von den fernen Ebnen aus erblickt, sieht nur wie ein kleiner Schneehügel aus. Also groß und klein bleibt immer relativ. Nicht wie er ist, sondern wie er uns erscheint, beurteilen wir jeden Gegenstand, und grade hier ist dem Gartenkünstler ein weites Feld geöffnet. Der Raum z. B. der, hundert Fuß hoch, im Mittelgrund der Landschaft, den Horizont noch nicht deckt, wird, nur einige Schritte weit von uns, dies schon bei einer Höhe von zehn Fuß vermögen, daher auch ohne Zweifel durch gute Behandlung des Vorgrundes am schnellsten und leichtesten große Wirkungen hervorgebracht, und der Landschaft eine ausdrucksvolle Physiognomie gegeben wird.

Ich kann mich hier der Bemerkung nicht enthalten, daß, wenn ich auch den allgemeinen Anblick englischer Gegenden, den überall verbreiteten Sinn für geschmackvolle Kultur und Landverschönerung, als Muster aufgestellt habe, ich doch der Meinung bin, daß in der einzelnen Ausführung dort vieles besser sein könnte. So scheinen mir die meisten Parks der Engländer, bei manchen andern großen Schönheiten, namentlich in bezug auf diese künstliche Verkleinerung der Größe, einen bedeutenden Fehler zu haben, der sie auf die Länge auch ziemlich ermüdend und monoton macht, Ich spreche hier weder von ihren pleasuregrounds noch Gärten, die voller Abwechselung sind, sondern bloß vom eigentlichen Park. und sie dadurch der oft so herrlich kultivierten freien Landschaft rund um sie her nachstehen läßt, welche wenigstens meinen Ansprüchen an eine durch Kunst veredelte Gegend durch ihre Abwechselung nicht selten weit näherkam. Viele englische Parks sind im Grunde nichts als unermeßliche Wiesen mit malerisch verteilten Gruppen hoher und alter Bäume, die teils der Belebung der Landschaft wegen, teils auch des Nutzens willen, zur Weide für zahlreiche Herden, entweder zahmen Wildes, Schafe, Rindviehs oder Pferde dienen müssen.

Der erste Anblick eines solchen großartigen Raumes imponiert, und bietet fast immer ein herrliches Gemälde dar, aber auch nur dies eine, und der Eindruck bleibt daher für immer derselbe. Geht man in das Detail, so dringt sich noch mancher Übelstand mehr auf. Da alle Bäume bis zu einer gewissen Höhe vom Vieh (oft so regelmäßig wie mit der Schere beschnitten) abgefressen sind, so gewährt ihre Form zu wenig Abwechselung; Gebüsche können ohne besondere Umzäunung gar nicht bestehen, ja jeder einzelne neu gepflanzte junge Baum bedarf einer solchen, wodurch vieles ein steifes und höchst gezwungenes Ansehn erhält, überhaupt auch Gebüsche zu selten angebracht werden können um, wie es doch wünschenswert ist, die Aussicht häufig genug gehörig zu unterbrechen, und aus einem Hauptbilde zugleich mehrere kleinere zu machen. Nur ein einziger Weg führt gewöhnlich durch diese unabsehbare Grasöde ohne alle Spur menschlichen Treibens, zum und vom Schlosse, das mitten im Rasen in seiner einsamen Majestät kahl und kalt daliegt, während Kühe und Schafe bis an die leeren Stufen seiner Marmortreppe grasen. Es wäre nicht zu verwundern, wenn bei dem, in solcher monotonen und einsamen Größe sich ganz unheimlich fühlenden Beschauer, einmal wider Willen der Gedanke erzeugt würde: er befinde sich wohl gar in einem verzauberten Bezirk, wo keine Menschen mehr hausten, sondern John Bull, den Namen mit der Tat tragend, bereits in wirkliche Tiergestalt übergegangen sei. Vermieden würde dies werden, wenn man für Vieh sowohl als Wild nur bestimmte Bezirke abschlösse, und ihnen nicht die ganze Parklandschaft preisgäbe. Es ist aber bei den Engländern fast zur fixen Idee geworden, daß man einer Landschaft, ohne Vieh, nimmer froh werden könne. Dagegen ist ihnen die Belebung durch Menschen desto unerträglicher, denn nichts wird hermetischer verschlossen, als die Gartenanlage eines englischen Privatmannes es in der Regel für jeden Unbekannten ist. Die Humanität unsrer Großen ist ihnen dort gänzlich fremd geblieben, indes finden sie auch einige Entschuldigung in der außerordentlichen Ungezogenheit ihres Pöbels.

Wenn ich früher den Satz aufgestellt habe, daß Größe des Terrains für eine Parkanlage nicht durchaus nötig sei, so gestehe ich doch ein, daß sie, wo sie ohne zu große Opfer zu erlangen ist, sehr wünschenswert bleibt, um mit dem Imposanten dann auch größere Mannigfaltigkeit, die stets den alles besiegenden Reiz der Neuheit darbietet, vereinigen zu können. Caeteris paribus (d. h. mit gleichem Verstand angelegt) würde ich daher dem ausgedehntesten Park immer den Vorzug vor dem kleineren geben, selbst wenn den ersteren einzelne Naturschönheiten noch mehr begünstigten.

Bei uns, wo Grund und Boden einen so viel geringern Wert haben als anderwärts, ist solche Ausdehnung weit leichter zu erringen, und ich rate jedem, so viel er nur kann, darnach zu trachten; ja wenn sein Gut nicht groß ist, lieber das Ganze, ohne besondere Abgrenzung, in eine möglichst verbesserte Landschaft umzuwandeln, was, auch ohne der Ökonomie zu sehr zu nahe zu treten, oft weit leichter und mit geringeren Kosten bewerkstelligt werden kann, als man gewöhnlich annimmt. Gewiß ist es aber, daß, als ein für sich Bestehendes, dem Bedürfnis genügendes Ganze gedacht, ein Park, in dem man nicht wenigstens eine Stunde lang rasch spazierenfahren oder reiten kann, ohne dieselben Wege wieder zu betreten, und der nicht außerdem noch eine weit größere Menge verschiedener Spaziergänge in sich faßt, sehr bald ermüdet, wenn man auf ihn allein beschränkt ist. Wo hingegen eine überreiche pittoreske Natur schon die ganze umgebende Gegend selbst idealisiert und sie, sozusagen, als ein unabsehbares, nur vom Horizont umschloßnes großes Kunstwerk hingestellt hat, wie in vielen Teilen der Schweiz, Italiens, Süddeutschlands, auch unsres Schlesiens zum Teil – da bin ich überhaupt der Meinung, daß alle Anlagen der erwähnten Art nur ein hors d'hœuvre sind. Es kömmt mir vor, als wenn man auf einen prächtigen Claude Lorrain in einer Ecke noch eine besondere kleine Landschaft malen wollte. Dort bescheide man sich, bloß mit Anlegung guter Wege einzugreifen, um den Genuß bequemer zu machen, und hie und da durch Hinwegnahme einzelner Bäume eine Aussicht zu öffnen, welche die, um die Ausstellung ihrer Schönheiten so unbesorgte, Natur mit zu dichtem Schleier verdeckt hat. Um sein Haus aber begnüge man sich mit einem reizenden Garten von geringem Umfange, womöglich im Kontrast mit der Gegend, in dessen engem Raume dann nicht mehr landschaftliche Mannigfaltigkeit, sondern nur Bequemlichkeit, Anmut, Sicherheit und Eleganz bezweckt, wird. Die Gartenkunst der Alten, welche im 15ten Jahrhundert in Italien, durch das Studium der klassischen Schriftsteller, und vorzüglich durch die Beschreibungen, welche Plinius von seinen Villen uns hinterlassen hat, wieder in Anwendung gekommen ist, und aus welcher späterhin die sogenannte französische Gartenkunst in einer kälteren, weniger gemütlichen Form hervorging, verdient hierbei große Berücksichtigung. Diese reiche und prächtige Kunst, welche ein Hervorschreiten der Architektur aus dem Hause in den Garten genannt werden könnte, wie die englische ein Herantreten der Landschaft bis vor unsere Tür möchte also zu dem erwähnten Zweck am passendsten angewendet werden. Man denke sich z. B. mitten in den Felsen der Schweiz, zwischen Abgründen und Wasserstürzen, dunkeln Fichtenwäldern und blauen Gletschern, ein antikes Gebäude, oder einen Palast aus der Straße Balbi, verziert mit allem Glanz und Schmuck der Architektur, umgeben von hohen Terrassen, reichen Parterres vielfarbiger Blumen, durch schattige Rosen- und Weinlauben, kunstreiche Marmorstatuen und plätschernde Springbrunnen belebt – vor diesem Garten aber die ganze natürliche Pracht der Berge weit ausgebreitet rund umher. Ein Schritt nur seitwärts in den Wald getan, und verschwunden, wie durch einen Zauberschlag, sind Schloß und Gärten, um der ungestörtesten Einsamkeit und der Wildnis einer erhabnen Natur wieder Platz zu machen, bis später vielleicht eine Biegung des Weges unerwartet eine Aussicht öffnet, wo in weiter Ferne das Werk der Kunst aus den düstern Tannen von neuem in der glühenden Abendsonne Strahl hervorblitzt, oder über dem dämmernden Tale im Glanze angezündeter Lichter auftaucht, wie ein verwirklichter Feentraum. Würde ein solches Bild nicht zu den reizendsten gehören, und grade dem Kontraste seine Hauptschönheit verdanken?

Anders aber wird da zu verfahren sein, wo die Natur weniger Stoff darbietet, wo der Park, als Oasis in dem weiten Raume, seine eigne Gegend und Landschaft sich erst bilden muß. Obgleich der Schönheit überall dieselben Gesetze zum Grunde liegen müssen, so können sie doch sehr verschieden angewandt und motiviert werden. Man wird in dem vorliegenden Falle vor allem daraufsehen müssen, da man nicht durch große Kontraste eingreifen kann, eine wohltuende, sanftere Harmonie des Ganzen hervorzubringen und daher auch die wenigen Aussichten in die Ferne, die man vorfindet, in Übereinstimmung mit dem Charakter des Parks selbst zu bringen haben. Hier besonders wird nun Größe der Anlage zu einer Hauptbedingung, wo man nämlich eine ganz neue Gegend zu schaffen hat, um ein genügendes Kunstwerk zu erlangen, während man im früher angeführten Falle nur einen Punkt verschönernd zu benutzen brauchte, um die ganze Natur um sich her seinem Zwecke dienstbar zu machen. Fälle, die zwischen diesen beiden Extremen in der Mitte stehen, werden allerdings auch von beiden Seiten Modifikationen zulassen, und mit Geschmack nach der Lokalität beurteilt werden müssen; doch kann man immer das hier Gesagte als Grundregel darauf anwenden.


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