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Erste Abteilung

Andeutungen für Landschaftsgärtnerei im allgemeinen

Erster Abschnitt

Grundidee und Plan einer Gartenanlage

Eine große landschaftliche Gartenanlage in meinem Sinne muß auf einer Grundidee beruhen. Man erlaube mir hier das Wort Idee dem gewöhnlichen Sprachgebrauche nach anzuwenden, und nicht nach der Terminologie der neuern Philosophie. Eine Idee im höhern Sinne liegt der Gartenlandschaftskunst im allgemeinen auch unter, nämlich die: aus dem Ganzen der landschaftlichen Natur, ein konzentriertes Bild, eine solche Natur im Kleinen als poetisches Ideal zu schaffen, dieselbe Idee, welche auch in andern Sphären jedem wahren Kunstwerk das Dasein gibt und aus dem Menschen selbst einen Mikrokosmus, eine Welt im Kleinen, gemacht hat. Sie muß mit Konsequenz und, wenn sie ein gediegnes Kunstwerk werden soll, so viel als möglich nur von einer leitenden Hand angefangen und beendigt werden. Dieser Eine mag und soll die guten Gedanken vieler anderer benutzen, er allein muß sie aber im Geiste zu einem Ganzen verarbeiten, damit der untrügliche Stempel der Individualität und Einheit nicht verlorengehe. Man verstehe mich indessen wohl: eine Grundidee, sage ich, soll dem Ganzen unterliegen, kein verworrenes Arbeiten aufs Geratewohl stattfinden, sondern der leitende, durchbildende Gedanke auch an jedem Einzelnen zu erkennen sein; und füglich mag dieser aus den speziellen Verhältnissen des Künstlers, aus den besondern Umständen seines Lebens oder der früheren Geschichte seiner Familie entspringen, wie durch die Lokalität, welche er vorfindet, bedingt werden aber damit verlange ich dennoch keinesweges, daß auch schon im voraus der ganz genaue Plan der Ausführung bis in jedes Detail entworfen, und daran streng gehalten werde. Grade das Gegenteil möchte ich in gewisser Hinsicht empfehlen; denn, sind auch mit der Idee die Hauptzüge des Ganzen vorher bestimmt, so soll doch während der Ausführung der Künstler sich ungezwungen den Inspirationen seiner Phantasie fortwährend überlassen, vielfach Neues auffinden, seinen Stoff im Schaffen immer noch fort studieren, namentlich hier die rohe vor ihm liegende Natur bei jeder verschiedenen Beleuchtung (denn mit schöner Beziehung ist das Licht eins seiner Hauptmateriale) innerhalb und außerhalb des Bezirks seiner kleinen Schöpfung beobachten, Ursache und Effekt ergründen, und hiernach die früheren, einzelnen Gedanken für das Detail motivieren, oder auch teilweise gänzlich verlassen, wenn ihm später bessere Einsicht wird. Der Maler wird ja ebenfalls von Zeit und Zeit an seinem Gemälde, das doch so unendlich weniger mannigfaltig ist, dies und jenes ändern, diese Stellung gefälliger oder naturgemäßer machen, hier eine Schattierung verbessern, dort jenem Zuge mehr Ausdruck geben müssen – wie wollte es dem Gartenkünstler, der mit so widerspenstigen und oft so schwer zu berechnenden Materialien arbeitet, und eine Menge verschiedener Bilder auch wiederum in eins vereinigen soll, gelingen, alles auf den ersten Versuch unverbesserlich zu treffen!

Ich kenne nichts Erbärmlicheres, als wenn eine verfehlte Einzelheit nicht wieder zerstört, und nach besserer Einsicht hergestellt wird, sondern als Schandfleck im Ganzen bleiben muß, bloß weil sie bereits soundso viel Zeit und Geld gekostet hat, und die Änderung vielleicht noch einmal so viel kosten würde. Geduld gehört zur Übung jeder Kunst, und reichen die Mittel nicht zu, so verwende man lieber das früher zum Fortschreiten Bestimmte, erst zur Verbesserung des Alten. Änderungen, die man einmal als zweckmäßig erkannt, aufzuschieben, ist auch gefährlich, denn das vorhandene Unrichtige gibt bei der Ausführung des Neuen leicht wieder unrichtige Ansichten.

Jemand sagt sehr richtig: »Das künstlerische Produzieren ist wie eine Ehren- so auch eine Gewissenssache.«

Daher ist es dem echten Kunstsinn gar nicht möglich, sich mit etwas als nicht entsprechend oder gar völlig mißlungen Erkanntem zu begnügen. Er bringt lieber jedes Opfer, als den schändenden Fleck bestehen zu lassen, wäre es auch an sich nur ein untergeordneter Gegenstand, wie die Natur ja ebenfalls die Kleinste ihrer bewunderungswürdigen Schöpfungen mit eben der Liebe und emsigsten Sorgfalt ausstattet und vollendet, als sie den Größten und Erhabensten angedeihen läßt.

Obgleich ich bei meinen Anlagen in Muskau mich nie einen Augenblick von der Grundidee entfernt habe, die ich später zu entwickeln schicklichere Gelegenheit finden werde, so will ich doch gar nicht leugnen, daß sich viele Partien hier befinden, die nicht nur retouschiert, sondern oft gänzlich, einmal, ja drei und viermal umgeändert worden sind. Man irrt sehr, wenn man glaubt, daß durch dieses mannigfache Ändern Verwirrung entstehe, sobald dasselbe überhaupt nur mit Grund und Verstand, und nicht aus bloßer Laune vorgenommen wird, in welchem letztern Falle man sich allerdings sehr in acht zu nehmen haben würde, nicht bloße Veränderung für Verbesserung anzusehen. Sonst aber ist das Prinzip des nonum prematur in annum auch hier anzuwenden, und nicht mit Korrigieren und Feilen zu ruhen, bis man endlich das möglichst Beste als dabei Festzuhaltendes erreicht hat, welches oft die Zeit erst deutlich einzusehen lehrt; diese uns oft so lang werdende Zeit, deren Erfolge zu beobachten und zu berechnen, andere Künstler durch unbeschränkte Herrschaft über das ihnen zur Ausführung gegebene Material glücklich überhoben sind.

Als ich vor einigen Jahren eine geistreiche Dame in meinen Anlagen herumführte, äußerte sie gegen mich sehr bescheiden, »daß sie zwar nur wenig von der Sache verstehe, sich indes mancher pittoreskeren, grandioseren Gegend erinnere als die hiesige, etwas aber, was ihr immer von neuem wohltuend eben hier auffalle, sei die imposante Ruhe, die in dem Ganzen herrsche«. Nie hätte mir ein Lobspruch schmeichelhafter sein können, und ist er gegründet, so kann ich mein Werk in seiner Art für gelungen erachten. Dies danke ich dann aber hauptsächlich dem doppelten Grundsatze, stets nur einer Hauptidee gefolgt zu sein, und dennoch nie etwas bestehen gelassen zu haben, was im einzelnen früher verfehlt wurde.

Man sieht hieraus, wie mißlich es ist, einen fremden Künstler auf einige Tage oder Wochen, oder auch Monate kommen zu lassen, um sofort einen Plan zu machen, auf dem jeder Weg und jede Pflanzung, das Ganze mit allen Details schon genau angegeben ist; oder gar einem solchen Tausendkünstler nur eine Situationskarte zuzuschicken, worauf dieser frisch zum Werke schreitet und, ohne alle geistige Beziehung, ohne alle Lokalkenntnis der wahren An- und Aussichten, der Effekte von Berg und Tal, von hohen und niederen Bäumen, sowohl in unmittelbarer Nähe, als in der entfernteren Gegend seine Linien auf das geduldige Papier hinzeichnet, die sich zwar sehr sauber und hübsch dort ausnehmen können, in der Ausführung aber gewöhnlich etwas höchst Klägliches, Schales, Unpassendes, Unnatürliches und gänzlich Mißlungenes zur Welt bringen. Wer mit den Materialien der Landschaft selbst diese bilden will, muß nicht nur aufs genaueste mit ihnen bekannt sein, sondern auch überhaupt bei der Anlage wie bei der Ausführung, in gar vielen Dingen ganz anders zu Werke gehen, als der Maler auf der Leinwand. Die Schönheit einer wirklichen Landschaft ist, selbst nach einem möglichst treuen Gemälde, nur teilweise, nach einer Karte aber gar nicht zu beurteilen, und ich möchte im Gegenteil dreist behaupten, daß (außer in einer ganz platten Gegend ohne Aussicht, wo überhaupt nur sehr wenig geleistet werden kann) ein dem Auge ganz wohlgefälliger Plan, mit stets angenehm darauf hingeführten Linien, keine schöne Natur darstellen könne, denn um in dieser eine schöne Wirkung hervorzubringen, muß man grade oft die auf dem Papier am schroffsten und ungeschicktesten sich ausnehmenden Verbindungen wählen.


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