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Silvesterlied 1942

Es sinkt, die die Jahre scheidet, die Nacht,
Sie schauert von Ewigkeit.
Es schimmert, von eisigen Sternen entfacht,
Es flimmert, in Rätsel gekleidet, die Zeit.
Wir fürchten uns. Gott ist weit.

Wir fürchten uns. Alle Dämonen sind frei.
Durch die Türen, da sickert Blut.
Am Hause vorbei mit uraltem Schrei,
Da wandert des Bösen wütige Brut.
Wir fürchten uns. Niemand ist gut.

Uns graut. Verstümmelte Tote ziehn
Fürbaß durch den scheinenden Schnee.
Die Blüte der Knaben, sie schreitet dahin
Mit fließenden Wunden, in weinendem Weh.
Uns graut vor der bleichen Armee.

Aus Gittern schreien, den Erdteil entlang,
Gefangene dort wie hier.
Es klirren die Ketten, es schließt sich der Strang,
Die Rache rührt sich in schweigender Gier
Und gellt: »Wie du mir, so ich dir!«

Die Haie der Tiefe sind aufgewacht,
Auf Jagd geht der Drachen Geschlecht.
Sie heulen so hohl durch die silberne Nacht,
Sie recken die Fänge, zum Raube erfrecht,
Denn geschwunden sind Satzung und Recht.

Aus Leiden und Schuld eine Sintflut schwillt,
Bald deckt sie die Dächer der Stadt.
Wer ist noch zu rettender Güte gewillt?
Wo sproßt uns ein grünes, verheißendes Blatt?
Wo steht unser Ararat?

Wer weiß noch die Worte? Wer meistert das Meer?
Wer baut einer Arche Schoß?
Wer kennt noch die Liebe? Wer übt sie noch? Wer?
Von den Türmen dröhnt es erbarmungslos.
Wir fürchten uns. Gott ist groß.


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