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»Der Staat wird zu wenig bei uns verkündigt«
Der Staat wird zuwenig bei uns verkündigt. Es sollte Staatsverkündiger, Prediger des Patriotism geben. Jetzt sind die meisten Staatsgenossen auf einem sehr gemeinen, dem feindlichen sehr nahe kommenden Fuße mit ihm.
Der Mensch hat den Staat zum Polster der Trägheit zu machen gesucht, und doch soll der Staat gerade das Gegenteil sein: er ist eine Armatur der gespannten Tätigkeit; sein Zweck ist, den Menschen absolut mächtig und nicht absolut schwach, nicht zum trägsten, sondern zum tätigsten Wesen zu machen. Der Staat überhebt den Menschen keiner Mühe, sondern er vermehrt seine Mühseligkeiten vielmehr ins Unendliche; freilich nicht, ohne seine Kraft ins Unendliche zu vermehren. Der Weg zur Ruhe geht nur durch den Tempel (das Gebiet) der allumfassenden Tätigkeit.
Die Staaten müssen endlich gewahr werden, daß die Erreichung aller ihrer Zwecke bloß durch Gesamtmaßregeln möglich ist.
Unsre Staaten sind fast nichts als rechtliche Institute, nur Defensionsanstalten. Erziehungsinstitute, Akademien und Kunstgesellschaften sind es leider nicht, wenigstens sehr mangelhaft. Dies müssen die Menschen also noch durch besondre Koalitionen supplieren. Auch fehlende Polizeianstalten sollte man durch Privatverbindungen zu ersetzen suchen.
Der Staat ist immer instinktmäßig nach der relativen Einsicht und Kenntnis der menschlichen Natur eingeteilt worden; der Staat ist immer ein Makroanthropos gewesen: die Zünfte = die Glieder und einzelnen Kräfte, die Stände = die Vermögen. der Adel war das sittliche Vermögen, die Priester das religiöse Vermögen, die Gelehrten die Intelligenz, der König der Wille. Allegorischer Mensch.
»Der Staat ist eine Person«
Der Staat ist eine Person wie das Individuum. Was der Mensch sich selbst ist, ist der Staat den Menschen. (Die Staaten werden verschieden bleiben, solange die Menschen verschieden sind.) Im wesentlichen ist der Staat, wie der Mensch, immer derselbe.
Schriften sind die Gedanken des Staats, die Archive sein Gedächtnis.
Charaktermenschen sind Werkzeuge. Im Staat muß man deswegen vielleicht auch einen innern Charakter haben. Die Idee der Reaktionen ist eine echte, historische Idee.
Vernünftiger Staat
Was sind die Erfordernisse eines vernünftigen Staats? Staats Wissenschaft, Staatskenntnis, Staatskunst. (In der Wissenschaft muß alles in sich und durch sich begründet und zusammenhängend sein. In der Kenntnis finden wir nur einzelne Merkmale eines Ganzen, ohne innern Zusammenhang. Die Methodik und die angewandte Wissenschaft machen die Kunst aus.)
Weltstaat und Weltbürger
Der Weltstaat ist der Körper, den die schöne Welt, die gesellige Welt, beseelt. Er ist ihr notwendiges Organ.
Was eigentlich Weltbürger und weltbürgerlich Interesse ist?
Staat und Kirche
Staat und Kirche stehn und fallen zusammen. Die Philosophen oder die systematischen Denker sind notwendig Monarchisten und Religiösen.
Staatskrankheiten
Staatskrankheiten, Staatsunschuld, Staatsgeist, Staatsfertigkeit, Staatsleben, Staatsphysiologie, Staatshandel, Gemeinschaft und wechselseitiger Tauschhandel aller Glieder; Staatslage, Staatsterritorium. An vielen Orten sollte gar kein Staat angelegt werden.
Organe des mystischen Staatsindividuums
Gerichtshöfe, Theater, Hof, Kirche, Regierung, öffentliche Zusammenkünfte, Akademien, Kollegien usw. sind gleichsam die speziellen, innern Organe des mystischen Staatsindividuums.
Der poetische Staat
Ein sehr geistvoller Staat wird von selbst poetisch sein. Je mehr Geist und geistiger Verkehr im Staate ist, desto mehr wird er sich dem poetischen nähern, desto freudiger wird jeder darin, aus Liebe zu dem schönen, großen Individuo, seine Ansprüche beschränken und die nötigen Aufopferungen machen wollen, desto weniger wird der Staat es bedürfen, desto ähnlicher wird der Geist des Staats dem Geiste eines einzelnen musterhaften Menschen sein, der nur ein einziges Gesetz auf immer ausgesprochen hat: Sei so gut und poetisch als möglich.
Genialischer Staat. (Reunion der Opposition.)
Die gemäßigte Regierungsform ist halber Staat und halber Naturstand; es ist eine künstliche, sehr zerbrechliche Maschine, daher allen genialischen Köpfen höchst zuwider, aber das Steckenpferd unsrer Zeit. Ließe sich diese Maschine in ein lebendiges, autonomes Wesen verwandeln, so wäre das große Problem gelöst. Naturwillkür und Kunstzwang durchdringen sich, wenn man sie in Geist auflöst. Der Geist macht beides flüssig. Der Geist ist jederzeit poetisch. Der poetische Staat ist der wahrhafte, vollkommne Staat.
Staat und Eigentum
Im Staate muß alles Privatrecht und Eigentum historisch dokumentiert werden können. Was nicht ausdrücklich jemand gehört, gehört dem Staate. Der Staat wird, wie die Ehe, unter kirchlicher Sanktion geschlossen – es ist eine Personalverbindung. Was der Privatmann hat, das hat er vom Staate. Abgaben sind zu erstattender Verlag – Staatsbesoldung.
Staatsökonomie
Staatsökonomie. Zur Holzersparung gemeinschaftliche Küchen, gemeinschaftliche Wohngebäude. Polizeiaufsicht der Möblierung und des Hausgeräts. Die ganze Ökonomie im Staate könnte im Großen betrieben werden; der Bauernstand fiele weg, und es bliebe nur ein Geschäftsstand. Taxation der Arbeiten.
Wenn alle Staaten vortrefflich wirtschafteten, wie würde es mit denen aussehen, die nicht im Besitz von gewissen unentbehrlichen Bedürfnissen, z. B. Metallen, oder sonst nicht begünstigt wären? (Bevölkerung – höchste Tätigkeit.)
Polizei
Von dem negativen Prinzip des Staats (Sicherheit) und dem positiven Prinzip des Staats (Erweiterung oder Sicherheit im höhern Sinne). Beide greifen ineinander ein. Polizei und Politik.
Medizinische Polizei
Medizinische Polizei. Die Kochkunst gehört zum Ressort der Polizei. Über die Diät der verschieden Stände. Die Volkslustbarkeiten hat die poetisch medizinische Polizei unter sich.
Philosophie der Akzise
Philosophie der Akzise. Nie ist die Bevölkerung zu groß. Die zweckmäßige, systematische Beschäftigung der Menschenmasse ist das Hauptproblem des Politikers. Kein Stand wird übersetzt, ohne daß nicht ein anderer Mangel leidet. Je mehr Abgaben, je mehr Staatsbedürfnisse, desto vollkommener der Staat. Keine Abgabe soll sein, die nicht ein Gewinn für die einzelnen ist. Wieviel mehr müßte ein Mensch außerm Staate anwenden, um sich Sicherheit, Recht, gute Wege usw. zu verschaffen! Nur wer nicht im Staate lebt, in dem Sinne, wie man in seiner Geliebten lebt, wird sich über Abgaben beschweren. Abgaben ist der höchste Vorteil. Die Abgaben kann man als Besoldung des Staats, d. i. eines sehr mächtigen, sehr gerechten, sehr klugen und sehr amüsanten Menschen betrachten. – Das Bedürfnis eines Staats ist das dringendste Bedürfnis eines Menschen. Um Mensch zu werden und zu bleiben, bedarf er eines Staats. Der Staat hat natürlich Rechte und Pflichten wie der einzelne Mensch. Ein Mensch ohne Staat ist ein Wilder. Alle Kultur entspringt aus den Verhältnissen eines Menschen mit dem Staate. Je gebildeter, desto mehr Glied eines gebildeten Staats. Es gibt wilde Staaten, es gibt gesittete Staaten, moralische und unmoralische, genialische und Philisterstaaten. Staaten erziehen sich selbst oder werden erzogen von andern Staaten.
Benutzung des Geldes. Mehr Stellen im Staate. Besoldungssystem. Mit einem Kontrakt muß man auch in der Seele des Gegners zufrieden sein können.
Allgemein europäische Gebrechen. Waren die gelehrten Stände nicht sonst zu gut bezahlt?
Politik
Politik ist eine gelehrte historische Wissenschaft und Kunst.
Politisches Leben
Auflösung des hauptpolitischen Problems. Ist ein politisches Leben möglich? oder: Sind Verbindungen der entgegengesetzten politischen Elemente a priori möglich?
Ehe und Politik
Die Ehe ist für die Politik, was der Hebel für die Maschinenlehre. Der Staat besteht nicht aus einzelnen Menschen, sondern aus Paaren und Gesellschaften. Die Stände der Ehe sind die Stände des Staats: Frau und Mann. Die Frau ist der sogenannte ungebildete Teil.
Es gibt ein Ideal dieses Standes; Rousseau sah es ausschließend in seiner Apologie des Naturmenschen. Rousseaus Philosophemen sind überhaupt weibliche Philosophie oder Theorie der Weiblichkeit – Ansichten aus dem weiblichen Gesichtspunkte. Jetzt ist die Frau Sklavin geworden.
Theoretische Politiker
Kühnheit kann man den theoretischen Politikern nicht vorwerfen. Keinem ist noch eingefallen zu versuchen, ob nicht Monarchie und Demokratie schlechterdings als Elemente eines wahren Universalstaats vereinigt werden müßten und könnten.
Der vollkommene Bürger
Der vollkommene Bürger lebt ganz im Staate; er hat kein Eigentum außer dem Staate. Das Völkerrecht ist der Anfang zur universellen Gesetzgebung, zum universellen Staate. (Über Allianzen, Friedensschlüsse, Traktate, Unionen, Garantien.)
Ostrazism
Alles Ausgezeichnete verdient den Ostrazism. Es ist gut, wenn es ihn sich selbst gibt. Alles Absolute muß aus der Welt hinaus. In der Welt muß man mit der Welt leben. Man lebt nur, wenn man im Sinne der Menschen lebt, mit denen man lebt. Alles Gute in der Welt kommt von innen her (und also ihr von außen), aber es blitzt nur hindurch. Das Ausgezeichnete bringt die Welt weiter, aber es muß auch bald fort.
Heroism
Heroism ist die Grundlage zum Patriotism.
Regierungsformen
Konstitutionen
(Politik.) Konstitution ist Konstruktionsformel einer Nation, eines Staats.
Hierarchie = Monarchie. Regierung eines einzelnen.
Episkopalverfassung = Aristokratie. Regierung mehrerer.
Protestantism = Demokratie. Regierung aller und eines jeden.
Ihre Vermischungen, Beschränkungen usw.
Populäre und gelehrte – historische und philosophische Staatsverfassungen.
Eine vollkommne Konstitution
Eine vollkommne Konstitution – Bestimmung des Staatskörpers, der Staatsseele, des Staatsgeistes, macht alle ausdrücklichen Gesetze überflüssig. Sind die Glieder genau bestimmt, so verstehn sich die Gesetze von selbst. Solange die Glieder noch nicht vollkommne Glieder sind, noch nicht genau bestimmt, so muß es Gesetze geben. Mit wahrer Kultur im allgemeinen vermindert sich die Zahl der Gesetze. Gesetze sind das Komplement mangelhafter Naturen und Wesen, daher synthetisch. Wenn wir das Wesen eines Geistes näher bestimmen werden, so haben wir auch keine geistigen Gesetze mehr nötig.
Über das Moralgesetz. Mit vollständiger Selbstkenntnis und Weltkenntnis, vollständiger Selbst- und Weltbestimmung verschwindet das Moralgesetz, und die Beschreibung des moralischen Wesens steht an der Stelle des Moralgesetzes. Gesetze sind die Data, aus denen ich Beschreibungen zusammensetze.
Eine wahre Demokratie
Eine wahre Demokratie ist ein absoluter Minus-Staat. Eine wahre Monarchie ist ein absoluter Plus-Staat. Die Konstitution der Monarchie ist der Charakter des Regenten. Ihre Garantie ist sein Wille. Demokratie, im gewöhnlichen Sinn, ist im Grunde von der Monarchie nicht verschieden, nur daß hier der Monarch eine Masse von Köpfen ist. Echte Demokratie ist Protestantismus – politischer Naturstand wie der Protestantism im engern Sinn religiöser Naturstand.
Republik und Monarchie
Republik und Monarchie werden durch eine Unionsakte vereinigt. Es muß mehrere notwendige Stufen von Staaten geben, die aber durch eine Union vereinigt sein müssen.
Sonst hat man das römische Recht für ein römisches Spezifikum angesehn und so vieles. Der Prozeß ist der Generationsprozeß des Urteils, des Rechts, etwas wie ein Beweis. (Der allgemeine Prozeß.)
Republik
Republikist philosophischer Staat. Republikanism ist politischer Philosophism.
Das ist ein eigener Reiz der Republik, daß sich alles in ihr viel freier äußert. Tugenden und Laster, Sitten und Unarten, Geist und Dummheit, Talent und Ungeschicklichkeit treten viel stärker hervor, und so gleicht eine Republik dem tropischen Klima, nur nicht in der Regelmäßigkeit der Witterung.
Freiheit und Gleichheit verbunden ist der höchste Charakter der Republik oder der echten Harmonie.
Revolutionen
Historisches Gemälde der Revolution.
Es sind viele antirevolutionäre Bücher für die Revolution geschrieben worden. Burke hat aber ein revolutionäres Buch gegen die Revolution geschrieben.
Die meisten Beobachter der Revolution, besonders die Klugen und Vornehmen, haben sie für eine lebensgefährliche und ansteckende Krankheit erklärt. Sie sind bei den Symptomen stehengeblieben und haben diese auf eine mannigfaltige Weise untereinander geworfen und ausgelegt. Manche haben es für ein bloß lokales Übel gehalten. Die genievollsten Gegner drangen auf Kastration. Sie merkten wohl, daß diese angebliche Krankheit nichts als Krise der eintretenden Pubertät sei.
Schlacht und Krieg
Die Kriegskunst zerfällt in eine Menge besonderer Lehren: die Tanzkunst, Gymnastik, Fechtkunst, Schießkunst, Psychologie usw. liefern ihre Beiträge zur Kriegskunst. (Auch Rechenkunst, Mathematik, Ökonomie, Politik usw.)
(Krieg – kriegen – erhalten.)
Was ist eine Schlacht? Ein Desorganisationsprozeß. Der Zweck der Schlacht ist, die feindliche Armee zu vernichten. Sie kann durch ihre Aufreibung oder durch ihre Auflösung, als Armee, zerstört werden. Töten ist keine Kunst, aber binden, trennen usw.
Der Festungs- und Positionskrieg ist eine ganz andre Art von Krieg.
Die klugen Anführer der Franzosen haben dadurch einen Meisterstreich gemacht, daß sie ihrem Kriege das Ansehn eines Meinungskriegs zu geben gewußt haben. Nur in Spekulationsstuben und in sehr einzelnen Orten und Individuen ist er es gewesen, nur accessorie, nicht von Haus aus.
»Von interessanten Regenten«
Von interessanten Regenten, die, fruchtbar an neuen Ideen, die Regierungskunst erweiterten und ihren Zeitgenossen, ihrer Regierung einen großen, individuellen Charakter gaben – denen die Menschheit Fortschritte und Aufklärungen im großen zu verdanken hat. In diesem Jahrhundert vielleicht nur Peter der Große und Joseph der Zweite. Friedrich der Große gehört wenigstens nicht ganz in diese Rubrik. Interessante Menschen gab's mehr unter den Regenten.
Der König
Sollte ein König, der zugleich moralisches Genie ist, nicht von selbst unsterblich sein? – Allmähliche Vermehrung des innern Reizes ist die Hauptsorge des Künstlers der Unsterblichkeit. Mit welchem Recht kann man hier nicht sagen, auch darin haben die Dichter auf eine sonderbare Weise wahrgesagt, daß die Musen allein Unsterblichkeit geben. Dadurch tritt der Stand eines Gelehrten in eine höhere Region.
Aus Ökonomie gibt es nur einen König. Müßten wir nicht haushälterisch zu Werke gehn, so wären wir alle Könige.
Die Unschuld des Königs und der Königin. Der Anfang der Regierung. Die Forderungen an ihn. Braucht ein König sehr in Sorgen zu sein? Preußens Aussichten. Finanzen. Über meinen Aufsatz. Phantasie des Königs.
»Glauben und Liebe« oder »Der König und die Königin«
Vorrede
Wenn man mit wenigen in einer großen, gemischten Gesellschaft etwas Heimliches reden will, und man sitzt nicht nebeneinander, so muß man in einer besondern Sprache reden. Diese besondre Sprache kann entweder eine dem Ton nach oder den Bildern nach fremde Sprache sein. Dies letztere wird eine Tropen- und Rätselsprache sein.
Viele haben gemeint, man solle von zarten, mißbrauchbaren Gegenständen eine gelehrte Sprache führen, zum Beispiel lateinisch von Dingen der Art schreiben. Es käme auf einen Versuch an, ob man nicht in der gewöhnlichen Landessprache so sprechen könnte, daß es nur der verstehn könnte, der es verstehn sollte. Jedes wahre Geheimnis muß die Profanen von selbst ausschließen. Wer es versteht, ist von selbst, mit Recht, Eingeweihter.
Der mystische Ausdruck ist ein Gedankenreiz mehr. Alle Wahrheit ist uralt. Der Reiz der Neuheit liegt nur in den Variationen des Ausdrucks. Je kontrastierender die Erscheinung, desto größer die Freude des Wiedererkennens.
Was man liebt, findet man überall und sieht überall Ähnlichkeiten. Je größer die Liebe, desto weiterund mannigfaltiger diese ähnliche Welt. Meine Geliebte ist die Abbreviatur des Universums, das Universum die Elongatur meiner Geliebten. Dem Freunde der Wissenschaften bieten sie alle Blumen und Souvenirs für seine Geliebte.
Aber woher die ernsten, mystisch-politischen Philosopheme? Ein Begeisterter äußert sein höheres Leben in allen seinen Funktionen; also philosophiert er auch, und zwar lebhafter als gewöhnlich, poetischer. Auch dieser tiefe Ton gehört in die Symphonie seiner Kräfte und Organe. Gewinnt aber nicht das Allgemeine durch individuelle, das Individuelle durch allgemeine Beziehungen?
Laßt die Libellen ziehn; unschuldige Fremdlinge sind es, Folgen dem Doppelgestirn froh, mit Geschenken, hieher.
Ein blühendes Land ist doch wohl ein königlicheres Kunstwerk als ein Park. Ein geschmackvoller Park ist eine englische Erfindung. Ein Land, das Herz und Geist befriedigt, dürfte eine deutsche Erfindung werden; und der Erfinder wäre doch wohl der König aller Erfinder.
Der beste unter den ehemaligen französischen Monarchen hatte sich vorgesetzt, seine Untertanen so wohlhabend zu machen, daß jeder alle Sonntage ein Huhn mit Reis auf seinen Tisch bringen könnte. Würde nicht die Regierung aber vorzuziehn sein, unter welcher der Bauer lieber ein Stück verschimmelt Brot äße als Braten in einer andern und Gott für das Glück herzlich dankte, in diesem Lande geboren zu sein?
Wenn ich morgen Fürst würde, so bat ich zuerst den König um einen Eudiometer wie den seinigen. Kein Instrument ist einem Fürsten nötiger. Auch würde ich, wie er, die Lebensluft für meinen Staat mehr aus blühenden Pflanzungen als aus Salpeter zu ziehen suchen.
Gold und Silber sind das Blut des Staats. Häufungen des Bluts am Herzen und im Kopfe verraten Schwäche in beiden. Je stärker das Herz ist, desto lebhafter und freigebiger treibt es das Blut nach den äußern Teilen. Warm und belebt ist jedes Glied, und rasch und mächtig strömt das Blut nach dem Herzen zurück.
Ein einstürzender Thron ist wie ein fallender Berg, der die Ebene zerschmettert und da ein totes Meer hinterläßt, wo sonst ein fruchtbares Land und lustige Wohnstätte war.
Macht nur die Berge gleich, das Meer wird es euch Dank wissen. Das Meer ist das Element von Freiheit und Gleichheit. Indes warnt es, auf Lager von Schwefelkies zu treten; sonst ist der Vulkan da und mit ihm der Keim eines neuen Kontinents.
Die mephitischen Dünste der moralischen Welt verhalten sich anders wie ihre Namensvettern in der Natur.
Jene steigen gern in die Höhe, da diese am Boden hängen bleiben. Für die Höhenbewohner ist kein besseres Mittel dagegen als Blumen und Sonnenschein. Beides hat sich nur selten auf Höhen zusammengetroffen. Auf einer der höchsten moralischen Erdhöhen kann man aber jetzt die reinste Luft genießen und eine Lilie an der Sonne sehn.
Es war kein Wunder, wenn die Bergspitzen meistenteils nur auf die Täler herabdonnerten und die Fluren verwüsteten. Böse Wolken zogen sich meist um sie her und verbargen ihnen ihre Abkunft vom Lande; dann erschien ihnen die Ebene nur wie ein dunkler Abgrund, über welchen sie die Wolken zu tragen schienen, oder wie ein empörtes Meer, da doch nichts eigentlich gegen sie empört war und sie allmählich abstumpfte und herunterwusch als die anhänglich scheinenden Wolken.
Ein wahrhaftes Königspaar ist für den ganzen Menschen, was eine Konstitution für den bloßen Verstand ist. Man kann sich für eine Konstitution nur wie für einen Buchstaben interessieren. Ist das Zeichen nicht ein schönes Bild oder ein Gesang, so ist Anhänglichkeit an Zeichen die verkehrteste aller Neigungen. – Was ist ein Gesetz, wenn es nicht Ausdruck des Willens einer geliebten, achtungswerten Person ist? Bedarf der mystische Souverän nicht, wie jede Idee, eines Symbols, und welches Symbol ist würdiger und passender als ein liebenswürdiger, trefflicher Mensch? Die Kürze des Ausdrucks ist doch wohl etwas wert, und ist nicht ein Mensch ein kürzerer, schönerer Ausdruck eines Geistes als ein Kollegium? Wer recht viel Geist hat, den hemmen Schranken und Unterschiede nicht; sie reizen ihn vielmehr. Nur der Geistlose fühlt Last und Hemmung. Übrigens ist auch ein geborner König besser als ein gemachter. Der beste Mensch wird eine solche Erhebung nicht ohne Alteration ertragen können. Wer so geboren ist, dem schwindelt nicht, den überreizt auch eine solche Lage nicht. Und ist denn am Ende nicht die Geburt die primitiv Wahl? Die müssen sich nicht lebendig in sich gefühlt haben, die die Freiheit dieser Wahl die Einmütigkeit bei derselben bezweifeln.
Wer hier mit seinen historischen Erfahrungen angezogen kommt, weiß gar nicht, wovon ich rede, und auf welchem Standpunkt ich rede; dem sprech' ich Arabisch, und er tut am besten, seines Wegs zu gehn und sich nicht unter Zuhörer zu mischen, deren Idiom und Landesart ihm durchaus fremd ist.
Meinethalben mag jetzt der Buchstabe an der Zeit sein. Es ist kein großes Lob für die Zeit, daß sie so weit von der Natur entfernt, so sinnlos für Familienleben, so abgeneigt der schönsten poetischen Gesellschaftsform ist. Wie würden unsre Kosmopoliten erstaunen, wenn ihnen die Zeit des ewigen Friedens erschiene und sie die höchste, gebildetste Menschheit in monarchischer Form erblickten? Zerstäubt wird dann der papierne Kitt sein, der jetzt die Menschen zusammenkleistert, und der Geist wird die Gespenster, die statt seiner in Buchstaben erschienen und von Federn und Pressen zerstückelt ausgingen, verscheuchen und alle Menschen wie ein paar Liebende zusammenschmelzen.
Der König ist das gediegene Lebensprinzip des Staats; ganz dasselbe, was die Sonne im Planetensystem ist. Zunächst um das Lebensprinzip her, erzeugt sich mithin das höchste Leben im Staate, die Lichtatmosphäre. Mehr oder weniger vererzt ist es in jedem Staatsbürger. Die Äußerungen des Staatsbürgers in der Nähe des Königs werden daher glänzend und so poetisch als möglich oder Ausdruck der höchsten Belebung sein. Da nun in der höchsten Belebung der Geist zugleich am wirksamsten ist, die Wirkungen des Geistes Reflexionen sind, die Reflexion aber, ihrem Wesen nach, bildend ist, mit der höchsten Belebung also die schöne oder vollkommene Reflexion verknüpft ist, so wird auch der Ausdruck des Staatsbürgers in der Nähe des Königs Ausdruck der höchsten, zurückgehaltenen Kraftfülle, Ausdruck der lebhaftesten Regungen, beherrscht durch die achtungsvollste Besonnenheit, ein unter Regeln zu bringendes Betragen sein. Ohne Etikette kann kein Hof bestehn. Es gibt aber eine natürliche Etikette, die schöne, und eine erkünstelte, modische, die häßliche. Herstellung der erstem wird also keine unwichtige Sorge des denkenden Königs sein, da sie einen bedeutenden Einfluß auf den Geschmack und die Liebe für die monarchische Form hat.
Jeder Staatsbürger ist Staatsbeamter. Seine Einkünfte hat er nur als solcher. Man hat sehr unrecht, den König den ersten Beamten des Staats zu nennen. Der König ist kein Staatsbürger, mithin auch kein Staatsbeamter. Das ist eben das Unterscheidende der Monarchie, daß sie auf dem Glauben an einen höhergeborenen Menschen, auf der freiwilligen Annahme eines Idealmenschen, beruht. Unter meinesgleichen kann ich mir keinen Obern wählen; auf einen, der mit mir in der gleichen Lage befangen ist, nichts übertragen. Die Monarchie ist deswegen echtes System, weil sie an einen absoluten Mittelpunkt geknüpft ist; an ein Wesen, was zur Menschheit, aber nicht zum Staate gehört. Der König ist ein zum irdischen Fatum erhobener Mensch. Diese Dichtung drängt sich dem Menschen notwendig auf. Sie befriedigt allein eine höhere Sehnsucht seiner Natur. Alle Menschen sollen thronfähig werden. Das Erziehungsmittel zu diesem fernen Ziel ist ein König. Er assimiliert sich allmählich die Masse seiner Untertanen. Jeder ist entsprossen aus einem uralten Königsstamm. Aber wie wenige tragen noch das Gepräge dieser Abkunft?
Ein großer Fehler unserer Staaten ist es, daß man den Staat zu wenig sieht. Überall sollte der Staat sichtbar, jeder Mensch als Bürger charakterisiert sein. Ließen sich nicht Abzeichen und Uniformen durchaus einführen? Wer so etwas für geringfügig hält, kennt eine wesentliche Eigentümlichkeit unsrer Natur nicht.
Ein Regent kann für die Erhaltung seines Staats in den jetzigen Zeiten gewiß nicht zweckmäßiger sorgen, als wenn er ihn vielmöglichst zu individualisieren sucht.
Die alte Hypothese, daß die Kometen die Revolutionsfackeln des Weltsystems wären, gilt gewiß für eine andere Art von Kometen, die periodisch das geistige Weltsystem revolutionieren und verjüngen. Der geistige Astronom bemerkt längst den Einfluß eines solchen Kometen auf einen beträchtlichen Teil des geistigen Planeten, den wir die Menschheit nennen. Mächtige Überschwemmungen, Veränderungen der Klimate, Schwankungen des Schwerpunkts, allgemeine Tendenz zum Zerfließen, sonderbare Meteore sind die Symptome dieser heftigen Inzitation, deren Folge den Inhalt eines neuen Weltalters ausmachen wird. So nötig es vielleicht ist, daß in gewissen Perioden alles in Fluß gebracht wird, um neue, notwendige Mischungen hervorzubringen und eine neue, reinere Kristallisation zu veranlassen, so unentbehrlich ist es jedoch ebenfalls, diese Krisis zu mildern und die totale Zerfließung zu behindern, damit ein Stock übrigbleibe, ein Kern, an den die neue Masse anschließe und in neuen schönen Formen sich um ihn her bilde. Das Feste ziehe sich also immer fester zusammen, damit der überflüssige Wärmestoff vermindert werde, und man spare kein Mittel, um das Zerweichen der Knochen, das Zerlaufen der typischen Faser zu verhindern.
Würde es nicht Unsinn sein, eine Krisis permanent zu machen und zu glauben, der Fieberzustand sei der echte, gesunde Zustand, an dessen Erhaltung dem Menschen alles gelegen sein müßte? Wer möchte übrigens an seiner Notwendigkeit, n seiner wohltätigen Wirksamkeit zweifeln.
Es wird eine Zeit kommen und das bald, wo man allgemein überzeugt sein wird, daß kein König ohne Republik und keine Republik ohne König bestehn könne, daß beide so unteilbar sind wie Körper und Seele, und daß ein König ohne Republik und eine Republik ohne König nur Worte ohne Bedeutung sind. Daher entstand mit einer echten Republik immer ein König zugleich und mit einem echten König eine Republik zugleich. Der echte König wird Republik, die echte Republik König sein.
Diejenigen, die in unsern Tagen gegen Fürsten, als solche, deklamieren und nirgends Heil statuieren als in der neuen, französischen Manier, auch die Republik nur unter der repräsentativen Form erkennen, und apodiktisch behaupten, daß nur da Republik sei, wo es Primär- und Wahlversammlungen, Direktorium und Räte, Munizipalitäten und Freiheitsbäume gäbe, die sind armselige Philister, leer an Geist und arm an Herzen, Buchstäbler, die ihre Seichtigkeit und innerliche Blöße hinter den bunten Fahnen der triumphierenden Mode, unter der imposanten Maske des Kosmopolitismus zu verstecken suchen, und die Gegner, wie die Obskuranten, verdienen, damit der Frosch- und Mäusekrieg vollkommen versinnlicht werde.
Wird nicht der König schon durch das innige Gefühl Ihres Werts zum König?
Was bei andern Fürsten der erste Tag war, wird hier der Lebenstag des Königs sein. Die Regierungszeit der meisten ist nur der erste Tag. Der erste Tag ist das Leben dieser Ephemeren. Dann sterben sie, und mit ihren Reliquien wird nun mannigfacher Mißbrauch getrieben. So sind die meisten sogenannten Regierungen Interregna; die Fürsten nur das rote, heilige Wachs, welches die Befehle sanktioniert.
Was sind Orden? Irrwische oder Sternschnuppen. Ein Ordensband sollte eine Milchstraße sein, gewöhnlich ist es nur ein Regenbogen, eine Einfassung des Ungewitters. Ein Brief, ein Bild der Königin; das wären Orden, Auszeichnungen der höchsten Art; Auszeichnungen, die zu den ausgezeichnetsten Taten entzündeten. Auch verdienstvolle Hausfrauen sollten ähnliche Ehrenzeichen bekommen.
Die Königin hat zwar keinen politischen, aber einen häuslichen Wirkungskreis im großen. Vorzüglich kommt ihr die Erziehung ihres Geschlechts, die Aufsicht über die Kinder des ersten Alters, über die Sitten im Hause, die Verpflegung der Hausarmen und Kranken, besonders der von ihrem Geschlechte, die geschmackvolle Verzierung des Hauses, die Anordnung der Familienfeste und die Einrichtung des Hoflebens von Rechtswegen zu. Sie sollte ihre eigne Kanzlei haben, und ihr Mann wäre ihr erster Minister, mit dem sie alles überlegte. Zur Erziehung ihres Geschlechts würde Abschaffung der ausdrücklichsten Anstalten seiner Korruption gehören. Sollte der Königin nicht beim Eintritt in eine Stadt schaudern, wo die tiefste Herabwürdigung ihres Geschlechts ein öffentliches Gewerbe ist? Die härtesten Strafen würden für diese echten Seelenverkäufer nicht zu hart sein. Ein Mord ist weit schuldloser. Die gepriesene Sicherheit, die dadurch beabsichtigt wird, ist eine sonderbare Begünstigung der Brutalität. Sowenig sich die Regierung in Privatangelegenheiten mischen dürfte, so sollte sie doch jede Beschwerde, jedes öffentliche Skandal, jede Anzeige oder Klage eines entehrten Gegenstandes auf das strengste untersuchen. Wem steht das Schutzrecht des beleidigten Geschlechts mehr zu als der Königin? Sie muß für den Aufenthalt in einer Stadt erröten, die Asyle und Bildungsinstitute der Verworfenheit in sich befaßt.
Ihr Beispiel wird übrigens unendlich viel wirken. Die glücklichen Ehen werden immer häufiger und die Häuslichkeit mehr als Mode werden. Sie wird zugleich echtes Muster des weiblichen Anzugs sein. Der Anzug ist gewiß ein sehr richtiger Ethometer. Er hat leider in Berlin immer auf einem sehr niedrigen Punkte gestanden, oft unter Null. Was könnte nicht die Gesellschaft der Königin auf die jungen Weiber und Mädchen in Berlin wirken? Es wäre an sich schon eine ehrenvolle Distinktion und würde die öffentliche Meinung notwendig wieder sittlich stimmen; und am Ende ist doch die öffentliche Meinung das kräftigste Restaurations- und Bildungsmittel der Sitten.
Von der öffentlichen Gesinnung hängt das Betragen des Staats ab. Veredlung dieser Gesinnung ist die einzige Basis der echten Staatsreform. Der König und die Königin können und müssen als solche das Prinzip der öffentlichen Gesinnung sein. Dort gibt es keine Monarchie mehr, wo der König und die Intelligenz des Staats nicht mehr identisch sind. Daher war der König von Frankreich schon lange vor der Revolution dethronisiert und so die meisten Fürsten Europas. Es würde ein sehr gefährliches Symptom des neupreußischen Staats sein, wenn man zu stumpf für die wohltätigen Einflüsse des Königs und der Königin wäre, wenn es in der Tat an Sinn für dieses klassische Menschenpaar gebräche. Das muß sich in kurzem offenbaren. Wirken diese Genien nichts, so ist die vollkommene Auflösung der modernen Welt gewiß, und die himmlische Erscheinung ist nichts als das Aufblitzen der verfliegenden Lebenskraft, die Sphärenmusik eines Sterbenden, die sichtbare Ahndung einer bessern Welt, die edlern Generationen bevorsteht.
Der Hof ist eigentlich das große Muster einer Haushaltung. Nach ihm bilden sich die großen Haushaltungen des Staats, nach diesen die kleinern, und so herunter. Wie mächtig könnte nicht die Hofreform wirken! Der König soll nicht frugal wie ein Landmann oder ein begüterter Privatmann sein; aber es gibt auch eine königliche Frugalität, und diese scheint der König zu kennen. Der Hof soll das klassische Privatleben im großen sein. Die Hausfrau ist die Feder des Hauswesens. So die Königin die Feder des Hofs. Der Mann furniert, die Frau ordnet und richtet ein. Ein frivoles Hauswesen ist meistenteils die Schuld der Frau. Daß die Königin durchaus antifrivole ist, weiß jedermann. Daher begreife ich nicht, wie sie das Hofleben, wie es ist, ertragen kann. Auch ihrem Geschmack, der so innig eins mit ihrem Herzen ist, muß die fade Monotonie desselben unerträglich auffallen.
Das Schauspiel und Konzert und hin und wieder die Zimmerverzierungen ausgenommen, trifft man fast keine Spur von Geschmack im gewöhnlichen europäischen Hofleben, und auch jene Ausnahmen, wie oft sind sie geschmacklos, wie oft werden sie nicht geschmacklos genossen. Wie äußerst mannigfaltig könnte es aber sein? Ein geistvoller Mâtre des Plaisirs könnte, geleitet vom Geschmack der Königin, aus dem Hofe ein irdisches Paradies machen, könnte das einfache Thema des Lebensgenusses durch unerschöpfliche Variationen führen und uns so die Gegenstände der allgemeinen Anbetung in einer immer neuen, immer reizenden Umgebung erblicken lassen. Welches Gefühl aber ist himmlischer als das, seine Geliebten im wahrhaftesten Lebensgenüsse begriffen zu wissen.
Jede gebildete Frau und jede sorgfältige Mutter sollte das Bild der Königin in ihrem oder ihrer Töchter Wohnzimmer haben. Welche schöne kräftige Erinnerung an das Urbild, das jede zu erreichen sich vorgesetzt hätte. Ähnlichkeit mit der Königin würde der Charakterzug der neupreußischen Frauen, ihr Nationalzug. Ein liebenswürdiges Wesen unter tausendfachen Gestalten. Mit jeder Trauung ließe sich leicht eine bedeutungsvolle Huldigungszeremonie der Königin einführen; und so sollte man mit dem König und der Königin das gewöhnliche Leben veredeln, wie sonst die Alten es mit ihren Göttern taten. Dort entstand echte Religiosität durch diese unaufhörliche Mischung der Götterwelt in das Leben. So könnte hier durch diese beständige Verwebung des königlichen Paars in das häusliche und öffentliche Leben echter Patriotism entstehn.
Die Gruppe von Schadow sollte die gute Gesellschaft in Berlin zu erhalten suchen, eine Loge der sittlichen Grazie stiften und sie in dem Versammlungssaale aufstellen. Diese Loge könnte eine Bildungsanstalt der jungen weiblichen Welt aus den kultivierten Ständen sein, und der Königsdienst wäre dann, was der Gottesdienst auf eine ähnliche Weise sein sollte, echte Auszeichnung und Belohnung der trefflichsten ihres Geschlechts.
Sonst mußte man sich vor den Höfen, wie vor einem ansteckenden Orte, mit Weib und Kindern flüchten. An einen Hof wird man sich jetzt vor der allgemeinen Sittenverderbnis, wie auf eine glückliche Insel, zurückziehen können. Um eine treffliche Frau zu finden, mußte ein behutsamer junger Mann sonst in die entlegenem Provinzen, wenigstens in die gänzlich von Stadt und Hof entfernten Familien gehn; künftig wird man, wie es nach dem ursprünglichen Begriff sein sollte, an Hof, als zum Sammelplatz des Besten und Schönsten gehn und sich glücklich preisen können, eine Frau aus der Hand der Königin zu empfangen.
Dieser König ist der erste König von Preußen. Er setzt sich alle Tage die Krone selbst auf, und zu seiner Anerkennung bedarf es keiner Negotiationen.
Der König und die Königin beschützen die Monarchie mehr als 200 000 Mann.
Nichts ist erquickender, als von unsern Wünschen zu reden, wenn sie schon in Erfüllung gehn.
Kein Staat ist mehr als Fabrik verwaltet worden als Preußen seit Friedrich Wilhelm des Ersten Tode. So nötig vielleicht eine solche maschinistische Administration zur physischen Gesundheit, Stärkung und Gewandtheit des Staats sein mag, so geht doch der Staat, wenn er bloß auf diese Art behandelt wird, im wesentlichen darüber zugrunde. Das Prinzip des alten berühmten Systems ist, jeden durch Eigennutz an den Staat zu binden. Die klugen Politiker hatten das Ideal eines Staats vor sich, wo das Interesse des Staats, eigennützig, wie das Interesse der Untertanen, so künstlich jedoch mit demselben verknüpft wäre, daß beide einander wechselseitig beförderten.
An diese politische Quadratur des Zirkels ist sehr viel Mühe gewandt worden: aber der rohe Eigennutz scheint durchaus unermeßlich, antisystematisch zu sein. Er hat sich durchaus nicht beschränken lassen, was doch die Natur jeder Staatseinrichtung notwendig erfordert. Indes ist durch diese förmliche Aufnahme des gemeinen Egoismus als Prinzip ein ungeheurer Schade geschehn, und der Keim der Revolution unserer Tage liegt nirgends als hier.
Mit wachsender Kultur mußten die Bedürfnisse mannigfacher werden und der Wert der Mittel ihrer Befriedigung um so mehr steigen, je weiter die moralische Gesinnung hinter allen diesen Erfindungen des Luxus, hinter allen Raffinements des Lebensgenusses und der Bequemlichkeit zurückgeblieben war. Die Sinnlichkeit hatte zu schnell ungeheures Feld gewonnen. In ebendem Verhältnisse, als die Menschen auf dieser Seite ihre Natur ausbildeten und sich in der vielfachsten Tätigkeit und dem behaglichsten Selbstgefühl verloren, mußte ihnen die andre Seite unscheinbar, eng und fern vorkommen. Hier meinten sie nun den rechten Weg ihrer Bestimmung eingeschlagen zu haben, hieher alle Kräfte verwenden zu müssen. So wurde grober Eigennutz zur Leidenschaft und zugleich seine Maxime zum Resultat des höchsten Verstandes; und dies machte die Leidenschaft so gefährlich und unüberwindlich. Wie herrlich wär' es, wenn der jetzige König sich wahrhaft überzeugte, daß man auf diesem Wege nur das flüchtige Glück eines Spielers machen könne, das von einer so veränderlichen Größe bestimmt wird als die Imbezillität und der Mangel an Routine und Finesse seiner Mitspieler. Durch Betrogenwerden lernt man Betrügen, und wie bald ändert sich da nicht das Blatt, und der Meister wird Schüler seines Schülers. Ein dauerhaftes Glück macht nur der rechtliche Mann und der rechtliche Staat. Was helfen mir alle Reichtümer, wenn sie sich bei mir nur auf halten, um frische Pferde zu nehmen und schneller ihre Reise um die Welt zurückzulegen? Uneigennützige Liebe im Herzen und ihre Maxime im Kopf, das ist die alleinige, ewige Basis aller wahrhaften, unzertrennlichen Verbindung, und was ist die Staatsverbindung anders als eine Ehe?
Ein König muß, wie ein Vater, keine Vorliebe zeigen. Er sollte nicht bloß militärische Gesellschafter und Adjutanten haben. Warum nicht auch zivilistische? Wenn er sich in seinen militärischen Adjutanten fähige Generale bildet, warum will er sich nicht auf ähnliche Weise fähige Präsidenten und Minister bilden? Bei ihm laufen alle Fäden der Regierung zusammen. Nur von dort aus läßt sich das ganze Triebwerk des Staats überblicken. Dort allein lernt man im großen den Staat und sein Detail ansehn. Zu Direktorialposten kann man sich nirgends so bilden als im Kabinett, wo die Staatsweisheit des ganzen Landes sich konzentriert, wo man jede Sache durchaus bearbeitet erhält, und von wo aus man den Gang der Geschäfte bis in seine kleinsten Adern verfolgen kann. Hier allein würde jener eingeschränkte Geist verschwinden, jener Pedantismus der Geschäftsmänner, der sie auf ihre Bemühungen einen einzigen, auf ihre Vorschläge einen infalliblen Wert legen läßt, der sie alle Dinge nach ihrem Wirkungskreise, nach ihrer Gesichtssphäre beurteilen macht und die höhere Instanzen oft selbst zu einseitigen ungleichen Partialschritten verleitet. Dieses kleinstädtische Wesen ist überall sichtbar und verhindert am meisten echten Republikanismus, allgemeine Teilnahme am ganzen Staate, innige Berührung und Harmonie aller Staatsglieder. Der König sollte noch mehr militärische und zivilistische Adjutanten haben. Wie jene die höchste militärische Schule im Staate, so bildeten diese die höchste praktisch-politische Akademie im Staate. Eine Stelle in beiden würde schon Auszeichnung und Anfeuerung genug sein. Für den König würde diese abwechselnde Gesellschaft der trefflichsten jungen Männer seines Landes höchst angenehm und vorteilhaft sein. Für diese jungen Männer aber wären diese Lehrjahre das glänzendste Fest ihres Lebens, der Anlaß einer lebenslänglichen Begeisterung. Persönliche Liebe schlösse sie auf ewig an ihren Souverän, und der König hätte die schönste Gelegenheit, seine Diener genau kennenzulernen, zu wählen und persönlich zu achten und zu lieben. Die edle Simplizität des königlichen Privatlebens, das Bild dieses glücklichen innig verbundenen Paars, würde den wohltätigsten Einfluß auf die sittliche Bildung dieses Kerns der preußischen Jugend haben, und so würde dem König am leichtesten der angeborne Wunsch seines Herzens gewährt, der wahrhafte Reformator und Restaurator seiner Nation und seiner Zeit zu werden.
Einem König sollte nichts mehr am Herzen liegen, als so vielseitig, so unterrichtet, orientiert und vorurteilsfrei, kurz so vollständiger Mensch zu sein und zu bleiben als möglich. Kein Mensch hat mehr Mittel in Händen, sich auf eine leichte Art diesen höchsten Stil der Menschheit zu eigen zu machen als ein König. Durch Umgang und Fortlernen kann er sich immer jung erhalten. Ein alter König macht einen Staat so grämlich, als er selbst ist. Wie bequem könnte sich der König nicht die Bekanntschaft mit den wissenschaftlichen Fortschritten der Menschheit machen. Er hat schon gelehrte Akademien. Wenn er sich nun von diesen vollständige, genau und präzise Berichte über den vormaligen und gegenwärtigen Zustand der Literatur überhaupt – terminliche Berichte über die wissenswürdigsten Vorfälle in allem, was den Menschen als solchen interessiert – Auszüge aus den vorzüglichsten Büchern und Bemerkungen über dieselben, Hinweisungen auf diejenigen Produkte der schönen Kunst, die eigne Betrachtung und Genießung verdienten, endlich Vorschläge zur Beförderung wissenschaftlicher Kultur der Untertanen, zur Aufnahme und Unterstützung hoffnungsvoller bedeutender Unternehmungen und armer vielversprechender Gelehrten und zur Ausfüllung szientifischer Lücken und Entwicklung neuer literarischer Keime, einforderte und allenfalls Korrelationen veranstaltete, so würde dies ihn instand setzen, seinen Staat unter andern Staaten, seine Nation in der Menschheit und sich selbst im großen zu übersehen und hier in der Tat sich zu einem königlichen Menschen zu bilden. Der Mühe einer ungeheuren Lektüre überhoben, genösse er die Früchte der europäischen Studien im Extrakte und würde in kurzem durch fleißiges Überdenken dieses geläuterten und inspissierten Stoffs neue mächtige Kräfte seines Geistes hervorgebrochen und sich in einem reinem Elemente, auf der Höhe des Zeitalters erblicken. Wie divinatorisch würde sein Blick, wie geschärft sein Urteil, wie erhaben seine Gesinnung werden!
Ein wahrhafter Fürst ist der Künstler der Künstler. Das ist, der Direktor der Künstler. Jeder Mensch sollte Künstler sein. Alles kann zur schönen Kunst werden. Der Stoff des Fürsten sind die Künstler; sein Wille ist sein Meißel: er erzieht, stellt und weist die Künstler an, weil er nur das Bild im ganzen aus dem rechten Standpunkte übersieht, weil ihm nur die große Idee, die durch vereinigte Kräfte und Ideen dargestellt, exekutiert werden soll, vollkommen gegenwärtig ist. Der Regent führt ein unendlich mannigfaches Schauspiel auf, wo Bühne und Parterre, Schauspieler und Zuschauer eins sind und er selbst Poet, Direktor und Held des Stücks zugleich ist. Wie entzückend, wenn, wie bei dem König, die Direktrice zugleich die Geliebte des Helden, die Heldin des Stücks ist, wenn man selbst die Muse in ihr erblickt, die den Poeten mit heiliger Glut erfüllt und zu sanften, himmlischen Weisen sein Saitenspiel stimmt.
In unsern Zeiten haben sich wahre Wunder der Transsubstantiation ereignet. Verwandelt sich nicht ein Hof in eine Familie, ein Thron in ein Heiligtum, eine königliche Vermählung in einen ewigen Herzensbund?
Wenn die Taube Gesellschafterin und Liebling des Adlers wird, so ist die goldene Zeit in der Nähe oder gar schon da, wenn auch noch nicht öffentlich anerkannt und allgemein verbreitet.
Wer den ewigen Frieden jetzt sehn und liebgewinnen will, der reise nach Berlin und sehe die Königin. Dort kann sich jeder anschaulich überzeugen, daß der ewige Friede herzliche Rechtlichkeit über alles liebt und nur durch diese sich auf ewig fesseln läßt.
Was ich mir vor allem wünschte? Das will ich euch sagen: eine geistvolle Darstellung der Kinder- und Jugendjahre der Königin. Gewiß im eigentlichsten Sinn weibliche Lehrjahre. Vielleicht nichts anders als Nataliens Lehrjahre. Mir kommt Natalie wie das zufällige Porträt der Königin vor. Ideale müssen sich gleichen.
Paralipomena zu Glauben und Liebe
Revolutionisten
Der Grund aller Verkehrtheiten in Gesinnungen und Meinungen ist – Verwechslung des Zwecks mit dem Mittel.
Genau haben die meisten Revolutionisten gewiß nicht gewußt, was sie wollten –Form oder Unform.
Revolutionen beweisen eher gegen die wahre Energie einer Nation. Es gibt eine Energie aus Kränklichkeit und Schwäche – die gewaltsamer wirkt als die wahre – aber leider mit noch tieferer Schwäche aufhört.
Wenn man von einer Nation urteilt, so beurteilt man meistens nur den vorzüglich sichtbaren, den frappanten Teil der Nation.
Kein Argument ist der alten Regierung nachteiliger als dasjenige, was man aus der disproportionellen Stärke der Glieder des Staats, die in einer Revolution zum Vorschein kommt, ziehen kann. Seine Verwaltung muß höchst fehlerhaft gewesen sein, daß viele Teile fehlerhaft werden konnten und eine so hartnäckige Schwäche überall einwurzelte.
Je schwächer ein Teil ist, desto mehr zu Unordnungen und Entzündungen geneigt.
Sklaven und Sultane
Was sind Sklaven? Völlig geschwächte, komprimierte Menschen. Was sind Sultane? Durch heftige Reizungen inzitierte Sklaven. Wie endigen Sultane und Sklaven? Gewaltsam. – Jene leicht als Sklaven, diese leicht als Sultane, d. h. phrenetisch, hirnwütig. Wie können Sklaven kuriert werden? Durch sehr behutsame Freilassungen und Aufklärungen. Man muß sie wie Erfrorne behandeln. Sultane? Auf die Art, wie Dionysius und Krösus kuriert wurden. Mit Schrecken, Fasten und Klosterzwang angefangen und allmählich mit Stärkungsmitteln gestiegen. Sultane und Sklaven sind das Extrem. Es gibt noch viel Mittelklassen bis zum König und dem echten Zyniker – der Klasse der vollkommensten Gesundheit. Terroristen und Hofschranzen gehören so ziemlich in die nächste Klasse nach Sultan und Sklaven – und gehen so ineinander über wie diese. Beides sind die Repräsentanten der beiden Krankheitsformen einer sehr schwachen Konstitution.
Die gesundeste Konstitution. Der König und der Zyniker
Die gesundeste Konstitution unter einem Maximum von Reizen repräsentiert der König – dieselbe unter einem Minimum von Reizen – der echte Zyniker. Je gleicher beide sind, je leichter und unveränderter sie ihre Rollen verwechseln können, desto mehr nähert sich ihre Konstitution dem Ideal der vollkommenen Konstitution. Je unabhängiger also der König von seinem Thron lebt, desto mehr ist er König.
Alle Reize sind relativ – sind Größen – bis auf einen, der ist absolut – und mehr als Größe.
Die vollkommenste Konstitution entsteht durch Inzitation und absolute Verbindung mit diesem Reize. Durch ihn kann sie alle übrigen entbehren – denn er wirkt anfänglich stärker im Verhältnis, daß die relativen Reize abnehmen und umgekehrt. Hat er sie aber einmal ganz durchdrungen, so wird sie völlig indifferent gegen die relativen Reize. Dieser Reiz ist – absolute Liebe. Ein Zyniker und ein König ohne sie sind nur Titulaturen.
Jede Verbesserung unvollkommener Konstitutionen läuft darauf hinaus, daß man sie der Liebe fähiger macht.
Der beste Staat besteht aus Indifferentesten dieser Art.
In unvollkommenen Staaten sind sie auch die besten Staatsbürger. Sie nehmen an allem Guten teil, lachen über die Alfanzereien ihrer Zeitgenossen im stillen, und enthalten sich von allem Übel. Sie ändern nicht, weil sie wissen, daß jede Änderung der Art und unter diesen Umständen nur ein neuer Irrtum ist und das Beste nicht von außen kommen kann. Sie lassen alles in seinen Würden, und so wie sie keinen genieren, so geniert auch sie keiner, und sind überall willkommen.
Der jetzige Streit über die Regierungsformen
Der jetzige Streit über die Regierungsformen ist ein Streit über den Vorzug des reifen Alters oder der blühenden Jugend.
Republik ist das Fluidum deferens der Jugend. Wo junge Leute sind, ist Republik. Mit der Verheiratung ändert sich das System. Der Verheiratete verlangt Ordnung, Sicherheit und Ruhe – erwünscht, als Familie, in Einer Familie zu leben – in einem regelmäßigen Hauswesen – er sucht eine echte Monarchie.
Ein Fürst ohne Familiengeist ist kein Monarch.
Aber wozu ein einziger unbeschränkter Hausvater? Welcher Willkür ist man da nicht ausgesetzt?
In allen relativen Verhältnissen ist das Individuum einmal für allemal der Willkür ausgesetzt – und wenn ich in eine Wüste ginge, ist da nicht mein wesentliches Interesse der Willkür meiner Individualität noch ausgesetzt? Das Individuum als solches steht seiner Natur nach unter dem Zufall. In der vollkommenen Demokratie steh' ich unter sehr vielen, in repräsentativer Demokratie unter wenigem, in der Monarchie unter Einem willkürlichen Schicksale.
Aber fordert nicht die Vernunft, daß jeder sein eigener Gesetzgeber sei? Nur seinen eigenen Gesetzen soll der Mensch gehorchen.
Wenn Solon und Lykurg wahre, allgemeine Gesetze der Menschheit gegeben haben, woher nahmen sie dieselben? Hoffentlich aus dem Gefühl ihrer Menschheit und seiner Beobachtung. Wenn ich ein Mensch bin wie sie, woher nehme ich meine Gesetze? Doch wohl aus derselben Quelle – und bin ich, wenn ich dann nach Solons und Lykurgs Gesetzen lebe, der Vernunft untreu? Jedes wahre Gesetz ist mein Gesetz – sagen und aufstellen mag es, wer es will. Dieses Sagen und Aufstellen aber, oder die Beobachtung des ursprünglichen Gefühls und ihre Darstellung muß doch nicht so leicht sein, – sonst würden wir ja keiner geschriebenen Gesetze bedürfen? Es muß also wohl eine Kunst sein? So auch das Gesetz anzuwenden, scheint in der Tat eine langwierige Übung und Schärfung der Urteilskraft vorauszusetzen. Wodurch entstanden Stände und Zünfte? – Aus Mangel an Zeit und Kräften des einzelnen. Jeder Mensch konnte bisher nicht alle Künste und Wissenschaften lernen und zugleich treiben – sich nicht alles in allem sein. Die Arbeiten und Künste wurden verteilt. Nicht auch die Regierungskunst? Der allgemeinen Forderung der Vernunft zufolge sollten auch alle Menschen Dichter, Ärzte und so fort, sein. Bei den übrigen Künsten ist es übrigens schon größtenteils hergebracht, daß sich da die Menschen darüber bescheiden, nur Regierungskunst und Philosophie, dazu glaubt jeder gehöre nur Dreistigkeit, und jeder vermißt sich, als Kenner, davon zu sprechen und Prätensionen auf ihre Praxis und Virtuosität zu machen.
Aber die Vortrefflichkeit der repräsentativen Demokratie ist doch unleugbar. Ein natürlicher musterhafter Mensch ist ein Dichtertraum. Mithin, was bleibt übrig? – Komposition eines künstlichen. Die vortrefflichsten Menschen einer Nation ergänzen einander – in dieser Gesellschaft entzündet sich ein reiner Geist der Gesellschaft. Ihre Dekrete sind seine Emanationen – und der idealische Regent ist realisiert.
Zuerst zieh' ich die vortrefflichsten Menschen der Nation und die Entzündung des reinen Geistes in Zweifel. Auf die sehr widersprechende Erfahrung will ich mich nicht einmal berufen. Es liegt am Tage, daß sich aus toten Stoffen kein lebendiger Körper – aus ungerechten, eigennützigen und einseitigen Menschen kein gerechter, uneigennütziger und liberaler Mensch zusammensetzen läßt. Freilich ist das eben ein Irrtum einer einseitigen Majorität, und es wird noch lange Zeit vergehn, eh' man sich von dieser simplen Wahrheit allgemein überzeugen wird. Eine so beschaffene Majorität wird nicht die Vortrefflichsten, sondern im Durchschnitt nur die Borniertesten und die Weltklügsten wählen. Unter den Borniertesten versteh' ich solche, bei denen Mittelmäßigkeit zur fertigen Natur geworden ist, die klassischen Muster des großen Haufens. Hier wird sich kein Geist entzünden, am wenigsten ein reiner. Ein großer Mechanismus wird sich bilden – ein Schlendrian – den nur die Intrigue zuweilen durchbricht. Die Zügel der Regierung werden zwischen den Buchstaben und mannigfaltigen Parteimachern hin- und herschwanken. Die Despotie eines Einzelnen hat denn doch vor dieser Despotie noch den Vorzug, daß man wenigstens dort an Zeit und Schuhen spart – wenn man mit der Regierung zu tun hat –und jene doch mit offnen Karten spielt, da man hier nicht immer gleich weiß, bei wem gerade den Tag die Regierung anzutreffen ist – und welche Wege die vorteilhaftesten dahin einzuschlagen sind.
Wenn der Repräsentant schon durch die Höhe, auf die er gehoben wird – reifer und geläuterter werden soll, wieviel mehr der einzelne Regent? Wären die Menschen schon das, was sie sein sollten und werden können – so würden alle Regierungsformen einerlei sein, die Menschheit würde überall einerlei regiert, überall nach den ursprünglichen Gesetzen der Menschheit. Dann aber würde man am ersten die schönste, poetischste, die natürlichste Form wählen – Familienform – Monarchie – mehrere Herrn – mehrere Familien – ein Herr – eine Familie!
Jetzt scheint die vollkommene Demokratie und die Monarchie in einer unauflöslichen Antinomie begriffen zu sein – Der Vorteil der einen durch einen entgegengesetzten Vorteil der andern aufgewogen zu werden. Das junge Volk steht auf der Seite der erstem, gesetztere Hausväter auf der Seite der zweiten. Absolute Verschiedenheit der Neigungen scheint diese Trennung zu veranlassen. Einer liebt Veränderungen, – der andre nicht. Vielleicht lieben wir alle in gewissen Jahren Revolutionen, freie Konkurrenz, Wettkämpfe und dergleichen demokratische Erscheinungen. Aber diese Jahre gehn bei den meisten vorüber –und wir fühlen uns von einer friedlicheren Welt angezogen, wo eine Zentralsonne den Reigen führt und man lieber Planet wird, als einen zerstörenden Kampf um den Vortanz mitkämpft. Man sei also nur wenigstens politisch wie religiös tolerant –man nehme nur die Möglichkeit an, daß auch ein vernünftiges Wesen anders inklinieren könne als wir. Diese Toleranz führt, wie mich dünkt, allmählich zur erhabenen Überzeugung von der Relativität jeder positiven Form – und der wahrhaften Unabhängigkeit eines reifen Geistes von je der individuellen Form, die ihm nichts als notwendiges Werkzeug ist. Die Zeit muß kommen, wo politischer Entheism und Pantheism als notwendige Wechselglieder aufs innigste verbunden sein werden.