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Mikrokosmos
Die Idee vom Mikrokosmus ist die höchste für den Menschen. (Kosmometer sind wir ebenfalls.)
So wie die Natur und Individualität jedes Fossils durch die Natur und Individualität seines Planeten, dessen Natur und Individualität durch die seines Systems, dessen Natur und Individualität durch die seiner Milchstraße, und so fort, bestimmt ist; so verhält es sich auch mit dem Menschen, wenn wir unter Menschheit das Vernunftprodukt oder Wesen im Weltganzen verstehn; die Natur und Individualität der Menschheit dieses Planeten ist durch die seines Systems, und so fort, bestimmt. Wir sind nur in dieser Welt diese beschränkten Wesen – doch nicht für immer beschränkt.
Der Mensch ist diejenige Substanz, die die ganze Natur unendlichfach bricht, i. e. polarisiert. Die Welt, des Menschen Welt, ist so mannigfach, als er mannigfach ist. Die Welt der Tiere ist schon viel ärmer und so herunter.
Durch die Welt, wie sie ist, sind die Menschen Menschen – daher ihr Drang nach Einverständnis, denn dadurch sind sie Menschen.
Durch den Menschen wird des Menschen Welt so zusammengehalten wie seines Körpers Bestandteile durch sein Leben.
»Die Menschheit ist der höhere Sinn unseres Planeten«
Die Menschheit ist der höhere Sinn unsers Planeten, der Nerv, der dieses Glied mit der obern Welt verknüpft, das Auge, was er gen Himmel hebt.
Jedes Individuum ist der Mittelpunkt eines Emanationssystems.
Mensch ist soviel wie Universum
Wir sollen nicht bloß Menschen, wir sollen auch mehr als Menschen sein. Oder Mensch ist überhaupt soviel als Universum. Es ist nichts Bestimmtes. Es kann und soll etwas Bestimmtes und Unbestimmtes zugleich sein.
Alles, was der Mensch macht, ist ein Mensch; oder ( quod idem est) ein Bestandteil des Menschen, ein menschliches Wesen.
Zwei Arten, Menschen zu schildern
Zwei Arten, Menschen zu schildern: die poetische und die wissenschaftliche. Jene gibt nur einen durchaus individuellen Zug – ex ungue leonem. Diese deduziert vollständig.
Poetische Menschenlehre
Mensch werden ist eine Kunst.
Die Menschenwelt ist das gemeinschaftliche Organ der Götter. Poesie vereinigt sie wie uns.
Der Mensch: Metapher.
Was ist der Mensch? Ein vollkommner Trope des Geistes. Alle echte Mitteilung ist also sinnbildsam – und sind also nicht Liebkosungen echte Mitteilungen?
Der Mensch ist die Harfe
Unermeßliche Mannigfaltigkeit der Windharfentöne und Einfachheit der bewegenden Potenz. So mit dem Menschen. Der Mensch ist die Harfe, soll die Harfe sein.
Poetische Physiologie
Unsre Lippen haben oft viel Ähnlichkeit mit den beiden Irrlichtern im Märchen. Die Augen sind das höhere Geschwisterpaar der Lippen, sie schließen und öffnen eine heiligere Grotte als den Mund. Die Ohren sind die Schlange, die das begierig verschluckt, was die Irrlichter fallen lassen. Mund und Augen haben eine ähnliche Form. Die Wimpern sind die Lippen, der Apfel die Zunge und der Gaum und der Stern die Kehle. Die Nase ist die Stirn des Mundes und die Stirn die Nase der Augen. Jedes Auge hat sein Kinn am Wangenknochen.
Es gibt nur einen Tempel
Es gibt nur einen Tempel in der Welt, und das ist der menschliche Körper. Nichts ist heiliger als diese hohe Gestalt. Das Bücken vor Menschen ist eine Huldigung dieser Offenbarung im Fleisch. (Göttliche Verehrung des Lingam, des Busens, der Statuen.) Man berührt den Himmel, wenn man einen Menschenleib betastet.
Der Mensch ist eine Sonne
Der Mensch ist eine Sonne, seine Sinne sind seine Planeten.
Physiognomik
Je geistvoller, gebildeter ein Mensch ist, desto persönlicher sind seine Glieder, z.B. seine Augen, seine Hand, seine Finger usw. Anwendung auf Antiken, Physiognomik; die sonderbare Meinung, daß jedes Glied einen spezifischen Beitrag zur Zeugung eines Menschen geben müsse.
Über den Anzug als Symbol
Die Schärpe des Kindes ist das zusammengefaltete und festgebundene Segel, das der Jüngling aufspannt, wo es zum flatternden Mantel wird, der auch heraufgebunden sein kann wie in der Abbildung der Fortuna. Die Haare trägt das Kind lang und schlicht, weil es noch keinen Feind fürchtet, der Jüngling lockig, daß desto mehr Blumen darin hängen bleiben können, der Mann kurz, daß er nicht gepackt werden kann, der Greis wieder schlicht wie das Kind, denn er ist heilig wie das Kind. Die ganz offne Brust des Knaben und die leicht verhüllte des Jünglings bedürfen keiner Erklärung; Einfachheit und Leichtigkeit, Helligkeit und Bequemlichkeit ist der Charakter des Kinderanzugs; Leichtigkeit und Mannigfaltigkeit und Geschicklichkeit statt der Bequemlichkeit der Jünglingskleidung. Zweckmäßigkeit der Charakter der männlichen Kleidung, Bequemlichkeit, Einfachheit und Dunkelheit der des Greises.
Helle Blumen dem Kinde, Zweige dem Jüngling, dem Manne der Stab und dunkle Blumen dem Greise. Schuhe das Kind, Schuhe der Greis, Halbstiefel der Jüngling, Stiefel der Mann.
Dem Kind und dem Greis Mützen – Jüngling und Mann keine gewöhnlichen Kopfbedeckungen. Ungewöhnliche: das Kind ein Kranz und der Greis; der Jüngling eine zierliche, der Mann eine zweckmäßige.
Nur Jünglinge tragen Bärte zur Zierde. (Die Kleidung der Alten usw.) Kleidung ist Symbol des Geistes der Zeiten.
Praktische Menschenlehre
»Die meisten wissen selbst nicht, wie interessant sie wirklich sind«
Die meisten wissen selbst nicht, wie interessant sie wirklich sind, was sie wirklich für interessante Dinge sagen. Eine echte Darstellung ihrer selbst, eine Aufzeichnung und Beurteilung ihrer Reden würde sie über sich selbst in das höchste Erstaunen setzen und ihnen in sich selbst eine durchaus neue Welt entdecken helfen.
»Menschen zu beschreiben«
Menschen zu beschreiben, ist deswegen bis jetzt unmöglich gewesen, weil man nicht gewußt hat, was ein Mensch ist. Wenn man erst wissen wird, was ein Mensch ist, so wird man auch Individuen wahrhaft genetisch beschreiben können.
Kennenlernen
Man lernt Handwerker, Maschinen, Wissenschaften, Künste, Menschen usw. durch geschickte Einteilung und zweckmäßige, sukzessive Betrachtung am leichtesten und besten kennen.
Über anthroposkopische Werkzeuge.
Erziehungslehre
Hauptsatz
(Hauptsatz.) Man kann nur werden, insofern man schon ist. (a Perfektum; b Futurum. Präsens = Synthesis von a und b. Absolutes Präsens – unvollkommnes Präsens.)
Pädagogische Erziehung von Kindern
Pädagogische Erziehung von Kindern, wie Bildung eines Lehrlings – nicht durch direkte Erziehung, sondern durch allmähliches Teilnehmenlassen an Beschäftigungen usw. der Erwachsenen.
Es darf keine positive Strafe geben, nur negative; selbst in der Pädagogik. Die Urrechte dürfen schlechterdings nie aufgehoben werden.
Alles, was dem sich bildenden Menschen noch schwer dünkt, da sollt er nachgerade seine Kräfte daran versuchen, um es heben und mit großer Leichtigkeit und Geschicklichkeit heben und bewegen zu können. Dadurch gewinnt er es lieb. Was einem Mühe kostet, das hat man lieb.
Die Menschen sind durch nichts als Meinungen beschränkt. Daher ließe sich durch Meinung jeder Mensch erheben und erniedern. Wahrhafte Menschenliebe.
(Erziehungslehre.) Dem Kinde wird Glauben, absolute Annahme eines Tätigkeit erweckenden Prinzips zugemutet.
Jeder Mensch ist eine Rechnung wie jede Rechnung ein Mensch.
Die eingezogene Erziehung der Mädchen
Die eingezogene Erziehung der Mädchen ist für häusliches Leben und Glück darum so vorteilhaft, weil der Mann, mit dem sie nachher in die nächste Verbindung treten, einen desto tiefern und einzigen Eindruck auf sie macht, welches zur Ehe unentbehrlich ist. Der erste Eindruck ist der mächtigste und treuste, der immer wiederkommt, wenn er auch eine Zeitlang verwischt scheinen kann.
Kinder und Jungfrauen
Ewige Jungfrauen – geborene Frauen.
(Ewige Menschenlehre.) Jungfrau ist ein ewiges, weibliches Kind. Was entspricht der Jungfrau bei uns Männern? Ein Mädchen, die nicht mehr wahrhaftes Kind ist, ist nicht mehr Jungfrau. (Nicht alle Kinder sind Kinder.)
Das schöne Geheimnis der Jungfrau
Das schöne Geheimnis der Jungfrau, was sie eben so unaussprechlich anziehend macht, ist das Vorgefühl der Mutterschaft, die Ahndung einer künftigen Welt, die in ihr schlummert und sich aus ihr entwickeln soll. Sie ist das treffendste Ebenbild der Zukunft.
Kindheit
(Menschenlehre.) Die Kindheit ist der Erwachsenheit entgegengesetzt; Blüte und Frucht, Frühling und Herbst. Kinder sind Hoffnungen, Mädchen sind Wünsche und Bitten.
Wo Kinder sind, da ist ein goldnes Zeitalter.
Jede Stufe der Bildung fängt mit Kindheit an. Daher ist der am meisten gebildete, irdische Mensch dem Kinde so ähnlich.
(Menschenlehre.) Ein Kind ist eine sichtbar gewordne Liebe. – Wir selbst sind ein sichtbar gewordner Keim der Liebe zwischen Natur und Geist oder Kunst.
Die Kinder sind Antiken. Nicht alle Kinder aber sind Kinder. Auch die Jugend ist antik. Aber auch nicht alle Jünglinge sind Jünglinge.
Die Erwachsenen sind die Jüngern in andrer Beziehung.
Kinder sind noch Terrae incognitae.
Menschen vor und nach der Welt
Es fehlt uns nicht an Gelegenheit, Menschen außer der Welt, und zwar vor und nach der Welt zu betrachten, – zu Menschen und nicht zu Menschen bestimmte Stamina. Jenes Kinder; dieses Alte.
Adam und Eva
Adam und Eva. Was durch eine Revolution bewirkt wurde, muß durch eine Revolution aufgehoben werden. (Apfelbiß.)
Mann = Weib
Die Gleichung für den Menschen ist Leib = Seele; für das Geschlecht Mann = Weib.
(Die Polarität ist eine reale Gleichung.) (Glieder heißen die Teile, die mit und - zusammenhängen.) 0 ist das generale Gleichungsglied der vereinigten Gleichungsglieder.
»Das Beiwesen des Mannes ist das Hauptwesen der Frau«
Der Mann muß seine Natur bezwingen und dem Individuo in sich Recht und Herrschaft verschaffen; ihm gebührt Herrschaft des Willens und Untertänigkeit der Empfindung.
Die Frauen wissen nichts von Verhältnissen der Gemeinschaft – nur durch ihren Mann hängen sie mit Staat, Kirche, Publikum usw. zusammen. Sie leben im eigentlichen Naturstande.
Über die verschiedne Art der Unterhaltung beider Geschlechter.
(Der Mann darf das Sinnliche in vernünftiger Form, die Frau das Vernünftige in sinnlicher Form begehren.)
Männer können Weiber, Weiber können Männer am natürlichsten gut unterhalten.
Das Beiwesen des Mannes ist das Hauptwesen der Frau.
Die Frau ist das Symbol der Güte und Schönheit; der Mann das Symbol der Wahrheit und des Rechts.
Im Manne ist Vernunft, im Weibe Gefühl (beides positiv) das Tonangebende. Die Moralität des Weibes ist im Gefühl – wie die des Mannes in der Vernunft gegründet.
Der Mann ist phlogistisch – ein überwiegender Verdichtungs- –, die Frau dephlogistisch, ein überwiegender Verdünnungsprozeß.
Verbindungen aller Art
»Es gibt Verbindungen all er Art«
Die Ehe ist das höchste Geheimnis. Die Ehe ist bei uns ein popularisiertes Geheimnis. Schlimm, daß bei uns nur die Wahl zwischen Ehe und Einsamkeit ist. Die Extreme sind es – aber wie wenig Menschen sind einer eigentlichen Ehe fähig – wie wenig können auch Einsamkeit ertragen. – Es gibt Verbindungen aller Art. Eine unendliche Verbindung ist die Ehe. – Ist die Frau der Zweck des Mannes, und ist die Frau ohne Zweck?
Mit Recht können manche Weiber sagen, daß sie ihren Gatten in die Arme sinken. – Wohl denen, die ihren Geliebten in die Arme steigen.
Verbindung mit Männern
Auch Männern kann man absolut anhänglich sein, so gut wie Frauen. Aufrichtiger, edler Charakter – überall sichtbar.
Die Ehe
Die Ehe bezeichnet eine neue, höhere Epoche der Liebe: die gesellige, die Zwangs-Liebe, die lebendige Liebe. Die Philosophie entsteht mit der Ehe.
Eine Ehe ist ein politisches Epigramm. Epigramm ist nur ein elementarischer, poetischer Ausdruck – poetisches Element – primitives Poem.
Eine Ehe soll eigentlich eine langsame, kontinuierliche Umarmung, Generation, wahre Nutrition, Bildung eines gemeinsamen, harmonischen Wesens sein? Selbstbildung, Selbstbetrachtung ist Selbstnutrition, Selbstgeneration.
Eheleute
Es gibt Menschen von eigensinniger und wunderlicher Individualität, die nicht zum Ehestande gemacht sind. Eheleute müssen eine Art von Mischung der Selbständigkeit und Unselbständigkeit haben. Sie müssen festen Charakter, als Sachen, haben, um ein Besitztum sein zu können, und doch geschmeidig, elastisch und durchaus bestimmt sein, ohne eigensinnig und ängstlich zu sein.
Durch das Eigentum wird der Besitz veredelt wie durch die Ehe der körperliche Genuß.
Eheleute müssen sich von selbst allen öffentlichen Geschäften – den Studien der Assoziation – widmen.
Familie
Alle Menschen sind Variationen eines vollständigen Individuums, d.h. einer Ehe. Ein Variationen-Akkord ist eine Familie, wozu jede innig verbundene Gesellschaft zu rechnen ist. Wenn eine so einfache Variation wie Natalie und die schöne Seele schon ein so tiefes Wohlgefühl erregt, wie unendlich muß das Wohlgefühl dessen sein, der das Ganze in seiner mächtigen Symphonie vernimmt?
Der Hochzeitstag der Eltern
Viele Tage gehen vorüber, ohne eine Spur hinter sich zu lassen. Nur wenige bleiben als feste Punkte des Lebens stehn. Keiner verdient wohl fester gehalten zu werden als der Hochzeittag. Was ist der Hochzeittag? Wir feiern heute einen solchen Tag. Laßt ihn uns ewig im Andenken behalten. Die Älteste führt auch hier billig den Reigen. Die meisten Hochzeittage werden Tage der trüben Erinnerung – dieser wird es nicht sein. Der Tag sei uns allen ein Tag des festen Bundes – ein echter Familientag. Der Kranz soll ihr bleiben. Jetzt soll er erst blühen. Der Hochzeittag der Eltern.
»Sophie, oder über die Frauen«
Sophie oder über die Frauen.
Frauen sind Weltaugen und Saphire
Die Holzkohle und der Diamant sind ein Stoff und doch wie verschieden! Sollte es nicht mit Mann und Weib derselbe Fall sein? Wir sind Tonerde, und die Frauen sind Weltaugen und Saphire, die ebenfalls aus Tonerde bestehn.
Superiorität der Frauen
Das Postulat des weiblichen Mystizism ist gang und gäbe. Alles fordert von den Frauen unbedingte Liebe zum ersten, besten Gegenstande. Welche hohe Meinung von der freien Gewalt und Selbstschöpfungskraft ihres Geistes setzt dies nicht voraus!
Sollte nicht für die Superiorität der Frauen der Umstand sprechen, daß die Extreme ihrer Bildung viel frappanter sind als die unsrigen? Der verworfenste Kerl ist vom trefflichsten Mann nicht so verschieden als das elende Weibsstück von einer edlen Frau. Nicht auch der, daß man sehr viel Gutes über die Männer, aber noch nichts Gutes über die Weiber gesagt findet? Haben sie nicht die Ähnlichkeit mit dem Unendlichen, daß sie sich nicht quadrieren, sondern nur durch Annäherung finden lassen? Und mit dem Höchsten, daß sie uns absolut nah sind und doch immer gesucht, daß sie absolut verständlich sind und doch nicht verstanden, daß sie absolut unentbehrlich und doch meistens entbehrt werden. Und mit höheren Wesen, daß sie so kindlich, so gewöhnlich, so müßig und so spielend erscheinen? –
Auch ihre größere Hilflosigkeit erhebt sie über uns, so wie ihre größere Selbstbehilflichkeit, ihr größeres Sklaven- und ihr größeres Despotentalent; und so sind sie durchaus über uns und unter uns und dabei doch zusammenhängender und unteilbarer als wir.
Würden wir sie auch lieben, wenn dies nicht so wäre? Mit den Frauen ist die Liebe und mit der Liebe die Frauen entstanden, und darum versteht man keins ohne das andre. Wer die Frauen ohne Liebe und die Liebe ohne Frauen finden will, dem geht's wie den Philosophen, die den Trieb ohne das Objekt und das Objekt ohne den Trieb betrachteten und nicht beide im Begriff der Aktion zugleich sahen.
(Materialien.) Was noch nicht à leur portée ist, ist noch nicht reif. Ihre Beschäftigungen. Was sie jedem Alter sind. Ihre Erziehung. Ihr Zirkel. Sie sind wie die vornehmen Römer, nicht zum Verfertigen, sondern zum Genuß der Resultate da – zum Ausüben, nicht zum Versuchen.
Chevalerie. Ihr Bau – ihre Schönheit.
Sie sind ein liebliches Geheimnis – nur verhüllt, nicht verschlossen. Auf ähnliche Weise reizen die philosophischen Mysterien. Hetärie. Ihre Seelenkräfte. Blicke auf die Zukunft. Der Akt der Umarmung – die griechischen Göttinnen. Madonna. Jedes Volk, jede Zeit hat ihren Lieblingsfrauencharakter. Die Frauen in der Poesie. Geliebt zu sein, ist ihnen urwesentlich. Über die weiblichen Jahreszeiten. Frauen und Liebe trennt nur der Verstand.
»Pflanzenähnlichkeit der Weiber«
Pflanzenähnlichkeit der Weiber. Dichtungen auf diese Idee. (Blumen sind Gefäße.)
Chemische, organische und physiologische Natur der Schönheit eines Körpers.
Oryktognosten
(Menschenlehre.) Die Frauen haben eigentlich einen entschiednen Sinn für das Äußre: es sind geborne Oryktognosten.
Über die Sphäre der Frauen
Über die Sphäre der Frauen: die Kinderstube – die Küche – der Garten – der Keller – das Speisegewölbe – die Schlafkammer – die Wohnstube – das Gastzimmer – der Boden oder die Rumpelkammer.
Les femmes
Les femmes sind um deswillen der Pol, um den sich die Existenz und La Philosophie der Vornehm-Klugen dreht, weil sie zugleich Körper und Seele affizieren. Auch sie lieben die Ungeteiltheit und setzen einen unumschränkten Wert auf diesen gemischten Genuß; dieser Geschmack geht auf alles über: das Bett soll weich und die Form und Stickerei hübsch, das Essen delikat, aber auch animierend sein und so durchaus.
An den Femmes reibt sich auch ihr schreibender Verstand gern, darum haben sie soviel darüber geschrieben.
Jeder sieht überall sein Bild; daher findet die Eitelkeit alles eitel.
Nichts ist tröstender als das Bild des Zustandes, zu welchem La Philosophie du monde führt, welches unabsichtlich und wahrhaft naiv die konsommierten und konsumierten Weltleute von sich und ihrer Denkungsart in ihren Schriften und Reden ausstellen. Tröstlich und anlockend wahrhaftig nicht; ein an Unannehmlichkeit dreifach verstärktes Alter – so wie gegenteils die Jugend auch dreimal gepfeffert war. La vraie Philosophie gehört zu der passiven Wissenschaft des Lebens. Sie ist eine natürliche, antithetische Wirkung dieses Lebelebens, aber kein freies Produkt unsrer magischen Erfindungskraft.
Auch im Schlimmen gibt's eine Progression. Wenn man sich gehn läßt, so entsteht allmählich ein Ungeheuer in seiner Art. So in Brutalität, in Grausamkeit, Frömmelei usw.
Les femmes haben sich nicht über Ungerechtigkeit zu beklagen. Schade, wenn eine Frau dabei war! Die Beaux esprits haben in Rücksicht des femmes vollkommen recht. Wer wird aber Les femmes mit den Frauen verwechseln?
Les femmes sind Muster der zärtlichsten, weiblichsten Konstitution, höchste Asthenien, mit einem Minimum von Vernunft. So werden sie sehr begreiflich. Annihilantinnen der Vernunft.
Über die Mode. Sollte der höchste Reiz für einen Astheniker eine Asthenische sein? und umgekehrt.
Das wäre ihnen die Liebste, die die glänzendste Tugend gegen die andern und die reizendste Wollust für sie –, die überall angebetete Tyrannin gegen alle und die anbetende Sklavin gegen sie allein wäre.
Echte Liebe zum Putz
Dürfte es wohl eine Dame geben, die sich aus echter Liebe zum Putz, aus uneigennützigem Geschmack gut anzöge?
Esprit des Bagatelles
Frauen – Kinder – Esprit des Bagatelles. Art der Konversation mit ihnen. Die Muster der gewöhnlichen Weiblichkeit empfinden die Grenzen der jedesmaligen Existenz sehr genau und hüten sich gewissenhaft, dieselben zu überschreiten; daher ihre gerühmte Gewöhnlichkeit – praktische Weltleute. Sie mögen selbst übertriebne Feinheiten, Delikatessen, Wahrheiten, Tugenden, Neigungen nicht leiden. Sie lieben Abwechslung des Gemeinen, Neuheit des Gewöhnlichen; keine neuen Ideen, aber neue Kleider, Einförmigkeit im Ganzen, oberflächliche Reize. Sie lieben den Tanz, vorzüglich wegen seiner Leichtigkeit, Eitelkeit und Sinnlichkeit. Zu guter Witz ist ihnen fatal – so wie alles Schöne, Große und Edle. Mittelmäßige und selbst schlechte Lektüre, Akteurs, Stücke usw., das ist ihre Sache.
Alltagsmenschen
Beharrliche Mittelmäßigkeit
Ob sich nicht etwas für die neuerdings so sehr gemißhandelten Alltagsmenschen sagen ließe? Gehört nicht zur beharrlichen Mittelmäßigkeit die meiste Kraft? Und soll der Mensch mehr als einer aus dem Popolo sein?
Man würde mit vielen Menschen zufrieden sein, wenn man die Betrachtung nicht ganz über der entgegengesetzten vergäße: was diese Menschen alles nicht sein könnten, oder wieviel schlimmer und geringer sie so leicht sein könnten.
Die meisten Menschen wollen nicht eher schwimmen, bis sie es können.
»Philister leben nur ein Alltagsleben«
Philister leben nur ein Alltagsleben. Das Hauptmittel scheint ihr einziger Zweck zu sein. Sie tun das alles um des irdischen Lebens willen; wie es scheint und nach ihren eignen Äußerungen scheinen muß. Poesie mischen sie nur zur Notdurft unter, weil sie nun einmal an eine gewisse Unterbrechung ihres täglichen Laufs gewöhnt sind. In der Regel erfolgt diese Unterbrechung alle sieben Tage und könnte ein poetisches Septanfieber heißen. Sonntags ruht die Arbeit, sie leben ein bißchen besser als gewöhnlich, und dieser Sonntagsrausch endigt sich mit einem etwas tiefern Schlafe als sonst; daher auch Montags alles noch einen raschern Gang hat. Ihre Parties de plaisier müssen konventionell, gewöhnlich, modisch sein, aber auch ihr Vergnügen verarbeiten sie, wie alles, mühsam und förmlich.
Den höchsten Grad seines poetischen Daseins erreicht der Philister bei einer Reise, Hochzeit, Kindtaufe und in der Kirche. Hier werden seine kühnsten Wünsche befriedigt und oft übertroffen.
Ihre sogenannte Religion wirkt bloß wie ein Opiat: reizend, betäubend, Schmerzen aus Schwäche stillend. Ihre Früh- und Abendgebete sind ihnen, wie Frühstück und Abendbrot, notwendig. Sie können's nicht mehr lassen. Der derbe Philister stellt sich die Freuden des Himmels unter dem Bilde einer Kirmes, einer Hochzeit, einer Reise oder eines Balls vor: der sublimierte macht aus dem Himmel eine prächtige Kirche mit schöner Musik, vielem Gepränge, mit Stühlen für das gemeine Volk parterre und Kapellen und Emporkirchen für die Vornehmern.
Die schlechtesten unter ihnen sind die revolutionären Philister, wozu auch der Hefen der fortgehenden Köpfe, die habsüchtige Rasse gehört.
Ordinäre Menschen
Ordinäre Menschen, ohne es zu wissen und zu wollen. Ordinäre Menschen aus Absicht und mit Wahl. Glücklicher Instinkt der Gemeinheit. Geborne ordinäre Menschen. – (Synthese des ordinären und extraordinären Menschen.)
Der vollendete Mensch oder der Weltbürger
Es gibt drei Hauptmenschenmassen: Wilde, zivilisierte Barbaren, Europäer. Der Europäer ist so hoch über dem Deutschen als dieser über dem Sachsen, der Sachse über dem Leipziger. Über ihm ist der Weltbürger. Alles Nationale, Temporelle, Lokale, Individuelle läßt sich universalisieren und so kanonisieren und allgemein machen. Christus ist ein so veredelter Landsmann. Dieses individuelle Kolorit des Universellen ist sein romantisierendes Element. So ist jeder national und selbst der persönliche Gott ein romantisiertes Universum. Die Persönlichkeit ist das romantische Element des Ichs.
Geborne Menschenbeherrscher.
Großartige Gegenwart des Geistes
Der vollendete Mensch muß gleichsam zugleich an mehreren Orten und in mehreren Menschen leben – ihm müssen beständig ein weiter Kreis und mannigfache Begebenheiten gegenwärtig sein. Hier bildet sich dann die wahre, großartige Gegenwart des Geistes, die den Menschen zum eigentlichen Weltbürger macht und ihn in jedem Augenblick seines Lebens durch die wohltätigsten Assoziationen reizt, stärkt und in die helle Stimmung einer besonnenen Tätigkeit versetzt.
Zukunft des Geistes
Manchen fehlt es an Gegenwart des Geistes – dafür haben sie desto mehr Zukunft des Geistes.
»Der vollendete Mensch sollte eine schöne Satire sein«
Der Mensch erscheint am würdigsten, wenn sein erster Eindruck der Eindruck eines absolut witzigen Einfalls ist: nämlich Geist und bestimmtes Individuum zugleich zu sein. Einen jeden vorzüglichen Menschen muß gleichsam ein Geist zu durchschweben scheinen, der die sichtbare Erscheinung idealisch parodiert. Bei manchen Menschen ist es, als ob dieser Geist der sichtbaren Erscheinung ein Gesicht schnitte.
Der vollendete Mensch sollte eine schöne Satire sein, fähig, jedem eine beliebige Form zu geben, jede Form mit dem mannigfaltigsten Leben auszufüllen und zu bewegen.
Der genialische Mensch
»Wie feuriger Wein dem leichten Stöpsel folgt«
Wie feuriger Wein dem leichten Stöpsel folgt, so fliegt die Jugend leichtfertigen Mädchen nach. Der Leichtsinn genialischer Menschen ist wie der Kork auf der Weinflasche; wird der Kork beweglich, so rührt sich auch der Wein.
Genialische Berührungen
Ein Genie muß durch genialische Berührungen der mannigfaltigsten Art versucht und erregt und gebildet werden; daher jeder Mensch, in Ermangelung lebendiger Genies, mit genialischen Produkten. (Jedes Produkt eines Genies ist selbst Genie.)
Helden und Künstler
Manche haben mehr eine räumliche Personalität, andere mehr eine zeitliche. Sollte dies der Unterschied unter Helden und Künstlern sein?
Tugend und Laster. Gut und Böse
Nie wird die Theorie bestimmen können, ob Tugend oder Laster preferabler ist. Sie kann nur ordnen, Denkformen aufstellen.
Setzt man das Böse der Tugend entgegen, so tut man ihm zuviel Ehre an.
Manche Tat schreit ewig.
Jede unrechte Handlung, jede unwürdige Empfindung ist eine Untreue gegen die Geliebte, ein Ehebruch.
Verknüpfung
(Theodizee.) Wenn nun Gut und Übel seine eigentümlichen Vorzüge hätte, so wäre doch ihre Verknüpfung sehr wünschenswert.
Wechselverstärkung und Schwächung und Neutralisierung des plus-Angenehmen und minus-Angenehmen.
Man kann nur so weit bestraft werden, als man belohnt wird, et vice versa.
Hang zum Bösen
Man kann immer zugeben, daß der Mensch einen vorwaltenden Hang zum Bösen hat – desto besser ist er von Natur, denn nur das Ungleichartige zieht sich an.
Der Tugendhafte
In der Tugend verschwindet die lokale und temporelle Personalität. Der Tugendhafte ist als solcher kein historisches Individuum. Es ist Gott selbst.
Tugend und Unschuld
Jeder Tugend entspricht eine spezifische Unschuld. Unschuld ist moralischer Instinkt. Tugend ist die Prosa, Unschuld die Poesie. Rohe Unschuld – gebildete Unschuld. Die Tugend soll wieder verschwinden und Unschuld werden.
Böse Menschen
Böse Menschen müssen das Böse aus Haß gegen die Bösen tun. Sie halten alles für böse, und dann ist ihr zerstörender Hang sehr natürlich – denn so wie das Gute das Erhaltende, so ist das Böse das Zerstörende. Dies reibt sich am Ende selbst auf und widerspricht sich sogar im Begriff, dahingegen jenes sich selbst bestätigt und in sich selbst besteht und fortdauert. Die Bösen müssen wider ihren und mit ihrem Willen zugleich böse handeln. Sie fühlen, daß jeder Schlag sie selbst trifft, und doch können sie das Schlagen nicht lassen. Bosheit ist nichts als eine Gemütskrankheit, die in der Vernunft ihren Sitz hat und daher so hartnäckig und nur durch ein Wunder zu heilen ist.
Wahrheit
Der Mensch besteht in der Wahrheit. Gibt er die Wahrheit preis, so gibt er sich selbst preis. Wer die Wahrheit verrät, verrät sich selbst. Es ist hier nicht die Rede vom Lügen, sondern vom Handeln gegen Überzeugung.
Pudern mit Erdenstaub
In der moralischen Welt wird das Pudern mit Erdenstaub für ein notwendiges Stück des anständigen, sittlichen Anzugs gehalten. Nur der gemeine Mann und die Jugend dürfen die natürliche schöne, lichte und dunkle Farbe ihrer Haare zeigen. Wenn man auch den Kopf allenfalls damit puderte, so sollte man doch wenigstens von der Brust diesen Schmutz mit einer weißen Hülle abhalten.
Mir scheint ein Trieb in unsern Tagen allgemein verbreitet zu sein – die äußre Welt hinter künstliche Hüllen zu verstecken – vor der offnen Natur sich zu schämen und durch Verheimlichung und Verborgenheit der Sinnenwesen eine dunkle Geisterkraft ihnen beizulegen. Romantisch ist der Trieb gewiß – allein der kindlichen Unschuld und Klarheit nicht vorteilhaft; besonders bei Geschlechtsverhältnissen ist dies bemerklich.
Ehre
Man kann seine Ehre in alles setzen – und man soll sie nur in eins setzen.
Selbstentäußerung
Selbstentäußerung ist die Quelle aller Erniedrigung sowie im Gegenteil der Grund aller echten Erhebung. Der erste Schritt wird Blick nach Innen, absondernde Beschauung unsers Selbst. Wer hier stehnbleibt, gerät nur halb. Der zweite Schritt muß wirksamer Blick nach außen, selbsttätige, gehaltne Beobachtung der Außenwelt sein.
Man muß nicht seine Gerechtigkeit in der Welt suchen.
Pflichten gegen die Menschen
Pflichten gegen die Menschen: Attention, Liebe, Nachgiebigkeit. Was sie reden, gehe dir nichts an.
Humanes Betragen
Hüte dich, über die Mittel nicht den Zweck zu verlieren, den reinen Charakter der Menschheit: schlichtes, verständiges, humanes Betragen.
Eigennutz
Grober Eigennutz ist das notwendige Resultat armseliger Beschränktheit. Die gegenwärtige Sensation ist die lebhafteste, die höchste eines Jämmerlings. Über diese kennt er nichts Höheres. Kein Wunder, daß der durch die äußern Verhältnisse par force dressierte Verstand nur der listige Sklav' eines solchen stumpfen Herrn ist und nur für dessen Lüste sinnt und sorgt.
Unnütze und gemeine Ansicht des Nutzens.
Unarten
Zorn usw. sind Unarten, Ungezogenheiten. Fehler des sittlichen, echtmenschlichen Anstandes.
Fluchen
Das Fluchen ist eine Art von Selbstbeschwörung, Selbstermannung, Spornung.
Grobheit und Prügel
Grobheit und Prügel sind Cordiaca, probat gegen Nervenschwäche und unerschöpfliche Quellen des Lächerlichen.
Schwäche
Schwäche ist überhandnehmende, vorwaltende, charakterisierende fremde Kraft.
Allzu heftige Unleidlichkeit des Unvollkommnen ist Schwäche.
Alles, was in Not ist, stößt die Schwächlinge, die Selbstnotleidenden und alle diejenigen ab, die selbst nichts missen können, ohne in Not zu geraten.
Es zieht alle diejenigen an, die Überfluß haben, die Reichen, Starken.
Aus Kraftmangel scheint alle Unzufriedenheit und mancher andre Fehler zu entstehn.
Das Gemeine
Das Unbedeutende, Gemeine, Rohe, Häßliche, Ungesittete wird durch Witz allein gesellschaftfähig. Es ist gleichsam nur um des Witzes willen: seine Zweckbestimmung ist der Witz.
Um das Gemeine, wenn man nicht selbst gemein ist, mit der Kraft und mit der Leichtigkeit zu behandeln, aus der die Anmut entspringt, muß man nichts sonderbarer finden als das Gemeine und Sinn fürs Sonderbare haben, viel darin suchen und ahnden. Auf die Art kann auch wohl ein Mensch, der in ganz andern Sphären lebt, gewöhnliche Naturen so befriedigen, daß sie da kein Arg aus ihm haben und ihn für nichts weiter halten, als was sie unter sich liebenswürdig nennen.
Brauchen wir zum Gewöhnlichen und Gemeinen vielleicht deswegen so viel Kraft und Anstrengung, weil für den eigentlichen Menschen nichts ungewöhnlicher, nichts ungemeiner ist als armselige Gewöhnlichkeit?
»Unser Leben ist unvollkommen«
Unser Leben ist unvollkommen, weil es Perioden hat. Es sollte nur eine Periode sein, dann wär's unendlich. Der Relationsprozeß ist der substantielle. Wo mit der Verdichtung Vermehrung verbunden ist, da ist Leben.
Glückseligkeit
Themistokles und Sokrates
Unterschied zwischen errungener Größe und hoher Harmonie: Themistokles und Sokrates. Bei dem letztern scheint die Glückseligkeit nicht das Resultat begünstigender Umstände, sondern eine wahre Emanation seines Wesens zu sein. Das Unglück wird durch seine Berührung selbst zum Glück.
Effekt und Glückseligkeit
Der Effekt spielt dieselbe Rolle in der Poesie wie die Glückseligkeit in der Moral. Effekt und Glückseligkeit verhalten sich zu Ideal und Sittengesetz wie Seele zu Geist. Seele ist angewandter, unreiner, vermischter, praktischer Geist. Geist ist theoretische Seele. Die Seele soll als Seele Geist werden oder, quod idem est , der Geist als Geist, Seele.
Lebenskunstlehre. Bildungslehre des Lebens
Philosophie des Lebens
Philosophie des Lebens enthält die Wissenschaft vom unabhängigen, selbstgemachten, in meiner Gewalt stehenden Leben – und gehört zur Lebenskunstlehre oder dem System der Vorschriften, sich ein solches Leben zu bereiten.
(Enzyklopädistik.) Wenn es eine Philosophie des Lebens gibt, so kann man auch nach einer Philologie, Mathematik, Poetik und Historie des Lebens fragen.
Kunst zu leben
Kunst zu leben – gegen Makrobiotik.
Nur ein Künstler kann den Sinn des Lebens erraten.
Lebensgenußlehre
(Lebensgenußlehre.) Je mehr der Mensch seinen Sinn fürs Leben künstlerisch ausbildet, desto mehr interessiert ihn auch die Disharmonie – wegen der Auflösung. Einfache Harmonie (Melodie); komplizierte, mannigfache Harmonie (analytische); synthetische Harmonie.
»Alles muß Lebensmittel werden«
Alles muß Lebensmittel werden. Kunst, aus allem Leben zu ziehn. Alles zu beleben, ist der Zweck des Lebens. Lust ist Leben. Unlust ist Mittel zur Lust wie Tod Mittel zum Leben.
Alle Zufälle unsers Lebens sind Materialien, aus denen wir machen können, was wir wollen. Wer viel Geist hat, macht viel aus seinem Leben. Jede Bekanntschaft, jeder Vorfall wäre für den durchaus Geistigen erstes Glied einer unendlichen Reihe, Anfang eines unendlichen Romans.
Lebensklugheit
Über den Wechsel des Angenehmen und Unangenehmen in der Welt und im täglichen Leben.
Es gibt gar kein eigentliches Unglück in der Welt. Glück und Unglück stehn in beständiger Wage. Jedes Unglück ist gleichsam das Hindernis eines Stroms, der nach überwundenem Hindernis nur desto mächtiger durchbricht. Nirgends auffallender als beim Mißwachs in der Ökonomie.
Gesellschaft
Nur der keine Gesellschaft bedarf, ist bon Compagnon . Nur dieser wird, von der Gesellschaft unabhängig, sie haben und mannigfach reizen und nach willkürlichem Plan behandeln können. Die andren werden von ihm gehabt und haben ihn nicht. Die Gesellschaft muß mich nicht reizen, wenn ich sie reizen will. Sie muß Appetit zu mir haben, und ich muß mich nach ihrer Konstitution stimmen können, welche Gabe man Takt im allgemeinen nennen könnte. Ich muß nur den passiven Willen haben, mich hinzugeben, mich genießen zu lassen, mich mitzuteilen.
Gespräch
Um einem Gespräche eine beliebige Richtung zu geben, ist nur Festhaltung des Ziels nötig. So nähert man sich ihm allmählich, denn seine Anziehungskraft wird rege. Durch diese Aufmerksamkeit auf einen heterogenen Gedanken entstehn oft die witzigsten Übergänge, die artigsten Verbindungen. Man ist oft schneller da, als man denkt.
Hang, alles zu frivolisieren.
Scherz ist ein Präservativ und Konfortativ, besonders gegen das Miasma weiblicher Reize. In der großen Welt ist daher die Zerschmelzung weniger als die Verhärtung zu fürchten. Scherz frivolisiert.
Gesunder Menschenverstand
Man kann auch ohne Philosophie seine Bestimmung erfüllen, wenn man demgemäß lebt, was die Weisesten und Besten taten und lehrten, und Erfahrung und gesunden Menschenverstand zu seinen Führern macht. Mit beiden und Fleiß wird man sich in alle Geschäfte des Lebens finden können und nicht ohne Ressourcen sein. Das reine Gefühl von der Natur der Sache, das nennt man gesunden Menschenverstand, und dies ist selbst den Gelehrten, den wissenschaftlichen Architekten, unentbehrlich. Übung kann seinen Gebrauch leichter machen, und echte Lebenskraft, ungehemmt von Meinungen usw., erhält ihn rein. (Sein Entstehn ist langsam, sein Dasein plötzlich.)
Man wird nie den Weg fehlen, wenn man auf das Allgemeine in uns und um uns achtet. Unter dem Allgemeinen verstehn wir hier das Allgemeine der Vernunft; daher die notwendige Achtung für das allgemein Sittliche, die Stimme des Volks usw. – das Bleibende in uns, die Folge, insofern sie nicht eine besondre (nicht vernünftige) ist.
»Wenn du einen Riesen siehst«
Wenn man einen Riesen sieht, so untersuche man erst den Stand der Sonne und gebe acht, ob es nicht der Schatten eines Pygmäen ist.
Unser Alltagsleben
Rede, nicht Gesang
Alles Neue wirkt als Äußres, Fremdes poetisch. Alles Alte wirkt als Innres, Eignes ebenfalls romantisch. Beides im Kontrast gegen das Gewöhnliche oder gegeneinander. Neuheit des Alten, Altheit des Neuen. Das gemeine Leben ist prosaisch: Rede, nicht Gesang. Die Menge des Gewöhnlichen verstärkt nur die Gewöhnlichkeit; daher der fatale Eindruck der Welt aus dem gemeinen (indifferenten) nützlichen, prosaischen Gesichtspunkt.
Unser Alltagsleben besteht aus lauter erhaltenden, immer wiederkehrenden Verrichtungen. Dieser Zirkel von Gewohnheiten ist nur Mittel zu einem Hauptmittel, unserm irdischen Dasein überhaupt, das aus mannigfaltigen Arten zu existieren gemischt ist.
Essen, Trinken und Atmen
Das Essen ist nur ein akzentuiertes Leben. Essen, Trinken und Atmen entspricht der dreifachen Abteilung der Körper in feste, flüssige und luftige. Der ganze Körper atmet, nur die Lippen essen und trinken; gerade das Organ, was in mannigfachen Tönen das wieder aussondert, was der Geist bereitet und durch die übrigen Sinne empfangen hat. Die Lippen sind für die Geselligkeit soviel: wie sehr verdienen sie den Kuß. Jede sanfte, weiche Erhöhung ist ein symbolischer Wunsch der Berührung. So ladet uns alles in der Natur figürlich und bescheiden zu seinem Genuß ein, und so dürfte die ganze Natur wohl weiblich, Jungfrau und Mutter zugleich sein.
Die Tischzeit
Nur das Trinken verherrlicht die Poesie? Wie wenn die Poesie auch eine flüssige Seele wäre? Das Essen weckt den Witz und die Laune – daher Gourmands und dicke Leute so witzig sind – und beim Essen so leicht Scherz und muntere Unterhaltung entsteht. Auch auf andere solide Fähigkeiten wirkt's. Bei Tisch streitet und räsoniert man gern, und vieles Wahre ist bei Tisch gefunden worden. Der Witz ist geistige Elektrizität – dazu sind feste Körper nötig. Auch Freundschaften werden bei Tisch gestiftet, unter den eisernen Leuten am leichtesten; wer ahnet hier nicht Seelenmagnetism? Die Tischzeit ist die merkwürdigste Periode des Tages und vielleicht der Zweck, die Blüte des Tages. Das Frühstück ist die Knospe. Die Alten verstanden sich auch hier besser auf die Philosophie des Lebens. Sie aßen nur einmal, außer dem Frühstück, und zwar nach vollbrachten Geschäften gegen Abend. Das doppelte Essen schwächt das Interesse. Zwischen dem Essen – Schauspiel, Musik und Lektüre. Die Mahlzeit selbst eine Kurve, nach echter Bildungslehre des Lebens. Mit der leichtesten Speise den Anfang gemacht, dann gestiegen – und mit der leichtesten wieder abgeschlossen. Das Essen muß lang währen, die Verdauungszeit über; den Schluß macht am Ende der Schlummer.
Schlummer, Aufstehn, Morgen
(Schlummer. Aufstehn. Morgen usw.)
Schlummer ist ein Anhalten des höheren Organs – eine Entziehung des geistigen Reizes – des absolut sein sollenden Reizes. Die Willkür ist gehemmt. – Schlaf, Analogon des Todes. Kurzer, aber öfterer Schlaf. Seine restaurierende Wirkung. Es ist ein Zeichen, daß man ordentlich geschlafen hat, wenn man gleich munter ist. Je weniger Schlaf man braucht, desto vollkommner ist man. Eine augenblickliche Unterbrechung stärkt fast mehr als eine lange. Halbes Bewußtsein im Schlafe. Die sonderbaren Traumbilder. Das Leben im Traum. (Die Zeit verschmilzt die Gegenstände ineinander. Jede Aussicht auf eine Zukunft voll kräftigen, mannigfachen Lebens ist eine Morgenaussicht. Poetische Kurve der Sonne. Das Leben endigt, wie der Tag und ein vollkommnes Schauspiel, wehmütig –aber mit erhabener Hoffnung. Der Abend ist sentimental, wie der Morgen naiv ist. Der Morgen muß streng und geschäftig, der Abend üppig sein. Auch die Arbeit muß gegen Mittag zuwachsen und gegen das Essen zu sich etwas wieder vermindern. Früh keine Gesellschaft. Man ist morgens jung und abends alt. Jeder Abend muß unser Testament finden und unsre Sachen in Ordnung.)
Die Abenddämmerung ist immer eine wehmütige. wie die Morgendämmerung eine freudige, erwartungsvolle Stunde.
Ökonomie, das begreift Lebensordnungslehre
Ökonomie im weitesten Sinne begreift auch die Lebensordnungslehre. Es ist die praktische Wissenschaft im ganzen. Alles Praktische ist ökonomisch.
Organisationstrieb
Organisationstrieb ist Trieb, alles in Werkzeug und Mittel zu verwandeln.
»Je höher wir stehn« ...
Je höher wir stehn, desto mehr gefällt uns alles – behagt uns jede Aktion. Wir machen dann alles mit Vergnügen –höchste Ruhe und Bedürfnis – Verhältnislosigkeit – stete Bereitwilligkeit, in jedes Verhältnis zu treten und sich danach zu stimmen.
Spiel
Spielen ist Experimentieren mit dem Zufall.
Technische Verrichtungen
Bei allen technischen Verrichtungen ist der Zweck das kritische oder bildende Prinzip – und aus ihm muß die ganze Anstalt beurteilt und deduziert werden.
»Je kleiner und langsamer man anfängt«
Je kleiner und langsamer man anfängt, desto perfektibler. Je mehr man mit wenigem tun kann, desto mehr kann man mit vielem tun. Wenn man eins zu lieben versteht, so versteht man auch alles zu lieben am besten.
Jedes Ding hat seine Zeit. Übereilung.
Indem ich eine Sache übereile, wird es sein Gegenteil.
Verzeichnis aller Utensilien in einem Hause.
Unaufhörliche Tätigkeit
Unaufhörliche Tätigkeit in bestimmter Richtung, objektive Tätigkeit ist die negative Kette, die die positive (subjektiv allgemeine) Tätigkeit sehr verstärkt – und nur im vereinigten Besitz dieser beiden Tätigkeiten und im Zustande ihrer Harmonie ist man wahrhaft besonnen, wahrhaft ruhig und freitätig, zu allem geschickt, durchaus gesund.
Das Bleibende
Nur das Bleibende ist unsrer ganzen Aufmerksamkeit wert – das fortwährend Nützliche.
Schranken
Alle Schranken sind bloß des Übersteigens wegen da, usf.
Jedes Geschäft muß künstlerisch behandelt werden
Mittelbare Handlung –unmittelbare Handlung. Jedes Geschäft muß künstlerisch behandelt werden, wenn es sicher und dauernd und durchaus zweckmäßig gelingen soll.
Werners Prinzip der Ökonomie
Werners Prinzip der Ökonomie.
Dem Jäger und Ökonomen ist die ganze Tier- und Pflanzenwelt Meteorometer.
Man muß die ganze Erde wie ein Gut betrachten und von ihr Ökonomie lernen.
Arten, Geld zu erwerben
Arten, Geld zu erwerben:
1. Durch Spiel. Lotterie. 2. Durch zufälligen Fund. 3. Durch Erbschaften. 4. Durch Staatsbedienungen, 5. Durch Liebenswürdigkeit usw. mittels Geschenken. Bettelei. 6. Durch Tätigkeit und Klugheit und Kenntnisse und Fertigkeiten: a) Handelstätigkeit, b) literarische Tätigkeit, c) Kunsttätigkeit, d) Geschäftstätigkeit, e) Kraftanwendung oder physische Tätigkeit. 7. Durch Raub. 8. Durch Schönheit und Gefälligkeit.
Staatsbedienungen erlangt man durch Anciennität, Protektion, Reichtum, Stand, Ruf, Kenntnisse, Redlichkeit, Geschicklichkeit, Tätigkeit.
Die Handelstätigkeit ist entweder produktiv oder translativ. Außer Glück und Kredit, welchen man durch Redlichkeit und Klugheit erwirbt, gehört genaue Kenntnis der Bedürfnisse – und der Naturlehre der Bedürfnisse, der Mittel, sie zu befriedigen, statistische, technische, politische, geographische, ökonomische und historische Kenntnisse, ein immer reges Auge, ein alles genau übersehender und würdigender Verstand und eine fruchtbare Einbildungskraft dazu.
In der Bezahlung der Tätigkeit ist ein großer Unterschied; die Tätigkeit wird sehr mannigfach bezahlt, und es ist eine Hauptkunst, diejenige zu wählen, die am besten sich verinteressiert, wie es die Hauptsorge des Landmanns ist, seinen Boden mit der Frucht zu bestellen, die ihm den höchsten Geldertrag bringt.
Maschinen und chemische Bereitungsarten zu erfinden, ist für den szientifischen Kopf das fruchtbarste Feld.
Bewußtsein des Besitzes
Bewußtsein des Besitzes von äußerm und innerm Geld oder Vermögen. (Paarung von Enthusiasmus und Vernunft.)