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Kunstlehre der Unsterblichkeit
(Medizin.) Der Mensch muß nicht allein an stärkere Reize, sondern auch an schnellere Abwechslungen gewöhnt werden. Diese beiden Gesichtspunkte gehören in die Kunstlehre der Unsterblichkeit.
Je mannigfacher, desto schwächere Reizbarkeit für jeden einzelnen Reiz. Anwendung auf Physik. Es soll aber einst höchste Mannigfaltigkeit und höchste Energie vereinigt sein. Anwendung auf Physik. Der höchste Reiz verlangt die geringste Reizbarkeit, so wie die höchste Reizbarkeit den geringsten Reiz verlangt. Jedes Individuum hat sein bestimmtes Maß oder Gesundheitsverhältnis; unter oder über diesem Maß sind seine Krankheiten. Das wäre das vollkommen gesunde Individuum, dessen Gesundheitssphäre auch die Sphäre der Kräfte mit inbegriffe, so wie dasjenige Volk am gebildetsten sein würde, dessen Prosa, Rede, Gespräch die ganze Sphäre der Poesie und des Gesanges mit einschlösse, wo kein Unterschied zwischen Poesie und Prosa wäre.
Auch die Inokulation des Todes wird in einer künftigen allgemeinen Therapie nicht fehlen; so wie manche Krankheiten unter den Erziehungsmethoden stehn, und von den Pädagogen dazu die Heilkunde requiriert werden wird.
Der Künstler der Unsterblichkeit
Tod ist nichts als Unterbrechung des Wechsels zwischen innerm und äußerm Reiz, zwischen Seele und Welt. Das Mittelglied, das Produkt gleichsam dieser beiden unendlichen veränderlichen Größen ist der Körper, das Erregbare, oder besser, das Medium der Erregung. Der Körper ist das Produkt und zugleich das Modifikans der Erregung, eine Funktion von Seele und Welt – diese Funktion hat ein Maximum und Minimum, ist das erreicht, so hört der Wechsel auf. Der Tod ist natürlich zweifach. Das Verhältnis zwischen x und y ist vor- und rückwärts veränderlich; die Funktion im ganzen ist aber auch veränderlich. Das Maß der Konstitution ist der Erweiterung und der Verengerung fähig. Der Tod läßt sich also in unbestimmte Fernen hinaussetzen. Die Lebensordnungslehre im strengern Sinn enthält eigentlich die Kunst der Konstitutionsbildung und Verbesserung. Die eigentliche Heilkunst bloß die Vorschriften zur Erhaltung und Restauration des speziellen Verhältnisses und Wechsels der Reize oder der Faktoren. Der Künstler der Unsterblichkeit betreibt die höhere Medizin, die Infinitesimalmedizin, er betreibt die Medizin als höhere Kunst, als synthetische Kunst. Er betrachtet beständig die beiden Faktoren zugleich als Eins und sucht sie harmonisch zu machen, sie zu Einem Zwecke zu vereinigen. (Sollte ein König, der zugleich moralisches Genie ist, nicht von selbst unsterblich sein?) Der äußre Reiz ist schon in seiner Unermeßlichkeit gleichsam da und größtenteils in der Gewalt des Künstlers. Wie gering ist aber der innre Reiz gegen den äußren. Allmähliche Vermehrung des innren Reizes ist also die Hauptsorge des Künstlers der Unsterblichkeit. Mit welchem Recht kann man hier nicht sagen, auch darin haben die Dichter auf eine sonderbare Weise wahrgesagt, daß die Musen allein Unsterblichkeit geben. Jetzt erscheint auch der Gelehrte in einem neuen Lichte.
Mein magischer Idealismus.
Die gemeine Medizin ist Handwerk. Sie hat nur das Nützliche im Sinn. Jede Krankheit, jede Verletzung sollte benutzt werden können zu jenem großen Zwecke.