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Fünfzehntes Kapitel.

Als Mechthildis vor ihrem Hause anlangte, traten ihr schon unter dem Portal der Domherr und Cordova in großer Aufregung entgegen. Sie waren beide eben erst eingetroffen und hatten mit Entsetzen den Bericht der Stiftsdamen über die Flucht der Gertrudis und deren Folgen angehört. Es sah wüst aus im Hause. Der größte Teil des Gesindes hatte sich auf und davon gemacht, die übrigen standen müßig von fern und beobachteten die heimkehrende Gebieterin mit scheuen Blicken. Inmitten dieser Verwirrung bewahrte Mechthildis die heiterste Ruhe. Nachdem sie ihre militärische Ehrenwache verabschiedet und die Herren begrüßt hatte, erteilte sie dem Gesinde ihre Befehle wie sonst, während Meister Baltzer den anderen über den Vorfall vor dem Zeughause berichtete. Die Stiftsdamen waren einer Ohnmacht nahe. Cordova erbleichte vor Zorn und stieß kastilianische Verwünschungen über die ganze Stadt aus. Der Domherr begnügte sich, traurig und gedankenvoll zu nicken, wie einer, der den Ueberfall des Unheils vorhergesehen hat und schleunigst alle Reserven zur Abwehr zusammenzieht. Mechthildis aber wandte sich lächelnd zu Cordova: »Ihr müßt übel von der Gastfreundschaft unseres Hauses denken, Excellenz, da es Euch so unfreundlich beim letzten Besuch empfängt! Aber im Saale wird wohl doch Feuer und Licht sein.« Dabei ergriff sie den Arm Cordovas und ließ sich von ihm die breite Treppe hinauf geleiten, als ginge es zu einem Festmahl. Eine wunderbare, stille Heiterkeit lag über ihrem Wesen; der Domherr blickte auf sie mit ängstlicher Verwunderung, wie man ein Kind betrachtet, das unter Blumen am steilen Abhange eines Stromes spielt. Er empfand es als eine günstige Fügung des Himmels, daß in diesem Augenblicke wenigstens ein kühler Rechner wie er zugegen war, um die Kinderseele noch rechtzeitig über die ganze Gefahr aufzuklären und weiteres Unheil zu verhüten.

»Das ist ein böser Fall, Fräulein Nichte,« begann er, als sie in dem Saale angelangt waren. »Ich kann es Euch nicht verhehlen, daß Ihr Euch das Unwetter durch Eure unzeitige Freundlichkeit gegen die verdächtigen Leute selber zugezogen habt. Laßt uns sehen, was nun zu thun ist.« Er griff nach einem auf dem Tisch stehenden Schachspiel. »Seht,« fuhr er fort, indem er die schwarze Königin bedächtig zur Linken vor sich stellte, »da ist vorab dieses tolle Weibsbild, die Gertrudis. All das andere Getratsch ist durch sie erst angeregt. Wir sehen aber, wie das weiterwächst. Ihr dürft keine Zeit verlieren. Da wäre fürs erste« – ein weißer Läufer stellte sich zur Rechten der schwarzen Dame gegenüber – »ein Zeugnis vom erzbischöflichen Offizial. Das kann ich Euch noch heut schaffen. Sodann« – ein weißer Springer gesellte sich zu dem Läufer – »eine schleunige Verwahrung an den Rat. Und dann« – ein zweiter weißer Springer – »wird es wohl nützlich sein, wenn Ihr sofortiges Verhör der Gertrudis hier, in Eurer Gegenwart und Eurer Wohnung fordert. Die Kommission wird sie schon klein kriegen. Vielleicht könnte auch eine kräftige Appellation an den Kurerzbischof, als obersten geistlichen Richter –«

»Dann doch lieber an den Papst in Rom, hochwürdiger Herr Oheim,« unterbrach ihn Mechthildis lächelnd. »Oder kostet das zu viel?«

Der Domherr sah sie verblüfft an. »Ich verstehe Euch nicht,« sagte er. »Ihr nehmt das Ding wahrlich zu leicht, Nichte. Was wollt Ihr denn eigentlich?«

»Was ich will?« rief Mechthildis aufspringend. Ihre Stimme bebte und ihre Augen leuchteten von einem hohen Zorne. »Nichts von alledem will ich, was Ihr da herzählt. Ich danke Euch, Herr Oheim, denn ich kenne Eure Treue und Fürsorge für mich. Aber ist es denn möglich, daß Ihr im Ernste meint, ich werde mich zu einer solchen Posse erniedrigen? Von all dem Kläglichen, das ich in diesen letzten Wochen um mich herum erlebt habe, ist mir nichts so kläglich, so beschämend gewesen, als die blöde Feigheit, mit der sich Hunderte von klugen, hochfahrenden Menschen vor dem Pöbelwahn beugen und ihm alles bessere Gefühl opfern, statt ihn unter schweigender Verachtung zu ersticken. Das, und das allein ist das wahre Verbrechen, und damit soll ich mich beflecken? Wie viele sind denn unter euch, die nicht heimlich wissen, daß der ganze Aberglauben unchristlich, unsinnig, wahnsinnig ist? Und doch fürchtet ihr euch vor dem Geschrei, als ob es eine ernsthafte Sache wäre, und verratet andere, die es verfolgt, nur damit es nicht auch an euch komme. Was ist dagegen das Verbrechen einer Verrückten, die hinter mir herläuft und tolles Zeug schwätzt? oder der armen Leute, die sich von ihr anstecken lassen und empfangene Wohlthat als Gift ausspeien? Ihr habt sie verrückt gemacht, ihr Vornehmen, ihr Regenten im Staate und in der Kirche, und ihr nährt den Wahnsinn, indem ihr euch stellt, als ob ihr ihn für heiligen Ernst nehmt. Und solchem Verbrechen soll ich meine Ehre preisgeben?«

Der Domherr blinzelte mit einer scheuen Verwunderung an der Erzürnten hinauf. »Ihr thut mir unrecht, Nichte,« sagte er, »aber es ist jetzt nicht die Zeit zu disputieren. Wenn Ihr so alt wie ich und Domherr wäret, würdet Ihr die Dinge anders ansehen. Aber was hilft es Euch, wie Ihr sie anseht? Es handelt sich hier nicht um Ansichten. Bedenkt, bedenkt doch um Gottes willen, was Euch droht, wenn die Sache zur Untersuchung kommt und sich unter sechs Kommissaren vier finden, die ein halbes Dutzend Gründe wider Euch anerkennen!«

Mechthildis schauderte und wurde sehr blaß. »Und wenn es so wäre,« erwiderte sie, »so sollte mich doch keine Tyrannei zwingen, daß ich das Geschrei des Wahnsinns mit einem Worte als vernünftige Anklage behandelte! – Aber tröstet Euch, Herr Oheim. Mögen sie Gründe finden, so viel sie wollen; mich finden sie nicht mehr hier. Es gibt gottlob noch Länder, wo der Aberglaube nicht das Recht schreibt; und es wird auch noch einen Weg dorthin geben.«

»Und wenn es ihn nicht gäbe,« fiel Cordova ein, »so erlaubt mir zu sagen, hochwürdigster Herr, daß es überall noch Kämpfer für die Unschuld gibt. Ich enthalte mich eines Urteils über die Grundsätze, die das edle Fräulein eben ausgesprochen; denn ich bin ein treuer Sohn der Kirche und darf mir nicht anmaßen, weiser zu sein als die heilige Inquisition, die im Punkte der Hexerei nicht so frei denkt, wie der unsterbliche Cervantes. Aber das weiß ich, daß die Tugend in Person keine Hexerei treiben kann. Dies edle Fräulein hat mir vordem öfters die Ehre erwiesen, zu erlauben, daß ich ihr diene; ich hoffe, daß sie meine Dienstwilligkeit auch nicht verschmähen würde, wenn es gälte, sie vor ungerechten Richtern zu beschützen. Und wenn es der Großinquisitor wäre! Denn in diesem Falle kann ich keinem Richter mehr gehorchen als meiner Ehre und meinem Gewissen.«

Die beiden Stiftsdamen blickten mit Thränen der Rührung auf den General, der in allen Punkten ihre eigene Meinung ausgesprochen und den Streit in ihrer Seele gelöst hatte. Meister Baltzer aber bemerkte, indem er dem Domherrn einige Schachfiguren reichte: »Da habt Ihr einen weißen Turm, Hochwürdigster, für seine Excellenz; und für mich mögt Ihr immerhin diesen Bauern auf des Fräuleins Seite legen, denn wenn ich auch kein Grande von Kastilien bin, totschlagen lasse ich mich nötigenfalls immer noch für sie. Und übrigens hat sie ganz recht, wie Ihr an mir seht; denn ich habe noch keinem verschwiegen, daß ich die ganze Hexerei für drei Viertel Blödsinn und ein Viertel Schufterei halte, und doch hat mich noch keiner für einen Hexenmacher verschrieen.«

»Ihr braucht mir nicht erst zu sagen, daß Ihr ein alter Heide seid,« brummte der Domherr verdrießlich. »Als ob es sich überhaupt der Mühe lohnte, Euch um Hexerei zu verfolgen! Hier handelt es sich um die Herrin dieses Hauses, um die Tochter einer von Hernoth, und nicht um den Maler Balthasar Schnurrseckel, der nicht einmal Bürger dieser Stadt ist. Bedenkt doch nur Euren Namen, Fräulein Nichte! Das edle Geschlecht, des letzter Sproß Ihr seid!«

»Mein Geschlecht!« erwiderte Mechthildis bitter. »Mit all dem, was es mir an Vorteilen und Vorurteilen vermacht hat, bin ich zu Zeiten ärmer gewesen, als ein Bettelkind am Wege. Uebrigens mein' ich, es wäre eine schlechte Ehre für den edlen Namen, wenn seine letzte Erbin sich vor dem Pöbel beugte, Und also, hochwürdigster Herr Oheim, – bitte, nichts mehr hiervon! Warten wir ab –«

Sie verstummte und horchte nach der Thür, hinter der Männerschritte und laute hastige Rufe näher klangen. Eine selige Ahnung färbte ihre Wangen. Hendricus, der an der Thür draußen Wache stand, stieß die Flügel weit auf und meldete, wie er es auf dem Kannemannschen Feste gelernt: »Die Herren Gesandten der Generalstaaten!«

»Gottlob, – Ihr seid unversehrt!« rief der Oberst Hans Friso mit einem Blick aufatmender Erlösung auf Mechthildis. Dann, da er Cordova sah, fügte er mit gezwungenem Lächeln hinzu: »Wir stören.... Verzeiht ... ein falsches Gerücht trieb uns her...«

»Jetzt wird's aber zu arg,« rief der Meister Baltzer. »Sehr gestrenger Herr Oberst, Eure allerlieblichste Wirtin hat Euch belogen, und Ihr seid ein – «

Aber ehe er seine Ansicht zu Ende äußern konnte, stand Mechthildis vor Hans. »Das Gerücht war nicht falsch, das Euch hertrieb,« sagte sie. »Denkt Ihr noch an die Taube, die ich damals in thörichtem Spiele in die Welt sandte, Herr Oberst? Nun müßt' ich sie in Wahrheit aussenden. Wenn ich Euch selber sagte: Ich steh'... ich steh' auf dem heißen Stein, – wollt Ihr –«

»Dein Ritter sein, Mechthildis!« rief Hans. Er zog sie an sich und küßte sie auf die reine Stirn. Sie aber bot ihm aufblickend die Lippen und flüsterte in seliger Demut: »Ich will's verdienen, Hans!« Und Herr Govaert Friso breitete segnend seine Hände über die beiden.

Die anderen äußerten ihre Empfindungen auf sehr verschiedene Art. Der Knabe Hendricus blickte zu dem schönen Paare mit Augen auf, aus denen eitel Begeisterung strahlte. Cordova hatte sich abgewandt und lehnte die Stirn ans Fenster, während die beiden Stiftsdamen die unerwartete Gruppe mit einer Rührung anstarrten, die von Schrecken doch nicht ganz frei war. Meister Baltzer wischte sich heftig an den Augen und kramte mit der anderen Hand unter den Schachfiguren herum. Der Domherr aber war vollkommen verblüfft. Die plötzliche Lösung ihres Geschicks, mit der Mechthildis seinen wohlgemeinten Vorschlägen ein Ende gesetzt, überraschte ihn nicht bloß, es war auch etwas dabei, was für den Augenblick wenigstens seine geistliche Würde vor die Empfindungen des Geschäftsmannes und väterlichen Freundes treten ließ; und als ihm nun noch Meister Baltzer mit einer höflichen Verbeugung das weiße Königspaar auf den Tisch zu seiner Rechten hinsetzte, schob er mit einer unwilligen Handbewegung die Figuren zurück und sagte mit scharfer Stimme: »Also so meint Ihr's, Fräulein Nichte? Nun, da wär' es freilich vergebene Mühe, für Euch ein Zeugnis von Eurem Oberhirten auszuwirken, wenn Ihr um irdischer Liebe willen nebst allem anderen auch Eurem Glauben untreu werden wollt!«

Mechthildis richtete sich hoch auf, ohne die Hand ihres Verlobten loszulassen, und sah den geistlichen Herrn groß an. »Meinem Glauben?« sagte sie. »Ich denke, Herr Oheim, seinem Glauben kann überhaupt keiner untreu werden. Was einer in seinem Herzen glaubt, das geht nur Gott und ihn an, und er hat es mit keinem anderen auszumachen. Was aber die Kirche angeht, der ich wie Ihr zugeschrieben bin, so meine ich, daß mein Liebster nicht danach fragen wird. – Ich habe wirklich noch gar nicht daran gedacht. Aber,« setzte sie lächelnd hinzu und deutete auf Herrn Govaert, »hier steht ja einer, der wie Ihr Theologe ist und mit im Rate seines Landes sitzt. Der wird Euch ja Auskunft geben, wie man es dort in solchen Dingen halten darf.«

»Die Auskunft hat ein Höherer als wir gegeben, und nicht für ein einzelnes Land, sondern für die ganze Christenheit,« sagte der Domine. »Ihr wißt doch, Herr Domherr, was der Apostel Paulus den Korinthern sagt, im ersten Briefe, siebentes Kapitel? ›So ein Bruder ein heidnisches Weib oder eine Schwester einen heidnischen Mann hat, so sollen sie sich darum nicht scheiden.‹ Nicht wahr? Was zwischen Christen und Heiden recht ist, das wird aber wohl gewiß zwischen den Zugeschriebenen der verschiedenen christlichen Bekenntnisse billig sein.«

Der Domherr lächelte gezwungen. »Lassen wir die theologischen Erörterungen,« sagte er. »Man kommt doch zu keiner Einigung. Ihr haltet es so, anderswo hält man es anders. An das Gesetz Eurer Vaterstadt habt Ihr wohl auch noch nicht gedacht, Fräulein Nichte? So Ihr einem nichtkatholischen Manne folgt, müßt Ihr fünfzehn vom Hundert Eurer gesamten Habe an den Stadtsäckel zahlen, und Grundeigentum dürft Ihr nach Eurer Vermählung überhaupt nicht mehr im Gebiete hiesiger Stadt besitzen.«

»Das überlasse ich Euch, Herr Oheim,« sagte Mechthildis freundlich. »Es thut mir leid, wenn ich Euch betrübt habe, aber ich vertraue, daß Ihr mir darum die Bitte doch nicht abschlagen werdet, noch einmal für mich die Geschäfte zu führen, die Ihr als mein Vormund so treulich geführt habt, und so klug, wie es überhaupt wohl keiner als Ihr kann.«

Der Domherr nickte geschmeichelt und versöhnt, und die Unmutsfalten auf seinem Antlitz lösten sich in einem friedlichen Lächeln. »Eine schlimme Geschichte bleibt's immer,« brummte er, schon ganz in die neue Aufgabe vertieft. »Wer in unserer Stadt hat bei diesen klemmen Zeiten Lust zu einem ehrlichen Handel? Sie werden warten, bis Ihr vermählt seid und Euer Gut verkaufen müßt, und dann steigern sie es um einen Spottpreis an. Wenn doch unsereinem einmal ein Geschäft käme, woran man eine Freude hat!«

»Mit Verlaub, hochwürdigster Herr,« versetzte Meister Baltzer, »warum werft Ihr denn nicht lieber Eure Sorgen gleich in einen Topf? Fragt doch das Fräulein, ob sie Euch nicht Vollmacht geben will, ihren hiesigen Grundbesitz gegen die geldernschen Klostergüter einzutauschen? Dann seid Ihr Eurer beiden Sorgenkinder ledig.«

Der Domherr sah ihn verklärt an. »Meister Baltzer,« rief er, »Ihr seid ein Heide und ein Spottvogel dazu, aber zuweilen schenken Euch die Heiligen in ihrer Langmut doch merkwürdig gute Einfälle! – Ja,« fuhr er fort, indem er aufstand und mit aufgeregten Blicken die Ansicht des Obersten und Herrn Govaerts zu erspähen suchte, »das wäre freilich ein goldner Ausweg! Aber ich weiß nicht, was die Herren dazu denken.... Jedenfalls müßtet Ihr dann schon, hochverehrtester Herr Staatsrat, die Interessen des Fräuleins vertreten –«

»Ich denke, das ist nicht nötig,« erwiderte Herr Govaert lächelnd. »Meine liebe Tochter – wenn sie mir jetzt schon diesen Namen erlaubt – weiß am besten, daß Ihr beider Parteien Interessen wie kein anderer zu schätzen und unparteiisch abzuwägen wißt.«

»Zu schätzen weiß ich sie schon bis auf den Stüber,« erklärte der beglückte Geschäftsmann, »die Vollmacht vom Stift habe ich, und für diese Partei wäre es ja ein wahrer Segen, denn wer weiß, wie lange es die Stiftsdamen bei währender Kriegszeit trotz aller salva guarda noch auf ihrem ländlichen Stammsitz in Marienforst aushalten werden? Da wäre so ein Ersatz wie dies Haus und der Mechterhof eine Gnade Gottes, – nicht wahr?« wandte er sich an die beiden alten Fräulein.

»Himmlisch wäre es!« flüsterten sie zugleich. Sie führten voll Rührung ihre Tüchlein an die Augen und trippelten zu Mechthildis, um ihr mit Inbrunst zu einer Verbindung Glück zu wünschen, deren Romantik ihnen schon von vornherein zugesagt hatte und in der sie jetzt ganz unbedenklich den Finger Gottes erkannten.

»Aber –« begann der Domherr und sah Hans ungewiß an.

»Was denn noch, hochwürdigster Herr?« fragte Hans fröhlich. »Macht die Sache nur schnell ab, denn Ihr glaubt nicht, wie es mich verlangt, meine Liebste als geldernsche Gutsfrau zu wissen!«

»O, wenn Ihr auch so sprecht,« meinte der Domherr mit einem Seufzer der Erleichterung, »dann ist ja alles klar. Gleich heute abend werde ich einen Hauptvertrag aufsetzen, bis morgen kann alles zur Unterschrift bereit sein, Eure Vollmacht könnt Ihr mir gleich ausstellen, Fräulein Nichte, – auch für das übrige.«

»Na, Gott sei Dank, daß wir so weit sind,« sagte der Meister Baltzer. Er faßte Mechthildis und Hans bei der Hand und wollte wohl etwas sagen, aber er kam nicht dazu vor Rührung. Aergerlich wandte er sich ab und schluchzte: »Herrschaften, ich habe Hunger.... Laßt uns die beiden allein lassen, sie wollen doch in Ruhe Abschied nehmen. Bedenkt doch, daß der Herr Bräutigam heute noch abreisen muß.«

»Nimm mich mit,« bat Mechthildis und schlang ihre Arme um den Nacken des Geliebten. »Was soll ich hier noch? Wo du bist, will ich auch sein.«

»Es geht nicht, Tochter,« sagte Herr Govaert. »Wir haben eine rasche und böse Reise zu Roß; nur für uns gilt der Freipaß jenseits des Rheins und das Geleit der bergischen Reiter.«

»Aber, wie kann ich sie hier jetzt allein lassen, Vater!« rief Hans.

Cordova wandte sich um und trat näher. »Erlaubt mir, Herr Oberst,« sagte er. »Wollt Ihr mir Eure Verlobte und will das Fräulein sich mir anvertrauen, so gelobe ich, sie bequem und sicher durch meine Truppen hindurch diesseits des Rheins bis zu Euren Vorposten zu geleiten, wo Ihr sie erwarten mögt.«

»Ich danke Euch,« sagte Mechthildis und ergriff seine Hand. »Das nehme ich gern an.«

»Auch ich,« fügte Hans hinzu. »Möcht' ich's Euch danken können, Excellenz!«

»Auf dem Schlachtfeld, wenn's beliebt,« erwiderte Cordova mit einer höflichen Verbeugung.

Indes hörte man draußen auf der Straße Lärm von Wagen und Pferden, dazwischen mißtöniges Schreien und Pfeifen.

»O Himmel!« rief der Domherr aus dem Fenster spähend, »und das hatten wir ganz vergessen! Da ist schon eine Abordnung vom Rat, zur Haussuchung womöglich, und der Pöbel hinterdrein. Was nun?«

»Das ist doch sehr einfach,« versetzte Meister Baltzer. »Empfangt Ihr sie und fragt, was sie hier auf dem Besitztum des frommen Stiftes Marienforst zu suchen haben. Das dürft Ihr Euch wohl schon jetzt erlauben. Vielleicht ist auch der Herr Staatsrat so gütig und läßt ein Wörtchen mit einfließen, falls sie die Verlobte eines niederländischen Gesandten behelligen wollen.«

»So gestattet, Herr Staatsrat, daß ich mich anschließe,« bemerkte Cordova mit einem schwachen Lächeln. »Es könnte nützlich sein, wenn ich die Herren erinnere, daß es mir nicht einerlei ist, wenn man in meinem Ehrenquartier nach Hexereien spürt.«

»Herrlich!« brummte Meister Baltzer. »Ich bin wirklich sehr hungrig, aber das muß ich sehen, wie dieses Bündnis auf unsere neutralen Ratsgesichter wirkt.« Auch die Stiftsdamen trippelten neugierig und verschämt mit. An der Thür machte Meister Baltzer Halt und ließ die Damen mit einer tiefen Verbeugung vorauf. »Daß ich's nicht vergesse, Fräulein,« rief er nach Mechthildis zurück, »Ihr müßt Euch Gesellschaft auf der Reise gefallen lassen. Wenn Seine Excellenz mich nicht abweist, reisen wir mit, der Knabe Hendricus und ich. Ich glaube wirklich, es kann noch ein Maler aus ihm werden. Da muß ich ihn aber schon bei den Meistern in Eurem neuen Vaterlande unterbringen, wo sie jetzt wieder einmal die ganze Malerei auf den Kopf stellen. Mit dem Meister Baltzer ist es nichts mehr. Der läßt das Arbeiten jetzt bleiben, der freut sich nur noch!« –



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